Lake People „Point EP“ (Krakatau Records)

Ein Wiederhören von Lake People auf Bodi Bills Label Krakatau – dieses Mal aber mit kompletter EP.

Vielleicht erinnert sich der ein oder andere: auf Krakatau fand sich vor zwei Jahren ein Lake People-Remix von einem Bodi Bill-Stück. Und nun eine ganze EP mit fünf Stücken und erfreulicherweise dem Raum zum Abdriften. Denn das erste Mal seitdem Lake People unter diesem Pseudonym die harmonische, verspielt-epische Seite von House bespielt, kommen seine Electronica-Wurzeln ganz explizit hervor.

Und zwar auf der B-Seite mit „Hidden Point“ und „Point Zero“. Bislang spiegelte sich sein Sound seines anderen Projektes Trickform nur zwischen den Tönen wider. Bei diesen beiden Stücken ist der experimentelle Ansatz ganz unverblümt. „Hidden Point“ behält den Dancefloor dramaturgisch aber durchaus im Visier, mit einem warmen Bassschub und seiner schwebenden Aufgeräumtheit.

„Point Zero“ forscht an den Kanten, zerfasert Beats, zelebriert den digitalen Crisp. Allein dafür muss man Krakatau danken, dass sie Lake People diesen Platz einräumen. „Point Of Time“, „Tipping Point“ und „Point Of View“ kehren schließlich seinen bereits bekannten House-Sound heraus – etwas eingedunkelter vielleicht.

Flirrend leicht, melancholisch, harmonieversunken und auf besondere Weise bescheiden. Es scheint, als wolle Lake People unbeirrt aufzeigen, wie beseelt es abseits der Peak-Time zugehen kann. Inhaltlich ist die „Point EP“ quasi ein Mini-Album. Ein verdammt gutes.

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Simon12345 & The Lazer Twins „If I Stay Here, I’ll Be Alone“ (Doumen)

Scheiße noch mal: Was macht Doumen da? Schon wieder eine dieser wunderbar eigenartigen Platten, für die man sich am liebsten selbst unter eine Vinyl-Presse legen möchte.

Okay, die Euphorie gleich am Anfang. Keine Umwege, sondern direkt, jetzt. Simon12345 & The Lazer Twins legen nicht weit entfernt vom Präzisa Rapid 3000-Hafen an – es gibt auch personelle Überschneidungen beider Bands. Das Trio hier zog ein paar Winterwochen lang in eine dänische Waldhütte, ließ sich treiben, spielte lauter Parts ein und schob dann noch einmal anderthalb Jahre die Spuren so hin, bis alles passte. Und es passt mit diesen sechs Stücken der EP.

Wie angedeutet: die instrumentale Grundstimmung mit den sich überschlagenden Rhythmen und der seltsam-einnehmenden Mischung aus Melancholie und Weirdness ist der von Präzisa Rapid 3000 nicht unähnlich. Es gibt bei „If I Stay…“ jedoch einen stärkeren HipHop-Bezug – in einem sehr abstrahiertem Sinne aber.

Am deutlichsten natürlich durch den Rap-Einsatz des US-Amerikaner Beegs Alchemy auf „I’ll Be Alone…“, einem „postapocalyptic rap genius from California“, wie Doumen ihn nennt. Der Anticon-Singsang kommt in seiner Art zu rappen sofort durch. Aber mit der hatte er wohl nichts zu tun.

Doch auch bei den anderen Stücken klingt die nickende Lässigkeit durch die vielen Schichten an Stimmen-Samples und selbst aufgenommenen Sounds hervor. Dazwischen die Wärme echter Instrumente, besonders das Schlagzeug leistet großes für diese EP. Durch seinen direkten Sound einerseits, durch seine Unberechenbarkeit andererseits. Dazu die lang gezehrten Delays, das Rascheln und die manipulierten Stimmsamples – Doumen toppt sich ein wenig selbst mit dieser Platte.

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Es wird ernst

Nachdem die Dokumention Releasing A Record kontinuierlich vom Entstehungsprozess des neuen Albums der Jenaer berichtete, wird es langsam ernst. Im November stehen die ersten Tour-Termine an, am 30. erscheint dann „High & Hills“.

Der gleichnamige Track wurde vorab schon als Radio-Single veröffentlicht. Organisch-poppiger House. Marbert Rocel rücken das Ganze noch ein wenig konkreter in den Club. Mehr zum Album dann demnächst bei frohfroh.

