Irgendwie wirkt die Zeit weniger lang – aber Filburt betreibt seit fünf Jahren sein Label O*RS. Zeit für ein Interview.
O*RS gehört ohne Zweifel zu den festen Stützen der Leipziger Elektronik-Szene. Mit unterschiedlichen Formaten, Stilen, Release-Intervallen und einem stetig wachsenden Künstler-Stamm entwickelte sich Filburts Label zu einem klassischem Liebhaber-Label, das weniger auf Business-Standards schaut und dafür mehr im Sinne spontaner sowie zwischenmenschlich und subjektiv geprägter Entscheidungen agiert.
Zum Label-Jubiläum gibt es natürlich eine eigene Compilation und on top eine limitierte Box-Edition sowie ein von O*RS-Mitbetreiber Florian Seidel gestaltetes Plakat mit allen O*RS-Veröffentlichungen.
Zugleich feiert Filburt in diesem Jahr auch sein 20. Jubiläum als DJ. Das Gespräch mit ihm im Cantona ist also zu einem großen Rundumschlag geworden – von Label-Insights über Szene-Veränderungen bis zur lokalen Entwicklung. Aber lest selbst.
Fünf Jahre O*RS – wie fühlt es sich an nach fünf Jahre Label-Arbeit?
Auf alle Fälle motivierter denn je. Vor fünf Jahren war es eher eine Schnapsidee eine Platte zu machen – mit Tracks von Good Guy Mikesh und mir, die vorher nur digital veröffentlicht wurden. Und auch in einer Zeit, in der die Labels Vinyl-Releases zurückgezogen haben, weil sie meinten, dass sich Vinyl nicht mehr verkaufen würde.
Das war eigentlich der Startschuss der ersten O*RS-Platte, bei der ich damals aber noch nicht an ein Label gedacht habe. Ich wollte erstmal nur die eine Platte herausbringen, hatte durch meinen Freezone-Plattenladen aber das Glück, Kontakt zu Vertrieben zu haben. Und dann hat sie sich doch schnell verkauft.
Wie konntest du aber einen Vertrieb bekommen ohne Label-Absichten? Meist wollen die Vertriebe doch die nächsten Releases geplant sehen.
Das war bei Diamonds & Pearls. Die haben es damals sehr clever angestellt, weil sie sich die ganzen Underground-Labels gepickt haben. Mittlerweile sind sie aber auch ziemlich gewachsen. Wir hatten durch den Laden schon einen persönlichen Draht und ich habe sie einfach gefragt, ob sie die erste Platte nicht vertreiben wollen.
Nachdem sich die so gut verkauft hatte, dachte ich, dass es vielleicht weiter funktionieren könnte. In der Zwischenzeit sammelten sich bei mir unterbewusst einige Tracks, bei denen ich dachte, dass es mit denen auch funktionieren könnte. Daraus ist dann das Label entstanden.
Hattest du vorher irgendwann vor ein Label zu starten?
Ich glaube, vorher war ich noch etwas zu verblümt. Es gab vor Jahren mit Florian, der jetzt die O*RS-Grafik macht, die Idee für ein Label. Aber da haben wir uns hingesetzt und ein Finanzkonzept aufgestellt und überlegt, was das alles kosten soll – und dann hat sich das wieder zerlaufen. O*RS und alles was die letzten fünf Jahre passiert ist, ist ja aus sich heraus entstanden. Das finde ich auch das Faszinierende daran, dass es Stück für Stück gewachsen ist.
Es wirkt auch sehr intuitiv – wenn ich auf den Back-Katalog schaue, dann ist O*RS von den Stilen und auch von den Formaten her sehr breit aufgestellt. Gibt es einen Plan oder eine Vision?
Eine Vision habe ich, ja. Das hat sich bei den Alben widergespiegelt. Bei der „OverDubClub“-Compilation war es so, dass ich durch die EP mit Ranko Einblick in die Beatmaker-Szene bekommen habe. Das fand ich spannend und ich habe auch gemerkt, dass da eine enorme kreative Energie herrscht, die mal gebündelt werden müsste. Da gab es die Vision, diese Platte als Zeitdokument anzugehen – gerade durch die zweite Platte mit den Live-Mitschnitten.
