Zweimal Laissez-faire

Es ist immer wieder eine Freude zwei Veröffentlichungen in einem vorzustellen. Gemeinsamkeiten und Reibungen heraus zu kristallisieren. Bei den neuen EPs von Good Guy Mikesh & Filburt und Chris Manura gibt es einen Punkt, der mir sofort in den Sinn kommt: Laissez-faire.

Sie passen zum frühlingshaften Mai, diese beiden EPs. Denn sie versprühen eine innere Gelassenheit, als müsste man sich nie mehr um das Morgen kümmern. Ein sachtes Gleiten mit genügend Schub.

Chris Manura „Smohalla EP“ (Form Resonance)

Schon auf Chris Manuras „Fockeberg“-EP war jener Vibe prägend. Die „Smohalla“-EP zeichnet nun weitere Ausläufer eines deepen, in sich ruhenden, aber doch sehr schiebenden House-Sounds. Es ist Manuras Debüt bei Form Resonance, einem Hamburger Label, das u.a. von Florian Schirmacher betrieben wird.

Das interessante an den vier Tracks ist das Wechselspiel zwischen gedämpftem Hochpeitschen und einer ausufernden Deepness. Keine komplett entschlackten, orientierungslosen Afterhour-Tracks, aber auch keine Tech-House-Stücke mit offensivem Peak Time-Charakter – auch wenn der Grat manchmal schmal ist.

Gerade zum Schluss hin geht es bei „Sojasony“ und „Smohalla“ schon recht ravig zu. Es gibt generell viele, hell leuchtende Strings und recht aufgepumpte Basslines bei den vier Stücken. Das ist schon ab und an ein Tick zuviel. Aber irgendwie sind dieses Dahinschweben und die Fülle nicht ohne Reiz.

Good-Guy-Mikesh-Filburt-Gold-SnakeGood Guy Mikesh & Filburt „Gold Snake EP“ (The Exquisite Pain Recordings)

Good Guy Mikesh & Filburts Schwebeflüge klingen dagegen immer analoger, immer musikalischer. Auch die Disco-Kraut-Verbindung kommt auf der „Gold Snake“-EP noch einmal stärker zum Tragen. Die EP ist zugleich der Start des Labels The Exquisite Pain Recordings aus dem französischem Marseille.

„Serious & pure Deep House Music“, möchte das neue Sub-Label von Brown Eyed Boys Records künftig präsentieren. Die beiden Tracks stecken voller Disco-Glamour, sehr gestenreich und wohlwollend gestimmt im besten Sinne. „Gold Snake“ entfaltet sich mit langsamer Eleganz, fast grazil. „Come On“ dagegen ist recht klassisch, fast schon oldschool, wie eine ausgegrabene Perle.

Als Remixer für die beiden Tracks hat das Label den Berliner Iron Curtis und den Pariser DJ Yellow mit auf die EP geholt. Ersterer nimmt „Gold Snake“ den Glamour heraus und setzt mehr eine poetische Betonung. DJ Yellow haut dafür in die Vollen, wesentlich druckvoller, verschwitzter und etwas dreckiger.


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Sven Tasnadi im Doppel

Zwei neue EPs von Sven Tasnadi kommen in diesen Tagen heraus bzw. sind schon draußen. Einmal groß, einmal deep. Und beide Platten sind in Leipzig eingebettet – bei Cargo und Stretchcat.

Sven Tasnadi „Petit Four EP“ (Cargo Edition)

Für Cargo Edition ist Sven Tasnadi die stärkste Bindung an Leipzig. Es war auch das Label, das 2007 Tasnadis Vinyl-Debüt bescherte. In der Zwischenzeit holten beide auch Juno6 mit ins Boot. Nun also wieder eine Solo-Platte. Die „Petit Four-EP“ kommt insgesamt weitaus verspielter daher als die letzten Platten von Sven Tasnadi – auf etwas überhöhte Rave-Art bei „Caracho“, mit träumerischem Funk bei „Easy Peasy“ und bisweilen etwas albern bei „Petit Four“.

Gerade bei „Caracho“ kommt das Augenzwinkern – wenn es denn eins sein soll – nicht ganz gelegen. Der Start ist dicht und deep, schön angeraut. Doch dann drückt sich eine Rave-Tröte rein, die den Track komplett umkrempelt. Juno6 glättet den Trötensound zu einem Detroit-Chord und gestaltet den Track homogener, ohne den Bruch des Originals. Das ist geschmäcklerisch, ganz klar. Aber da ist mir die Deepness von „Easy Peasy“ lieber.

