Neu, neu – Emma Philine im Interview

Emma Philine lebt und arbeitet seit vielen Jahren als Musikerin und Künstlerin in Leipzig. Jetzt erscheint nach vier Jahren ihre erste EP “17 2 20”. Wir haben die Newcomerin kurz vor dem Jahreswechsel zum Interview getroffen und mit ihr über den Start während Corona, Leipzigs Musiknetzwerk und Spotify gesprochen.

“hyperpop-icon”

Gemeinsam mit ihrem Produzenten Dennis Behrendt aka Zoetrop hat Emma Philine seit 2017 an mehreren Songs gearbeitet, die von Sex und Depression handeln. Zwei der Songs, Slow und Ghost of mine, wurden bereits mit aufwändigen Videoproduktionen im vergangenen Jahr veröffentlicht – die Macher:innen des Kaltblut-Magazins beschrieben die Sängerin erst kürzlich treffsicher als hyperpop-icon. Nicht nur das hat deutlich gemacht, dass man an der Newcomerin einfach nicht mehr vorbeikommt.


Emma Philine_17 2 20

frohfroh: Erzähl erstmal gerne von dir… Wie heißt du, wer bist du, was machst du?

Emma Philine: Ich bin Emma Philine, 21 Jahre alt und komme ursprünglich aus Berlin. Mit 13 bin ich nach Leipzig gezogen und habe hier meinen Produzenten Dennis kennengelernt. Mit ihm habe ich angefangen, eigene Musik zu machen. Vorher hatte ich Gesangsunterricht an der Musikschule “Neue Musik” in Leipzig.

Am 6. Januar 2022 erscheint deine erste EP namens “17 2 20”. Wie lange haben Dennis und du daran gearbeitet?

Wir haben seit 2017 bis 2020 daran gearbeitet… (lacht)

Der Name ist also auch programmatisch. Ist das ein langer Zeitraum für dich?

Ja, das ist lang. Als DIY-Projekt ist es klar, dass es länger dauert als mit einem eingespielten Team hinter einer Produktion. Dazu kommt, dass wir alles – wirklich alles – das erste Mal gemacht haben. Dennis hat zum Beispiel erst mit mir angefangen zu produzieren und ich habe mein erstes Musikvideo geschnitten. Das heißt, alle Prozesse bis zur Fertigstellung – das Artwork, das Setting, die Vermarktung – das alles war bis dahin neu für uns.

“17 2 20” von Sarah Letalik, Lucas Parsley und Tim Bencker

Worum geht es in deiner EP, inhaltlich?

Es geht um die Jahre von 2017 bis 2020, also um genau diesen Zeitraum. Es gibt zwei zentrale Themen: Sexualität und Depression. Als Titel habe ich “17 2 20” gewählt, weil ich zu diesen Themen Distanz schaffen wollte.

“Denn ich bin meiner Kunst, egal was ich mache, voraus.”

Ob das am nächsten Tag ist, dann bin ich natürlich etwas näher dran, oder eben ein Jahr oder auch mehrere Jahre später – ich bin dann schon so viel weiter weg von dem, was ich mal produziert habe. Mit dem Titel wollte ich auch die Dramatik etwas herausnehmen.

Bist du sehr perfektionistisch, was deine Darstellung, die Inszenierung deiner Musik und das Konzept dahinter angeht? Deine erste Single Slow und auch die zweite Auskopplung Ghost of mine sieht sehr danach aus, im positiven Sinne.

Es ist sehr schön, wenn du sagst, es wirkt als hätte das Alles ein Konzept – denn das hatte es nicht. Am Anfang, wenn man Musik macht, weiß man noch nicht, was es bedeutet – und wie man die Teile in einer EP oder in einem Album zusammenfasst.

Wir haben einfach Musik gemacht und ich habe dann im Nachhinein geschaut, wie das Alles zusammenpasst, welche Themen es sind, wie es ästhetisch aussieht und wie sich das anfühlt. Mich freut, dass es so professionell aussieht, denn das zeigt, dass sich unsere Arbeit, die wir reingesteckt haben, gelohnt hat.

Wie war das für dich, als Musikerin während Corona zu starten? 

Eigentlich hat das für uns gepasst, kann man sagen. Denn anfangs ging es für uns um Musik schreiben, Videos drehen, Artworks erstellen – jetzt, wo Liveshows immer relevanter werden, wird es natürlich auch für uns kritisch. Corona war aber auch für uns eine Herausforderung als es um die Videoshootings ging, hier mussten wir Auflagen einhalten und Termine wurden uns teilweise abgesagt. 

Du warst erst kürzlich als Künstlerin bei einer Spotify-Playliste auf dem Cover. Was hältst du von Musik-Streamingdiensten wie Spotify & Co.?

