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Nils & Jens
Nils und Jens together im Studio – beide hören sich durch den Bandcamp-Dschungel und suchen die spannendsten Leipzig-Releases heraus.

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New In – Oktober 2023

12. November 2023 / Kommentare (0)

Die Club-Season ist eröffnet und mit ihr schwappten im Oktober ein Haufen guter Releases aus Leipzig rein. Eine kleine Rückschau.

Credit 00 & Wolf Müller – “Funk The System” (Rat Life)

Eine super spannende EP kommt vom Uncanny Valley-Sublabel Rat Life! Eine Düsseldorf/Leipzig-Kollabo zwischen Wolf Müller (aka Bufiman, Jan Schulte etc.) und Credit 00. Die fünf Tracks, die unter dem Motto „Funk The System“ laufen, nahmen bereits 2018 in Düsseldorf ihren Anfang. Wilde Hardware-Jams auf allem, was gerade zur Hand war und Samples von alten DDR-Jazz-Platten lieferten die Grundlage. Die Stücke lagen dann eine ganze Pandemie lang auf der Festplatte, wurden nach Corona allerdings immer noch für würdig erachtet und schließlich finalisiert.

Es beginnt mutig mit einem Kraftwerk-Sample. „Yellow Fire“ klingt tatsächlich ein bisschen nach einer aufgehübschten Version des Klassikers „Boing Boom Tschak“ von eben erwähnter Band. Schon fett! „Never Mind The Gap!“ kommt als langsamer Electro-Breakbeat-Track daher, der mit dicker Bassline und Filter-Sounds auftrumpft. „Ursuppe“ ist ein esoterisch anmutender Downbeat- Stomper mit Jungle Bass und viel Getrommel. Das Titelstück „Funk the system“ ist es dann aber für mich, was die EP herausragend macht. Mit Rizmi am Mic wird hier eine eigene Interpretation eines alten DDR-Arbeiterliedes mit bizarren Vocals gebaut (sh. Intro des Tracks), die alles in allem super funky und poppig ist. Checkt mal den Synth/Gesangs-Einstieg bei Minute 4. Alles klar, oder? „Urban Utan“ könnte so auch auf irgendeiner alten Chemical Brothers Platte drauf sein. Big Beat Time! Die Synths haben ein bisschen Trance-Flair. Ist das ein „Tour de France“-Sample? Haha, ok. Stop!

Nils‘ Hit: „Funk The System“. Why: Der überraschende Vocal-Einsatz in Kombi mit den Synths ist einfach wahnsinnig schön.


Grush – „INTO001“ (Into Records)

Into, what? Ja, R.A.N.D. Muzik denkt gar nicht daran, das Tempo zu drosseln. Stattdessen startet das an das gleichnamige Leipziger Plattenpresswerk angegliederte Label noch ein weiteres Sub-Label. Into soll sich mehr Minimal und Tech House widmen. Also etwas weniger proggy Sounds?

Klingt nicht schlecht. Auf der 001 ist mit Grush ein griechischer Newcomer am Start, der hier offensichtlich gut hinpasst. Seine drei Tracks kommen mit wenigen, präzis gesetzten Elementen aus. Das Gute bei ihm: Er lässt Crisp in den Sounds, es knistert und rauscht, so dass sich die Tracks gut von dem aalglatten Ibiza-Tech-House abgrenzen können. Ein guter Start also.

Jens Hit: “Nightwalk“. Why: Weil die groovy Bassline dem Minimal-Vibe einen sehr frischen Schub gibt.


Lekande – “It Happens” (Row Records)

Die neue EP auf Row überrascht ein wenig mit ihrer Eingängigkeit. Der Leipziger Produzent Lekande baut in dem Titelstück auf einen flächigen, loop-basierten und soften Breakbeat-Sound, der ein bisschen melancholisch und dreamy daher kommt. „Stella Maris“ ist dann eine cineastische Ambient-Nummer, die nicht weniger untypisch ist für ein Label, was eigentlich einen ganz anderen Sound fährt. Aber sei es drum, die Qualität stimmt!


Der Lowtec-Remix auf der B-Seite macht dann nochmal ein paar Dub-Räume auf. Den Abschluss machen Kaep und Bhed mit einem Remix, der den „Row-Sound“ am ehesten repräsentiert. Eine abwechslungsreiche und erfrischende Mischung aus Ambient-Flächen, Dub-Elementen und Breaks. Pretty cool!

Übrigens möchte ich darauf hinweisen, dass das kollagenartige Artwork bei Row ziemlich ansprechend ist. Allein deswegen lohnt es sich die Platten mal in die Hand zu nehmen.

Nils‘ Hit: „It happens“. Why: Sphärisch, atmosphärisch, schön.


Bauarbeiter der Liebe – “Auf Monte in L.E. #1“ (Oldnew Records)

Anfang Oktober erschien auch mal wieder eine neue EP des Trios Bauarbeiter der Liebe. Eine EP, die wohl in nur 24 Stunden aufgenommen wurde. Und diese Session-Leichtigkeit ist den vier Tracks durchaus anzuhören.

Groovy, funky und organic Deep House, dazu ein paar Preacher-Vocals, Bläser und dreamy Gitarren, dazu viel Laidback-Atmosphäre. “Auf Monte in L.E.” bringt einen starken Band-Vibe mit, der in seiner Reduziertheit auch echt gut funktioniert. Die perfekte EP, um den Herbst-Blues abzumildern.

