John Barera „Mile End“ (Ortloff)

Ortloff legt nach der wunderbaren PorkFour-EP recht schnell nach. Und dann auch gleich noch mit einem US-Producer.

Bisher war der Fokus von Ortloff schon sehr konzentriert auf Leipziger Producer, auf ein freundschaftlich gepflegtes Netzwerk. Aber Ortloff als Läbel ist kein hermetisches Projekt. Mittlerweile dürfte einiges an Demos dort eintrudeln. Im April letzten Jahres kamen beispielsweise John Bareras Tracks in Leipzig an. Und die Ortloff-Ohren blieben hängen, die Chemie zwischen beiden stimmte.

In der Zwischenzeit gründete Barera in Boston sein eigenes Label Supply Records, auf dem bislang zwei EP seine anderen Projekts B-Tracks heraus kamen. In den Januar/Februar-Charts schaffte es „Specialize“ auf den fünften Platz. Im April 2011 war das sicher noch nicht abzusehen – besser könnte der Release von „Mile End“ also terminlich nicht passen. Wobei sie eigentlich schon Ende Dezember kommen sollte. PorkFour war aber vorher noch dran.

Dass Ortloff nun erstmals musikalisch direkt in den USA ansetzen, ist mehr als schlüssig. Die Referenzen von einem Großteil der Ortloff-Platten liegen über dem Teich. Und dennoch klingen John Bareras Stücke noch einmal anders. Sie strahlen in ihrer durchaus direkten, forschen und teilweise auch ungelenken Art eine ungewohnt naive Freude aus.

Vielleicht liegt es am Tempo, das für heutige House-Verhältnisse einen unheimlichen Zug hat. Vielleicht sind es aber auch die Synthie-Chords, die den Druck aus den Tracks herausnehmen mit ihren ausformulierten Harmonien. Barera arbeitet sehr musikalisch, opulent und dicht verwoben. Er bricht einen Strom aber auch schon mal ab und haut eine Acid-Hookline rein. Bei „Sound Love“ kommt denn noch eine Soul-Note hinzu.

Viel Oldschool-Vibe steckt in den vier Tracks. Unverfälscht und irgendwie auch sehr authentisch. Können Tracks in dieser Tonalität wirklich nur aus den USA kommen?! Ach übrigens: Ortloff-Love wieder für das Cover-Artwork. Siebdruck, neu geschnittene Schrift. Dafür muss Vinyl weiter am Leben bleiben.

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Die weichen Roots

Deep House-Basis-Arbeit bei FM Musik. Die letzten beiden EPs zelebrieren mit Felipe L sowie Helly Larson & Deep Spelle unbeirrt die klassischen Deep House-Roots. Solide und ärgerlich zugleich.

In all dem House-Hype der letzten Jahre ist dieser cleane Deep House-Sound der späten Neunziger und früher Nuller ja bekanntlich ein wenig auf der Strecke geblieben. Vielleicht sind die Erinnerungen an all die ganzen Weichspüler-Compilations noch in zu unangenehmer Weise wach. FM Musik hatte damals aber seine große Zeit – im besten Sinne.

Einige der jüngeren Veröffentlichungen hatten aber einen anachronistischen Touch. So als wäre die Zeit stehen geblieben. Doch irgendwie bleibt sich das Label einfach treu und schafft damit doch immer wieder gute Momente.

Das Gerüst ist teilweise auch so simpel, wie einnehmend. Scheinbar gibt es eine Form von Chords, die einfach immer ziehen werden. Der Gral der Deepness. Ein bestimmter Ton, vielleicht nur eine Skizze davon. Aber es berührt. Bei Deep Spelles „Trapped In“ ist das so. Also in erster Linie der Chord. Spoken Vocals dahinter, fertig. Helly Larson trimmt das alles noch eine Spur, bleibt dem ganzen aber sehr nahe. Sein eigenes „Love Is“ auf dieser Split-EP hat auch jene mit Hall unterlegten Chords.