Das Thema ist für mich super aktuell und sehr neu. Ich war demgegenüber relativ unkritisch. Bis wir die EP veröffentlicht haben.

“Jetzt merke ich Schritt für Schritt, wie sehr Spotify Künstler:innen über den Tisch zieht und wie wenig Einnahmen bei mir als Artist ankommen.”

Für mich geht es zwar gerade noch weniger um Geld als um Reichweite und da freue ich mich natürlich, dass es derzeit bei Spotify für mich so gut läuft, allerdings wird es zunehmend als DIY auch wirklich wichtig Einnahmen zu generieren. Und da 10.000 Streams auf Spotify nicht mal einer Pizza mit Cola dazu entsprechen, ist das natürlich schon frech.

Man muss andere Wege finden sein Geld wieder rein zu kriegen. Deswegen ist es wichtig, dass Musikkonsument:innen sich dieses Umstandes im Klaren sind und schauen wie sie insbesondere die small Artists unterstützen können. Ich habe jetzt zum Beispiel neuerdings ,,Fanklub”, da kann man mich monatlich mit einem selbst gewählten Betrag unterstützen und bekommt exklusiven Content und BTS Material im Gegenzug zurück. Checkt das auf jeden fall aus. 

Stichwort Netzwerke: Mit welchen Künstler:innen aus Leipzig hast du bisher zusammengearbeitet?

Die einzige Konstante in meiner künstlerischen Arbeit ist Dennis. Er ist immer dabei, das übrige Team wechselt. Ich muss sagen, auch wenn ich sehr dankbar für die Unterstützung, die ich erhalten habe, bin, habe ich viele Schlüsse gezogen, die mir gezeigt haben, dass ich mit einigen Menschen nicht mehr zusammenarbeiten möchte. Das betrifft vor allem cis männliche Personen.

“Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich am liebsten nur mit FLINTA-Personen zusammenarbeiten.”

Ich habe was das angeht aus meinen Fehlern gelernt – und bin vorsichtiger. Ich war vertrauensvoll und habe mich sehr geöffnet und dabei wenige Grenzen gezogen. Ich wusste damals auch noch nicht, wie ich mit meiner Rolle als diejenige, die das letzte Wort hat, umgehen soll. Und das als Frau unter Männern. Ich bin trotzdem froh, dass ich diese Erfahrungen jetzt gemacht habe und nicht erst später, wenn mehr Geld oder ein größerer Deal im Spiel ist. 

_Ghost of Mine

Wie feiert ihr den Release, jetzt, wo wieder Lockdown ist – und vermutlich auch im Januar noch nicht mit der Öffnung von Clubs und Konzertlocations zu rechnen ist?

Ich würde mir sehr wünschen, falls es erlaubt ist, eine kleine Party zu organisieren. Mit meinen engsten Freund:innen und allen, die an der EP beteiligt sind und die ich schätze und gerne habe. Und mit ihnen möchte ich gerne anstoßen und einfach einen sweeten Abend verbringen.

Letzte Frage: Was kommt noch, was hast du vor? Planst du deine Karriere auch über Leipzig als Standort hinaus?

Erstmal werde ich in Leipzig bleiben, weil ich hier gerade mein Abi nachhole. Aber ich könnte mir natürlich vorstellen, über Leipzigs Grenzen hinweg zu gehen, Berlin bietet sich da an. Mein großes Ziel ist ein Album, das ich aber was Lyrics, Performance und Message betrifft, mit Sinnlichkeit angehen möchte – dafür müssen wir uns aber erst Zeit freiräumen. 


Die aktuelle EP ist ein Abbild der musikalischen und künstlerischen Entwicklung von Emma und Dennis, die nun hörbar geworden ist. Und eben diese Entwicklung ist noch lange nicht vorbei, wie Emma sagt.

YouTube, TikTok, Instagram, Spotify, Twitter… die beiden sind überall, vor allem aber im Ohr. Einen Überblick, was wo wann passiert, was wo zu hören ist und wie ihr sie unterstützen könnt, lest ihr auf ihrer Website.

Headerfoto von Wolfgang Grote.

New In – Dez 21

Kurz vorm Jahresende noch ein Blick auf die Leipzig-Releases der letzten Wochen. Mit dabei zwei Classics, ein Remix und ein Techno-Pionier aus Leipzig.

