Es ist November, Zeit zum Verkriechen, Zeit für Kopfhörerausflüge – natürlich auch für ausgedehnte Clubnächte. Für ersteres haben wir vier passende EPs und Alben aus Leipzig.
Keine Sorge, wir kontern dem Novembergrau demnächst mit einigen sommerlich nachhallenden House- und Disco-EPs. Auch davon ist einiges herausgekommen in den letzten Wochen. Aber erstmal wird es still.Desolate „Lunar Glyphs“ (Fauxpas Musik)
Ich mag Fauxpas Musik. Das Label mit Doppelheimat in Berlin und Leipzig hüllt einen immer so angenehm in behutsame Deepness. Ganz gleich, ob das Setting House, Ambient, Downbeat oder Jungle ist. Hier gibt es kaum Kanten, dafür eine gute Balance zwischen Melancholie und subtiler Eingängigkeit. Manchmal auch etwas dick aufgetragen.
So wie bei Desolates neuem Album. Desolate, das ist ein Projekt des wunderbaren Sven Weisemann, der verdammt gute House- und Dub-Techno-Tracks produziert. Bei Desolate ist von der Hektik des Clubs nichts zu spüren. Es ist sein Projekt für Ambient und Downbeat im weitesten Sinne. Mit zugezogenen Vorhängen, einem Kamin, verhuschten Vocal-Samples, Streichern, Klavier und auch ein wenig Kitsch. Atmosphärisch und rhythmisch durchaus von Burial inspiriert – ist da nicht sogar ein Burial-Sample in „Tyroshi“?
„Lunar Glyphs“ ändert am Desalate-Sound nicht viel, es ist einerseits unaufdringlich, andererseits einnehmend in seiner Fülle und Perfektion. Wie auch schon die vorherigen beiden Alben bewegt es sich nah an der glatten Gefälligkeit. Aber genau da bin ich wieder bei der behutsamen Deepness. Manchmal ist das Samtkissen auch sehr ok. Im November zum Beispiel.
Aniela Zillinsky „References I-V“ (Modern Trips)
2017 ist das Jahr, in dem Modern Trips wieder aktiver wurde. Nun gibt endlich auch Tracks des Label-Betreibers Alza 54 zu hören. Als Aniela Zillinsky veröffentlichte er fünf Ambient-Stücke, die das genaue Gegenteil von Desolates barockem Sound sind: „References I-V“ schwankt mehr, pendelt vom gleitenden „Border ζ“ plötzlich zum schrillen „Defeat Marker Ͳ“. Und es dringt eher eine latent bedrohliche als zurückgelehnte Note dahinter hervor.
Das macht diese EP sehr viel spannender, weil es hier Ausbrüche und Wandlungen selbst innerhalb der Stücke gibt. Und teilweise auch eine gewisse naive Unbekümmertheit – wie das simple Tastenspiel auf „Malcoding Peptide Ϛ“. Mein Hit kommt zum Schluss: „(In Vivo) Ω-Verisimilitude“. Wie eine perfekte Zusammenfassung der EP.
2006 Suv „Salze“ (Modern Trips)
Am selben Tag wie Aniela Zillinskys Debüt erschien auch eine neue EP des Wiener Producers 2006 Suv auf Modern Trips. Er hatte im März die Modern Trips-Pause beendet. Auch er schafft mit seinen Tracks einen eigenen Mikrokosmos, der irgendwie harmonisch vertraut und doch eigentümlich klingt. Bei 2006 Suv schwingen aber noch mehr avantgardistische Ansätze mit. Doch nie komplett abgedreht und überzeichnet.
„Naja1tek“ ist da mit seiner rasenden Techno-Bassdrum und dem saitenartigen, hypnotischen Sound eine Ausnahme. Viel stiller und gedimmter: „Millenium Salz 0“ und „Zöfe“. Da ist sie wieder, die Eigenartigkeit im besten Sinne. Ich bin 2006 Suv-Fan!
Philipp Rumsch „A Forward-Facing Review“ (Denovali)
Zum Schluss Philipp Rumsch. Im September hatten wir die Track-Premiere zu „Part I“. Natürlich möchte ich „Part 2“ nicht unerwähnt lassen. Der Übergang zwischen beiden Stücken ist fließend. Im Gegensatz zum ersten Teil bleibt der zweite jedoch weitgehend auf einer subtil-stillen Ebene. Es gibt keine dramatische Steigerung.
Genau darin liegt die Stärke von „Part II“. Das Stück sorgt mit seinem diffusen Rauschen im Hintergrund und dem zurückhaltend gespielten Piano für eine durch und durch kontemplative Atmosphäre. Nur die ab und an auftauchenden tiefen Anschläge deuten noch auf den Sturm in „Part I“ hin. Der Ausklang kickt mich sogar noch mehr.