Aber auch die „Softeis“-Compilation war eine Vision: Die ist entstanden, weil ich vorletztes Jahr an Weihnachten viel Zeit hatte, um ältere Platten wieder durchzuhören. Da habe ich festgestellt, dass der Plattenmarkt aktuell extrem der Industrie folgt.
Alben zum Hören aus dem elektronischen Bereich sind sehr selten geworden. Viele machen nur noch Dance-Tracks, um Bookings zu bekommen und ich wollte mit der „Softeis“-Compilation mal Ambient- und Downbeat-Tracks herausbringen, bei denen auch die Künstler zeigen können, dass sie nicht nur 4/4-Tracks produzieren. Die hat sich leider nicht so gut verkauft, aber damit hatte ich vorher bereits gerechnet.Weil die Nische für diese Musik zu klein ist?
Nein, weil der Markt sich gewandelt hat. Alben zum Hören sind ja eher für Endkunden gedacht, die aber mittlerweile eher bei Spotify oder Youtube gelandet sind und weniger Geld für Musik ausgeben. Und im DJ-Bereich habe ich manchmal das Gefühl, dass Platten, die von DJs gekauft werden, clubtauglich sein müssen.
O*RS ist auch bei Spotify – merkst du da im Gegenzug einen Zuwachs an „Endkunden“?
Digital sind wir erst seit zwei Jahren dabei. Vorher hatten wir nur Vinyl. Irgendwann hat mich dann ein Digital-Vertrieb angesprochen und da ist mittlerweile schon eine Steigerung sichtbar. Aber selbst die Digital-Verkäufe sind rückläufig, dafür werden Streaming-Angebote mehr genutzt. Das sieht man auch bei den Abrechnungen, wobei das beim Streaming im Vergleich zu einer verkauften MP3-Datei Peanuts sind.
Braucht es für so breit aufgestellte Labels mehr Idealismus als eh schon?
Das ist für mich generell die Herangehensweise. Ich bin ja jetzt als Filburt auch seit zwanzig Jahren DJ und vor kurzem bin ich umgezogen. Da ist meine komplette Plattensammlung durch die Hände gewandert – und ich habe nicht nur House-Platten im Schrank, sondern alle möglichen Genres. Es gab ja auch Zeiten, da hat es besser auf Partys funktioniert, verschiedene Genres zu crossen.
Mit Ulan Bator und Karamel Posse haben wir auch große Veranstaltungen gemacht, bei der es verschiedene Musikrichtungen auf einer Party gab. Das vermisse ich heute manchmal. In der Zeit mochte ich viele Labels, die breiter aufgestellt waren. Ninja Tunes zum Beispiel, die fast alles machen – von HipHop bis House.
Das war auch immer meine Vorstellung von einem Label. Klar sehen viele O*RS eher in einer House-Richtung – der Fokus liegt auch stark darauf – aber ich möchte mir die Freiheit nehmen, auch andere Sachen zu veröffentlichen. Da gehört natürlich Idealismus und Durchhaltevermögen dazu. Aber auf längere Sicht setzt sich so ein Ansatz auch leichter ab.
Du hast auch immer lokale Newcomer gefeatured – das scheint ein wichtiger Aspekt für dich zu sein.
Auf alle Fälle ist es so, dass ich immer gern ein Leipziger war und weiterhin gern hier in dieser Szene aktiv bin. Ich habe auch viel den Leuten von hier zu verdanken. Aber an einem gewissen Punkt habe ich festgestellt, dass ich auch älter werde und da war es mir wichtig zu schauen, was nachkommt.
Es hält ja auch jung und man hat weiter einen Bezug zu den Clubs. Wenn es neue spannende Leute gibt, sollte man die Talente der Stadt auch nach vorn bringen. Klar, beim Scouting habt ihr mir mit frohfroh auch viel geholfen, ich habe auch nicht alles auf dem Schirm.
Andererseits: Je größer das Label wurde, desto häufiger kamen auch renommiertere Namen mit rein.
