Zwei Herzensangelegenheiten

Heute erscheinen zwei EPs, die wieder einmal das spannende Verhältnis zwischen Vinyl und Digital aufzeigen. FM Musik legt eine neue digitale EP nach, Good Guy Mikesh & Filburt bringen in Eigenregie drei Tracks auf Platte heraus, die bisher nur digital erhältlich waren.

Wuttig & Reuter „T B Tight“ (FM Musik)

One-Sided hieß es früher, wenn nur ein Track auf die Platte gepresst wurde – meist war es ein Hit sondergleichen, der schnell raus musste. Auch wenn EPs im digitalen Vertrieb keine physische Begrenzung haben, so ist eine 1-Track-EP doch noch immer eine selbstbewusste Ansage.

Entsprechend hoch gehen die Erwartungen an Wuttig & Reuters „T B Tight“. Das Stück beginnt als solides Deep House-Stück mit voran marschierender Bassdrum. Solide im besseren Sinne, dennoch habe ich das Gefühl, dass sich diese eigene, etwas antiquierte FM Musik-Deepness mit den letzten EPs mehr und mehr im zeitgenössischen House-Sound wiederfindet.

Den obligatorischen Rave-Verweis können sich Wuttig & Reuter aber nicht verkneifen. Zur Mitte hin türmt sich ein mächtiger, leicht bedrohlicher Break auf. „Hier muss noch was richtig Fettes rein“, so könnte es Studio neben Frankman als Producer geheißen haben. Und es ist fett, weniger wäre aber mehr gewesen.

ORS-1500-Good-Guy-Mikesh-FilburtGood Guy Mikesh & Filburt / Marbert Rocel „O*RS 1500“ (O*RS 1500)

Good Guy Mikesh & Filburt wollten ihre „Ours“ EP auf We Love This nicht nur digital sehen. Das Hamburger Label wollte aber nicht selbst pressen und so bringen Mikesh & Filburt ihre beiden krautigen Disco-Hymnen „Ours“ und „Midnight“ noch einmal auf einem auf 300 Stück limitierten White Label heraus.

Auf der B-Seite findet sich zudem noch der Remix von Marbert Rocels „Love Me“, den Compost Records auch nur digital veröffentlichte. In verschiedenen Streams schaffte es der Remix auf mehr als 15.000 Plays. Insofern ist ihm das rote Vinyl (siehe oben) mehr als vergönnt. Und nebenbei haftet dieser Platte der wunderbare Touch einer verwirklichten Herzensangelegenheit an.

Wuttig & Reuter Myspace
FM Musik Website
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Chris Manura „Fockeberg EP“ (Dirtydrivesounds)

Chris Manura ist nicht nur langjähriger Distillery-Resident – er tastet sich auch als Minimal- und House-Producer beharrlich voran. Bei Pour La Vie gab es zwei Platten mit ihm – Anfang 2011 folgte nun eine weitere.

Sie ist untergegangen hier, die „Fockeberg EP“, keine Frage. Böse Absicht war es nicht. Überhaupt kam Chris Manura bei frohfroh noch kaum vor. Dabei veröffentlicht er seit rund zwei Jahren – vorwiegend auf dem Hallenser Label Pour La Vie. Nun also bei Dirtydrivesounds, das nach eigenen Angaben zwischen Jena und Leipzig sitzt.

Interessant ist, dass zunehmend Tracks oder EPs nach Leipziger Orten benannt werden. „A Night At The Elipamanoke“ von Metasound & Lucius14 beispielsweise. Oder „Hotel Seeblick“ von Sven Tasnadi & Juno6. Der Fockeberg ist auch kein unbekanntes Terrain für das hiesige Clubtreiben unter freiem Himmel.

Insofern ist der Titel durchaus naheliegend. Und auch die drei Tracks von Chris Manura klingen eher nach Sonntagnachmittag als nach drei Uhr morgens. Gerade „Fockeberg“ ist ein in sich ruhender Deep House-Track mit sanftmütigen, rückwärts laufenden Vocal-Samples. Warme Chords, ein im Hintergrund pluckernder Beat.

Erstaunlich, wie sicher Manura bei diesem Stück an der großen Downbeat-Deepness-Falle vorbei manövriert – ohne einen Hauch von Hektik. Der Remix von Dirtydrivesounds Mac-Kee zeichnet die Deepness schärfer nach. Alles ist angerauter, straighter und reduzierter. Toll, wie hier zwei verschiedene Stimmungen mit einem gemeinsamen Ausgangspunkt aufgebaut werden.