Sven-Tasnadi-Amy-RoseSven Tasnadi „Amy Rose EP“ (Stretchcat)

Bei Deepness kann Sven Tasndi auch ganz anders. Das war auf der „Sonar-EP“ mit Juno6 schon zu hören. Und es ist kommt noch einmal auf Tasnadis erster EP für Stretchcat zum Vorschein. Dort wird die House-Flagge eh noch einmal um zwei Meter höher gehängt.

Sven Tasnadi gesellt sich als passender Kollege dazu. „Amy Rose“ schwingt klassisch und behutsam nach vorn. Warme Chords, abgefederte Bassdrums, Understatement. „Let Your Body“ vergräbt sich dann noch eine Etage tiefer – in einen leicht vertrackten, im Tempo und Vibe gedämpften Deep House-Track mit flüsternd-säuselndem Vocal.

Und dann: „Lonized“, noch eine Spur reduzierter und mit einem Sound, der nach einsamen Nächten und stillem Unterwegssein klingt. Ganz sachte und doch mit einer gewissen Straightness schwebt der Track voran. Wunderbar, wie hier die Chords nur anskizziert werden. Es gibt keine Peaks und keinen Dancefloor-Druck. Zwei Platten also, die auch zwei verschiedene Gesichter von Sven Tasnadi aufzeigen.

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Wegweiser ins Glück?

Eben entdeckt. Die Wegweiser „Westkultur“ stehen schon länger an einigen Straßen Richtung Platzwitz und Lindenau. Seit Freitag werden auch konkrete Orte beschildert.

Und das Kuriose dabei: neben der Musikalischen Komödie, dem Museum für Druckkunst weist nun auch eins der roten Schilder auf die Alte Damenhandschuhfabrik. Irgendwie ein ambivalentes Gefühl. Denn einerseits leben Clubs stark vom Zauber des Verstecktseins, des Exklusiven, vielleicht auch vom Temporären. Andererseits deutet es auf ein neues, zaghaft ausgeprägtes Bewusstsein seitens der Stadt, dass die Clubkultur eine wichtige Säule in einer Kultur- und Musikstadt ist.

Und gerade beim Stadtmarketing läuft da vieles sehr an der Realität vorbei. Neben Bach, Mendelssohn und den Prinzen gibt es aus deren Sicht keine nennenswerte Musikkultur in der Stadt. Noch kurioser: Auf der Pressebilddatenbank des Leipzig Marketings findet sich in der Kategorie „Kultur- und Freizeiteinrichtungen“ kein einziger Leipziger Club.

Stattdessen werden mit Aphrodite und Moulin Rouge zwei Nachtclubs aka Bordelle als relevante Orte aufgeführt. „Wie der Name dieses exklusiven Night-Clubs schon vermuten lässt, kann sich hier der Gast von den Nachkommen der griechischen Liebesgöttin Aphrodite bezirzen lassen“, wird der Aphrodite Nightclub angeteast.

Das gehört natürlich nicht direkt zusammen. Aber hier läuft nicht alles glatt. Und ein paar Schilder in einem „angesagten Stadtteil“ werden das nicht ändern.

Geteilte Abfahrt

Zwischen Nature One und Distillery-Keller – so lebt Christian Fischer als Producer und DJ. Und dieses Bild spiegelt auch seinen Sound wider. Mit diesem Spagat ist er bei frohfroh weitgehend außen vor geblieben – durchaus zu Unrecht.

Christian Fischer und sein Label Definition Records gehören zu Leipzig – definitiv. Und es ist noch einmal ein anderes Leipzig als all der ganze Dusted Decks-Wahnsinn. Seit über zehn Jahren ist er dabei mit einem sehr großflächigen Techno-Sound, der ziemlich selbstbewusst auf Rave setzt. Rave im echten Sinne. Nature One, Mayday und wohl auch Mittel- und Südamerika.

Da ist Christian Fischer ist ein DJ-Superstar. Dagegen sind seine regelmäßigen Definition-Label-Nächte im Distillery-Keller Underground. Es ist so ein wenig wie das Sven Väth- Phänomen – der spielt auch in einer anderen Liga, man spürt aber, dass da dennoch eine Menge feines Gespür dahinter steckt. Auch wenn das in den Tracks durch massive Basslines, fette Bassdrums und Rave-Dramaturgien oft untergeht – sein letztes Album „Change Disko“ ist voll von solchen Stücken.

Dass die Remixe zu diesem Album nun bei Statik Entertainment rauskommen überrascht einerseits, weil das Label sonst für eine ganz andere Gangart steht. Andererseits ist es schlüssig, denn Definition Records und Statik Entertainment agieren zusammen unter der gemeinsamen Dachfirma Bryzant – eine Full-Service-Dance-Music-Holding also, wenn ich mich einmal lakonisch aus dem Fenster lehne.