Ja. Das waren immer Leute, die durch meine jahrelange Netzwerkarbeit eh schon im Dunstkreis waren und die einfach auch Bock darauf hatten. Das wirkt nach außen hin immer so gut funktionierend, aber wir verkaufen ja keine großen Stückzahlen – 300 bis 400 Platten.
Aber zum Beispiel Yannick Labbé ist für mich mit Trickski schon immer ein Hero gewesen. Wir sind dann in Kontakt gekommen und als er meinte, dass das Label so super sei und er unbedingt was machen wollen würde, war ich schon überrascht. Im Mai kommt jetzt auch eine SuperSingle von ihm heraus, auf die er sich total freut. Da denke ich mir dann auch: Krass.
Das sind Typen, die schon um den ganzen Globus gekommen sind und dann Bock auf so etwas wie O*RS haben. Da merke ich, dass sie auch die richtige Einstellung zum Label haben und dass es nicht immer nur darum geht, die nächsten Bookings zu garantieren, sondern dass zu machen, worauf sie Lust haben.Ich habe O*RS immer als Liebhaber- und Boutique-Label wahrgenommen, das sich die Perlen herauspickt – es ist kein Deliver-Label.
Ja, ich bin auch total froh, dass es überhaupt und auf diese Weise wahrgenommen wird – der Markt ist ja eigentlich mega voll und es gibt viele Labels, die eins nach dem anderem versuchen und dann scheitert es trotzdem.
Gab es einen Punkt bei dir, an dem du dachtest, dass es ins Stocken gerät oder dass der Aufwand zu groß wurde?
Letztes Jahr war sehr sportlich mit acht Veröffentlichungen. Es war einfach viel aufgelaufen. Es ist auch weiter noch einiges in der Pipeline, aber ich versuche, es auch wieder etwas zu entschleunigen – acht Veröffentlichungen sind zu viel, selbst für die Hardcore-Fans.
Und die verschiedenen Formate ergeben sich spontan? Vinyl, Tape, USB-Stick, Box-Set – es ist ja fast eine Überraschung, was als nächstes kommt.
Das ist unterschiedlich. Bei der Ranko-EP hatte ich, ehrlich gesagt, Schiss es auf Vinyl zu veröffentlichen. Das Material ist top, aber es ist schwer einzuordnen und mit unserem Vertrieb arbeiten wir zwar gut zusammen, doch er ist schon eher im 4/4-Bereich angesiedelt. Ich hatte Angst auf einer großen Stückzahl Vinyl sitzen zu bleiben.
Das reine Digital-Format finde ich aber langweilig – viele Labels machen das, aber das ist ein In-den-Markt-reinschütten – und es fehlt mir auch die Wertschätzung. Wir haben uns dann für das Tape entschieden und das war wohl die beste Entscheidung. Wir haben 100 Tapes gemacht und fast alle verkauft. 100 Tapes zu 300 Platten haben dann auch ein besonderes Gewicht, weil Tapes ja noch mehr Nische sind.
Beim USB-Stick war es so, dass ich einfach mal Lust darauf hatte. Ich wollte etwas herum experimentieren. Man kommt nicht um das digitale Format herum – das habe ich vor über zwei Jahren festgestellt. So ein Vinyl-only-Credo finde ich auch schwierig, gerade aus DJ-Sicht. Mittlerweile spiele ich auch viel digital und seitdem wir digital aufgestellt sind, bekommen wir auch viel mehr Feedback aus Ländern, wo Vinyl einfach nicht ankommt.
Du machst das Label nebenher? Hast du Nebenjobs oder kannst vom Auflegen leben?
Es ist eine Kombination aus allem. Ich bin schon größtenteils abhängig von den DJ-Gagen, denn die minimalen Gewinne des Labels werden immer gleich reinvestiert in das Label. Und es gibt auch immer noch einen kleinen Nebenjob, aber das gibt auch eine gewisse Freiheit im Kopf, damit man nicht nur delivern muss und abhängig ist, mehr auf den Markt zu schütten.
