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Jens
Im Stadtmagazin Kreuzer war irgendwann kein Platz mehr für die viele gute elektronische Musik aus Leipzig. Also hat Jens im Sommer 2009 frohfroh gegründet.

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#supportfrohfroh – Relativ Kollektiv im Interview

15. November 2015 / Kommentare (1)

André und Benjamin sollen künftig für frohfroh Kurz-Dokus über die Leipziger Elektronik-Szene drehen. Was ihnen künstlerisch wichtig ist und was sie vorhaben, erklären Sie in unserem Interview.

Aufmerksam auf das Relativ Kollektiv bin ich, wie wahrscheinlich einige andere auch, durch die „Landgang“-Video-Reihe geworden, bei der Musiker aus dem Analogsoul-Umfeld porträtiert wurden. Später folgte der längere Dokumentarfilm „Freiheit, Freiheit, Wirklichkeit“, der tiefer in den Alltag unabhängiger Musiker blickte.

Die unaufgeregte und fast schon poetische Ästhetik gefiel mir sofort und ich freute mich auf jede neue Folge. Logisch, dass mir bei den ersten Überlegungen einer frohfroh-Video-Reihe sofort das Relativ Kollektiv in den Sinn kam. Im Sommer traf ich mich erstmals mit André Klar und Benjamin Büttner, um gemeinsam die Video-Reihe und die Crowdfunding-Aktion vorzubereiten.

Mit dem Pitch-Video wollten sie bereits den dokumentarischen Stil anteasen, der auch die geplante frohfroh-Reihe mitprägen soll. Und so fuhren sie zu Neele, Daniel, Steffen, Markus und mir, um Stimmen und Stimmungen einzufangen.

Nun sollen sie selbst zu Wort kommen – damit ihr wisst, wer hinter der Kamera und dem Mikrofon steht, wenn das Projekt erfolgreich durch euch finanziert wird.

Was ist das Relativ Kollektiv?

André: Wir sind eine lose Gruppe von Freunden, die sich treffen, Ideen zusammentragen und freie sowie kommerzielle Projekte umsetzen. Dabei schaffen wir den Spagat zwischen Video- und Sound-Produktion bis hin zu Grafik, Fotos und Druckerzeugnissen. Die bunte Mischung an Fähigkeiten in unserer Gruppe gibt uns einen großen kreativen Background, da jeder in alle Projekte involviert wird und etwas dazu beitragen kann.

Benjamin: Das Kollektiv ist erstmal nur ein Versuch, verschiedene kreative Leute an den Tisch zu bringen und dem Ganzen eine Form zu geben. Gleichzeitig sorgt es immer wieder für neue Impulse und großartigen Input, um neue noch unbekannte Sachen auszuprobieren und auch stetig an sich selbst zu arbeiten.

Ich bin über die Landgang-Reihe auf euch aufmerksam geworden – wie kam es zu dieser Serie eigentlich?

André: Benni und ich wollten ein erstes gemeinsames Filmprojekt starten. Die Idee war, eine Musikdokumentation aus Leipzig zu machen, welche diesen Mai durch den Film „Freiheit, Freiheit, Wirklichkeit.“ umgesetzt wurde.

Die Landgang-Reihe war eine Vorbereitung auf die Dreharbeiten zur Doku. Wir konnten alle Protagonisten und Protagonistinnen kennenlernen und diese uns, konnten Orte begehen und unser Zusammenarbeiten ausloten.

Benjamin: Das Ganze wurde durch eine simple Mail an Fabian von Analogsoul ins Rollen gebracht, der uns da von Anfang an komplett vertraute, was ziemlich cool war. Schließlich hatten wir bis dahin noch nichts mit Musikern gemacht. Und irgendwie hatten wir auch ein ziemlich spannendes Jahr für das Label erwischt – neue Alben, EPs, Konzerttouren. Manchmal läuft’s einfach.

Wie war das Feedback zum Dokumentarfilm „Freiheit, Freiheit, Wirklichkeit.“?