Doch es passt in diesem Fall auch inhaltlich: denn mit den „Starlight Remixes“ gelingt eine Neuverortung des Ausgangsmaterials. Und dass liegt eindeutig an der Auswahl der Künstler und des Tracks. Denn mit „Starlight“ wurde der dubbigste und zurückhaltendste Track auf „Change Disko“ in seine einzelnen Spuren zerlegt. Headnoaks und Anokie stülpen einfach ihren deepen bis schroffen Electro.

MasKinE von Instabil verstärkt den Dub-Charakter und entschleunigt das Stück. Das Berliner Duo youANDme zaubert einen düsteren, trocken nach vorn schiebenden House-Track daraus. Und Morphology verbinden all die drei zuvor angerissenen Einflüsse in einem Remix. Ein gelungenes Austarieren zweier Gegensätze findet hier statt – auf Vinyl mit youANDme und Morphology, die anderen drei Remixe gibt es ausschließlich in der digitalen EP-Version.

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Pod Pod

Versiert und charmant im Web 2.0 unterwegs zu sein, scheint für ein Label heute fast so wichtig zu sein wie das richtige Mastering-Feinschliff. Direkt-Kontakt mit den potentiellen und bereits gewonnenen Fans. Auch Podcasts gehören mittlerweile zum guten Ton.

Podcasts sind nicht nur für Radiosender interessant, um bereits gesendete Beiträge auch nach dem On-Air-Sendetermin verfügbar zu halten. Auch Musikportale wie FACT, Resident Advisor und andere haben mittlerweile weit verbreitete Podcasts im Programm – vorwiegend mit DJ-Mixen. Und selbst für die Labels selbst scheint das Thema immer wichtiger zu werden in einem Set an verschiedenen Web 2.0-Kanälen.

Die Leipziger sind schon ganz gut dabei. Während Kann Records und Doumen auf den klassischen Weg mit Mixen von eigenen oder befreundeten Künstlern setzen, geht Moon Harbour weiter. Bereits seit Mai 2010 nimmt Chris Lattner einen der Moon Harbour-Acts näher in den Fokus – mit moderierten Parts und Interview-Auszügen. Zuletzt kam Sven Tasnadi zu Wort. Im Vorder- und Hintergrund laufen dann lauter Label-Tracks. Dass hier vom Radio und nicht vom Podcast die Rede ist, ist also mehr als berechtigt.

Letzte Woche debütierte auch die Booking- und Party-Plattform Riotvan einen eigenen Podcast. Und es ist ein doppeltes Debüt: Good Guy Mikesh veröffentlicht nämlich seinen ersten DJ-Mix. Voller housiger Disco-Sexyness. Mehr davon, bitte. Erst recht von der gemixten Kann-Deepness – Bender Bender.

Moon Harbour Radio
Kann Records Podcast
Doumen Podcast
Riotvan Podcast
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Foto-Credit: Flickr

Black Chow „Wonderland EP“ (Jahtari)

Hier ist doch tatsächlich eine richtige Perle von Jahtari untergegangen. Denn die Verwurzelung des Labels in der britischen Szene nimmt immer mehr zu – optisch und musikalisch.

„Wonderland“ von Black Chow war bereits auf der letzten Jahtari-Compilation einer der Höhepunkte. Damals war mir allerdings nicht bewusst, dass Kevin Martin alias The Bug dahinter steckt. Zusammen mit der japanischen Sängerin und Illustratorin Kiki Hitomi produziert er schleppende, verhallte 8Bit-Reggae-Dub-Pop-Perlen.

„Wonderland“ etwa, das hier nun noch einmal auf einer eigenen 12“ gewürdigt wird – inklusive einer instrumentalen Version. Auf der Rückseite gibt es mit „Danger“ ein weiteres Stück, das noch etwas schlüssiger in den Jahtari-Rahmen passt. Scheinbar gibt es mittlerweile auch genügend klangliche Rückläufe von anderen Künstlern, die ursprünglich von Jahtari ausgingen.

Black Chow passen damit bestens neben das Leipziger Duo Illjah & Ltd. Candy, die einen ähnlich lässigen Groove haben. Bisher waren Black Chow nur mit zwei weiteren Tracks auf Hyperdub und Souljazz vertreten. Und Jahtari reiht sich mittlerweile mühelos damit ein.

Den „Wonderland“-Riddim hat für diese EP übrigens auch noch einmal Pupajim bekommen – und verbindet darauf Art eine Arie mit seinen typischen Comic-Raps. Das mächtige Cover hat Kiki Hitomi natürlich selbst gestaltet.

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Runter kommen

Eine neue Drum’n’Bass-Party Ease Up – sich beruhigen – zu nennen, ist schon eine Ansage – doch genau wie bei Alphacut Records in den vergangenen Monaten die verlangsamten und breiter geerdeten Tracks begeisterten, so könnte es auch im Club klappen.