Mit Good Guy Mikesh hatten wir einen guten Run an Veröffentlichungen. Seitdem wir da einen Cut gemacht haben, habe ich zwar regelmäßig Veröffentlichungen, aber noch keine eigene EP. Es sind immer Compilation-Beiträge oder Remixe. Aber für mich kommt es auch nicht darauf an, wie viele EPs im Jahr ich mache, sondern dass die Stücke, die ich mache aus einer eigenen Intention entstehen und nicht, weil jemand sagt, dass ich damit mehr Bookings bekomme.
Aber das Label wird sich auf deine Bookings ausgewirkt haben – dein Netzwerk dürfte sich erweitert haben.
Definitiv. Es hilft mir bei den Bookings. Wenn das Label vom Namen her wächst, profitiere ich auch davon. Das ist der Lohn der Arbeit.
Du bist ja eigentlich nicht allein mit O*RS – es gibt auch noch Florian Seidel.
Dass er mitarbeitet, hat sich vor zwei Jahren ergeben. Alles was mit Grafik zu tun hat, liegt nun in seiner Hand. Und die Ideen zu den Special Editions. Wir haben ja zu jedem Release neben der normalen Vinyl-Auflage auch eine limitierte Edition mit Postern etc. Er hat die Ideen dafür, setzt sie um und holt die Leute dafür heran.
Das läuft sehr gut, wir sind zwei Parts. Ich kümmere mich um die Musik und die Vertriebsstruktur, Florian ums Artwork. Da ist ein blindes Vertrauen da, ohne dass der eine dem anderen extrem reingrätscht.Du hast ja eine zeitlang den Freezone-Plattenladen betrieben, dann hast du ihn 2011 an Alex von Kann Records abgegeben. In meiner Wahrnehmung war dies eine Initialzündung, um mit O*RS mehr Gas zu geben. Der Laden hat vorher deine Ressourcen wahrscheinlich gefressen, oder?
Total. Ich will die Zeit des Ladens nicht vermissen, weil die für mein Netzwerk und meine persönliche Entwicklung total wichtig war. Aber natürlich ist so ein Plattenladen ein hartes Brot und hat viele Kopfschmerzen verursacht. In der Zeit musste ich leider auch persönlich ein paar Rückschläge hinnehmen, so dass ich kräftemäßig an einem Punkt war, an dem ich feststellen musste, dass ich es nicht mehr schaffe.
Nach dem Abgeben bin ich noch krank geworden – das war ein Punkt in meinem Leben, an dem ich reseten musste. Kurz danach kam außerdem mein Sohn zur Welt und in dem ersten Dreiviertel Jahre habe ich mir da sehr viel Zeit für ihn genommen, in der ich auch viel nachdenken konnte.
Dadurch ist die Label-Arbeit immer mehr in den Vordergrund geraten. Ich hatte auch Lust da mehr Zeit zu verbringen, weil ich das Gefühl hatte, dass von allem was ich in den letzten Jahren gemacht habe, ist dies das Nachhaltigste, was übrig bleibt. Natürlich habe ich in den vergangenen Jahren eine Menge Partys veranstaltet, an die sich manche vielleicht auch noch erinnern.
Auch der Plattenladen ist nun Geschichte, doch mit einem Label ist die Vision, sich auch weiterhin mit diesem Lifestyle zu beschäftigen immer noch spannend. Und das kann auch noch mit in ein höheres Alter gezogen werden. Noch bin ich sehr aktiv als DJ und das möchte ich auch beibehalten, aber wer weiß, ob das in fünf Jahren noch jemand interessiert oder ob ich dann selbst noch Lust darauf habe, immer in diesen Business-Gegebenheiten mitzuschwimmen, die mittlerweile in manchen Punkten wirklich ätzend sind.
Inwiefern?
Ich habe das Gefühl, dass es heute ganz viel um Selbstdarstellung geht, weniger um Inhalt. Es geht darum, wer die meisten Facebook-Likes und Releases hat – egal was. Hauptsache auf irgendwelchen Labels Sachen raushauen. Agenturen schrauben die Preise immer höher, alle versuchen auf einmal ein Chirurgengehalt zu bekommen mit der Aussage, dass es jetzt passieren muss, denn wer weiß, wie lange es noch läuft.
