Vor Kurzem erschien beim Leipziger Label Altin Village & Mine ein sehr besonderes Mixtape, das auf mehreren Ebenen neue Perspektiven ermöglicht: „Free/Future/Music – Volume 1“. Wir haben es oft gehört in letzter Zeit – und ihr solltet das auch tun.
Altin Village & Mine erhält bei uns immer mal wieder einen extra Blick mit ausführlicheren Stand-alone-Reviews. Und das aus einem guten Grund: Die Releases dieses seit über 20 Jahren aktiven Labels sind meist sehr besondere Ereignisse. Mit eigener Tiefe, großer musikalischer Offenheit und unkonventionellen Twists. „Free/Future/Music – Volume 1“ toppt das nochmals.
Ursprünglich als Compilation zum 20. Labeljubiläum geplant, brauchte dieser Release doch noch einige Jahre mehr zum Reifen und Herausforderungen meistern als gedacht. Am Ende waren es vier Jahre an Arbeit. Herausgekommen ist ein Mixtape im doppelten Sinn. Denn tatsächlich ist „Free/Future/Music – Volume 1“ auch auf Tape erhältlich. Und musikalisch ist die Zusammenstellung so divers wie es früher gute, selbst kuratierte Mixtapes für Freund:innen auch waren. Dieser Release öffnet ebenfalls mehrere Horizonte mit jedem neuen Song. Auch für die beteiligten Musiker:innen – es handelt sich nämlich ausschließlich um Stücke, die in teils bewährten, teils neuen Kollaborationen entstanden sind.

Und genau dieses Zusammenbringen und Aufeinanderprallen verschiedener musikalischer Handschriften und Perspektiven macht „Free/Future/Music“ so wertvoll. Er schafft „kreative Allianzen“, wie es sehr passend im Pressetext heißt. Ein Blick auf die Tracklist verrät, dass hinter diesen Allianzen lauter Musiker:innen stecken, die irgendwie schon einmal mit Marcel Schulz und dessen Label Altin Village & Mine verbunden waren. Das schafft erstmal eine große Vertrautheit, und doch gibt es viele Überraschungen. Die Zusammenarbeit von Kalme und Map.ache beispielsweise. Natürlich passen beide mit ihren subtilen Sounds und der sanften Ästhetik eh schon sehr gut zusammen. Dass „Mexico“ dennoch so schlüssig traumwandlerisch-poppig klingt, lässt einen noch um einiges mehr beseelen.
Das Gleiche gilt für „Salamander“, der Zusammenarbeit von Station 17 und Dataschock, bei der zeitgenössischer Krautrock mit eindrücklich-abstrakten Vocals in einen langen mantrahaften Sog münden. Ansonsten flackern über die 72 Minuten und zwölf Tracks von „Free/Future/Music“ immer wieder spannende Genre-Überlagungen auf. Dub und Jazz, Minimal-Techno und Ambient, Indie und folkloristische Sounds von unterschiedlichen Kontinenten.
Was die Compilation bei all der Diversität gut zusammenhält, ist eine gewisse Zurückgelehntheit und ein künstlerisches Understatement von Künstler:innen, die Lust am Forschen haben und zugleich so versiert sind, dass sie sich easy auch in unbekannten Sphären schnell neue Pfade ebnen können. Und sicherlich hat auch Fritz Brückner alias Modus Pitch beim Mastern seinen Anteil an dieser Homogeninät im hyper-hetorenen Ansatz von „Free/Future/Music“ gehabt.

Zur Vielschichtigkeit der Compilation passt auch, dass sie eine solidarische und theoretische Ebene aufmacht. Zum einen geht die Hälfte des Erlöses an Mission Lifeline. Zum anderen hinterfragt sie mit theoretischen Exposés zu den drei Schlagworten des Compilationtitels aktuelle Dysbalancen der kulturellen Praxis. Zu der gehört, dass die beteiligten Künstler:innen und das Label ihre Arbeit umsonst zur Verfügung gestellt haben. Das „Free“ öffnet in diesem Zusammenhang zwei Bedeutungsräume: Wie frei kann Musik sein, wenn sie von vielen Menschen weitgehend frei im Sinne von „kostenfrei“ genutzt wird und von Musiker:innen oftmals ohne ausreichende finanzielle Gegenleistung produziert wird? Und wie viel Zukunft steckt in einer zeitgenössischen Musikkultur, die sich stärker denn je in historizistisch-nostalgischen Revival-Schleifen verfangen hat?
„Free/Future/Music – Volume 1“ ist also so vieles mehr als eine einfache Compilation und Label-Werkschau. Das „Volume 1“ macht sehr viel Hoffnung, dass daraus eine Reihe wird, die in Zukunft immer wieder neue Perpektiven, Faszinationen, Diskussionen und Überraschungen offenbart. Der Premiere ist dies nämlich sehr gut gelungen.