Felipe-L-Too-Sexy-MusicDass es aber auch nach hinten los gehen kann, zeigt Felipe L aus Spanien. „Too Sexy Music“ ist schon vom Titel her kaum toppen. Alarmglocke. Laut. Und der Track trägt zu viel von all den Klischees auf, von denen sich die etwas dreckigeren House-Varianten der vergangenen Jahre befreien konnten. Der ein oder andere Remix kann da mehr rausholen. Am besten vielleicht Papouban mit seiner sehr reduzierten, dunklen Version.

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Me And Oceans „The Pond“ (Analogsoul)

Fabian Schützes Solo-Projekt Me And Oceans zieht weitere Kreise – keine grundlegenden Neuen, aber die braucht es auch nicht unbedingt. „The Pond“ hält das Glühen des Debüts.

Und dieses Glühen machte schon „Lakes“ zu einer lang nachhallenden EP. Solo-Arbeiten sind oft reduzierter, persönlicher, etwas introvertierter. Im direkten Vergleich mit Schuetzes anderer Band A Forest trifft dies auch voll zu. „The Pond“ ist sogar noch eine Spur stiller geworden als sein Vorgänger. Vielleicht weil es um A Forest und Analog lauter geworden ist. Aber das ist eine vage These.

Letztendlich spielt der Grund auch keine Rolle. Bei Me And Oceans zeigt sich einfach sehr schön, was passiert, wenn ein Singer/Songwriter mit dem Laptop arbeitet und ihn auch als eigenständiges Instrument zu schätzen weiß. Und dass wirklich erst bei den Zwischentönen. Die Elektronik spielt fast keine Rolle bei „The Pond“. Es dominieren warme, organische Sounds, die sich auch mit einer Band einspielen ließen.

Aber in den geöffneten Arrangements und der Arbeit mit vielen Loops vollzieht sich jene Neuverortung des Lagerfeuers. Das wusste „Lakes“ auch schon zu erzählen. Mit den sechs Stücken auf „The Pond“ festigt Fabian Schuetze genau diese wohl ausbalancierten Pop-Miniaturen. Sogar bis hin zu einem wunderbaren Duett bei „When I Was A Dancer“ mit Arpen von Mud Mahaka.

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Think Open Air, 29NovFilms und mehr

Wann summieren sich eigentlich genug Neuigkeiten? Keine Ahnung. Manchmal reichen vier News.

Das Think Festival am Cospudener See hat gestern die ersten Namen seines 2012er-Line-Ups bekannt gegeben: DJ Koze und Marbert Rocel. Not bad.

Auf frohfroh liegt übrigens auch noch eine Interview mit DJ Koze, drei Jahre alt und eigentlich für das Nachtdigital-Heftchen geführt. Da war Pampa noch in den Windeln.

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Bestimmt erinnert ihr euch an die tollen Musikvideos der The29NovFilms-Jungs. Tracks von Kassem Mosse, Daniel Stefanik, Sevensol & Bender und anderen Leipzigern haben die beiden schon mit altem Filmmaterial unterlegt und kostenlos bei Youtube hochgeladen. Die Groove hat ihnen nun selbst über die Schulter geschaut und ein Video davon bei sich gepostet. Höchst interessant.

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Here Is Why sind gerade auf Record Release-Tour. Und den Marbert Rocel-Remix von „Waiting For The Sun“ gibt es rund 200 mal zum kostenlosen Download. Ranhalten – limitierte MP3s sind die Schwarzmarktbomben von morgen!

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Und: Esoulate hat nun einen eigenen Podcast. Dsant mixt zuerst. Außerdem gibt es neue Podcast-Folgen von Doumen und Riotvan.

Webermichelson „Album“ (No Label)

Äh, eine Menge Gitarren, jaja. Aber auch eine Menge Freiraum – so versüßen Webermichelson die letzten beiden – eigentlich trüben – Tage.