„Ich bin auf der Suche nach mehr Gelassenheit“ – Map.ache im Interview

Es ist in doppelter Hinsicht ein Debüt – für Map.ache als Musiker, für Kann Records als Label. „Ulfo“, das erste Album. Map.ache erzählt im Interview, wie es entstand.

Zehn Tracks, zehnmal große und süß schimmernde Wehmut. „Ulfo“ ist im Prinzip die Fortsetzung von Map.aches sehr eigenem Aufschichten und Verweben von emotionalen Sounds. Immer kurz vorm Überladenen und trotzdem auf latente Weise sehr bescheiden. Selbst in offensiven Momenten bleiben die gewohnten Rave-Diktate aus. Insofern erzählt Map.ache auf „Ulfo“ nicht grundlegend neue Geschichten, aber die Weite des Album-Formats verleiht seinem Sound eine andere Würde. Es gibt ihm den Raum, den sein Poesie-House auch braucht.

Referenzen gehen an seine zweite Heimat, das Conne Island, wo er für einen Teil des Bookings zuständig ist und an seine langjährige Post-Rock-Heimat – die mittlerweile aufgelöste Band Diario. „Ulfo“ ist ein persönliches Statement, keine Frage. Und beide Stücke stecken exemplarisch den Rahmen von Map.ache ab. Die ruhigen, leicht brüchigen Phasen und die lang gedehnten Sehnsuchtsmomente auf dem Dancefloor. Was sie zusammen hält ist die Unberechenbarkeit, die Wendungen innerhalb der Stücke. Was Map.ache selbst zum Album denkt? Das haben wir ihn gefragt.

Hast du konkret an einem Album gearbeitet, oder haben sich die Stücke zusammengereiht über die Zeit?

Der Plan zum Album ist jetzt fast genau ein Jahr alt. Alle Stücke sind auch in dem Zeitraum entstanden. Ein Konzept gab es dafür jedoch weniger, was jedoch auch an meiner Art liegt, Musik zu machen. Sobald ich mit einem Stück anfange, weiß ich vorher nie, was hinten bei rauskommt. Die Stücke entwickeln sich beim machen. Und so ist auch das Album entstanden. Es war mir jedoch wichtig, dass alle Stücke zusammen als Album funktionieren und nicht als bloße Aneinanderreihung von Stücken wahrgenommen werden. Ob das gelungen ist, weiß ich nicht.

Die Schwierigkeit jedoch ein Album zu machen, dass zum einen im Clubkontext wahrgenommen wird und zum anderen auch als Höralbum funktionieren will, war schon enorm. Im Prozess wusste ich dann oft nicht, ob das jetzt zu ruhig oder zu sehr bloß Track ist. Alle Stücke sind demnach meist auch parallel zueinander entstanden.

Wie hast du es geschafft den roten Faden dann reinzubekommen?

Ob es einen roten Faden gibt, kann ich nicht wirklich entscheiden. Jedoch gab es natürlich sehr subjektive Entscheidungen, wie und wo letztendlich was aufs Album kommt. Vor dieser Entscheidung musste ich gezwungener Maßen ein paar Ideen verwerfen oder mich gegen Stücke entscheiden, da es sonst zu viel gewesen wäre. Das Album hat zehn Stücke, von denen jedoch nur acht auf der Vinyl-Version zu finden sind. Deshalb haben wir uns auch als Label entschieden noch eine CD-Version mit allen Stücken in die Platte zu legen.

Die physische Umsetzung setzt somit den Ansatz von Album versus Club ungewollt fort. Ich wollte aber unbedingt, dass jeder der eine Platte kauft auch das ganze Album erhält. Rein ästhetisch liegt der angesprochene Faden wahrscheinlich in der gleichen Zeit der Produktionen begründet. Außerdem wollte ich mich auch mit etwas Abstand in den Stücken wiederfinden als weniger auf Funktionalität der Tracks zu achten. Das macht für mich auch den Sinn eines Album aus – fernab von unbedingter Clubtauglichkeit dennoch die Liebe zu Clubmusik individuell auszuleben und seine eigene Handschrift zu verdeutlichen. Aber ob auch das gelungen ist, müssen wiederum andere entscheiden.