The Micronaut „Curling“ (Ki Records)

Ende Januar 2022 kommt der zweite Teil von Micronauts Ode an die Olympischen Spiele. Nachdem im Sommer mehrere Sportarten der Sommerspiele einen Song erhielten, kommen dann die Wintersportarten zum Zuge. Mit „Curling“ erschien neulich die zweite Single-Auskopplung von „Olympia (Winter Games)“. Und mittlerweile ist es zu einem Micronaut-Classic geworden, dass ein Song mit der Leipziger Komponistin, Musikerin und Sängerin Bernhardt entsteht. „Curling“ ist dreamy Indietronic – mit filigraner Rhythmik, lässigem Gesang und direkt umarmenden simplen Melodien. So soft kann Wintersport also sein.

Checkt auch mal das Video zur Single. Übrigens gibt es an Silvester einen Livestream mit Micronaut und den Leipziger IceFighters. Tickets gibt es hier.

Mein Hit: „Curling“. Why: Naja, lol, weil es eine Single mit einem Track ist


Ana Bogner „I Can Hear The Wind“ (Filburt Remix) (O*RS)

Lange nichts mehr von Filburts Label O*RS gehört. Obwohl: Im Sommer kam eine hörenswerte Workshop-EP, die ich nebenbei hier noch einmal auf den Radar hieven möchte. Eigentlich geht es aber um einen Remix eines sechs Jahres Ambient-Pop-Song von Ana Bogner. Filburt scheint er nach wie vor nachzuhallen – und so hat er aus „I Can Hear The Wind“ eine super weich gleitende House-Hymne gemacht. Perfekt für sehr späte und sehr emotionale Stunden. Hört auch gern nochmal in die EP des Originals rein. Ana Bogner sollte viel mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Mein Hit: „I Can Hear You (Filburt Remix)“. Why: Weil dieser Remix nochmal ein Spotlight auf einen wunderbaren Song wirft


Klima „Static Off“ (Kellermusik)

So, nun aber raus aus den kuscheligen Wolldecken – ab in den Techno-Keller. Kellermusik ist nämlich wieder zurück. Seit 2001 featured das Leipziger Label Underground-Techno in verschiedenen Facetten – allerdings gab es mehrere Jahre keinen neuen Release mehr. Label-Head Klima nutzt das Comeback und btw. 20. Labeljubiläum für eine eigene Vier-Track-EP. Und ein bisschen klingt es so, als sei die Zeit stehengeblieben. Zwar sind die rougheren und analogen Sounds längst wieder groß zurück, aber es ist hörbar, dass hier jemand mit einem längeren Erfahrungshorizont Techno produziert. Scheppernden Hard-Tek mit Industrial-Einschlag sowie breakige Electro-Basslines vereint Klima auf der EP – alles mit einer gewissen Patina.

Mein Hit: „Static Off“. Why: Weil er irgendwie super dystopisch und rau, aber auch sympathisch verspielt klingt


Various Artists „RM241221“ (R.A.N.D. Muzik)

Hier noch ein Classic: Das Label vom Leipziger Vinyl-Presswerk bringt seit geraumer Zeit jedes Jahr eine Weihnachts-Compilation heraus – immer pünktlich zu Heilig Abend. Dieses Jahr sind vier Tracks von Producern aus Leipzig, Australien und Tel Aviv dabei. Der Anfang und das Ende sind die Highlights: Olsvangèrs „Pkak Del Mar“ entfaltet sich ewig lang in einer trippy-perkussiven Cosmic-House-Session. Barney In The Tunnel verschwindet mit „Emojional Rescue“ in einem verschrobenen Strudel aus breakigem Techno, hell gleisenden Synth-Flächen und wilden Zwischenphasen. Tim Schlockermann und Adam Strömstedt sind da deutlich aufgeräumter und unaufregter in bewährten House-Gefilden unterwegs.

Mein Hit: „Emojional Rescue“. Why: Weil dieser Track so viel Spannung und Wendungen hat, dass er eine eigene EP bespielen könnte

Ordinary Pleasures für einen guten Zweck

Blaq Numbers veröffentlicht im Januar eine sehr tolle und diverse Tape-Compilation. Die Erlöse gehen komplett an das Kinderhospiz Bärenherz. Also Herzen auf und Beats raus.

Matthias Fiedlers Label Blaq Numbers war in den letzten Jahren äußerst umtriebig – mehrere EPs kamen auf Tape und Vinyl heraus. Wer es wie ich verpasst hat, sollte bei Bandcamp mal durchstöbern.

Das Thema Charity ist für Blaq Numbers nicht neu – 2019 und 2020 erschienen bereits Tape-Compilations, die einmal Geld für das Leipziger Kinderhospiz Bärenherz und für Takin Shelter, eine Initiative zur Rettung von frei lebenden Hunden und Katzen auf der griechischen Insel Kreta, sammelte.

Die dritte Ausgabe widmet sich erneut dem Kinderhospiz, das unweit des Cospudener Sees schwerstkranke Kinder und Jugendliche sowie deren Familien unterstützt.