Es ist nicht so, dass der Elektronikszene von Leipzig langsam die Puste ausginge und daher nun Gitarren im frohfroh-Fokus die Leerstellen auffüllen müssten. Und es ist auch kein Flashback in meiner persönlichen Rock-Sozialisation. Denn Webermichelson gehören eigentlich mitten auf die Tanzfläche eines Techno-Clubs. In der Mitte all die Gitarren, Effektpedale, Schlagzeug und Mikrofone, drum herum auf gleicher Ebene das Publikum.

Keine Ahnung, wie die Shows von Philipp Weber und Sven Michelson wirklich ablaufen, aber rein musikalisch könnte dieses Setting aufgehen. Die beiden hieven den offenherzigen Post-Rock-Geist ziemlich spannend in die Dramaturgien des Clubs. Ohne viele Worte, ohne die obligatorischen und schnell ermüdenden Laut-Leise-Wechsel des Genres. Die Nähe zu anderen Disziplinen, etwa zur bildenden Kunst und Mode, ist da. Mit dem Leipziger Mode-Label howitzweissbach arbeiten Webermichelson schon länger zusammen.

Ende Januar erschien ein live eingespieltes Album als Free-Download und als limitierte Kassette. Sechs Stücke zwischen 3 und 14 Minuten Länge sind darauf. Gerade Bassdrums, repetitive Gitarren, eingestreute Elektronik und immer mal ein von weitem her hallender Gesang. Zwischen Post-Rock-House und Shoegaze-Ambient – damit ließe sich der Vibe des Momentanen der sechs Stücke grob verorten.

Aus Rock-Sicht gäbe es sicherlich noch andere Beschreibungsansätze, und vielleicht wären da auch die einen oder anderen Konventionen auszumachen. Doch das macht Webermichelson scheinbar aus – dass sie aus verschiedenen Perspektiven betrachtet schillern. Dass sie einfach so ein Album raus hauen, dass nicht einfach so im Netz versauern sollte.

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MM/KM „s/t“ (The Trilogy Tapes)

Bothers, keine Frage. Mix Mup und Kassem Mosse haben wieder gemeinsam an den Knöpfen gedreht. Und dabei ist dieses Mal ein Mini-Album heraus gekommen.

Unglaublich, welchen Stellenwert der Sound von Kassem Mosse in Großbritannien genießt. Nicht, dass es hier groß anders wäre. Aber irgendwie scheint die UK-Verbindung besonders zu sein. Das Fact Magazine verkündete noch im Februar den Release von „MM/KM“ mit leuchtenden Worten. Und auch die bisherigen Platten auf Doldrums und Nonplus zeugen von einem speziellen Zugang für die harsche Sehnsucht von Kassem Mosses Tracks.

Nun also eine Platte bei The Trilogy Tapes, dem Label von Will Bankhead, der als Grafiker seine visuellen Spuren auf zahlreichen großen Platten hinterlassen hat. Sein eigenes Label ist ein Sammelsurium für Obskures – Noise, rough geschnittener House oder psychotische Disco-Tracks. Im Herbst 2010 tauchte Kassem Mosse das erste Mal mit einem Live-Set bei Trilogy Tapes auf.

Die EP mit Mix Mup schließt den Kreis zwischen den beiden bereits bekannten Polen der beiden. Einerseits super reduzierte House-Skizzen wie sie auch schon auf der Gemeinschaftsplatte von Mikrodisko und Kann zu hören waren, andererseits den abwegigen, experimentellen Geist, den Mix Mup und Kassem Mosse mit ihrem Projekt Chilling The Do ausleben.

„MM/KM“ hat beides in abgeschwächter Form. Sie schätzt den Dancefloor und bringt ihn zugleich ins Wanken. Gerade, gebrochen, schwelgende Synths, scharf rasselnde Hihats – es sind sechs Tracks mit angenehmen Leerstellen und einem brüchigen, durchaus schwermütigem Funk, wie er in dem lithografischen Cover auch optisch rüberkommt. Tracks, deren einzelne Töne mehr erzählen können, als eine ganze Pre-Set-Sound-Datenbank.