Mit „Lost Love“ zieht Chris Manura das Tempo leicht an – und auch den Rave-Appeal. Irgendetwas driftet hier aber auseinander. Einerseits entsteht durch die zahlreich aufflackernden Sounds um den Beat herum eine gewisse Tiefe, andererseits verfängt sich der später einsetzende Chord doch sehr Trance-haft ravig im Afterhour-Format.

Zusammen mit den fingerschnipsenden HiHats schielen die Kalkbrenner-Brüder da herüber. Schade eigentlich. Denn es gibt wirklich tolle Sounds zwischen den Tönen.

„Stardust“ ist wieder zurückhaltender, mehr auf eine vor sich hin mäandernde Deepness konzentriert – klassisch, wohlklingend und ausbalanciert. In ihrem Zusammenspiel sind die drei Track wirklich sehr schlüssig, gerade im Fockeberg-Kontext. Fast wie eine Konzept-EP.

Dirtydrivesounds Website
Chris Manura Myspace
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Zwischen Wald und Flur

Gewöhnlich besteht ein Wald aus vielen Bäumen – in Leipzig reichen auch drei, mit leuchtender Fauna und reich belebter Flora. Das Trio A Forest entwickelt sich immer mehr zu einem ernstzunehmenden Pop-Export für die Stadt.

Angedockt an die Label-Plattform Analogsoul bringen sie gerade auch eine Menge von dem zusammen, was zeitgenössischen Pop von unten so spannend macht. Eingestreute Elektronik, die doch auch schon ein wenig mehr knistern darf. Zwei Stimmen, die zwischen Pathos und Beiläufigkeit pendeln. Pop mit Streichern und Akustikgitarren.

Innerhalb der letzten beiden Jahre seit der Gründung von A Forest haben Franziska Benkert, Florian Wienczny und Fabian Schütze relativ schnell eine klangliche Mitte gefunden, die sie nun scheinbar beständig verfeinern.

So ist die beim Leipziger Label Analogsoul veröffentlichte EP „A Square“ ein echter Sprung nach vorn – gemessen an dem 2010 erschienen Debüt-Album, das auch schon zu überzeugen wusste. Die fünf neuen Stücke sind dichter gestrickt, Elektronisches und Akustisches ist noch schlüssiger verwoben. Nur dem Schlagzeug fehlt an manchen Stellen der Druck.

Auch hinter den Kulissen haben sich A Forest mit neuen Wegen ausprobiert. Über die Fundraising-Plattform Vision Bakery riefen sie ihre Fans zu Spenden für die Studio-Produktion auf – und sie übertrafen die gesteckten Ziele sogar.

Wirft man darüber hinaus einen kurzen Blick auf die letzten Tourdaten von A Forest, kann durchaus die leise Hoffnung geäußert werden, dass hier eine Band mit großer Zukunft heranwächst.

A Forest Website
Analogsoul Website
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Durch die Stadt flanieren

Normalerweise gibt es ja hier nach Donnerstag keine Ablenkung von den Ausgehtipps. Diese Woche muss es aber eine Ausnahme geben. Grund ist der aktuelle „City Focus“-Podcast des MP3-Online-Shops Zero Inch, in dem die Leipziger Elektronik-Szene im Mittelpunkt steht.

Nach Bristol, Stockholm, Glasgow und anderen Städten, kommt in der 35. Ausgabe des Zero Inch-Podcasts auch Leipzig zum Zuge. Nicht ohne Grund: Überfliegt man die Zahl der Labels und Künstler auf der Städte-Übersichtsseite, dann steht Leipzig mit elf Labels gut da. Auch wenn natürlich nicht alle Leipziger Labels im Zero Inch-Katalog vertreten sind.

Neben einem Mix mit Stücken von Kassem Mosse, Map.ache, Daniel Stefanik, Sven Tasnadi, Disrupt und anderen sind besonders die englischen Interviews mit Kassem Mosse und Daniel Stefanik von Interesse.

Sie plaudern über die hiesige Szene, günstige Mieten, die Südvorstadt und veganes Essen in Leipzig. Und natürlich über ihre persönliche Sicht auf die Stadt und die eigene Musik. Toll anzuhören, besonders der authentische Akzent von Daniel Stefanik. Kassem Mosse verrät derweil, dass im Mai eine neue Mikrodisko-Platte folgen wird.

