Spot on – Madda Chantal

Pink, Pastell, Barbie aesthetics – dazu ein schneller, harter, gebrochener Sound und viel Experimentierfreude, ohne dabei abzuheben: Das ist Eiji alias Madda Chantal. Wie Eiji mit seinem Sound und seinem Style die allzu übliche Vorstellung von Techno-Couture herausfordert und warum der Berliner die Leipziger Szene schätzt, erzählt er im Interview.

__Leipzig und Berlin

Eiji De Luca nennt sich Madda Chantal, arbeitete als DJ und Selektor unter anderem im Aeden in Berlin und kam vor rund drei Jahren nach Leipzig. Der Grund: Er musste aus seiner Berliner Wohnung ausziehen – ein guter Anlass, „um mal rauszukommen“, erzählt er. Leipzig kannte er von Feier-Ausflügen und war schnell angetan von der Technoszene, den Clubs und den Möglichkeiten der Stadt. 

Geradezu antizyklisch, denn der Fluss nach Berlin ist ungebrochen; kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein:e DJ ein Zimmer in Berlin via Instagram sucht… Aber Leipzig und die Leipziger Art zu Feien gefiel Eiji. Die Ausflugsstadt wurde zu seinem Hauptwohnsitz.

__Psytrance und Peak-Time

Die Faszination fürs Feiern und für elektronische Musik liegen bei Eiji zehn Jahre zurück: „Mit 13 war meine große Liebe Psytrance und Darkpsy“, sagt er und erinnert sich an seine ersten Male in Berliner Clubs. Die hat er recht jung kennengelernt, ausgiebig. Damals kam bei ihm schon nach den ersten Nächten der Wunsch auf, Leute zu seinen Beats tanzen zu sehen, sagt er. 

Denn Feiern ist das eine. Auflegen, im Nachtleben aktiv sein und dort arbeiten, das ist das andere. Für ihn war es ein ganz logischer, nächster Schritt: DJ werden. Mit geschenktem Equipment einer Freundin – der er hierfür ewig dankbar sein wird, sagt er – und einer Traktor-Software, fing er an; und legte das erste Mal in Berlin, später auch in Leipzig bei Freund:innen auf. Damals noch „klassischen und härteren“ Techno. 

Leipzig empfing ihn also nicht nur als Gast auf der Tanzfläche, sondern auch als DJ sehr herzlich. Die Szene sei eben eher klein, „süß“ und übersichtlich, findet er. Ein enormer Vorteil, um Anschluss und Gigs zu finden. Das sei in Berlin anders, die Schnelllebigkeit dort könne schnell frustrieren. Er sei deshalb weiterhin froh, in Leipzig zu leben. Auch wenn er in letzter Zeit mit Wien als place to be liebäugelt. Leipzig als Zwischenstation auf der Weiterreise? Auch das ist nicht abwegig, wird aber erst die Zukunft zeigen.

__Pastell und Pink

Auffallend ist nicht nur Eijis pumpiger, vibiger, breakiger, trotzdem immer düster-technoider Sound bis 150 BPM, sondern auch sein Style. Pastell, Pink, Crocs mit Plateauabsätzen, Handtaschen und Uhren an jedem Handgelenk, oft sogar am Fuß, sind sein Markenzeichen:

„In erster Linie ziehe ich das an, weil es ich es geil finde. Es passt zu mir als Person – es ist ein bisschen silly, cute und es versprüht einfach Frische, finde ich“

– sein Stil sei witzig, aber nicht ironisch.

Das typische Bild von Männlichkeit und wie sich Männer „üblicherweise“ kleiden, werde hierbei gebrochen. Und gerade Männer fühlen sich davon durchaus provoziert, sagt er. Auf der Straße fallen die Reaktionen nämlich leider meist anders aus als im Club, wo sein Kleidungsstil eher Anerkennung statt Abwertung erfährt. Seine Persönlichkeit, ob beim Auflegen oder im Alltag, mit Kleidung und Farben auszudrücken, sei ihm aber wichtiger als die Befindlichkeiten rosa-hatender Typen.