André: Bisher ist das Feedback gut, aber auch noch sehr zurückhaltend. Das hat vor allem mit den Gegebenheiten des Filmbusiness zu tun. Wenn der Film fertig ist, geht normalerweise erstmal eine 1-2-jährige Tortur los, in der man versucht, den Film auf Filmfestivals und in unserem Fall auf Musikfestivals zu bringen.

Erst nach dieser Zeit wollen und können wir den Film einer breiten Masse zugänglich machen und mit diesem Schritt erhoffen wir uns dann auch mehr Feedback von den Menschen, die wir erreichen wollen.

Was für Filme habt ihr sonst noch gedreht?

André: „Freiheit, Freiheit, Wirklichkeit.“ ist bisher unser erster Film. Das soll aber nicht so bleiben. Wir sind bereits in der Ideenfindung für die nächste Doku, die eventuell im Laufe des nächsten Jahres angegangen wird. Thematisch werden wir uns dann aber komplett neu orientieren. Über Musik aus Leipzig werden wir dann ja hoffentlich genug in unserer gemeinsamen Video-Serie erfahren.

Benjamin, welche filmischen Genres oder Stilistiken haben dich beeinflusst bzw. sind dir für deine Aufnahmen wichtig?

Benjamin: Meinen Background habe ich im Skate-Video-Business. Vor 13 Jahren fing ich damit an, meine Skate-Homies beim Grinden der lokalen Bordsteinkanten in unserer Heimatstadt zu filmen. Über die Jahre manifestierte sich dann wahrscheinlich meine Affinität, Musik mit Film und Performance zu verbinden.

Konkrete Stile oder bahnbrechende Pioniere der gegenwärtigen Filmkunst aufzuführen fällt mir immer ziemlich schwer, da der ganze Online-Content heutzutage vor guten Sachen nur so überquillt und es nicht gerade einfacher macht, da den Überblick zu behalten. Empfehlenswert sind allerdings die Arbeiten von Tyler McPherron sowie Sebastien Zanella für das Desillusion Magazine.

Persönlich vertraue ich oft auf meine Intuition und Erfahrung. Ich mag es, Sachen einfach und ehrlich zu halten und die meist nur knappen Mittel so effizient und kreativ wie möglich auszuschöpfen.

André, du kommst aus dem Sound-Design und kümmerst dich bei euren Filmen um den Ton – was ist dir beim Ton wichtig?

André: Ton eröffnet für mich eine große Dimension, vor allem im Film. Ich möchte mit dem Ton mehr aufzeigen als das mit den Bildern möglich ist. Der unausgesprochene Standard im Film ist der Satz „Bild vor Ton“. Ich möchte mit meiner Arbeit diese Devise nicht umdrehen, will aber für den Zuschauern und Zuschauerinnen die Ebene des Tons, vor allem im Dokumentarischen wieder öffnen und den Tönen, die an den Drehorten stattfinden, eine größere Aufmerksamkeit schenken.

Ein Schritt dazu ist der Raum – jeder Raum klingt und so auch jedes Interview, was in einem Raum stattfindet. Das darf die Zuschauerin bzw. der Zuschauer gern mitbekommen, weg vom Ansteckmikrofon, hin zur realen Hörsituation.

Und gibt es in dem Bereich Leute oder Techniken, die deinen Umgang mit Tonaufnahmen besonders beeinflusst haben?

André: Ich bin in meiner Freizeit auch als Fieldrecordist unterwegs, laufe also umher und nehme spannende Orte und Geräuschquellen auf. Vor allem die im Fieldrecording bekannten Vorreiter R. Murray Schafer und Bernie Krause haben mich stark geprägt.Wie geht ihr an eure Filme meist heran – gibt es feste Abläufe?

André: Im Normalfall treffen wir uns öfters auf einen Kaffee und überlegen, worauf wir Bock haben und was sinnvoll wäre für das Endergebnis. Beim Drehen kümmert sich Benni um das Bild und ich mich um den Ton. Regie-Anweisungen kommen individuell von uns beiden.

Die Postproduktion findet dann hinter verschlossenen Türen statt, jeder in seinem Bereich. Sobald es etwas zu sehen oder zu hören gibt, setzen wir uns wieder zusammen und besprechen den aktuellen Stand, bevor das ganze fertig gestellt wird. Generell sitzen wir gemeinsam am großen Ganzen und teilen uns die einzelnen Produktionsbereiche auf.