Und: Alle Tracks des Podcasts gibt es auch als MP3-Compilation zum Sonderpreis.

Zero Inch Website
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Destruktion und Poesie – PorkFour

In der Electronica prallt ja vieles auf einander. Auch wenn es um die als Nerd-Domäne verschriene Musik in den letzten Jahren etwas ruhiger geworden ist, gibt es was zu berichten – von PorkFour.

So richtig viel ist leider nicht zu Michael Kohl alias PorkFour heraus zu finden – zumindest wenn man sich auf das Durchstreifen des Internets beschränkt. Sounddesigner und Visual-Grafiker, Studienaufenthalte in Dessau und Bangkok, Veröffentlichungen auf Alphacut und Fakecore, die ich aber leider nicht zuordnen kann. Handfest ist aber die Vinyl-Compilation des gerade erst gestarteten Erfurter Labels B.L.A.T.T. Records.

„Analog Handcraft EP 1“ bündelt vier Tracks aus denen das PorkFour-Stück „Muun“ komplett aus dem Minimal- und House-Rahmen der EP heraus fällt. „Muun“ changiert zwischen digitalen Funk und mikroskopisch feiner Sound-Bastelei. Jeder Ton bleibt beweglich, es gibt kein statisches Gerüst und scheinbar auch keine direkte Dramaturgie.

Stattdessen präsentiert PorkFour eine klangliche und sich rasant verändernde Dichte, die schwindelig macht. Beeindruckend einerseits mit einer gewissen Poesie, aber auch sehr überladen und aufgerissen andererseits. Ich könnte mir vorstellen, dass PorkFour als Live-Act noch mehr flasht, weil dann die Verbindung aus Prozess und Klangwahnsinn noch intensiver wirkt. Zum Vorhören gibt es hier ein Snippet. Den kompletten Track gibt es auf der PorkFour-Myspace-Seite zu hören.

Ein was fehlt noch: Michael Kohl spielt auch in der Band Tastatur. Da gibt es dann geordnete Beats und Pop-Appeal.

B.L.A.T.T. Records Website
PorkFour Facebook
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Mod.Civil „Funktionen EP 1“ (Ortloff)

Ortloff geht den nächsten Schritt und wird zum Artist-Label. Nach drei Mini-Compilations kommen nun zwei EPs in kurzer Folge von Mod.Civil, die inhaltich und optisch eine Einheit bilden.

Dass es Ortloff Ernst meint mit dem Platten veröffentlichen, dürfte schon nach der zweiten Compilation klar geworden sein. Die „Ortloff Eins“ war kein einzelnes Gesamtkunstwerk aus einem Lindenauer Kunstraum.

Und so ist Ortloff zu einem dieser Liebhaber-Labels gewachsen, das mit farbigem Vinyl, besonderen Plattenhüllen und natürlich den ausgewählten Tracks aus der Leipziger Elektronik-Szene eine große Anziehungskraft erzeugt.

Mod.Civil, die bislang einzigen Residents des Labels hieven Ortloff mit ihrer Doppel-EP „Funktionen“ nun auf die nächste Stufe – inklusive zwei beigelegter Siebdruck-Plakate, die diese EP inhaltlich verknüpfen.

Die beiden Tracks der ersten EP lassen sich enorm viel Zeit. Auf der A-Seite mit „a-funktion“ über zwölf Minuten. Im Prinzip offenbaren sich hier gleich mehrere Tracks auf einem durchlaufenden Band – mehr oder weniger gut zusammengehalten und verbunden durch kurze Noise-ähnliche Interludes.

Da gibt es einen deepen ersten Part, der von einem düsteren und etwas schrofferen Teil abgelöst wird – fast krautrockig klingt in diesem Abschnitt das Fallenlassen in einen bestimmten Sound. Da wirken die sich anschließenden Streicher wie dick aufgetragener Balsam. Besänftigend und schön.

Und mit einem jähen Ende, nämlich der Rückkehr zum eingedunkelten mittleren Teil. Dramaturgisch ist die Mitte am stärksten, da sind die Kontraste am tiefsten miteinander verwoben.

Der Track auf der B-Seite ist da in sich geschlossener. Mit den typischen dumpf und trocken rauschigen Bassdrums und Basslines. Und insgesamt dominiert hier die süß schmeckende Wehmut, die so oft bei Mod.Civil durchschimmert. Mit etwas Detroit-Appeal und sich beständig hoch schraubenden Chords.