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Aloo „Klangbild“ (Astor Bell)

Und wieder Thüringen, und wieder etwas zu spät. Mit Aloo bringt ein weiterer Thüringer Producer neuen Input nach Leipzig. Seine aktuelle EP sollte man noch einmal hervorkramen.

Etwas zu spät ist wirklich untertrieben – „Klangbild“ kam schon im Januar 2011 bei dem Stockholmer Netlabel Astor Bell heraus. Doch erst vor wenigen Wochen kam ein beiläufiger Tipp auf die EP, dann die Auftritte neulich im Elipamanoke und Pferdehaus. Und schließlich lag sie noch ein paar Wochen hier rum.

Nun also in Rotation. Sechs Stücke, die viel vom einstigen IDM-Vibe von vor zehn Jahren atmen. Bis auf „TreiToTrei“, den locker tänzelnden House-Opener. Der Rest sind relativ kurze Electronica-Stücke, mit vielen Schichten, elegischer Dichte und teilweise auch ordentlich aufgetragener Poesie.

Am eindrücklichsten in diesem Fünfklang ist „Arabinu“ mit seiner fast schon dubsteppigen Schärfe am Anfang und den langsam erhebenden Synth-Wolken im späteren Verlauf. In Sachen Pathos lässt „Harmonium Pump“ keine Gelegenheit aus – orchestrale Passagen, einsam angestrichenes Cello.

Aloo kommt aus Erfurt, war viel im Drum’n’Bass unterwegs und lebt nun in Leipzig. Die EP auf Astor Bell ist bislang die einzige und kann ruhig auch erst ein Jahr später entdeckt werden.

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Connwax 01 (Connwax)

Hardwax-Style in Connewitz – heraus kommt Connwax. Ein neues Label, das mit seiner ersten EP den Resonanzraum von Techno auslotet.

Ende November gab es eine gleichnamige Party. Jetzt also ein ganzes Label. Seit Februar ist die erste Platte draußen. Dub geerdeter, deep schwingender Techno von Eduardo De La Calle ist darauf gepresst. De La Calle, Ende 30, ist ein kosmopolitischer Spanier, der im letzten Jahr einen beängstigend hohen Output hatte. Gut ein Dutzend EPs kamen 2011 allein auf seinem eigenen Label Analog Solutions heraus.

Die Connwax-Verbindung bleibt verschleiert. Auf der Website keine Infos. White-Label-Label-Politik in Reinform, ähnlich den verschwommen Hardwax-Mythen. Statt Hardwax scheint aber Clone den Vertrieb zu übernehmen.

Und wahrscheinlich ist es auch genau richtig. Denn einerseits fällt der Fokus in solchen Fällen automatisch stärker auf die Musik, andererseits kann man sich ebenso selbstständig auf eine so allseits reizvolle Mythenbildung einlassen. Den Kontext zu Eduardo De La Calle kann man sich übrigens sehr umfassend auf seinem Soundcloud-Profil erschließen. Alle Stücke seiner Labels sind dort vollständig im Stream.

Connwax Website
Eduardo De La Calle Website

Wooden Peak „Lumen“ (Analogsoul)

Peaktime im Februar – aus Holz geschnitzt. Aber auch für Analogsoul gibt es einen neuen Peak: denn mit „Lumen“ von Wooden Peak veröffentlicht das Label erstmals auf Vinyl.

Die Geschichte an sich hat auch etwas Kurioses. Denn „Lumen“ ist schon im Mai 2011 veröffentlicht worden. Auf CD und MP3. Mehr als ein halbes Jahr später folgt das Vinyl. Mutig. Aber bestimmt eine super Erfahrung für ein Label, dass mit CD-Rs und Net-EPs angefangen hat.

Ich muss zugeben, dass ich Wooden Peak bisher nur rudimentär im Blickfeld hatte. Soviel organische Jazz-Arrangements hatte ich aber nicht erwartet. Auch wenn Jazz bei dem Duo nur als Gerüst genutzt wird. „Lumen“ ist weit weg von der klassischen, immer etwas prätentiösen Jazz-Attitüde.