Gab es besondere Einflüsse beim Produzieren – musikalisch oder außermusikalisch?

Es gibt und gab immer viele Einflüsse. Logisch. Ohne Kann und das Conne Island wäre das so sicherlich nicht entstanden. Desweiteren schwärme ich seit Jahren für die verschiedensten Musiker wie. The Sea & Cake, Tortoise, Lawrence, Omar S, Kassem Mosse oder Shed und sicher noch hunderte mehr. Der direkte Einfluss ist demnach schwer zu benennen. Als DJ, der sich nach wie vor wöchentlich Schallplatten kauft, gibt es – übertrieben gesagt – jede Woche neue Einflüsse und Aha-Erlebnisse.

Das überfordert einen zwar auch, kann aber mit gewisser Gelassenheit auch erheblich zur Motivation beitragen. Alles ist in diesem Clubzirkus irgendwie immer in Bewegung und das macht die Sache wohl auch immer noch so reizvoll. Für einen selbst bleibt es demnach spannend einerseits immer mitmachen zu wollen und auch zu müssen, sich aber andererseits die Freiheit zu nehmen, die Sachen nicht immer so verbissen zu sehen und sich und alles nicht immer zu wichtig zu nehmen. Ich denke dazu dient ein Album zu machen auch ganz gut.

Dein Sound ist generell sehr musikalisch – schwingt da deine Post-Rock-Erfahrung mit Diario mit?

Sicherlich. Das war mein erstes und vor allem auch bisher wichtigstes musikalisches Projekt neben Map.ache. Mit der Band habe ich zum ersten mal Musik selber gemacht und Stücke gebastelt. Wir haben damals schon ausschliesslich instrumental gefrickelt und waren weniger auf klassische Song-Strukturen aus. Daher wahrscheinlich auch der Einfluss und meine ewige Ungeduld, Stücke für mich nie langweilig werden zu lassen. Ich habe oft das Gefühl, dass ich Stücke mit zu vielen Elementen befrachte. Aber irgendwie kann ich es auch nicht anders.

Ich bewundere klassische House- und Techno-Produzenten, die es schaffen mit wenigen Elementen und Geduld einen guten Track zu machen, der sich aus der ständigen Wiederholung erst erschließt. Das sind auch die Stücke, die man am liebsten selber spielt und die im Kontext einer guten Clubmacht nicht nur funktionieren. Aber ich bin bereits auf der Suche nach mehr Gelassenheit.

Diario gibt es ja nicht mehr – fehlt dir der Band-Kontext oder ist das Alleinarbeiten mehr in deinem Sinne?

Leider nein, er fehlt mir derzeit nicht. Nach vielen Jahren gemeinsamer musikalischer Kompromisse mit Diario, die ohne Frage total gut waren, genieße ich es wirklich beim produzieren ausschließlich mit mir allein zu sein und eigene musikalische Vorstellungen auszuformulieren. Aber das schließt natürlich nicht aus, dass ich perspektivisch mal wieder irgendwas mit anderen zusammen machen werde. Momentan fehlt mir jedoch neben dem Musik machen, Auflegen, Conne Island und Label-Arbeit einfach die Zeit dafür.

Dass das Album auf Kann rauskommt, war von Beginn an klar, oder gab es auch andere Angebote?

Ja, den Plan zum ersten Artist Album auf Kann haben wir zusammen geschmiedet. Deshalb gab es auch keine ernstzunehmende Alternative für mich. Zumal ich dass Album ja für Kann produziert habe.
Das bringt natürlich einen enormen Vetrauensvorschuss vom Label mit sich. Ich habe auch Alex und Dennis erst am Album teilhaben lassen, als es komplett fertig war.

Das war, glaube ich, der aufregendste Moment zum Album, den beiden und meiner Freundin das fertige Album zum Hören zu geben und abwarten zu müssen, was die sagen. Nebenher gab es jedoch einige Anfragen für Stücke und EPs auf anderen Labels, bei denen ich schon mit mir ringen musste, die für die Konzentration aufs Album abzusagen. Im Nachhinein war aber alles die richtige Entscheidung.

Ist eine Release-Tour mit dir als Live-Act geplant?