Zum Schluss hin wirkt die Synthie-Spielerei dann ein wenig wie ein zu langatmiges Gitarrensoli – nur mit anderen Mitteln. Und leider fällt das beiläufige Pfeifen zum Schluss doch sehr nett und gefällig aus. Da geht der deepe Crisp vom Anfang verloren.

Durchwachsen kommt mir da als Resümee zur ersten „Funktionen“-EP in den Sinn. Denn es gibt es eben trotzdem eine Menge dieser wunderbaren Mod.Civil-Momente – gerade auf der A-Seite.

Ortloff Website
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Nix mit Minimalismus

Das ist sie also, die erste EP von Gregor., jenem Krawallkraftbündel, das schon seit gut zwei Jahren immer wieder in den hiesigen Clubs auftauchte. Ohne Titel, ohne Label kommt die EP – dafür mit umso mehr Maximalismus.

Gregor mit Punkt, also Gregor. – allein das ist schon eine Ansage. Und auch die Tracks von Florian Treuheit alias Gregor. strotzen nur so vor gesundem Selbstbewusstsein. Jedoch eines, das nicht zur Selbstübersteigerung oder Plattitüde neigt. Es ist vielmehr eine jugendliche Unbeirrtheit, die sich einfach ihren Weg bahnt.

Gregor. hat sicherlich Boys Noize gehört. Und wahrscheinlich wäre er auf dessen Label auch gut aufgehoben. Die klangliche Nähe nun auf die Goldwaage zu legen, erscheint müßig. Das Spannende an Boys Noize – und damit auch an Gregor. – war von Anfang an die Kompromisslosigkeit mit der sich hier dem Minimalismus, der Zeitlosigkeit und der Eleganz von House und Techno widersetzt wird. Es gibt auf die Mütze, schnelle Peaks, rau-kratzende Synthies mit großen Rave-Gesten.

Das ist nicht unbedingt das, was man seinen Eltern vorspielt. Genau dieser rebellische Geist verströmt aber eben eine immense Anziehungskraft – auch für mich. Natürlich ist mir das alles einen Tick zu grob geschnitzt, aber die Haltung dahinter und die Versiertheit in den Arrangements kriegen mich einfach doch.

Und erst recht die Beats, die bei aller Breitwand-Beschallung erstaunlich diffizil, leichtfüßig und beweglich bleiben. Das nimmt dem ganzen die Mächtigkeit und vielleicht auch die Plumpheit. Denn ein stumpfes Losmarschieren kann man Gregor. nicht vorwerfen. Immer wieder schimmern ebenso deepe Momente hervor.

Mit fünf Tracks debütiert Gregor. also – in Eigenregie mit der Künstler-Booking-Plattform Riotvan im Rücken veröffentlicht. Und allein der Pappschuber für die CD zeigt, dass hier nicht einfach ein Demo entstehen sollte. Das ist auch Leipzig!

Als Hörprobe gibt es hier ein – Achtung Oldschool-Begriff – Medley sowie einige Demo-Versionen, die sich bei Soundcloud angehäuft haben.

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Electro versus Elektro

Letzten Samstag kam die Frage: „Warum muss es denn immer dieser Electro-Beat sein?“ Die Enttäuschung kam aber nicht durch das Genre an sich auf, sondern darin, dass der charakteristische Electro-Beat im Dubstep/UK Funky-Kontext des Öfteren auftaucht. Obwohl es doch spannender ginge. Doch zum Thema Electro kam mir anderes in den Sinn.

Es gibt zwei spannende Themen beim Schlagwort Electro – einmal die begriffliche Unschärfe, die sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Plötzlich ist alles Electro, oder auch Elektro. Überall nur noch Elektro, in der Ilse, im Waldi, im Sweat. Fast wirkt es so als würden sich manche dafür schämen zu sagen, dass sie ganz gern mal auf eine Techno- oder House-Party gehen.

Verbrannte Erde für die Indie- und Rock-Kids, die die Neunziger als Rave-Hölle wahrgenommen haben und heute doch zu geraden Bassdrums tanzen. Dass Electro ein eigenes Genre ist, fällt da leicht unter den Tisch. Auch der De:Bug fiel dieses Phänomen kürzlich auf und sie widmete ihm einen Artikel im Rahmen des Jahresrückblicks.