Die Arrangements sind offen gehalten, instrumentiert in einem schlichten, post-rockigen Sinne – Gitarre, Bass, Schlagzeug. Plus Gesang und spartanisch eingesetzter Elektronik. Eine Killerzusammensetzung also, wenn es um ein minimalistisches Musikverständnis geht. An einigen Stellen fehlt aber die Reibung, da sind die Details zu lieb.

Doch die vielen kleinen Unvorhersehbarkeiten im Aufbau der Stücke bescheren einige sehr schöne Momente. „Lumen“ als Stück ist herrlich slim gehalten, mit einer still abdriftenden zweiten Hälfte. Und „Much Better Land“ ist formvollendeter Electronica-Pop – oder Indietronic, wie es einmal hieß. Und jetzt mit echtem Knistern zwischen den Tönen.

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Here Is Why „HRSY“ (Riotvan)

Doppel-Debüt – für Here Is Why und Riotvan gleichermaßen. Es kursierte ja schon lange. Nun ist es also wirklich draußen: „HRSY“. Und es hält das Versprechen der Single.

Ende Januar kam ja schon „Waiting For The Sun“ als Vorgeschmack heraus. Wenig später das dazugehörige Video. Und auf „HRSY“ gibt es nun noch zwei weitere Songs von ähnlichem Hit-Kaliber. „Standing On The Mountain High“ und „Heaven Does Know“ zeigen Here Is Why von ihrer schillernden, tänzelnden Seite. Breite Synthie-Flächen, unglaubliche Hooks.

Doch das Album, das mit seinen acht Stücken eher eine pralle EP ist, hat noch ganz andere Ecken. Stillere und mit dunklerem Lidstrich. Mit Mikeshs verzehrter Stimme bei „Room“ und einer schneidend-direkten Reduziertheit bei „Mittens“. Der Hit neben den drei offensichtlichen Hits ist aber „The Show“.

Hier wird am deutlichsten, was für eine emotionale Kraft hinter einem Refrain-Part stecken kann. Und im Prinzip ist alles ab der zweiten Hälfte ein großer Refrain in diesem Stück. Die sich aufbäumende Wehmut im Gesang, die sakralen Keyboard-Chords, der düster-schraubende Bass – das müssen House, Techno & Co passen.

„HRSY“ klingt insgesamt wie ein lange überfälliger Befreiungsschlag. Und überblickt man den Werdegang von Good Guy Mikesh, dann konnte ihm nichts Besseres passieren, als sein einstiges 1-Mann-Projekt zur Band aufzustocken. Mit Gregor an den Synthesizern, Markus am Schlagzeug und als großen Katalysator hinter den Kulissen und Linda am Bass.

Nach all den Hürden um Mikeshs Solo-Album strahlt „HRSY“ eine geerdete Erhabenheit aus. Vielleicht liegt es auch an dem kompletten Engagement, das nun dahinter steckt: Riotvan wächst zum Label, eine Release-Tour durch Deutschland folgt. Beseelt klingt nach Kitsch, aber dieses Wort kommt mir immer wieder in den Sinn, wenn ich gerade an Here Is Why denke.

Here Is Why Website
Riotvan Website
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Grüße aus Darkonia

Mit gleich zwei neuen Releases startet Juno6 in dieses Frühjahr. Einmal dark, einmal deep, einmal for free, einmal auf Vinyl.

Bei Stretchcat, dem House-Hub von Statik Entertainment bespielt Juno6 die vierte Katalognummer. Damit ist nach Daniel Stefanik und Sven Tasndi das Oh! Yeah!-Trio einmal komplett bei Stretchcat in deepe Gefilde abgetaucht. Wobei Juno6 damit kein unerforschtes Terrain betritt. Bei Freude Am Tanzen kam er zuletzt mit sehr smartem Pop und klassischem Deep House hervor.