Nein, eine Release-Tour und ist nicht geplant. Und auch Live-Spielen will ich erstmal nicht. Auflegen ist mir lieber. Es gibt drei Termine als kleine Release-Partys: jetzt am Samstag der „Kann Dance Ulfo“ als aufregendstes Heimspiel, bei dem auch die Platte zum ersten Mal erworben werden kann. Dann am 29. November in der Loftus Hall in Berlin und im Pudel am 1. Dezember in Hamburg. Alles sehr passend.

Das Schöne an den drei Abenden ist, dass wir die als Label komplett selber gestalten und von Anfang bis Ende die musikalischen Choreographen sein dürfen. Dass ist ein Privileg im Gegensatz zu den meisten Sachen bei denen wir mit Manamana für drei Stunden genau auf den Punkt bereit für Party sein müssen und abliefern. Der musikalische Aufbau und das Ende sind aber eigentlich immer die schönste und die größte Herausforderung eines Abends. Generell soll vor allem die Platte erstmal für sich stehen, ohne irgendein konstruiertes Drumherum. Das würde der ganzen Herangehensweise wohl am Ende auch nicht gerecht.

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Bleep Out

Heute Abend wird aus Bleep Hop der Bleep Club. Warum? Weil es die vorerst letzte Sendung von Michael Wallies alias Repeatbeat sein wird. Eine Menge Gäste konnte er dafür akquirieren.

Schon komisch, wenn einem die Relevanz einer guten Konstante erst dann richtig bewusst wird, wenn sie sich dem Ende zuneigt. 221 Sendungen bereitete Michael Wallies in den vergangenen acht Jahren vor, um sie dann live auf Radio Blau zu moderieren. Für Liebhaber von ebenso geradliniger wie abseitiger, elektronischer Musik war Bleep Hop eine regelmäßige Inspirationsquelle. Zweimal durfte ich dabei sein und mir das Räuspern am Mikrofon verkneifen.

Heute Abend wird das Studio aber richtig voll. Zusammen mit seinem Moderator-Weggefährten Alexander Dreyhaupt hostet Micha ein letztes Mal Bleep Hop und macht zugleich einen Club daraus. Mit richtigen DJs und einem Live-Act. Eine Stunde mehr hat er auch bekommen – von Mrs. Peppstein, die ihn einst zum Radio brachte. Es spielen: Claire, LXC, Map.ache, Mrs. Pepstein, Orange Dot (live), Rentek und Daniel Stefanik. Aber hallo. 20 Uhr geht es los. Wir wollten aber noch ein wenig mehr wissen und haben Micha vier Fragen gestellt:

Letzte Bleep Hop-Sendung: warum?

Das hat sich kurzfristig ergeben, da ich Leipzig verlasse. So musste ich auch schnell entscheiden, was mit der Sendung passiert. Acht Jahre und über 200 Sendungen sind keine Kleinigkeit. Natürlich könnte ich weiter machen, indem ich eine Sendung vorproduziere, die dann im Radio abgefahren wird. Technisch wäre das kein Problem. Das habe ich bei anderen Sendungen bereits erlebt, die dann einen schleichenden Tod erlebten und dann einfach weg waren. Dafür liegt mir „Bleep Hop“ zu sehr am Herzen. Radio lebt davon, dass man die Sendungen live – möglichst mit interessanten Gästen – produziert.

Das Radio ist dafür ein toller Ort. Ich habe dann eine Nacht drüber geschlafen und sofort gewusst, dass der Moment gekommen ist, Bleep Hop erstmal in den Ruhestand zu schicken und zwar mit einer ganz besonderen Sendung. Am gleichen Abend hatte ich dann meine vorvorletzte Sendung. Daniel Stefanik, der an diesem Abend mein Studiogast war, meinte sofort, dass er dabei wäre. Nach einigen E-Mails war am nächsten Nachmittag das Programm für den „Bleep Club“ komplett. Das Line-up kann sich wirklich sehen lassen, weil so viele unterschiedliche Akteure zusammen kommen. Das es nun auch noch die 222. Sendung ist, ist wirklich ein schöner Zufall. Toll ist auch, dass Mrs. Pepstein mitmacht und das am Abend so viele Leute aus dem Radio mithelfen.

Was waren deine persönlichen Höhepunkte in den 221 vergangenen Sendungen?