„Ich nehme das DJ-sein sehr ernst, weil ich dafür brenne“

– Eiji aka Madda Chantal

Eiji beobachtet die Partyszene als DJ und weiterhin als regelmäßiger Gast in nahezu allen Leipziger Clubs; und fast alles bei ihm hat irgendwie direkt oder indirekt mit Clubkultur zu tun: „Ich nehme das DJ-sein sehr ernst, weil ich dafür brenne“, sagt er sehr bestimmt zum Ende des Interviews. 

Das ist spürbar, wenn er von Nächten erzählt, bei denen er aufgelegt hat. Oder vom Ausgehen und Tanzen mit Freund:innen: „Im Club kann ich mich zeigen, wie ich bin. Und hier lerne ich immer wieder Leute kennen, die mich auch genauso annehmen und mich supporten.“ 

__Lust auf Herbst

Gerade hat er drei neue Partyreihen in Leipzig entdeckt, die für ihn Zeitgeist und einen modernen Sound vereinen: Saft, Morph und Maniac. Sie markieren das Ende einer Durststrecke, in der ihm die Veranstaltungen in Leipzig zu „alt eingesessen“ und nicht mehr wirklich progressiv-interessant vorkamen. 

Das sind gute Vorzeichen für die Zeit nach der Sommerpause. Eiji werden wir in der kommenden Saison sicher wieder in den Leipziger und Berliner Clubs treffen – entweder auf der Tanzfläche oder als Madda Chantal hinter dem DJ-Pult. 

Einstimmen, auf welche Party, Session, Pre- oder Afterhour auch immer, könnt ihr euch mit dem frohfroh-Mix von Madda Chantal. Enjoy!


Alle Fotos von Iona Dutz. Noch mehr Bilder findet ihr auf Ionas Website und bei Instagram.

KW 38 – Samstag

Und hier noch zwei interessante Tipps für den KW 38-Samstag.

frohfroh-Tagestipp //

Narciss presents: Language Of Love // Institut fuer Zukunft // 23:55 Uhr
w/ Narcis b2b Malugi, I$A, Bbetriebswirt, Nb}|{MC, J Nuggetz

Nice, Narciss hostet hier eine eigene Party für wunderbare musikalische Grenzüberschreitungen. Da treffen Broken Beats und House auf happy Rave-Sounds und euphorische Chords. Gemeinsam mit Broken Hearts-Resident Maluga wird Narciss ein B2B-Set spielen.


Außerdem heute //

DanceNFriends & Face To Face – Neue Welle, 23:00 Uhr – Hardgroove und Techno mit Leo_Lauch, Polaroidbær b2b Hoffster2000, Lecat, Rove Ranger, David Löhlein

KW 38 – Donnerstag

Das Seanaps ist zurück – heute gibt es das Festival-Opening.

frohfroh-Tagestipp //

Seanaps Festival 2023 // Westflügel, Luru Kino, Techne Sphere Leipzig, Westwerk, Temporrrm, Txpx // 18:30 Uhr
w/ Anna Schimkat, Miki Yui, Hauptmeier|Recker, Yun-Chu Liang, Felicity Mangan, Damsel Elysium, Wild Terrier Orchestra, Selu Herraiz, Wilted Woman, Maurice Louca, Slumberland, Weird Dust, Don The Tiger, CV & JAB, So Sner, Damian Dalla Torre, Lieven Martens, Julia Santoli & Lorenz Lindner, Jane Jin Kaisen, GAŁGAŁ

Heute startet die siebte Ausgabe des Seanaps Festivals – mittlerweile eine feste Event-Reihe, die experimentelle und zeitgenössische Musik, Kunst, Performance und Filme präsentiert – viele Veranstaltungen sind auch for free und damit niederschwellig besuchbar. Dieses Jahr steht das Programm unter dem Motto “Composing Future”. Bis Sonntag gibt es Konzerte, Interventions, Screenings und Workshops.

Das gesamte Programm findet ihr hier.

VA – Disco Orangen (VAYA)

Einen kleinen musikalischen Nachtrag zum scheidenden Sommer liefert uns das Leipziger Label VAYA. Die Macher haben bereits mit der ein oder anderen Soli-Compilation und hübschen Shirts einen blendenden und bleibenden Eindruck hinterlassen. Nun folgt der erste Release auf Tape und man kann es nicht anders sagen: Der Name ist Programm.