Der zweite Aspekt zu Electro bezieht sich auf Leipzig – denn hier gibt es seit Jahren einige Producer und DJs, die den Detroit-Vibe mit seinen niederländischen Auswüchsen beständig aufgreifen und weiterentwickeln. Besonders die Blackred-Crew ist weit vorn dabei. Dass dies hier aber zum Thema wird, liegt an meiner verspäteten Entdeckung von Headnoaks.

Als DJ war er mir lange ein Begriff. Doch seine Tracks fand ich erst auf Soundcloud. Und darüber auch den Link zu seinen digitalen Veröffentlichungen auf Militant Science und Transient Force. Vor wenigen Wochen debütierte Headnoaks nun auf Vinyl bei AC Records, dem Label der Synthesizer-Bauer von Acidlab. Zusammen mit Gerard Hanson alias Convextion alias Time Light Curve teilt sich der Leipziger die „Magnetite“-EP.

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A Forest, Doumen und Tasnadi

Ein paar Kleinigkeiten gibt es wieder zu vermelden. Schön kurz serviert: denn Montag ist bekanntlich Schontag.

A Forest haben es geschafft. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere an den Spenden-Aufruf des Trios via VisionBakery. 66 Unterstützer haben das Ziel von A Forest sogar noch übertreffen können – 116 % oder 1.040 €. Die handsignierten EP-Exemplare sind schon an die Spender rausgegangen. Am 25. März erscheint „A Square“ dann offiziell. Demnächst gibt es bei frohfroh auch eine Besprechung. Nur so viel: die Stücke sind super.

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In Zeiten von Myspace, Facebook & Co sind Label-Websites ja fast Web 1.0. Doch genau wie die Schallplatte kann es nicht schaden oldschool zu sein. Doumen haben nun eine eigene Website gelauncht – mit eigenem Podcast, den Aera startet. Noch ist nicht viel Inhalt zu sehen, dafür das tolle Logo und wunderbare Hintergrundbilder in riesiger Größe.

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Und zu letzt etwas zum Hören. Etwas, das so wahrscheinlich nicht veröffentlicht wird. Sven Tasnadi hat nämlich die House- und Techno-Pfade kurzzeitig verlassen – inspiriert von Daniel Stefaniks „Dambala Experience“, die übrigens demnächst auf einer 10″ veröffentlicht werden soll. Tasnadi hat in einem Second-Hand-Plattenladen eine alte Dub-Reggae-Platte von Liz Lucci entdeckt und daraus ein paar Samples gezogen. Heraus gekommen sind drei unterschiedliche Tracks – verrauscht im Klang, und angesiedelt zwischen rumpelnden Dub, Dub-Techno und HipHop.

Großes Musikkino

Der frohfroh-Grafik-Man ist auf was wunderbares gestoßen. „Hier mein Youtube-Video-Tipp“, schrieb er heute früh ganz lapidar. Doch hinter dem Link verbirgt sich nicht nur ein Tiefseetauchervideo zu einem Sevensol & Bender-Stück. Er ließ zugleich das Video-Duo The 29th Films entdecken, das noch weitere Leipziger Tracks bebildert hat.

Aus Thüringen kommen Kevin Paschold und Sebastian Kökow. Und mit The 29th Films haben sie eine richtiges Archiv an Musikvideos aufgebaut, die in der Regel kein Label und kein Künstler in Auftrag gegeben hat. Ehrenamt at it’s best. Oder einfach purer Enthusiasmus. Bei spex.de wurden die beiden Mitte Januar interviewt.

Aus Leipzig sind neben Sevensol & Bender auch Mod.Civil und Kassem Mosse mit je einem Video vertreten. Stilistisch bedienen sich The 29th Films aus allem, was die Filmgeschichte in den letzten 100 Jahren entwickelt hat – vorwiegend wohl aus frei verfügbarem Material.

Bei Sevensol & Benders „Scuba“ geht es auf eine 9-Minuten lange Tauchreise, Mod.Civil bleiben mit „Somebody To Love“ über Wasser. Erst auf einem Schiff, später auf einer verlassenen Insel – visualisiert mit einem Stummfilm aus den 30er oder 40er Jahren. Und Kassem Mosses „Thalassocalyce“ untermalt einen alten Trickfilm im futuristischem Charme der 60er. Es ist ein Kalauer, aber man kann es nicht anders sagen: großes Kino.

Pjotr. G versus Jay Rico „Dutch Connected“ (Instabil)

Instabil überschreitet mit seiner aktuellen EP der beiden Niederländer Pjotr. G and Jay Rico die Grenzen des klassischen Dub-Techno. Das ist unheimlich erfrischend.

