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Autor:in

Nils
Hört Musik am liebsten Schallplatte oder Tape. Kann sich zudem für analoge Technik mit Tasten und Knöpfen begeistern. Nebenberuflich Labelmacher und manchmal auch Veranstalter.

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On Tape #4 – GLYK

14. Mai 2024 / Kommentare (0)

In Folge 4 unserer „On Tape“-Serie stellen wir das Leipziger Label GLYK vor. Seit 2017 veröffentlicht es Musik, die sich irgendwo „in between“ verorten lässt. Wir haben uns mit Label-Kopf DJ Balduin verabredet und wollten wissen, was das Medium Tape für ihn bedeutet und was ihn mit seinem Label antreibt.

Balduin ist DJ und Produzent aus Leipzig, der vielen bereits ein Begriff sein dürfte – wir hatten ihn auch schon im ausführlichen Interview. Sein Album „Concrete Mimosa“ auf Kann Records war eine unserer Top-Platten des vergangenen Jahres und lief quasi in Dauerrotation. Er ist außerdem – gemeinsam mit Freund Yet Unseen – das DJ-Duo Feuerbach.

Neben dem Auflegen und Produzieren betreibt Balduin seit mehreren Jahren das Label GLYK, was sich irgendwo zwischen Ambient, House und Experimental eingegroovt hat. Begonnen hat alles mit einer Veranstaltungsreihe, die er noch zu Weimarer Studienzeiten mit ein paar gleichgesinnten Freund:innen ins Leben gerufen hatte – die „Musik für Päarchen und Geysteskranke“.

Foto: Nikolas Fabian Kammerer

Dabei wurde sich in Zimmer aufgelöster WGs eingemietet oder eine Kneipe bespielt, ein paar Matratzen ausgelegt oder Dinge an rotierenden Motoren an Zimmerdecken befestigt. So konnte es schon mal auf einer solchen Veranstaltung passieren, dass ein Fernseher in Flammen aufging oder Gäst:innen einen durch den Raum rotierenden Handschuh ins Gesicht bekamen. Balduin erinnert sich:

„Zu dieser Zeit gab es in Weimar nur Club-Veranstaltungen oder Studi-Parties, wovon wir sehr gelangweilt waren. Und wir dachten uns: Es gibt so viel gute Musik, die wir gerne laut und in anderen Kontexten hören wollen würden. Also lasst uns den Kontext irgendwie schaffen. Die Musik sollte eine Geschichte erzählen. Wer sich darauf konzentrieren wollte, hatte etwas zu entdecken, jedoch nicht so, wie man das aus Ambient-Kreisen vielleicht kennt. Dass jetzt alle andächtig zuhören müssen. Wir wollten etwas zwischen Deep-Listening und Extase schaffen.“

Foto: Nikolas Fabian Kammerer

GLYK als Label betreibt Balduin jedoch seit jeher ganz für sich allein. Zumal sich nach der Weimarer Zeit die Freund:innen in alle Himmelsrichtungen verteilten. Musikalisch bewege sich das Label, ähnlich wie beim DJ-Duo Feuerbach, zwischen den zwei gegenseitigen Polen „harmonisch“ und „unbequem“. Balduin meint dazu:

„Ich fahre ungerne nur eine Linie. Im Oszillieren soll ein Bild entstehen. Ich finde es langweilig, wenn ich nach zwei Releases schon erahne, wo es bei einem Label hingeht.“

Die Artists findet Balduin online oder manchmal auch in seinem unmittelbaren musikalischen Umfeld. Dabei ist es nicht wichtig, dass die Musik per se gut konsumierbar ist – manchmal sei es auch ein Konzept, das ihn reize, meint er. So zum Beispiel die Veröffentlichung von „Composition 1960 #7“ des New Yorker Produzenten John D. Murphy. Dies ist die minimalistische Techno-Interpretation eines neo-klassischen Stückes.