VAYA versammeln auf „Disco Orangen“ ein wenig Produzent*innen-Prominenz aus dem erweiterten Umfeld und liefern eine geschmackvolle und vielseitige Compilation. Konservierte Sommer-Vibes auf satten 2 x 40 Minuten für das Kassettendeck am See oder den Walkman unterwegs. Wer es lieber digital hat, findet die Compilation auf Bandcamp als Stream und Download. Es lohnt sich!

Ob Discofunk (Ranko) oder fluffiger Dubstep (Lai Raw), Beastie Boys-Hommage (Varum), House (DJ Balaton; Cimas, Rob de Bank; Siggatunez) oder Synth-Pop (supa KC; Heron). Das Spektrum ist ziemlich breit und macht Freude. Hört sich wie ein schönes Mixtape, das einem jemand aufgenommen hat, der einen mag.
Mit „Insights“ von Jakob Mäder gibt’s dann gleich noch einen super sweeten Disco-House-Kracher (mein geheimer Favorit), der Lust macht rauszugehen, zum See zu radeln oder auf eine Open Air Party zu gehen.

Apropos: Die Vaya-Compilation feiert an diesem Samstag ihren Release im Leipziger Westen.

SA, 16.09.2023

@ MULE

14-22 h


Na, wenn das nicht verlockend klingt? See you around!

KW 37 – Freitag

Dieser Freitag ist offiziell recht überschaubar. Aber sicher geht einges mehr – also lasst es uns in den Kommentaren wissen.

frohfroh-Tagestipp //

Impuls // Neue Welle // 23:00 Uhr
w/ Detroit In Effect, Credit 00, Cyan85, Sithara

Classic Electro mit einem echten Detroit-Hero. Seit seiner frühen Jugend Ende der 1980er bastelt Detroit In Effect an eigenen Tracks und DJ-Sets. Heute ist er zusammen mit Leipzig Finest Electro-Acts in der Welle. Sithara bringt außerdem noch uplifting House-Vibes dazu.


Außerdem heute //

It’s An Eli Thing With Kaufmann – Elipamanoke, 23:59 Uhr – Psytechno, Tech House und Techno mit Kaufmann, Aio, Adrija, Lars Goldammer, Senta Julien, Splinter

KW 37 – Samstag

Tagsüber geht es auf die Straße – nachts in die Clubs. Sechs Tipps für heute.

frohfroh-Tagestipp //

Global Space Odyssey // Leipzig // 12:00 Uhr
w/ tba

Die Global Space Odyssey ist ein Leipzig-Classic – einmal im Jahr ziehen Teile der hiesigen Clubszene durch die Straßen und laden zu einer kritisch-bunten-lauten Demo. Dieses Jahr läuft die GSO unter dem Motto “Dance For Future” und möchte auf die Verantwortung der Rave-Culture beim Klimawandel hinweisen.

Wo die Route langgeht und welche Crews daran teilnehmen, erfahrt ihr auf der GSO-Website.

Im Anschluss gibt es zwei Aftershow-Parties:

Global Space Odyssey Aftershow – Elipamanoke, 23:00 Uhr – Techno, Trance und Drum & Bass mit Dørte, EAIA, Wintermute, Ace, Darkula, Slany, E.V.A, Sebastian Sandmann & RDR, Sun Is Underwater , Margarethe Specht, Bonnie, The Biceps, Thomas Leitschuh, Vannie Lieh, Meine Weinigkeit, Blizzard Wizzard

Global Space Odyssey Aftershow – Mjut, 22:00 Uhr – Techno, Breaks, House, Electro mit Relict, Fayray, DJ Annita, Smooksy, Fjedn, Brothers of Sisters, Phoebe, Krue, :Mumm, Nicetan


Außerdem heute //

Aequalis x Zan x Quartal – Institut fuer Zukunft, 23:59 Uhr – Techno und Ambient mit Medha, D-Leria, N.akin, Current Location, Luzi, Kimya, Siggi Petrol, Taar1, Thnts, Nælida b2b Balanca

Hyperfokus – Neue Welle, 23:00 Uhr – Deep Techno mit Amelic, MZR, Jan Goertz

Taktgewackel – Absturz, 23:00 Uhr – Techno mit Daniel Accent, High Know, Kob

KW 37 – Sonntag

Im IfZ geht noch was an diesem Sonntag.

frohfroh-Tagestipp //

All Red // Institut fuer Zukunft // 14:00 Uhr
w/ Dana Ruh, Agy3na, L3roy b2b Optyi

Sonntagnachmittag ist das IfZ noch offen. Dieses Mal wieder für die All Red-Reihe, die Wert auf spannende DJs mit eklektischen Sets legt. Heute kommen mit Dana Ruh und Agy3na tatsächlich zwei sehr unterschiedliche und doch vielseitige DJs.