Jens Hit: “Love Is A Baustelle”. Why: Weil geiler Titel und geile Breakigkeit.


The Other Others – “The Other Others” (Jahtari Music)

Und auch das Label Jahtari Music liefert neue, heiße Ware. Ein Album der Produzenten Disrupt, Rootah und der Sängerin/Vokalistin Jasmine Tutum. Gemeinsam nennen sie sich The Other Others und machen mit ihrer Musik mal eben eine neue Schublade auf: „Experimental Deephouse Afro-futurism“, nennen es die Drei selbst.

Tracks in Deep House-Geschwindigkeit mit einem gewissen Reggae-Vibe, darüber die beschwörenden Vocals der in Tokio geborenen und in Jamaika aufgewachsenen Vokalistin Jasmin. Die Kombi aus Basslines, Jungle Sounds, sphärischen Synthies über 4/4-Bett und der energisch vorgetragenen Dub-Poesie der Sängerin kommt schon ziemlich gut. Eine atmosphärische und vielseitige Scheibe, die ihre Fühler in alle möglichen Richtungen ausstreckt (Chicago, Jamaica, Detroit) und ihre Inspiration aus allem möglichen zieht. Eine spannende Fusion der Stile.

Nils`Hit: Daze Days. Why: Das Stück hat so einen schönen Massive Attack 90s-Vibe, den ich mag.


Ginkø x BSN Posse – “Nobody EP“ (Defrostatica)

Nach dem extrem aktiven letzten Jahr, hat Defrostatica 2023 den Gang etwas zurückgedreht und im Oktober die erste Platte des Jahres veröffentlicht. Es ist ein Wiederhören mit den spanischen Juke-Helden BSN Posse.

Sie haben sich mit Ginkø vom Madrider Humanoid Audio-Kollektiv zusammengetan und eine äußerst einnehmende EP produziert, die super gut zwischen Dramatik und Deepness sowie Juke und modernem Drum & Bass ausbalanciert ist. Tracks mit großer Präsenz und weiten Räumen, emotional hochgepitchten Vocal-Samples und einer hohen Musikalität. Eine EP, die einmal deutlich macht, wie qualitätssicher und wichtig Defrostatica mittlerweile geworden ist.

Jens’ Hit: “Rainforest”. Why: Weil die Juke-Hektik die Dynamik eines Regenwaldes perfekt auf den Clubfloor bringt.


David Wunderlich – “First They’ve Built Their Walls” (Unterschall Records)

Neues auch Unterschall Records – in unserem Sommer-Rückblick hatten wir das Leipziger Dark-Synth-Post-Punk-Label erstmals im Blick. Im Oktober folgte nun die Debüt-EP von David Wunderlich, eine Coming-Of-Age-Abrechnung mit der eigenen Jugend in einer konservativen Kleinstadt. Perfekter Stoff für dunkle, melancholische Synth- und Post-Punk-Songs also.

Wunderlichs tiefe Stimme und sein deutscher Akzent geben den klassisch 80s-gefilterten Pop-Songs die passende German-Tristesse-Dramatik. irgendwie wirken die Vocals in den durchaus guten Sounds dennoch etwas entrückt und nehmen mich meist nicht so recht mit. Seine Stories hingegen schon.

Jens’ Hit: “Old Sounds”. Why: Weil es als wunderbar langsam gleitende Ballade ein super Outro aus dieser EP ist.


Yseto – „Vestiges Of Stellar Coasts“ (Patching Flowers)

Mitte Oktober haben wir auch ein neues Electronic-Label aus Leipzig entdeckt: Patching Flowers. Seit Anfang 2021 ist es aktiv und seitdem einen überraschend hohen Output gehabt – digital und teilweise auch auf Tape.

Zuletzt gab es eine EP von Yseto, die sich Ambient in verschiedenen Facetten widmet. Mit viel Delay durchschreiten die Tracks dissonante und harmonische Soundssphären, kitzeln ASMR-like die Synapsen und lassen sich einfach sehr viel Zeit zum Entfalten. “Zeda” mäandert über 50 Minuten hinweg und erzeugt einen sehr kontemplativen, komplett umringenden Schwebezustand. Sollten wir unbedingt im Blick behalten.

Jens’ Hit: “Flunx”. Why: Weil hier Schweben und Crisp gut verbunden werden, mit Anleihen an Alva Noto.


DJ Chrysalis – “Gather Thistles, Expect Prickles” (Kann Records)

Auch Kann Records meldete im Oktober ein New In – mit einer EP des australischen Producers DJ Chrysalis. Er startet mit einem verspielt-breaky und hell-schimmernden Track, um später in proggy-kosmische Tech-House-Gefilde abzugleiten.

Auch Kann scheint sich dem offensichtlich sehr gut funktionierenden R.A.N.D.-Sound nicht verwehren zu können. Die drei anderen Tracks hätten nämlich auch gut dorthin gepasst. Vielleicht ist es der Versuch, den Label-Sound etwas in den Zeitgeist zu verschieben. Why not.

Jens’ Hit: “Gather Thistles, Expect Prickles”. Why: Die verspielte Leichtigkeit holt mich einfach ab im November.

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