Ein Highlight war der Besuch von Funkstörung mit ihren Live-Sets im Studio. Die Sendung war noch total neu und ich war damals ein riesiger Fan und stolz, dass Helden der Jugend einfach mal vorbei kommen. Irgendwann war es dann aber nicht mehr so wichtig, wie bekannt oder erfolgreich die Studiogäste sind. Vielmehr fand ich es wichtig, dass sich möglichst aufschlussreiche Gespräche ergaben. Dazu musste die Musik natürlich das gewisse Etwas haben.

Außerdem ist es toll, wenn man immer dann, wenn man es nicht erwartet, Feedback zur Sendung bekommt. So gibt es lustige Situationen, wenn dir einige Tage nach der Sendung jemand erzählt, dass er dazu Plätzchen gebacken hat oder in der Wanne lag und noch wissen will, welcher Track gegen halb 10 lief. Ein besonderes Highlight fällt mir doch ein: Ich konnte im März Gilles Peterson von der BBC interviewen. Das war natürlich famos, so eine Radiolegende im kleinen Radio Blau-Studio zu erleben.

Du bist in all den Jahren Radio Blau treu geblieben – gab es auch Überlegungen im Internet zu senden?

Radio Blau – und somit auch Sendung – ist ja schon seit Jahren im Live-Stream zu hören. Dazu gab es natürlich seit Ewigkeiten diverse Aktionen im Netz. Anfangs war Myspace total relevant. Mittlerweile klingt das bizarr und 90er. Heute braucht man natürlich möglichst eine eigene Seite, ein Soundcloud-Profil, ein Twitter-Account und obendrauf noch eine Facebook-Fanseite. Das macht man, aber die Online-Aktivitäten sind immer nur programmbegleitend.

Vielleicht bin ich da etwas altmodisch, aber es ist ja auch weiterhin cool, mit Vinyl aufzulegen. Ganz wichtig war es über die Jahre auch, dass der feste Sendeplatz da war und somit die Verpflichtung, alle zwei Wochen – und das in allen Lebenslagen – eine neue Sendung zu machen. Dazu ist ein freies Radio – mit all den basisdemokratischen Diskussionen, die manchmal natürlich auch nerven – ein verdammt lehrreiches, soziales Projekt, was man definitiv erlebt haben sollte.

Welche anderen Sendungen für elektronische Musik auf Radio Blau kannst du uns als Alternative zu Bleep Hop empfehlen?

Es gibt erstklassige DJ-Sendungen. Ich empfehle auf jeden Fall „Girls Edit“, „Downtownlyrics“, „Subscience“ oder „Nokogiribiki“. Mit „Future Classics“ gibt es dazu eine tolle Musiksendung für HipHop-Fans. Dazu kann man sehr eigenwillige, oft krautige elektronische Musik in der „Zonic Radio Show“ hören.

Meine absolute Lieblingssendung ist „DingDong“. Der Macher Bert the Juggler ist wahrlich Kult. Bei „Ding Dong“ gibt es zum Teil grandiose und manchmal auch ganz scheußliche Techno- und Tranceklassiker, die ich niemals in meiner Sendung gespielt hätte, aber wenn Bert dazu ein paar Geschichten erzählt, passt das einfach. Im Winter ist „Ding Dong“ und Badewanne auf jeden Fall eine grandiose Kombination.

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Various Artists „Tetsampler 2012“ (Tetmusik)

Tetmusik ist wieder da – jenes Label, das ohne Bedenken zwischen Indie, Pop und Elektronik hin und her switcht.

Nach dem Reh und Fuchs nun der Pfau, also auf dem Cover. Der Vertriebsweg bleibt aber gleich: Bandcamp mit seiner Zahl-soviel-du-magst-Option. Auch die Diversität im Sound. Im Prinzip sind die „Tetsampler“ klassische Mixtapes. Ohne die tief persönliche Note natürlich. Aber der Ansatz erinnert daran. Die überraschenden Momente, auf die es sich einzulassen gilt. Auch wenn es im Gegensatz zu einer Kassette bei Bandcamp oder Soundcloud leicht ist, sich nur die eigenen Perlen rauszusuchen.