KW 36 – Sonntag

Und sonntags geht es noch weiter im Norden.

frohfroh-Tagestipp //

Giegling in Leipzig // Pittlerwerke // 10:00 Uhr
w/ Thomas Melchior, Leafar Legov, Map.ache, Walle & Shuray, Tau Car, Elli

Zum Giegling-Ausklang gibt es nochmals drei Live-Acts – darunter auch der tolle Map.ache aus Leipzig.


Außerdem heute //

Barcelounge – Barcelona Bar, 19:00 Uhr – Downtempo, TripHop, IDM, Drum & Bass mit DJ Zapotek

KW 36 – Samstag

Das IfZ macht wieder auf und der Westhafen beendet seine Saison. Und im Norden geht’s weiter.

frohfroh-Tagestipp //

Opening Clubnacht // Institut fuer Zukunft // 23:55 Uhr
w/ Neele, Brikett Royal, Juliana Huxtable, Cleo Snk b2b 503, Sasha Zlykh, Pj.nm, Pokka, Judith van Waterkant

Das IfZ kehrt ebenfalls zurück aus der Sommerpause. Zum Opening gibt es viel Local-Power auf drei Floors, aber auch zwei Gast-Highlights: Sasha Zlykh aus Kyiv bringt kantigen House-Funk auf den Trakt II. Und auf Trakt I zercrasht Juliana Huxtable jegliche Floor-Konventionen – mit einem Mix aus hartem Techno, Noise, Rave und Breaks. Spannend.


Außerdem heute //

Giegling in Leipzig – Pittlerwerke, 12:00 Uhr – Deep House, Deep Techno und Minimal mit Tobias, Vril, Edward, Lawrence, Magda, Sevensol, DJ Dustin, Yamour, Reece Walker, Alina

Transmission – Neue Welle, 23:00 Uhr – Tech House, Hardgroove, Techno mit DJ Alkali, Mo:az, Cheetah, Zart, Q, Rahmlet

& with Clubberware & Yikes – Elipamanoke, 23:59 Uhr – Tech House, House mit Acta Non Verba, Bankai, DJ Babanatz, Junke,r KarlF, Lady Lynzky, Leon Link, Majoo, Nighty Ninja, Nøvae, Sebastian Strootmann, Simon Phil.ter, Vluna

Westhafen Festival – Westhafen, 12:00 Uhr – House, Tech House und Techno mit Dominik Eulberg, Schlepp Geist, Shaleen, Panthera Krause, Aio, Sinanim, Philipp Fein, Goldie Palm, Tøsche, Sledge

WBRR Off Techo Series Chapter III – Kulturlounge, 22:00 Uhr – Techno mit Crystal Distortion, Stephan von Wolffersdorff, Oliver Rosemann, Daniel Sailer vs. Subtrak, Tinou, J. Boom Boom

KW 36 – Freitag

Hi Hi – die frohfroh-Ausgehtipps sind zurück aus der Sommerpause. Und es geht gleich mit einem großen Line-up los.

frohfroh-Tagestipp //

Giegling in Leipzig // Pittlerwerke // 18:00 Uhr
w/ Actress, Jan Jelinek, Ulla, Lawrence, Leafar Legov, Lowtec, Elli

Zum Saison-Start gleich ein ambivalentes Highlight im Norden von Leipzig. Das Label Giegling mit Wurzeln in Weimar und durchaus streitbaren Momenten in seiner Geschichte veranstaltet ein unglaublich gut besetztes Festival.

