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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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Label-Porträt – All My Ghosts

24. April 2023 / Kommentare (0)

All My Ghosts ist alles andere als ein Newcomer – in diesem Jahr feiert das Leipziger Label sein fünf-jähriges Bestehen. Wer dahinter steckt und wo es musikalisch hinmöchte, erfahrt ihr hier.

Es gibt nicht mehr viele Labels, die uns noch klassisch mit physischen Promos bemustern – wenn überhaupt. Meist suchen wir selbst bei Bandcamp oder Soundcloud nach neuen Leipzig-Releases. Bei All My Ghosts ist das anders. Im Dezember 2022 lag ein liebevoll verpackter Brief in unserem Briefkasten. Darin die damals parallel veröffentlichten neuen Album von Gregor Dys sowie Flowers & Fabini. Ein paar Monate davor waren wir über die Split-EP von Discount Furniture und 5AA5 erstmals auf das Label gestoßen und sehr fasziniert von dem diversen Label-Katalog.

Höchste Zeit also für ein Porträt. Kurz zu den Hard Facts: All My Ghosts ging Anfang 2018 an den Start, mittlerweile sind 20 Releases herausgekommen – oftmals auf Tape, teilweise auch auf Vinyl. Stilistisch bewegt sich All My Ghosts zwischen Indie-Rock und Postpunk, Ambient und Downbeat, Dream-Pop und experimenteller Electronica, House und Wave – ein beachtliches Spektrum also. Gegründet wurde das Label von Nils Schäfer. Als Nils Panda produziert er auch selbst elektronisch-poppig-indieske Tracks und schreibt seit Neuestem auch Reviews für frohfroh. Warum er das Label gegründet hat, erklärt er am besten selbst.

__Interview

Wie kam die Idee zu All My Ghosts?

Die Idee kam nach meinem Umzug von Berlin nach Leipzig. Ich hatte in Berlin gesehen, dass man im Kleinen schon eine Menge Dinge auf die Beine stellen kann. Damals hatte ich noch eine Band, die bei bei dem kleinen Berliner Label Späti Palace veröffentlicht hat. Die und ein paar andere Leute haben in Berlin Konzerte veranstaltet und die lokale Szene gepusht. Das hat mich fasziniert und inspiriert. 

Ich wollte mit All My Ghosts dann auch eine Plattform haben, um selbst Dinge entstehen zu lassen. Und eine Base für eigene Releases und all die Leute um mich herum haben. Anschluss an die „Szene“ in Leipzig habe ich schnell gefunden, ich habe die Leute einfach immer angequatscht, wenn ich mitgekriegt habe, dass die Musik machen. 

Wer steckt noch alles hinter dem Label und aus welchem musikalischen Kontext kommt ihr?

Hinter dem Label stecke ich, wobei ich aber mega unterstützt werde von Freund:innen, die immer mal aushelfen – vor allem von der Grafikerin Iska Kaek, mit der ich auch zusammen die Mixtape-Reihe „Ghost Tapes“ auf Soundcloud mache. Iska hat sehr viele Releases auf All My Ghosts gestaltet und steht auch immer tatkräftig zur Seite bei der Umsetzung der physischen Tonträger – also wenn es um Verpackung, Siebdruck usw. geht.

Ich habe mich immer für die lokalen Szenen der Städte interessiert, in denen ich lebe. In diesem Sinne ist mein jetziger Kontext in Leipzig die elektronische Musikszene und die junge Jazzszene. Aber auch in der Bandszene hänge ich mit drin. In Berlin und in München war es immer die Indie-/Postrockszene in der ich unterwegs war, ganz früher Techno und elektronische Musik. Jetzt ist das irgendwie alles zusammen. Ich denke das Konzept von DIY hat auch immer eine Rolle gespielt, egal in welcher Szene ich grad so unterwegs war. 

Fotos: Iona Dutz

Dein Katalog ist recht divers – was ist aus deiner Sicht der musikalisch-künstlerisch rote Faden bei All My Ghosts?

Ich stehe hinter allem, was ich veröffentliche – das ist der rote Faden. Alle Menschen, die Musik auf All My Ghosts veröffentlichen, sind Freund:innen gewesen oder durch die Zusammenarbeit geworden. Ich möchte nur Musik veröffentlichen, für die ich 100 Prozent brenne. Da die Label-Arbeit quasi neben dem Job läuft, kann ich auch nur so arbeiten. Durch Events wie das Ghost Fest habe ich auch versucht, Dinge zusammenzubringen, die auf den ersten Blick vielleicht erstmal nicht zusammen passen. Ambient, Dreampop, Postrock. Am Ende ist es aber einfach alles Musik, die mir gefällt. Natürlich habe ich auch mal drüber nachgedacht, dem Label einen „Style“ zu verpassen, bin dann aber schnell gescheitert beim Nachdenken darüber, weil mir das zu gewollt erschien. 

Wie schätzt du die Leipziger Musikszene ein – wo sind spannende Entwicklungen, woran hapert es noch?