Angesichts dieser wichtigen und fordernden Aufgabe wirken Musikhören, Tanzen, in der Bar abhängen und Produzieren tatsächlich wie „Ordinary Pleasures“.

Aber eben auch Pleasures, die empowern, aufmuntern und ablenken können.

Die 19 Tracks der Compilation schaffen dies auch durchgehend. Egal, ob HipHop oder House, Electro oder Lofi, Experimental oder Jazz – immer gibt es eine gute Leichtigkeit, die jede Schwere nimmt.

Mit dabei sind einige Bekannte, aber auch viele neue Namen. Meine Hits sind: Jana Falcons breakig-power-poppiges „Make It Happen“, Janthes acid-flirrende „Dots“, KGs grime-jungle-haftes „Sneaky Willy“ und Workshops drückend-chord-überschwellendes „Willkommen Am Ende Der Welt“.

Daneben gibt es aber viele viele gute House- und HipHop-Classics. Also insgesamt eine sehr gut und vielschichtig kuratierte EP. Wer noch ein Weihnachtsgeschenk mit gutem Zweck sucht, sollte hier auf den Pre-Order-Button klicken. Am 7. Januar 2022 gehen die komplett bedruckten und auf 100 Stück limitierten Tapes dann raus. Das nice Artwork kommt übrigens von Verena Mack.

Hier gibt es schon mal die Snippets:

Neu entdeckt: FLED

Vor zwei Jahren gingen wir filmisch der Frage nach, inwieweit die Leipziger Hochschule für Musik und Theater eine Keimzelle für elektronische Musik ist. Nun gibt es ein weiteres spannendes Beispiel dafür – Asita Tamme alias FLED.

Dies ist eine überraschende Neuentdeckung, sicher auch, weil Asita Tamme musikalisch bisher in Klassik- und Pop-Kontexten unterwegs war. Meist gemeinsam in Ensembles und Bands. Mit FLED hat sie nun ihr erstes Solo-Projekt gegründet. Wohl aus einem Zufall heraus.

Denn in einem Experiment nahm sie mit ihrer Geige verschiedene Töne auf und schickte sie anschließend als Samples durch Filter und Klangsynthesen. Streichen, Zupfen, dazu Sounds aus dem Korpus ihrer Geige. All das formte sich zu einem erstaunlich organischen und unverkrampften Klassik-Elektronik-Track, der nun als „Fear x Devotion“ veröffentlicht wurde.

Der Track klingt polyrhythmisch und sehr versiert zwischen Avantgarde, Ambient und House kombiniert. Auch wenn zum Schluss das Progressive-House-Level bedenklich steigt, mag ich die insgesamt filigranen und reduzierten Arrangements sehr. Tatsächlich schafft es FLED hier, Violine und Elektronik so nahtlos zu vereinen, das sich die Grenzen der eigentlich verschiedenen Welten aufheben.

Wer hinter FLED steckt? Asita Tamme aus Berlin. Sie studierte an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Violine und Bassgitarre. Später hängte sie noch ein Musiktheorie- und Kompositionsstudium an der Folkwang-Universität der Künste in Essen dran. Seit 2014 arbeitet sie als freie Musikerin und Dozentin an verschiedenen Musikhochschulen.

„Fear x Devotion“ ist erst der Anfang, im nächsten Jahr sollen noch weitere Stücke ihres FLED-Projekts folgen. Sehr gern, sehr gern.

Video-Premiere: Warm Graves „Sun Escape“

Warm Graves sind zurück – spürbar elektronischer, waviger und introspektiver. Heute erscheint das zweite Video zum neuen Album. Don’t miss it!

Wer die Band noch nicht auf dem Schirm hatte, never mind. Es war tatsächlich länger still um das Projekt des Leipziger Musikers und Komponisten Jonas Wehner. 2014 erschien das Debüt-Album „Ships Will Come“ und sorgte für viel Aufmerksamkeit. Vor allem durch seine luzide, darke Atmosphäre mit ausladenden Chorgesängen. Mit dem Album war die Band viel auf Tour durch ganz Europa, bevor sie wieder abtauchte.

In der Zwischenzeit hat sich der Sound der Band sehr verändert. Das neue Album „Ease“ dokumentiert genau diese Transformation. Hin zu offeneren Strukturen, kosmisch-unterkühlten, ebenso kontemplativen wie experimentellen Electronic-Sounds sowie mehr Raum für Jonas Wehners hintergründig rauschenden melancholischen Gesang und dessen Auseinandersetzung mit verschiedenen Veränderungen.