Heute geht es mit einem Konzert-Abend los, bei dem die Electronica-Held:innen Jan Jelinek und Ulla live spielen werden. Dazu der wunderbare Actress mit seinem vernebelt-verschrobenen House-Electronica-Mix.


Außerdem heute //

Sweet & Sweaty – Mjut, 20:00 Uhr – House, Breaks, Disco und Dub mit Elea Eluanda, Discobabe2, Doekhi, DJ Detox

Oxidation – Neue Welle, 23:00 Uhr – Techno mit Meyhartt b2b Amøn, Jan Vercauteren, Jaszaloth, Klaudia Kowalski

Superpamanoke – Elipamanoke, 23:59 Uhr – Techno, Rave und Minimal mit U.R.Trax, Azil, Boicot, DJ Stimula, HoudaFK, Mentell, Siggi Sauer

New In – Sommer 2023

Der Sommer neigt sich dem Ende zu – Zeit für einen Rückblick auf einige spannende und weniger spannende Leipzig-Releases. Nils und Jens von frohfroh haben sich durch den Leipziger Bandcamp-Sommer durchgehört.

Ewan Jansen – “RM12022” (R.A.N.D. Muzik)

Sonnig und luftig wie der ausklingende Sommer kommt eine weitere EP auf R.A.N.D. Muzik Recordings daher. Diesmal vom australischen Produzenten Ewan Jansen. Sticht auf jeden Fall heraus zwischen all den Progressive House und zuweilen auch trancig angehauchten Veröffentlichungen, die beim Label zuletzt so rauskamen.

Die vier Stücke pendeln sich ein zwischen Deep House und fluffigem Tech House. Alles im Bereich von 120 bpm. Sweete Synthpads treffen auf perkussive Elemente, der groovige Bass bei jedem Track ist ebenfalls super gut. Klingt alles bisschen retro und doch sehr zeitgemäß. Ein heißer Tipp für alle, die es ein wenig gemütlicher mögen.

Nils’ Hit: „Wild Shore“. Why: Weil der einfach super schön ist und die Synth -Flächen der Hammer sind. Fast schon ein Ohrwurm. 


DC Sales “Pressure EP” (R.A.N.D. Muzik x Echocentric)

Ende Juni sorgte die “Pressure EP” des belgischen Producers DC Sales auf R.A.N.D. für ein Oha. Denn die vier Tracks dieser EP steuern sehr straight auf den Main Floor. Sehr bold auftretend und mit seinen flächigen Psy- und Rave-Sounds ist diese EP ganz klar auf Big Room-Momente ausgelegt. Irgendwie spannend, wie R.A.N.D. hier ein neues Terrain ausprobiert und vielleicht auch mal auscheckt, ob es nicht doch noch eine Nummer größer geht. Klar, geht, und DC Sales hält die Zügel straff. Aber die Rave-Skala schlägt mir zu stark in den roten Bereich aus.

Jens’ Hit: „Pressure“. Why: Weil die Bassdrum so schön drückt und der Track trotz Rave-Chords immer noch minimalistisch bleibt.


Sascha Funke & Niklas Wandt – RM12023

Und noch einmal eine kleine Überraschung auf  R.A.N.D. Muzik. Zwei Namen, die man so vielleicht nicht zusammen erwartet hätte. Das Berliner Produzenten- und DJ-Urgestein Sascha Funke trifft auf den Perkussionisten und Schlagzeuger Niklas Wandt. Nicht ihre erste gemeinsame Veröffentlichung, wie der schnelle Blick auf Discogs verrät. Die EP ist ein Ritt durch die Genres, wobei kein Track dem anderen in irgendeiner Weise nachsteht.

Los geht es mit einer sanften Nummer namens „Scheunenfund“. Verspielte Synths und Perkussion auf wohliger Pad-Grundlage und 4/4-Kick. Das Stück hat einen astreinen Flow, Niklas scheint auf allem zu trommeln, was er in die Hände kriegt. Dann wäre da noch ein Synth, der wie eine Querflöte klingt oder ist es eine Querflöte? Sehr guter Vibe, sehr verspielt, sehr gut.