Benjamin: Feste Abläufe gibt es so nicht. Wir stehen in regelmäßigem Kontakt und spielen uns häufig Ideen zu. Leider konnten wir bisher nur wenige Sachen im Vorfeld richtig planen, da auf Dreh meist nie irgendetwas so passiert, wie man es sich einige Tage zuvor ausgemalt hatte.

Oft ist da Spontanität und Kompromissbereitschaft gefragt. In der Postproduktion setzt man dann die Vision um. Mehr oder weniger. Manchmal ist man auch gezwungen, Sachen anders zu denken oder komplette Pläne über Bord zu werfen, um dem Video am Ende gerecht zu werden. Da ist es wichtig, nicht allein auf sich angewiesen zu sein sondern einen Kollegen zu haben, der ähnlich denkt und fühlt.

Habt ihr schon Ideen für die neue frohfroh-Video-Reihe?

Konkrete Ideen gibt es noch nicht, aber wir haben große Lust, etwas zu entdecken, was sonst vor verschlossenen Türen bleibt. Schöne Bilder und Interviews von Produzenten, die vor ihren blinkenden Geräten sitzen, gibt es schon genügend.

Für uns ist es spannend herauszufinden, was die elektronische Musikszene in Leipzig sonst noch ausmacht. Was machen die Menschen, ohne die sonst gar nichts gehen würde? Wer putzt den Club nach einem durchtanzten Wochenende? Wer schmeißt die ganze Nacht die Bar? Warum veranstaltet jemand Partys, die nichts kosten und illegal sind? Wer repariert die Anlage, wenn mal wieder der Hochtöner durchgeschossen ist? Das alles sind Fragen, die wir in unsere Recherche einbeziehen werden.

Benjamin: Für mich ist die Frage nach der Form der Video-Reihe gerade viel spannender als die des zukünftigen Contents. Ich würde gerne herumexperimentieren und mich nicht auf das reine Portrait-Format versteifen. Musikvideo und Kurzfilm sind auf jeden Fall zwei Pfeiler, die da für mich von Bedeutung und – sinnvoll miteinander verknüpft – aus der Video-Reihe ein großes Ganzes machen könnten.

Ach, und was für Musik mögt ihr eigentlich?

André: Das ist für mich schwer zu definieren und reicht von Jazz & Klassik, hin zu Electronic in seinen härteren und entspannteren Formen, bis hin zu Gitarrensounds. Über allem liegt aber schon eine größere Zuneigung zu instrumentaleren Formen der Musik. Greifen kann ich das alles jedoch nicht und würde mich auch nirgends explizit verorten.

Benjamin: Obwohl ich sehr gern und gut tanze, läuft rein elektronische Musik bei mir eher selten. Klar halten Electronica und Ambient auch Einzug auf meiner Playlist, aber generell fühl ich mich bei Psychedelic und Rock Mucke am wohlsten.

Relativ Kollektiv Website

CommentComment

  • Hinter den Kulissen der Leipziger Electronic-Szene mit frohfroh | relativ kollektiv / 07. Dezember 2015 / um 13:34
    […] Für die Videoserie haben wir also 5.000 € zur Verfügung. Wir wollen in den nächsten ein bis zwei Jahren zehn Folgen drehen. Für jede Folge werden wir also ca. 500 € einsetzen können. Das ist zwar nicht wirklich viel, wenn man an Fahrtkosten, Leihgebühren für Technik, Postproduktion und ein Team von zwei bis drei Leuten denkt. Sicher werden wir uns mit der Summe keinen schönen Urlaub gönnen. Trotzdem sind wir zuversichtlich, die wertvolle Arbeit, die frohfroh schon seit Jahren in Leipzig leistet, nicht nur unterstützen zu können, sondern auch ein Stück zu erweitern. Wir wollen die Szene selbst entdecken und eine Videoserie schaffen, die diese Szene in ihrer Einzigartigkeit beleuchtet. Wie wir uns das genau vorstellen, könnt Ihr in unserem Interview mit frohfroh nachlesen. […]

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