Auf seiner Stretchcat-EP, die in den kommenden Tagen erscheinen wird, geht ebenso lässig zu. In einem sehr angenehmen, leicht dreckigen Sinne. Die Bassdrums und Claps stolpern etwas, die Deepness und Vocals bleiben angeteast, die Breaks schlagen nur ganz sanfte Wogen. Alles ist wohldosiert, in analoge Wärme getüncht. Ein Track, wie er auch bei Kann gut passen könnte.

„Psycho Girl“ ist weniger neurotisch, als der Titel vermuten lässt. Eher schnarrend als sanft, mit mächtiger Funk-Bassline. Sehr schön auch, wie sich nur ganz kurz ein hell strahlender Synth-Chord den Weg bahnt und eigentlich nur den etwas rougheren Part des Tracks einleitet. Wie gesagt: da ist angenehmer Dreck im Sound.

Überraschender aber fällt seine dritte EP für Broque aus. Da ist noch mehr Rohheit in den fünf Tracks. Zwischen Techno und Ambient bewegen sich die Stücke – in einer sehr historisch ausholenden Weise. Da schwingt der futuristisch geprägte Forscherdrang mit. So wie man sich das als Zuspätgeborener eben vorstellt. Riesige Geräte, kosmische Sounds, psychedelisch und tight.

Neben „Sub Rosa“ und „Deadlock“, die sehr klar zum Stroboskop-Dancefloor tendieren, kommen „Chain“, „Darkonia“ und „State Of Flux“ mit mehr Crisp, mehr Kanten, mehr Abwegigkeit. Gerade bei „Chain“ ist einiges von der Chain Reaction- und Rhythm & Sound-Energie zu spüren.

Ich will gar nicht wieder mit diesem Format-Hack anfangen, aber manchmal verstehe ich nicht, weshalb solch wichtige Veröffentlichungen es nicht ins Schallplattenpresswerk schaffen. Wie auch immer: hier ist es kostenlos in bester MP3-Qualität zu bekommen.

Juno6 Website
Broque Website
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Pentatones „The Devil’s Hand“ (Lebensfreude Records)

Es könnte das Frühjahr der Alben werden. Erst Micronaut, nun auch Pentatones. Mit einem ähnlich vielseitigen Werk.

Im letzten Herbst gab es mit der Single-Auskopplung zu „The Devil’s Hand“ einen ersten Eindruck auf das Pentatones-Album. Und abgesehen von einer EP auf dem Netlabel Homebody und einer selbstvertriebenen CD-R ist „The Devil’s Hand“ quasi die Nullstunde für alles, was nun folgen könnte. Live passiert bereits enorm viel – opulentes Licht, große Inszenierung. Mit dem Album wird diese Breitwand-Erfahrung nun auch zuhause erfahrbar.

Pentatones sind klar im Pop verwurzelt. Auch wenn sie die klassischen Strukturen immer wieder aufbrechen und dem Electronica sehr sehr nahe stehen. Doch Dehlias Stimme nimmt sich ihre eigene Präsenz – egal was dahinter laufen würde. In einem weniger experimentierfreudigen Kontext wäre der Gesang wahrscheinlich zu clean. So ist der Kontrast aber überaus reizvoll.

„The Devil’s Hand“ als Album löst denn auch das Versprechen der Single ohne Zweifel ein. Gezehrte Songs, teilweise still, teilweise mit ungewohnter Rave-Note. „On Our Own“ strahlt besonders hell – obwohl es so dunkel anmutet. Und auch so widersprüchlich. Einerseits hat es super reduzierte, intensive Momente, andererseits peitscht es sich später phasenweise enorm hoch.

„The Devil’s Hand“ zeigt insgesamt aber mehr noch die Vielseitigkeit der Pentatones auf – bei „I Am Facermarker Pt. 2“ schimmern Jahtari-Chords hervor, bei „Determiner“ ein ganzer Tuba-Satz und „This Is An Ocean“ schließt das Album mit einer amtlichen Ballade. Überall ist es aber vor allem die unberechenbare Dramaturgie mit ihren Wendungen, die den Sound bestimmt. Weit sind sie damit von Micronauts Ansatz gar nicht entfernt.

Pentatones Website
Lebensfreude Records Website
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