Eine Sommerpause gab es dieses Jahr ja nicht wirklich was das Veröffentlichen neuer Musik angeht – hier kommen gleich mehrere Sommer-EPs.
Steppin’ Wolf „Swipe Till You Find Me, Hermine“ (Mana-All-Nite)
Wir starten sommerlich lässig und vielschichtig mit Mana-All-Nite, dem noch jungen Sub-Label von Kann Records. Dort erschien im Juli „Swipe Till You Find Me, Hermine“ von Steppin’ Wolf. Und der Frankfurter Newcomer eröffnet auf gerade einmal fünf Tracks eine stilistische Breite, wie man sie von einem guten Album erwarten würde.
Da gibt es subtil-eigenwilligen Pop-Appeal in „This Is A Lovesong“ und „Heart Shakra“, Oldschool-House-Rauheit in „Untitled IV“, runtergestrippte UK-Rave-Zitate in „Try It (Drei)“ sowie ein cineastisches Kammerspiel mit „Noise“. Überall sticht eine hohe Musikalität hervor und ein genau richtig dosierter Grad an Verschrobenheit. Super EP.
Enduro „Cleynen Line“ (XANN)
Auf XANN, einem weiteren Kann-Ableger für einzelne, spontan entstandene Tracks gab es im Sommer ebenfalls einen Neuzugang. „Cleynen Line“ von Enduro entfaltet auf einem reduzierten House-Fundament einen verspielten Orgel-Funk, der sich irgendwann in einen Machine Funk verwandelt. Nach dem opulenten XANN-Debüt ist das hier eher trippig, mit sanften Verschiebungen.
Various Artists „Leipzig Only“ (A Friend In Need)
Dass bei A Friend In Need nichts mit Sommerloch war, hatten wir ja schon. Vor kurzem wurde dann auch die Label-Heimat besonders gewürdigt – mit der „Leipzig Only“-EP, die vier Tracks lokaler Acts featured. Neben Blinds, Iami und Label-Head Lootbeg ist mit Erik Ellmann auch ein für mich neuer Name dabei. Wirklich neu ist er aber nicht: Im letzten Jahr veröffentlichte Ellmann drei Digital-EPs, darunter bei Large Records aus Chicago. Sein „Noe Turn“ auf A Friend In Need vermittelt auch einen überaus versierten Classic Disco House-Sound, der perfekt zu Rose Records passen würde. Patina-überzogene Soul-Vocals und schwelgerische Chords in langsamer Deepness.
Überhaupt verströmt die „Leipzig Only“-Compilation einen großen Hang zum Classic-Sound – wie sonst auch bei A Friend In Need ist das sehr geschichtsbeflissen und perfekt, nur fehlt mir da manchmal der Ansporn für eine Suche nach Neuem. Iami, läuft mal wieder etwas neben der typischen House-Spur. In etwas düsterer, minimalistischerer und aufgeladenerer Weise als sonst setzt er der Sonntagsreihe im Conne Island ein kleines Sound-Denkmal.
Markus Masuhr „The Silent Trepidation“ (Circular Limited)
Iamis dunkler Tracks ist zugleich eine gute Überleitung zu Markus Masuhrs neuester EP – die zweite beim spanischen Label Circular Limited. Bei Markus Masuhr offenbaren sich mittlerweile mehrere Sound-Stränge – harscher Keller-Techno, düster-unterkühlter Drone-Ambient und eben jener fein geschichteter, hypnotischer Session-Techno.
„The Silent Trepidation“ verknüpft die letzten beiden Stränge zu einer sehr schlüssigen EP mit ebenso bedrückend-dunklen wie sanft gleitenden Phasen. Meist angetrieben von verschachtelten Bassdrums. Wirklich neue Impulse gehen von dieser EP zwar auch nicht aus. Aber den stetigen Einladungen zum Versinken im Masuhr-Sound kann ich mich kaum entziehen.
Georg Bigalke & Pranava „Indiscriminate“ (Raven Sigh Records)
Es bleibt hypnotisch und düster, denn auch Georg Bigalke veröffentlichte im Sommer neue Musik. Zusammen mit dem Schweizer Pranava hat er die Idee einer Split-EP auf die Spitze getrieben. Die beiden teilen sich die EP nicht nur mit je einem eigenen Track, sie haben zusätzlich den jeweils anderen Beitrag geremixt. Bigalke verfolgt ja eine eher breakige, extem reduzierte und stoische Art von Techno. Das ergibt neben einer großen Ruppigkeit immer wieder auch gute Leerräume, die es selbst zu füllen gilt.
Durch „Frattarzk“ zieht sich eine bedrohlich schlingernde Soundschleife, entlang des schmalen Grates zwischen spannendem Experiment und überzeichneter Dissonanz. Aber genau den scheint Georg Bigalke generell gern auszuloten. Pranava ist mit seinem Track und dem Remix einerseits noch dissonanter, lässt aber auch mehr Licht in dieses düstere Gefüge. Keine EP für nebenher.
Corecass „Quasar Remix Edition“
Im Frühjahr brachte Corecass ja in Eigenregie eine neue EP mit zwei Tracks heraus und rief zugleich einen Remixe-Contest aus. Das neunminütige, ätherisch gedehnte, teils dramatische Original von „Quasar“ wurde fünfmal neu interpretiert und interessant ist, dass niemand einfach nur einen Dance-Track daraus gemacht hat – nur bei Lose Lose und Sinse schleichen sich manchmal gerade Bassdrums heran.
Ansonsten bleibt der experimentelle Charakter überall erhalten, Patrick Franke geht sogar noch weiter, indem er minutenlang in eine komplette Stille verfällt, um später mit einer Soundwand zurückzukehren. Dyze von Resistant Mindz bringt die zugänglichste Version hervor. Mit schleppenden Rock-Drums und sich langsam aufbäumender Epik. Mein Favorit neben der minimalistischen Drone-Version von Joscha Bauer.
Various Artists „Orbiter II“ (Moon Harbour Recordings)
Ganz frisch ist eine neue Mini-Compilation von Moon Harbour draußen. Bei der „Orbiter“-Reihe werden ja Newcomer und bereits bekanntere Acts zusammengebracht. Die größte Überraschung ist das Moon Harbour-Debüt von Super Flu. Das Hallenser Duo scheint sich etwas von seinem schunkelnden, immer ironisierten Sound zu verabschieden – zumindest deutet ein Skippen durch die letzten Sets das an. Und auch ihr Beitrag „Do Ex“ ist mehr auf das Wesentliche beschränkt, als auf offensichtliche Festival-Effekte. Na gut, das Break ist schon sehr auf Effizienz getrimmt. Aber irgendwie mag ich die scheinbare Wandlung hin zur trippigen Reduktion.
Newcomer Nico Cabeza aus Italien spielt auf entschlackte Weise mit einer klassischen House-Deepness, die leider von dem cleanen Beat aufgesogen wird. Der Beat ist dann aber genau das, was „That’s Fresh“ von Chris Wood & Meat wiederum durchaus interessant macht. Auf leichte Art holprig und perkussiv. Schade, dass die Scratch- und Vocal-Samples den Track dann ins Lächerliche ziehen. Richtig kalkulierte Abfahrt mit aufgeblasener Bassline dann bei „Work My Body“ von Anek.