Zweites Stück, erster Bruch. Einmal IDM á la früher Warp Records Releases. Was soll daran schlecht sein? Eben. Nichts. Tolle Nummer. Der balearisch, esoterisch und krautig angehauchte House Track „Erntegold“ geht dann gut nach vorne und steigert die Intensität der EP noch einmal. Und zum Ausklang gibt es mit „Schemen“ noch einmal Electro in quasi Reinform – mit delayig wandernder Percussion. Der Track ist immer noch verspielt genug, um die EP als Veröffentlichung eines Duos wahrzunehmen. Mega gute VÖ, mehr davon!

Nils’ Hit: „Scheunenfund“. Why: Weil der einfach einen tierisch guten Flow hat. Außerdem ist es der „Hit mit der Flöte“.


Mbius “Played At Venues etc.” (Kann Records)

Nach dem Album von DJ Balduin featurete Kann Anfang August einen weiteren Leipziger Producer – Mbius. Und mit ihm kommt nun auch eine proggy Tech House-Note in den Kann-Katalog. Mit verspulten und wild umher schwirrenden Sci-Fi-Sounds und länger ausformulierten, mystisch-gleitenden Deep-Chords. Alles sehr wohl dosiert zwischen einem bouncy und dreamy Vibe. Aber am Ende bleibt bei mir das Gefühl, dass sich hier eine aktuelle R.A.N.D. Muzik- oder eine alte Delsin-EP auf Kann verirrt hat.

Jens’ Hit: „UFO“. Why: Weil es etwas deeper durch die interstellaren Sphären gleitet.


Snad – Blowminding (Long Vehicle)

Keine Überraschung auf Long Vehicle, dem Sublabel von Kann. Warum auch? LV liefert konstant guten Output für alle (Progressive) House Heads. Diesmal mit leichter Dub-Note. Snad dreht am Filter, was das Zeug hält. „Jacarandista“ kommt definitiv bisschen funky daher und passt super in jedes House-Set. „Blowminding“ geht dann fast schon als housiger Dub-Techno durch, ist aber immer noch abwechslungsreich genug, um sich nicht voll und ganz dem Genre zu ergeben.

Das letzte Stück der EP namens „Dark Horse“ ist dann noch einmal ganz klassischer House-Stuff mit viel Synth-Geräuschen und gut eingebetteter Pluckermelodie, die das Ding nach zweieinhalb Minuten erstrahlen lässt. Insgesamt ist die EP eine runde Sache mit viel Synth-Spielereien und sehr smarten Basslines. Wie gesagt, keine Überraschung, aber qualitativ ganz weit oben.

Nils’ Hit: „Dark Horse“. Why: Weil die Pluckermelodie einfach voll gut ist.


Kerrier Collective “Dreams Of The Sea” (Brombért)

Neue Nuancen auch beim jungen Leipziger House-Label Brombért. Mitte Juni erschien dort die EP eines englischen Kollektives, das verschiedene Genres verschmelzen lässt. Wie in langen Sessions schälen sich aus den vier Tracks immer wieder neue Facetten. Aus Ambient und Folk erwächst House, aus einem Slow House-Track schimmern zugleich Jazz- und Funk-Chords, später gibt es auch Latin-Sounds. Super musikalisch und organisch klingt das, an einigen Stellen auch etwas brav. Aber hier sind sehr offensichtlich sehr versierte Musiker:innen im Kollektiv, die sich für anspruchsvolle Dance Music interessieren. Ähnlich wie einst The Whitest Boy Alive. Funktioniert bestimmt live auf einer Open Air-Bühne auch hervorragend.

Jens’ Hit: „Friday Afternoon“. Why: Weil es mit einer abgefahrenen Leichtigkeit Pop, Klassik und House verbindet.


Nico Bulla – Machine Dance Work (O´RS)

Und dann wäre da noch eine digitale Ein-Track-Veröffentlichung auf O´RS aus dem Juni.

Der Name ist Programm. Bulla lässt die Maschinen, genauer gesagt seinen Synth für sich arbeiten und tanzen. Die Synth-Arpeggio-Line zieht sich in unterschiedlichen Filter- und Sustain-Stadien durch das Stück. Dazu ein rascheliger und schiebender 4/4-Beat. Alles baut sich mehr und mehr auf, man hofft auf eine erlösende Fläche, die dann auch wirklich kommt. O´RS empfiehlt uns, das Stück 5 Uhr morgens auf einem guten Soundsystem zu genießen. Das funktioniert sicher gut, denn der Dancefloor ist definitiv der Ort, wo „Machine Dance Work“ seine Arbeit verrichten sollte.