„Für mich führt ‘Ease’ immer wieder auf die Idee der Transformation zurück. Hier im Sinne eines Wandels von Anstrengung zu Mühelosigkeit, von Chören zu Flüstergeräuschen, von Eile zu Geduld. Die sieben Jahre waren nicht leicht. Es gab viele Wendepunkte in meinem Leben und ich musste einiges dazulernen. All das steckt komprimiert in den neun Songs“, erzählt Wehner im Info-Blatt zum Album, das am 25. Februar 2022 beim Londoner Label Fuzz Club erscheinen wird.

Nach „Neon“ kommt nun ein weiterer Song vorab mit Video heraus: „Sun Escape“. Jonas meint dazu, dass der Song in einer fiktiven Welt spielt, die mittlerweile näher ist als uns lieb sein mag. Es ist …

„eine Welt, in der Menschen nicht mehr nach draußen dürfen und folgt einer Figur, die mit zunehmender Einschränkung ihres Denkens und Handels vollkommen wahnhaft wird“

Hier ist das Video:

Wir konnten auch schon in den Rest des Albums reinhören und sind begeistert. Deshalb präsentieren wir das Leipzig-Konzert von Warm Graves im UT Connewitz. Am 4. März 2022 soll es stattfinden mit AUA als Support. Tickets gibt es online hier.

Es ist übrigens der Auftakt einer Tour, die auch nach Brüssel, London, Manchester und Paris führen wird.

Foto: Julia Perkuhn

New In – Nov 21

Hier kommt ein neues Format, „New In“ gibt einmal im Monat einen kurzen und knappen Überblick über neue Releases made in Leipzig. Los geht’s mit neuen Platten von Defrostatica, Kann, Riotvan und weiteren.

Detroit’s Filthiest „Fight To The Finish“ (Defrostatica)

Defrostatica hat ja schon länger gute Kontakte zum Ghettotech-Pionier Detroit’s Filthiest. Hier kommt nun seine zweite komplette EP auf dem Leipziger Label. Vier reduzierte Uptempo-Tracks, die die feinen Grenzen zwischen Oldschool-Electro, Ghettotech und Jungle verflüssigen. Mit eingängig bohrenden Synth-Schleifen und einer 90s-balsamierenden Jungle-Hommage.

Mein Hit: „Failure 2 Launch“. Why: Wegen der exstatisch-bouncy und roboterhaft tänzelnden Melodie.


Adam Strömstedt „Escalator Music“ (Kann Records)

Bei Kann war mal wieder Zeit für ein Album – der Australier Adam Strömstedt kann sich hier erstmals im Langformat austoben. Und er tut dies in sehr entspannte Weise. Mit super softer House-Deepness, organischen jazzy-funky Vibes und versierter Afterhour-Nostalgie. Klar, hier wird nichts grundlegend neu erzählt. Aber Adam Strömstedt sucht immer wieder auch Abzweige weg vom Floor – und wenn Floor, dann auch nie rein funktional, sondern mit Wärme und Empathie. Guter Konter gegen November-Lockdown-Blues.

Mein Hit: „Help Computer“. Why: Wegen der hektisch rasselnden Hi-Hats und Basslines und dem improvisierten Session-Vibe.


Qnete „RM12013“ (R.A.N.D. Muzik)

Wahnsinn, wie gut sich das Label vom Leipziger Plattenpresswerk R.A.N.D. Muzik entwickelt hat. Im Oktober erschien auch eine Compilation, die das San Franciscoer Label 90s-Label The Future Was Visible … mit unveröffentlichten Tracks wiederaufleben lässt. Kurz darauf folgte eine neue EP vom Leipziger Producer Qnete – eine sehr sichere Nummer für wohlausbalancierten House. Wer es classic mag, bekommt mit „Mild Warp“ neues Futter. Wer es more trippy will, sollte zu „Hover“ skippen. Die wirkliche Spannung liegt aber in „Weightless“. Im Original ist es ein aufgeladener Breakbeat-Ambient-Hybrid, im Remix mutieren die Elemente mehr in Richtung Rave und Trance. Aber sehr stilsicher und dezent.

Mein Hit: „Weightless“. Why: Wegen dieser lang anhaltenden Spannung, die sich einfach entladen möchte.


Hard Ton „Under This Fantasy“ (Riotvan)

Riotvan hat Gefallen an Digital-only-Releases gefunden und startet eine kleine Reihe. Zum Start geht es nach Venedig zu Hard Ton. Ein Duo, das mit analogen Maschinen und emotionalen Vocals einen sehr herzöffnenden und queeren Disco-Acid-Pop-Mix produziert. Da klopfen die 80s ohne Verkleidung an und werden sicher freudig empfangen auf sehr verschiedenen Dancefloors. Jorkes aus Stuttgart liefert einen dubberigen Remix, der durch seine Klarheit besticht.