Meine Perlenkette würde der von 2011 ähneln. Jennifer Touch mit unterkühlter Synth-Pop-Strenge, Orangie Dot und Iami mit ihren Electronica-House-Entwürfen und natürlich Limousine Rot. Deren „Power Plant“ mäandert dem Störfall entgegen, bis es sich im elektronischen Rauschen ganz auflöst. Ebenso verstörend, aber fast der heimliche Hit ist „Idiosyncratic“ von The Empath. Vier Minuten strange Rastlosigkeit in solcher Leichtfüßigkeit, das man einfach hinhören muss. Es geht gar nicht anders. Bei den Electronica-Helden von Hymen scheint er auch schon zu sein. Unbedingt merken.

Ansonsten dabei Andreas Techer mit verspielt-träumenden House, Pumamontana mit einem Limousine Rot-Hear-A-Like, Elsterclub mit gewohnter Indie-Lässigkeit und Dead Fish Audio mit analog schimmerndem Folk. Der aktuelle „Tetsampler“ ist einmal mehr nichts für Genre-Puristen. Aber wer ist das schon noch im Jahr 2012?

Wer übrigens auch das physische Tet-Erlebnis haben möchte, kann eine der auf 100 Stück limitierte CD-R-Version bestellen.

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Annäherungen im Dub

Nicht nur zwischen Statik Entertainment und Instabil herrscht gerade ein reges Verwischen der Haupt- und Sublabel-Grenzen. Die aktuellen Platten von Alphacut Records und 457 connection sich ähnlich.

Normalerweise offenbaren Sub-Labels eine Facette, die vom Kurs des Hauptlabels mehr oder weniger deutlich abweicht. Natürlich ist dies nirgendwo in Stein gemeißelt oder gesetzlich fixiert. Und gerade ein Label wie Alphacut würde sich nie auf solche Konventionen einlassen. Insofern ist die klangliche und personelle Paralleliät eigentlich kein großes Ding. Aber dennoch irgendwie auch überraschend.

Für das Hauptlabel sicherlich noch einen Tick mehr als für 457, das sich ja deutlicher dem Dub verschrieben hat. Personell stehen auf beiden Platten der Istanbuler Flatliners und The Untouchables in den Spuren. Wie schon auf dem 457-Debüt im Frühjahr. Auf der zweiten 7″ holt sich Flatliners mit Mr Foul am Mikrofon seinen eigenen „Jah Victory“ nach Hause. Sehr viel offensiver als bei der ersten Platte, angetrieben von einer dunklen, tief hängenden Bassline.

Aber auch The Untouchables sind weniger verwunschen in ihrem Cosmic Dub unterwegs. Einerseits etwas aufgeräumter, andererseits mit mehr Noise-Appeal. Hier nähert sich 457 Alphacut an.

Umgekehrt drosselt die 28. Alphacut-Platte das Tempo in Richtung 457. Naturgemäß mit viel mehr Zeit zum Entfalten auf den kompletten 12″-Seiten. Die Verspultheit der Untouchables bleibt aber auch hier bei „Hungry Belly“, nur eben epischer ausgebreitet. Beim Flatliners „Kangaroo Dub“ legte Dubmonger noch einmal nach. Auch hier aber sehr klar im klassischen Dub geerdet. Zufall oder nicht: perfekt, dass beide Platten quasi parallel herauskommen.

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Der Ticket-Rummel

1. Dezember, 16 Uhr – na dämmert’s? Der Nachtdigital-Ticket-Rummel öffnet kurz seine Tore bei TixForGigs.

Obwohl die Server wohl etwas mehr Wodka Red Bull bekommen sollen, merkt die ND-Crew an: „Jedoch wird es wohl, wie auch im richtigen Laden, kaum ohne Anstehen gehen wenn ein paar tausend Leute gleichzeitig Tickets kaufen möchten.“

Von 2. bis 4. August 2013 findet das 16. Nachtdigital übrigens statt. Das Line-up gibt es hier.

Imugem Orihasam „Otaru Chords“ (Instabil)

Und wieder Dancefloor-Experimente aus Japan. Wie schon Statik Entertainment widmet sich auch Instabil dem Producer Imugem Orihasam.

Vor kurzem tauchte der Name bereits bei Statik Entertainment auf. Während „The Nippon Express“ jedoch auf ebenso eindringliche wie schroffe Weise die experimentellen und dunkleren Ränder von Techno streifte, schaltet „Otaru Chords“ einen Gang zurück. In der Weite und Rauheit der Dub-Chords unterscheiden sich die Tracks beider EPs nicht sehr. Dafür entfernen sich die drei neuen Stücke stärker vom Dancefloor und driften in Richtung Electronica.