Nils’ Hit: „Machine Dance“. Why: Ist halt nur ne Ein-Track-VÖ, was willst du machen? Außerdem musste ich die ganze Zeit an das Stück „Der Arpeggiator“ von Erobique denken.


Hidden Lines “Uusi Aalto” (Unterschall)

Anfang Juni haben wir ein neues Label aus Leipzig entdeckt: Unterschall. Seit Ende 2020 gibt es das Tape-Label, das sich auf Darkwave, Post-Punk und Synhpop fokussiert. Mit Hidden Lines haben sie hier eine sehr interessante schwedische Band für sich entdeckt. Auf ihrem Mini-Album “Uusi Aalto” tauchen sie tief in die dunklen 80s-Welten ab – mit scharfkantigen Synth-Melodien, plastischen Beats und unterkühltem Gesang. Das Ganze gelingt ihnen so authentisch, dass man beim ersten Durchhören tatsächlich glauben könnte, dies sei eine originale Tape-Entdeckung aus einem alten Stockholmer Dachboden. Immer wieder werden in die englischen Texte auch deutsche und finnische Lyrics eingestreut.

Jens’ Hit: „Aalto“. Why: Weil es sich direkt als verhallter Hit für dystopische Momente offenbart.


Vincent Neumann – Acid Tracks Done Quick (Unitas Multiplex)

Ein Electro-Breakbeat, eine einfache Melodie auf zwei Tönen. So beginnt der Titeltrack auf einer EP, die uns Acid Tracks verspricht oder etwa nicht? Der Shaker klingt schon mal ziemlich frisch, die Flächen bisschen nach alten Harthouse-Scheiben aus den 1990ern. Und was natürlich nicht fehlen darf bei den „Acid-Tracks“ ist eine 303-Bassline. Der erste Track kommt auf jeden Fall sehr harmonisch daher. Die Hit-Melodie kommt von einem Synth, der sich zwischen die Flächen und die 303 schiebt. Der Track strotzt auf jeden Fall nur so vor Ideen, ob er nun „quick“ entstanden ist oder nicht.

Der zweite Titel namens „Negasonic“ knüpft nahtlos an, obwohl hier eher ein FM-Piano am Anfang den Ton angibt. Alles in allem eine verspielte Synth-/Acid-/Breakbeat-Meditation, die sich immer mehr steigert. Würde ich trotzdem als Listening-Nummer verbuchen. „Descent“ überrascht mit Sprachsample. Und auch das Tempo wird etwas gedrosselt. Der Acid blitzt hier noch manchmal auf, aber alles in allem eher was für die IDM-Fraktion. Ich hatte die ein oder andere Plastikman-Assoziation. Abgerundet wird die EP mit einem dubbigen Remix von „Descent“, welcher der VÖ noch einmal einen kleinen Abstecher in andere musikalische Gefilde beschert. Der Produzent Blind Observatory nimmt sich hier nur Schnipsel des Vocal-Samples heraus und baut eher auf Stimmung und Räume. Sweet!

Nils’ Hit: „Descent (Bind Observatory Remix)“. Why: Weil der einen guten Blade-Runner-Vibe atmet und eine schöne leicht versteckte Melodie in den Synth-Chords hat.


Medici Daughter “Leash” (110100100.global)

Mitte August erschien auf 110100100.global ein neues Album, das auf jeden Fall Ruhe, Offenheit und Aufmerksamkeit benötigt – denn “Leash” von Medici Daughter erforscht in kurzen Stücken die Schnittstellen von Noise, Ambient und Electro-Akustik. Dabei ist vieles verschroben, chaotisch und rau – doch bei genauerem Hinhören entfalten sich durchaus schlüssige und eingängige Arrangements sowie warme Soundlandschaften. Dazwischen gibt es aber auch immer wieder anstrengende, aufpeitschende und destruktive Tracks. Aber: Wenn die Ruhe und die Anlage da sind, lässt sich mit “Leash” ein unglaublich dichtes und spannendes Album erleben.