Mein Hit: „Under This Fantasy (Original Mix)“. Why: Wegen der herrlich ausladenden Hymnenhaftigkeit.


NAJIB „The Voluntary Prisoners“ (HUMAN)

Ok, dieses Album muss noch mit rein, auch wenn es bereits Ende Oktober rauskam. Aber Tinkahs Label HUMAN bringt einmal mehr einen spannenden Gegenentwurf zum sonst gängigen Clubsound heraus. Dieses Mal mit NAJIB, einem Act aus Brüssel. Die acht Tracks seines Albums dekonstruiert jede Erwartung, jede Ästhetik, jedes Genres. Stattdessen gibt es eine heftige und nimmermüde Dynamik an Sounds, Patterns und Rhythmen. Kaum Anker, nur Bewegung, viel Glitch und Chaos. Ja, das ist anstrengend und kein Soundtrack für das entspannte Hören nebenher. Das will es aber auch nicht sein. Vielmehr erleben wir hier eine artifizielle und aufwühlende Performance, die Zeit, Aufmerksamkeit und Offenheit braucht.

Mein Hit: „Impasse!“. Why: Wegen seines versöhnlich-harmonischen Starts, der aber zunehmend entgleitet.

Kid Kozmoe “Talking To Ghosts” (Istotne Nagr.)

Wie lässt sich Musik mit möglichst wenig BPM-Klarheit produzieren? Diese Frage stellt sich unser Ex-Autor Christoph mit seinem Musikprojekt Kid Kozmoe. Seine Antworten sind umwerfend gut.

Für frohfroh war es ein sad moment, als Christoph uns im letzten Jahr als Autor verließ. Über 250 Beiträge hatte er zwischen 2015 und 2020 geschrieben. Reviews, Interviews, News, das ganze Programm. Nebenbei produzierte er schon lange im Stillen eigene Musik und legte ab und zu auch auf – alles unter seinem Alias Kid Kozmoe.

Genau auf dieses Projekt wollte er sich 2020 mehr konzentrieren. Und rückblickend war das eine gute Entscheidung. Denn heute ist Kid Kozmoes erste offizielle EP erschienen – beim polnischen Special Sounds-Label Istotne Nagr.

„Talking To Ghosts“ versammelt nicht nur sechs Tracks, die in den letzten Jahren entstanden sind. Sie vereint all die musikalische Inspiration, Leidenschaft und Offenheit, die Kid Kozmoe schon immer ausgemacht haben. Da ist zum einen ein Faible für alte Computerspielsounds und analoge Synths, zum anderen eine Liebe für oftmals unter dem großen Radar laufende Genres wie IDM, Skwee und Electric Boogie.

Die EP startet entsprechend wild, augenzwinkernd und quirlig mit „Quirky Boogie“, „Meltdown Funk“ und „The Oceans Are Dying“. Drei Tracks, die immer wieder neue Richtungen einschlagen, mit naiver Kindlichkeit umherstolpern und alles außer eines wollen – sich festlegen.

Das nimmt teilweise fast avantgarde Züge an, könnte aber auch gut Classic-Games vertonen.

Dass es Kid Kozmoe nicht nur um wilde Ritte abseits der Geradlinigkeit geht, zeigen die anderen drei Tracks der EP. „A Sad Tune“, „Talking To Ghosts“ und „Don’t Panic“ nehmen die Wildheit etwas raus und öffnen kontemplative Weiten – mit lang gedehnten und wärmeren Klängen sowie klug kombinierten Schichten. Dennoch finden sich auch in diesen drei Tracks immer wieder Brüche und Spurwechsel. Aber eben abgeschwächter und harmonischer.

Besonders dieser zweite Teil der EP macht auch deutlich, welch dramaturgische und soundästhetische Qualität sich Kid Kozmoe in all den Jahren angeeignet hat. Ein unglaublich gutes und sehr eigenes Debüt. Please share!

frohfroh presents: TransCentury Update #5

Nach der Corona-Pause 2020 sollte es eigentlich ein Update des TransCentury Update geben. Und wir wären als Medienpartner:in mit dabei gewesen. Leider macht es die aktuelle Corona-Verordnung von Sachsen nicht möglich. Hier dennoch ein Interview und Statement von den Veranstalter:innen.

Das TransCentury Update ist ein mehrtägiges Festival mit dem UT Connewitz als Homebase. Musikalisch ist es seither äußerst divers aufgestellt und präsentiert einmal im Jahr Indie, Avantgarde, Experimental, Electronic und Post-Everything-Sounds. Wer noch einmal genauer wissen möchte, wie das Festival entstanden ist und was es kuratorisch bieten möchte, liest am besten nochmals unser Interview mit Kirmes vom Orga-Team.