Ist das vielleicht auch deshalb so, weil House und Techno mittlerweile wieder mehr im Fokus stehen – es gibt wieder einen starken Mainstream und es lässt sich natürlich auch mehr Geld verdienen.
Ja, das hat schon Einfluss darauf. DJ-Sein hat ja heute was von einem Lifestyle. Das merkt man auch daran, dass DJ-Equipment immer teurer wird. Ein Fernseher kostet 200 €, aber ein DJ-CD-Player 2.000 €. Der Markt macht sich auch selbst kaputt durch die Masse an Tracks, die nur veröffentlicht werden, damit Leute am Start sind.
Musst da als Label-Betreiber auch kämpfen, weil dir jetzt mehr Musiker Demos schicken?
Die Demo-Flut wird größer, ja. Durch den Boiler Room-Mix kriegt man am selben Tag das Postfach voll mit irgendwelchem Schrott. Obwohl ich mich gefreut habe, dass das so funktioniert hat mit dem Mix. Ich picke mir die Acts selbst heraus und versuche in der Kommunikation herauszufinden, ob es passen könnte.
Und meist versuche ich frühzeitig den Zahn zu ziehen, damit nicht die Erwartung aufkommt, dass es mit einer Veröffentlichung sofort los geht. Ich möchte auch als Label-Betreiber nicht ständig den Druck von einem Artist spüren, mehr Bookings zu bekommen. Dann passt das auf unserem Weg nicht zusammen. Für mich entwickelt sich das zu einem familiären Gefüge und ich finde es schön, irgendwo ganze Abende mit Label-Acts zu gestalten. Das hat dann auch ein anderes Feeling, als allein irgendwo hinzufahren.
Du meintest, es gehe heute viel um Selbstdarstellung – welchen Weg hast du für dich da gefunden? Du bist ja auch aktiv in den sozialen Netzwerken? Wo ist der Punkt, an dem du nicht mitmachst?
Man kommt nicht komplett drumherum. Klar, es gibt Leute, die haben das geschafft – ein gutes Beispiel sind für mich Workshop und Kassem Mosse, aber das sind auch besondere Konstellationen. Die Workshop-Leute sind seit zwanzig Jahren im Business und bedienen ihre Kanäle. Und bei Kassem Mosse ist es etwas zwischen großem Talent und viel Glück. Worauf ich keine Lust mehr ist, sind Beatport- und Resident Advisor-Charts.
Mit den neuen Medien hat sich ja auch das DJ-Business verändert – in den Neunzigern gab es für die Masse der DJs nicht die Möglichkeit, sich in seinem DJ-Alltag mit Essen, Flughafen, Hotel und Crowd-Aufnahmen zu präsentieren. Das ist ja auch eine neue Inszenierung des DJ-Daseins.
Ja, eigentlich muss heute jeder DJ einen Social Media-Kurs bekommen. So wie jeder Profi-Fußballspieler, der heute einen Teacher hat, der ihm sagt, wie er sich zu verhalten hat. Ich versuche das immer mit etwas Humor anzugehen, der vielleicht auch nicht immer ankommt. Ich glaube, man kann nur durch eine gewisse Ehrlichkeit punkten.
Du bist ja einer der wenigen Ur-Leipziger in der aktuellen lokalen Szene. Wie fällt dein Resümee auf die letzten zehn bis fünfzehn Jahre der Leipziger Elektronik-Szene aus?
Also in den letzten zehn Jahren hat die Szene einen enormen Entwicklungsschub hingelegt hat. Es gibt mittlerweile viele Labels, DJs und Producer, die auf Weltniveau sind – das gab es in der Form bis Mitte der 2000er bis auf ein paar Ausnahmen nicht. Aber das liegt auch an der ganzen technischen Entwicklung mit dem Internet und der einfacheren Art Musik zu produzieren. Es ist auch leichter geworden, eine Schallplatte pressen zu lassen.