Jens’ Hit: „Lathe Of“. Why: Weil sich hier super faszinierend Pop hinter einer mehrfach verschobenen Soundwand versteckt.

Video Video: Moritz Fasbender “Swifts”

Gestern erschien ein neues Video zu Moritz Fasbenders “Rabbits”-EP- und Album-Reihe. Und da beides letztes Jahr bei uns untergegangen ist, holen wir hier ein Mini-Interview nach.

Moritz Fasbender ist ein Alias von Friederike Bernhardt, Komponistin, Theater-Musikerin und Pianistin aus Leipzig. Vor rund zehn Jahren hatten wir sie erstmals mit einem großen Interview bei frohfroh vorgestellt. Damals hieß es: 2019 kommt das Album. Es hat dann aber doch bis in den Sommer 2022 gedauert.

Doch who cares – am Ende kamen mit der “Rabbits”-EP und dem “13 Rabbits”-Album zwei sehr überzeugende Werke von Moritz Fasbender heraus. Mit Tracks, die einerseits die Intimität und Nähe von minimalistisch-zeitgenössischer Piano-Komposition haben und andererseits mit subtiler Elektronik und wattiger Ambient-Ästhetik dem zuletzt etwas inflationär ausgespieltem Neo-Klassik- und Piano-Electronic-Genres eine durchaus neue Nuance verleihen.

“Swifts” steht genau zwischen diesen beiden Welten. Mit lang gespielten Chords entstehen gleitende, fast sakrale Momente. Aber sie driften immer wieder kurz ab, fangen sich und bleiben am Ende auf einer nächtlich eingedunkelten Spur. Das Video passt sehr gut dazu mit seinen Wechseln zwischen einer Piano-Session im Wald und einer Studio-Session mit dem Wald im Fernseher.


Interview

Warum das Album länger gebrauht hat und wie viel Theater in ihrer Musik steckt, erzählt uns Friederike Bernhardt im Mini-Interview hier:

Bei unserem ersten Interview 2014 sind wir mit dem Satz: “2019 kommt das Album” auseinandergegangen. Es hat dann doch etwas länger gedauert, was kam dazwischen?

New York wegen eines Stipendiums und eine nicht enden wollende Aneinanderreihung von “Eine mache ich noch.” Es gab zu viele interessante Theaterarbeiten, ich dachte mir jedes mal: Danach fange ich an. Das gelang mir aber erst nach meiner Zeit in New York.

Bisher war deine Musik sehr stark mit dem Theater verknüpft – spielte das bei “Rabbits“ auch eine Rolle?

Auf jeden Fall. Reine Klaviermusik klingt mir aus meiner Feder zu nackig. Mir hat das Theater offenbar so sehr gefehlt, dass ich’s mir während der Albumproduktion in homöopathischen Dosen wieder mit reingeholt habe.

In den letzten Jahren hat die Verbindung aus Klavier und Elektronik viel Aufmerksamkeit bekommen – was sind musikalisch deine Signatures bei diesem Clash zweier Welten?

Über Signatures müssen andere urteilen. Aber ich habe durchaus ein Faible für einen sehr präzisen Einsatz der Elektroakustik und benutze sie nicht als Effekt à la Hall/Filter/auf/zu/yeah, sondern sehe sie als eine dem Klavier ebenbürtige Partnerin an.

Was macht “Swifts” für dich besonders und was war die Idee zum Video?

Mauersegler waren die Lieblingstiere einer Freundin, die leider nicht mehr unter uns ist – und ich liebe das Pfeifen dieser Vögel einfach sehr. Der erste Teilsatz reicht vielleicht als Hintergrundinformation für das Video.

Was steht als nächstes an bei dir?

Schon wieder Theater. Aber ich spiele auch live beim Reeperbahnfestival in Hamburg. Am 22. September 2023, abends zur Primetime.


Album

“13 Rabbits” ist übrigens digital und auf limitierten Vinyl herausgekommen – beide Varianten unterscheiden sich etwas. Im Kulturkaufhaus Dussmann in Berlin gibt es noch Exemplare. Schnell sein also.

“Swifts” erschien wiederum auf der EP “Rabbits”, auf der nochmals vier weitere Stücke veröffentlicht sind.

Bild: Maximillian König