Ihm hatten wir auch dieses Jahr ein paar Fragen zukommen lassen. Immerhin dürfte es nicht ganz easy gewesen sein, in einer Pandemie ein so umfangreiches Festival zu organisieren. Und noch weniger easy dürfte es gewesen sein, so kurz vorm Ziel zu einer Absage gezwungen zu werden. Doch die neue Corona-Schutzverordnung sieht vor, dass Indoor-Veranstaltungen in Clubs nur noch mit einer verschärften 2G-Regel stattfinden dürfen – also mit Maske, Mindestabstand und weniger Besucher:innen.

Und genau das funktioniert eben nicht. In einem gestern veröffentlichten Statement heißt es: „Nach Absprache mit dem Gesundheitsamt und der örtlichen Sicherheitsbehörde war dann schnell klar, dass wir unter geltenden Beschränkungen keine Veranstaltung, auch nicht mit begrenzter Zuschauer:innenzahl, durchführen können. [ … ] Wir könnten eine Veranstaltung durchführen, aber nur für etwa 30-40 Leute, müssten also entscheiden, welche Ticketbesitzer:innen zum Festival kommen dürfen und welche wir ausladen.“ Und weiter:

„Die neue neue Verordnung sticht wie ein Dolch in das Herz der Kultur.“

Wir sind untröstlich! Das ganze Statement zur Absage findet ihr hier.


Das ursprüngliche Interview

Hi Kirmes, dies ist die fünfte Ausgabe vom TransCentury Update. Ein kleines Jubiläum also – wie fällt euer Resümee aus, hat sich euer Festival so entwickelt, wie ihr euch das gewünscht habt?

Ich denke, diese Frage lässt sich mit „Ja“ beantworten. Wir stecken uns nach jedem Festival neue Ziele für das nächste Festival, einiges bleibt auf der Strecke, anderes kann umgesetzt werden. Ein stetiges Ziel ist es, ein Programm zu schaffen, das möglichst divers ist. Wir wollen den Unterrepräsentierten eine adäquate Plattform bieten, sich zu präsentieren und unserem Publikum die Möglichkeit geben, Neues zu entdecken.

Darüber hinaus wollen wir Leipzig als Stadt und Spielstätte für internationale Künstler:innen, die bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben, etablieren. Unser Festival entwickelt sich, unserer Meinung nach, immer noch und es wird in absehbarer Zeit auch nicht aufhören, sich zu entwickeln. Das ist spannend und vielleicht auch der Grund, warum wir jedes Jahr wieder motiviert in die Zukunft schauen und nicht vorhaben damit aufzuhören.

Corona-bedingt ist das TransCentury Update 2020 ausgefallen – inwieweit hat sich die Pause auf das Festival ausgewirkt?

Die größte und wahrscheinlich wichtigste Auswirkung, die diese gezwungene Pause oder Absage mit sich gebracht hat war, dass wir etwas Luft zum Atmen hatten. Die steigenden Fallzahlen, die völlig überlasteten Krankenhäuser und die Planungsunsicherheit haben uns allen wirklich zugesetzt. Die Konsequenz war logisch und relativ vorhersehbar, aber am Ende hofften wir doch vor allem bei einer Veranstaltung, in der so viel Herzblut, Emotion und Ehrenamt steckt, dass sie stattfinden kann.

Manchmal steht die Hoffnung dann auch über jeglichem Pragmatismus. Die Stille, die mit der Entscheidung kam, war gut für uns. Wir konnten uns Gedanken machen, wie es weiter geht und neue Inspiration für das nächste, also dieses Jahr, schöpfen. Auch wenn unsere Veranstaltung in einer verkleinerten Variante unter 2G-Bestimmungen stattfindet, sind wir überglücklich darüber, dieses Jahr mit Sicherheit wieder ein Festival veranstalten zu dürfen.

Gibt es musikalisch neue Nuancen, denen ihr in diesem Jahr eine Plattform bietet?

Es fällt auf, dass unser Programm in diesem Jahr etwas experimenteller ist als in den Jahren zuvor. Das lässt sich vielleicht festlegen und eventuell ist das auch eine neue Nuance, die sich aus dem Programm ablesen lässt. Wir wollen uns aber generell davor bewahren, nach Genres, Trends oder Nuancen zu kuratieren. Vielmehr probieren wir ein Programm zu schaffen, das in sich schlüssig ist und einer gewissen Dramaturgie unterliegt. Wir sind grundsätzlich für alles offen und wollen uns auch bewusst nicht beschränken oder auf ein Genre festlegen, wir wollen probieren Grenzen zu überwinden und Gewohnheiten zu zersetzen.