Es ist schwierig, das als Zugezogener zu bewerten. Was ich aber sagen kann ist, dass ich in Leipzig eine sehr breit aufgestellte Musikszene vorgefunden habe, in die ich schnell eintauchen konnte. Es gibt so viele Leute, die coole Sachen machen und immer wieder neue Locations. Auch glaube ich, dass die Leute nicht so die Scheuklappen aufhaben, was Überschneidungen in den Szenen angeht. Ich bewege mich sehr gerne in den verschiedenen Szenen und genieße es. Natürlich versuche ich auch, einen Teil dazu beizutragen. 

Vielleicht ein bisschen konkreter wäre es auf die Arbeit von den eingesessenen Institutionen wie UT Connewitz, Conne Island, Noch Besser Leben oder Ilses Erika hinzuweisen oder die Plattenläden zu nennen wie Inch By Inch und Vary. Oder die Labels, die schon ewig ihr Ding machen wie Altin Village & Mine, Kann etc. Auch spannend finde ich den Jazzclub, der die Jazztage organisiert und da neue Wege geht. Neue Locations ploppen auch immer wieder auf, im Westen wie im Osten. Die (Tape-)Labelszene ist auch so ein Ding, das komplett flashig ist. Es gibt sehr viele kleine Labels, die einfach machen, auf was sie Lust haben, sich dabei aber auch immer wieder miteinander verbünden. Prepaid Records und Cassettendienst fallen mir da spontan ein. Die Leute haben Bock, was zu machen und das inspiriert. 

Was sind deine nächsten großen Pläne und Ziele mit dem Label?

Vor Kurzem ist die Vinyl-EP von Twins in Colour erschienen, einer Dream-Pop-Band aus Leipzig. Und dann kam eben ein IDM-Release von Discount Furniture auf Tape an. 

Im Mai findet der „Fachmarkt für Kulturgut“ im Rahmen des Busy Hands Festivals – ein Festival für Konzertposter Festival – statt, wo diverse (Tape-)Labels am Start sind und ihr Zeug anbieten können. Ich möchte im Sommer unbedingt wieder ein Event auf die Beine stellen mit Bands und Acts. Auch sehr gerne will ich das „Ghost Tapes“-Mixtape-Konzept zu einer kleinen Partyreihe machen, die so durch die Bars tourt. Leute legen einfach ihre Lieblingsmusik auf. Dafür suche ich noch die passenden Locations. 

Foto: Iona Dutz

__Label-Katalog

Zum Reinschnuppern in den All My Ghosts-Katalog gibt es ein paar unserer Highlights:

Discount Furniture „Envelope“

Eine rau und niedlich pulsierende Electronica-EP, die mit der Game Boy-Software Nanoloop entstand. Mit hölzernen Oldschool-Beats, kantigen Melodien und einer herrlich-kindlichen Neugier. Aber alles mit feinem Gespür für Pop.

Twins In Colour „In Event Of Moon Disaster“

Retrofuturistisch klingende Synth-Pop-EP mit zwei unterschiedlichen Gesangsstimmen und einer nächtlich-unterkühlten Atmosphäre. Und zwischendurch sehr amtlich-hitverdächtige Dream-Pop-Songs.

Gregor Dys „Verwoben“

Eine traumeinladende Reise durch modular erzeugte Synth-Sounds, einer Gitarre sowie anderen akustischen Instrumenten. Sehr kontemplativ und irgendwie auch trippy mit recht freien Arrangements.

Flowers & Fabini „Digitally Assisted Music Vol. 1“

Hier treffen Trompete und elektronische Experimente aufeinander. Erinnert mich direkt an Nils Petter Molvaer, mit kantigeren und kitschigeren Phasen. Auch hier: Ein tolles Album zum Abtauchen und angeregten Entspannen.

Elme „Shimmer“

Noch ein Duo – hier werden Samples und Synths, Loops und Cuts zu deep-crispen Downbeat- und House-Tracks. Sehr laidback und harmonisch.

Nils Panda „121212“

Und zum Schluss noch das Album des Label-Betreibers Nils. Auf „121212“ vereint er seine verschiedenen musikalischen Richtungen mit einigen Gästen. Heraus kommen zarte Indie-House-, verträumte Downbeat-Pop-Songs sowie sich freier entfaltende Electronica-Stücke.


__Fotos

Wir freuen uns sehr, dass uns ab sofort auch Iona Dutz beim Bebildern ausgewählter Porträts unterstützen wird – sie hat alle Bilder dieses Artikels aufgenommen. Wie sie arbeitet und was sie bei ihrem ersten frohfroh-Shooting geflasht hat, erzählt sie hier:

“Hey, ich bin Iona. (Licht-) Stimmungen und Menschen sind ein super wichtiger Teil meiner Arbeit als freie Porträt- und Dokumentarfotografin. An meinem Job liebe ich es, immer wieder in neue Situationen und (Lebens-) Geschichten einzutauchen und sie sichtbar zu machen.

Durch die Fotosession mit Nils bin ich auf sein kleines Label All My Ghosts aufmerksam geworden und geflasht von den Musikern, die er vertritt – insbesondere das neue Album von Twins in Color hat mich sofort in den Bann gezogen. Ich denke von All My Ghosts und der Band wird man künftig mehr hören …“

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