Einem etwas in Vergessenheit geratener Sound, der bei Imugem Orihasam aber keineswegs oldfashioned klingt. Vielleicht liegt es an der präsenteren Rhythmik. Besonders „Tolerance“ gewinnt dadurch einen schleppend-gebrochenden Groove, an dem Dubstep nicht ganz spurlos vorübergezogen ist. Der definitiv stärkste Track der EP. Geradliniger ist dagegen „Same Position“, ein Track, der die Verbindung zu „The Nippon Express“ herstellt.

„Flickering“ dekonstruiert Dub-Techno – und zwar von den Chords her. Überall leiert es und entwickelt damit einen irgendwie kosmisch klingenden Sog. Ganz ganz hinten stampft in Zeitlupe die Bassdrum. Einen unterkühlten Charme haben die „Otaru Chords“.

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Leipzig – Göttingen – Detroit

Im Oktober war Kassem Mosse auf zwei Platten zu hören, die zusammen mit anderen Musikern entstanden. Eine kleine Rückschau darauf.

Einmal ging es nach Detroit, einmal nach Göttingen. Zusammen mit Fit alias Aaron Siegel und XDB alias Kosta Athanassiadis entstanden insgesamt drei Tracks. Die wahrscheinlich schillerndere ist die „Enter The Fog“-EP. Nicht nur, weil sie bei Omar S‘ Label FXHE Records erschien mitsamt eines Remixes des eigensinnigen Betreibers. Wie schon zuletzt bei FXHE tritt Kassem Mosse mit seinem echten Name hervor.

„Enter The Fog“ als Track strahlt eine holprige Leichtigkeit aus, die den weithin melancholisch-kantigen Charme von Kassem Mosse um eine ungewohnte Funk-Note erweitert. „Rollout“ schlägt einen ganz ähnlichen Vibe ein. Dabei bleiben die Rahmenbedingungen gleich – trocken, analog, skizzenhaft und doch in all ihrer Einfachheit faszinierend.

Laut Discogs kümmerte sich Kassem Mosse um die Beats, Fit um den schwelgerischen Rest. Omar S lässt ausschließlich ein drückendes Säbelrasseln raus, in dem er die „Fog Beats“ extrahiert.

„Omrish“, das gemeinsame Stück mit XDB kam bei Diamond & Pearls heraus, die ich bisher nur als Vertrieb von Kann Records, Mikrodisko, Ortloff und O’RS kannte. Hier prägt weniger Funk, sondern mehr Sci-Fi-Deepness den Sound. Stärker in sich verwoben und dramaturgisch aus dem Club-Rahmen gezogen. Die Leipzig-Göttingen-Tagente klingt eben doch etwas anders als Leipzig-Detroit. Vorhören via Soundcloud ist leider nicht. Dafür hier und hier.

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Krink „Darkness EP“ (FormResonance)

Stiff Litte Spinners-Mitgestalter Krink festigt seine House-Deepness mit einer neuen EP. Dieses Mal auf einem Hamburger Label, das nicht zum ersten Mal seine Fühler nach Leipzig ausstreckte.

FormResonance, das Label von Florian Schirmacher und André Hoffmann holte im vergangenen Jahr bereits Chris Manura mit seiner „Smohalla EP“ ins Boot. Nun also Krink, der neben seinen Tracks auf dem Audiolith-Ableger Stiff Little Spinners auch schon anderswo auftauchte.

Mit den vier neuen Stücken der „Darkness EP“ kristallisiert sich immer mehr der klangliche Faden heraus, den Krink als Producer verfolgt. Die große Wärme von Deep House einerseits, dezenter Maximalismus andererseits. Denn wenn aus den wogenden, langgezogenen Chords plötzlich eine analog-britzelnde Synth-Bassline auffährt, umarmt Krink Pathos und Oldschool mit einem Mal.

Das ist durchaus gewagt. Aber gerade dieses Aushebeln der House-Dogmen gefällt sehr. Einzig „Session“ kann da nicht mithalten. Zu weich gezeichnet klingt dieser Track. „Darkness“ ist die Hymne, keine Frage. Was aber alle Stücke gleichermaßen zusammen hält, ist ihre nächtliche Stimmung. Nicht die im Club, sondern die manchmal ganz heilsame Stille der nächtlichen Einsamkeit.

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