„Wir sind grundsätzlich für alles offen und wollen uns auch bewusst nicht beschränken oder auf ein Genre festlegen, wir wollen probieren, Grenzen zu überwinden und Gewohnheiten zu zersetzen.“

Was sind deine persönlichen Highlights in diesem Jahr?

Ich freue mich auf das gesamte Programm. Es ist schön, dass wir einen Großteil der Bands und Künstler:innen, die für 2020 bestätigt waren, in dieses Jahr mitnehmen konnten und darüber hinaus ein paar neue interessante Programmpunkte dazu gewinnen konnten. Wenn ich aber ein Highlight benennen müsste, dann ist es ganz sicherlich das Gefühl, mit den vielen Menschen, die uns dabei helfen dieses Festival umzusetzen, in einem Raum zu stehen (oder zu sitzen) und einfach laut Musik zu hören.


Credits: Sven Gutjahr (Anika, u.r.) / Logan White (Automatic, u.l.) / Arthur Sajas (Vanishing Twin, o.l.) / Thomas Ekström (Felix Kubin, o.r.)

Das geplante und nun abgesagte Line-up 2021

Donnerstag, 18.11.21 / UT Connewitz
Marie Losiers Filme: „Which is Witch?“ & „Felix in Wonderland“
Im Gespräch: Marie Losier / Felix Kubin
Wolfgang Lehmann führt ein in seinen Film „Dragonflies with Birds and Snake“
Live-Score: Felix Kubin spielt den Live-Soundtrack zu Wolfgang Lehmanns „Dragonflies with Birds and Snake“

Freitag, 19.11.21 / UT Connewitz
P.A. Hülsenbeck & Sin Maldita, Vanishing Twin, Anika

Samstag, 20.11.21 / Kinobar Prager Frühling, UT Connewitz, Ilses Erika
Marie Losiers Filme: Psychic TV „Papal Breakdance“ & „The Ballad of Genesis and Lady Jane“
Mabe Fratti, Robocobra Quartet, Automatic, Shreddy, Omni Selassi, Shreddy

Sonntag, 21.11.21 / Kinobar Prager Frühling, Schnellbuffet Süd, UT Connewitz
Performance und Buchvorstellung: „Future Sounds“ Christoph Wallach & Andreas Dorau
Marie Losiers Filme: „Bim, Bam“, „Boom“, „Las Luchas Morenas“ + „Cassandro“, „The Exotico!“
Ursula Bogner, Koerper spielen Mort Parsons „Plantasia“

Ausführliche Informationen zu den einzelnen Bands, Künstler:innen und Programmpunkten findet ihr auf der Website vom TransCentury Update.

Das Krake Festival wird hybrid

Zum elften Mal findet vom 11. bis 14. November das Krake Festival statt. Was letztes Jahr noch ausschließlich online zu erleben war, ist dieses Jahr hybrid: online und offline.

Eine Mischung aus Clubnacht in Berlin und Streams und Online-Musikfernsehen soll es werden, das diesjährige Krake Festival. Killekill, das Label hinter dem Festival, setzt sich außerdem mit dem Projekt “Ick Mach Welle” aktiv für die Inklusion von Menschen mit Behinderung ein. Wer das Festival letztes Jahr im Stream besucht hat, ist “Ich Mach Welle” sicher ein Begriff. An alle anderen: Google it!

Im Anomalie Club in Berlin wird ab Freitag dann ab 22 Uhr bis 17.30 Uhr am nächsten Tag durchgetanzt, auf drei Floors, mit Helene Hauff, Dis Fig, Umwelt, Luzi1e, Leibniz und vielen mehr.

Am Donnerstag kann man sich auf die Freitag-Samstag-Nacht schon mal mental mit sechs Stunden bei HÖR vorbereiten. Mit dabei sind Alienata b2b DJ Glow, Second Storey, Playtronica, Niki K, Wes Baggaley und DJ Locati. YES!

Die sächsische Coronaschutzverordnung lädt derzeit alle, die die 2G-Auflagen erfüllen und feiern gehen wollen, sowieso nach Berlin ein, gezwungenermaßen. Das Krake Festival solltet ihr bei eurer Wochenendplanung, ob ihr online streamen wollt oder nach Berlin fahrt, in jedem Falle auf dem Schirm haben. Wichtig ist bei allem: Stay safe, be careful und habt eure Corona-Warn-App sowie eure Gesundheit im Auge.

Unsere Kolleg:innen bei DJ LAB haben übrigens Krake-Gründer Nico Deuster zum Interview eingeladen. Was er über die elfte Edition des Festivals sagt, lest ihr hier. Und das komplette Vier-Tages-Programm könnt ihr euch hier anschauen.