Es ist eigentlich nicht das erste Anzeichen für eine stilistische Öffnung des Labels. Die EP von Pandemrix 202 alias Falk war auch eindeutig in Detroit verortet als im Dub-Techno. Und auch „Dutch Connected“ lehnt sich weit aus dem Dub-Fenster. Hin zu einem Mix aus Dub, Electronica und Electro. Gar nicht weit entfernt von den zahlreichen Dubstep-Ausläufern der letzten Jahre. Zu dem Duo ist gar nicht allzu viel zu finden. 2006 gab es eine gemeinsame Platte auf Minimal Sound Noise, einem Label, das exakt nur ein Jahr existierte.

Die vier Tracks steigern sich in ihrer Dramaturgie ganz schlüssig. Mit „Prenzlauer Berg“ läutet ein Stück die EP ein, das noch am deutlichsten im Dub seine Referenz findet. Langsam mäandernd, sehr elektronisch und mit einem dezent schiebenden Beat. „Koepenicker Strasse“ zieht das Tempo schon gehörig an, mit verschleppten Snares, brüchigen Bassdrums und einer eingedunkelten Grundstimmung.

Ähnlich auch „Kollisionkurs“, nur dass hier der Rave-Appeal und die dicken Subbässe noch stärker betont sind. Ansonsten eine ganz ähnliche Darkness, die in der Mitte überraschend gebrochen wird – mit einem deepen Chord, einer Phase der Ruhe. Später rutscht der Beat wieder rein und verleiht dem eigentlich recht harschen und hektischen Track eine ungeahnte Wärme.

„Alle Fuer Die Liebe“ greift dies anfangs noch auf, löst sich aber schnell davon und geht in Richtung schwebender Electro-Chords – aufgepeitscht von einer schroffen Rhythmik. „Dutch Connected“ ist zusammen mit Pandemrix 202 mit die stärkste EP der jüngsten Instabil-Phase.

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Various Artists „Moon Harbour Joints Vol. 2“ (Moon Harbour Recordings)

Und wieder eine Compilation. Dieses Mal der zweite Teil der „Moon Harbour Joints“-Reihe, die den ganz spannenden Ansatz der temporären Kollaborationen zelebriert.

Bei der Joints-Reihe geht es um die Zusammenarbeiten zweier Moon Harbour-Künstler. Vor gut anderthalb Jahren debütierte die Serie mit Matthias Tanzmann und Martinez. Beim zweiten Mal ist das Karussell nun noch dichter besetzt mit Kollaborationen zwischen Luna City Express und Chris Lattner sowie Matthias Tanzmann und Dan Drastic. Und das Ergebnis fällt nicht spannender aus als die letzten Moon Harbour-Platten.

Nun ist gerade relativ leicht sich über den aktuellen Moon Harbour-Sound zu echauffieren – zu clean, zu funktional, zu wenig überraschend. All dies ist hier schon so oft mehr oder weniger deutlich rübergekommen. Und natürlich ist es geschmäcklerisch. Aber irgendwie ist es in doppelter Hinsicht ermüdend: das ständige Nörgeln ermüdet, die neuen Tracks aber eben auch ein. Ein Dilemma also.

Dabei gibt es durchaus auf der „Joints Vol. 2“ einige interessante Momente. Zum Beispiel ist es wirklich erstaunlich, dass bei den beiden Stücken von Matthias Tanzmann, Dan Drastic und Martinez quasi nur noch rhythmisch gearbeitet wird. Keine Chords mehr. Nur dicht arrangierte, mit Samples untermauerte House-Tracks.

Bei Luna City Express und Chris Lattner basiert die Herangehensweise noch etwas stärker auf einer Deepness der klassischen Harmonien. Das sind die beiden Herzen, die in Moon Harbour schlagen. Während aber „Puddle Trouble“ an Belanglosigkeit kaum zu überbieten ist, hat „Yamanote Line“, die Martinez-Tanzmann-Koop, ein kurzes, aber überaus wunderbares Frauen-Stimm-Sample drin – obwohl es so beiläufig klingt. Auch die Field Recordings im Hintergrund bringen ein Rauschen in die Loop-Hektik, das diesem Track doch so etwas wie eine Seele verleiht.

Das gehört eben auch zu Moon Harbour – die kleinen Freuden in den Zwischentönen.

Moon Harbour Website
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