Aber Leipzig hatte schon immer eine starke Szene. 1993 und 1994 bin ich als Vierzehnjähriger in das Rave-Ding eingetaucht. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern sehr human der ganzen Sache gegenüber standen und mir da auch viel Vertrauen entgegengebracht haben. Mir hat das damals in dieser gesellschaftlichen Neuorientierungsphase auch geholfen, Offenheit zu lernen. Das Techno-Ding war ein Platz für jeden, es war ein Schmelztiegel in dem es nur darum ging, die Nacht gemeinsam zu verbringen oder endlos für sich zu sein. Das ist heute nach zwanzig Jahren natürlich eine ganz andere Maschinerie geworden.
Hat es für dich aber noch das verbindende Potential?
Doch, das hat es. Mir hat es ja auch geholfen, durch die Musik weltweit mit Leuten in Kontakt zu sein und auch aus Leipzig rauszukommen, um andere Städte, Länder und Menschen kennenzulernen und Gespräche mit einem anderen Fokus führen zu können. Darüber bin ich extrem glücklich, weil das eine Offenheit hervorruft, die den meisten Leuten leider fehlt, weil sie sich immer in ihrem Kreis bewegen.
Um noch einmal auf den Freezone-Laden zurückzukommen: Das Abgeben hat mir auch mehr Freiheit gegeben herumzureisen und rauszukommen. Denn im Laden war die Szene schon sehr geschlossen. Im Nachhinein hätte ich mir gewünscht, dass ein paar meiner Helden von damals den Schub noch geschafft hätten. Aber da hing der Osten einfach zehn Jahre hinterher.
Wer denn zum Beispiel?
DJ Till etwa, der auch auf Klang ein paar Platten veröffentlicht hatte. Auch Frankman, wobei er in seiner Nische noch aktiv ist.
Fehlt dir was an der Leipziger Szene?
Es ist schwierig, mit kreativer Arbeit hier Geld zu verdienen. Es ist überhaupt schwierig, hier Geld zu verdienen. Das ist nach 25 Jahren schon beschämend, zumal Leipzig für viele die Vorzeigestadt im Osten ist. Das ist bitter. Natürlich gefallen mir die Folgen der Gentrifizierung auch nicht. Aber das scheint gerade die Last jeder größeren Stadt zu sein.
Aber bezogen auf die Elektronik-Szene?
Es ist schon sehr viel Techno und 4/4-Bereich gerade. Klar gibt es auch eine aktive Beatmaker-Szene, aber ich würde mir mehr Veranstaltungen wünschen, bei denen die Stile gecrosst werden, bei dem sich alles miteinander befruchtet und nicht jeder in seinem Dunstkreis hängt. Ansonsten bin ich eher zufrieden. Im Vergleich zu anderen Städten in der Größe kann sich eigentlich keiner beschweren. Da haben wir manchmal zu viel.
Zurück zu O*RS – da ist ein weiteres Sub-Label geplant.
Ja, neben RDF Music, das ich mit Ron Deacon und neuerdings auch Dan Confusion betreibe. Da ist die dritte Platte fertig. Das ist aber noch mehr eine Liebhabersache, die einer ganz eigenen Dynamik unterliegt. Das ist sehr auf uns bezogen.
Das zweite Sub-Label ist Ourselves, das von Jan Ketel kuratiert wird. Er wohnt zwar in Görlitz, aber wir haben einen sehr guten Draht gefunden, seitdem er erstmals bei uns was veröffentlicht hat. Wir haben festgestellt, dass wir einen recht großen Künstlerstamm haben. Und Ourselves ist dann eher eine Plattform für den Inner Circle von O*RS.
Mit neuen Sound-Facetten?
Das wird eher club-mäßig mit Dance-Tracks, aber auch nicht mit dem Fokus, dass es sich verkaufen muss. Ansonsten stehen die nächsten beiden SuperSingles an – mit Yannick Labbé und Jan Ketel. Und ich kann auch schon sagen, dass wir das Deko Deko-Album herausbringen – und ein Lootbeg-Album soll kommen.
Das heißt, du gehst jetzt auch in den Artist-Alben-Bereich?
Stimmt, die ersten beiden Alben waren Compilations. Lootbeg hat mir neue Demos geschickt und irgendwie habe ich herausgehört, dass die alle aus einem Guss sind und dass die in einem Zusammenhang präsentiert werden müssen.
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