Foto: Nikolas Fabian Kammerer

Balduin selbst hat in Weimar Medienkunst studiert und begreift die physischen Releases auch als Spielwiese für seine Kreativität. Die Gestaltung der Artworks übernimmt er alle selbst. Ist es ihm denn wichtig, Musik neben dem digitalen Release auch auf physischen Medien zu veröffentlichen, wollte ich wissen:

„Nicht jede Musik profitiert davon, auf einem physischen Tonträger veröffentlicht zu werden. Ich finde es aber schon cool ein Medium zum Anfassen zu haben. Mir geht es darum schöne Dinge zu erschaffen, von denen ich hoffe, dass auch andere sie toll finden. Das Besondere am physischen Medium ist ja nicht nur die eigene Klangqualität oder die Interaktion damit, sondern auch, dass es irgendwo steht und Platz wegnimmt. Dann sollte es schon ein Produkt sein, dass ich gerne bei mir habe.“

Und wie steht es speziell um das Medium Kassette?

„Ich finde es generell spannend, dass jedes Medium seine Eigenheiten hat und vorgibt, wie ich ein Album höre. Auf Platte ist es in zwei oder vier Teile unterteilt, bei der CD in einem Rutsch durch. Auf Streamingportalen gibt oft der Algorithmus vor, wie es weiter geht, nachdem das Album zu Ende ist. Und beim Tape habe ich es so erfahren, dass es automatisch wieder von vorne beginnt.“

Von vorne? Ja, denn DJ Balduin besitzt ein Tape-Deck mit Auto-Reverse-Funktion. Das heißt, die Kassette wird nach einem Durchlauf erneut abgespielt. So habe jedes Medium seine eigene Art, ein Album zu erzählen. Durch das wiederholte Hören von Kassetten sei ihm klar ihm geworden, wie selten er Alben auf Repeat höre. Und das ist auch einer der Aspekte, der die Veröffentlichung von Musik auf Kassette für ihn reizvoll mache.

„Man hört die Musik ganz anders. Und bestimmte Stücke bleiben erst beim zweiten oder dritten Durchlauf hängen“, so seine Erfahrung. Für die zukünftigen Releases möchte sich Balduin ungern auf ein Medium festlegen. Ob auf Tape, digital oder auf Platte – Hauptsache es geht weiter, wie es sich für ihn am besten anfühlt. Fest steht, dass sich das Ein-Personen-Label GLYK gerade stark in Richtung kollektive Veröffentlichungsplattform bewegt.

„Lange dachte ich allein wissen zu müssen wo es mit dem Label hingeht, auch wenn Meinungen aus meinem Umfeld immer meine Entscheidungen beeinflusst haben. In den letzten Jahren sind viele der Personen, die an den ersten Weimarer Veranstaltungen beteiligt waren, nach Leipzig gezogen. Im Moment bringt uns das Label alle wieder kreativ zusammen. Da entsteht gerade eine neue Energie und es ist schön in Gemeinschaft herausfinden, was GLYK noch alles werden kann.“

Schon sehr zeitnah lässt sich etwas von dieser Energie live erspüren. Und zwar am 1. Juni 2024 im Kunstverein Leipzig. Von 10 bis 22 Uhr. Mit Lino Rex, Vanessa Bettina, Dj Ony, M-pha & Mikolaj, Yet Unseen, SRS, Matthias Schäfer, Elisabeth Kraus, Pia von Reis und Max Wiesner (und mehr)

Und hier sind noch einige Tape-Releases von GLYK, die wir euch sehr ans Herz legen:

Fotos

An dieser Stelle noch ein großes Danke an Nikolas Fabian Kammerer für die wunderbaren Fotos zu dieser Story. Wie er das Shooting mit Balduin wahrgenommen hat, erzählt er hier:

„Dass GLYK ein kreatives Label ist, war mir schon vorab klar. Dass sich Balduin aber bei den Portraits so dermaßen ins Zeug legt, hat mich doch nochmal (positiv!) überrascht. Diese sprühende Kreativität ‘am Set’ ist natürlich eine Win-Win-Situation.“

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