Normalerweise werden hier neue Party-Reihen nicht so prominent angekündigt. Aber im Falle von Ease Up scheint eine Ausnahme angebracht. Nun ist mein Einblick in das Drum’n’Bass-Geschehen auch limitiert, aber ich habe schon über den Schub bei Alphacut Records wahrgenommen, dass Drum’n’Bass von der zunehmenden musikalischen Durchmischung und der Öffnung der Grenzen ebenso profitieren konnte wie andere Genres. Da geht es nicht nur um die dicksten Bässe und schnelle Peaks. Da sind mehr Querverweise und mehr Musikalität herauszuhören.

Und dieser neuen Breite möchte sich die Reihe Ease Up widmen. Nicht irgendwo, sondern im Conne Island, einer traditionsreichen Adresse für Drum’n’Bass in Leipzig. Zwischen den neuen Domänen Electric Island, Sub.Island und Inbetween ist Drum’n’Bass in den letzten Jahren jedoch etwas ins Hintertreffen geraten. Gänzlich verschwunden ist es zwar nicht, aber eine nachhaltig kuratierte Reihe konnte sich im Conne Island schon länger nicht mehr festsetzen.

Sieben DJs, Producer, Videokünstler, Grafiker, Veranstalter und Journalisten wollen dies mit Ease Up nun drei bis fünfmal im Jahr nachholen. „Es soll eine runde Sache werden, musikalisch offener, mit einem feineren Blick für die Deko“, hieß es bei einem Treffen vor gut einem Monat – rein vom künstlerischen Input ist das Team gut besetzt. Die kreative Talsohle von Drum’n’Bass sei endlich durchschritten und es gäbe wieder eine hörbare Frische im Sound vieler Producer, die längst nicht mehr nur aus Großbritannien kommen.

„Mittlerweile gibt es auch wieder eine gesunde Szene an Machern und Party-Gängern in Leipzig“, meint denn LXC, der mit Alphacut Records die neue Frische seit mehr als einem Jahr auf limitiertem Vinyl begleitet. Ein Producer aus dieser zweiten Alphacut-Welle wird auch das Debüt von Ease Up bestreiten: Morphy aus Glasgow.

Seine Tracks auf Alphacut gehören zu den Höhepunkten – gedrosselt und intensiv, mutig im Ausreizen von runtergedimmten Momenten, die nicht auf die Effekt erheischenden Endladungen zielen. Ease Up startet am kommenden Gründonnerstag. Und vielleicht reiht sich damit eine neue Drum’n’Bass-Reihe zwischen Electric Island & Co.

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Zwei entrückte Reisen

Und plötzlich lag sie im Briefkasten, kein zusätzliches Wort, keine Beschreibung – die erste Kassette von Ominira, dem kürzlich gegründeten Label von Kassem Mosse.

Dass da etwas im Gange ist, kam hier schon kurz zu Wort. Von „8 tracks of moody elektronic oldschool jams by various ominira artists in no particuar order“ ist auf der Label-Website die Rede. Und solch eine Kassette verstärkt den Oldschool-Charme noch einmal zusätzlich. Abgesehen davon, dass es gar nicht so einfach ist in einem heutigen Haushalt noch ein Kassettenrekorder zu finden. CD- und Plattenspieler? Meist kein Problem, aber ein Tape-Deck?

Auf die Schnelle wurde mein altes Sony-Diktiergerät zum Mini-Ghettoblaster. Die Überraschung dabei: dessen 2 x 2 cm großen Boxen sind wie geschaffen für die acht Stücke. Oldschool meets Oldschool. Und dazu gehört auch die konsequente No-name-Haltung – außer der Label-Domain ist nichts verzeichnet auf der Kassette und dem weißen Pappschuber. Kein Artist-Name, kein Track-Name, auch bei Discogs nur „Unknown Artist“ und „Untitled“. Wo ist die A- Seite, wie die B?

Außer, dass nur 100 Kopien dieser Compilation existieren, gibt es keine Informationen. Wenn es denn überhaupt eine Compilation ist. Denn rein vom Ästhetik des Sounds her könnten die acht Stücke auch Skizzen von Kassem Mosse sein. Roughe Synthesizer-Stücke – mal zu schlüssig anmutenden Tracks ausformuliert, mal fragmentarisch gelassen.

Es ist sind zwei kurze, leicht gespenstisch klingende Sound-Ausflüge mit dem charakteristischen Grundrauschen einer Kassette im Hintergrund. Weltentrückt, mit einem antiquierten Futurismus – also schon dem Kassem Mosse-Stil sehr ähnlich. Eine weitere Kassette wird übrigens schon angekündigt. Sicher ist, dass Ominira kein Label im klassischen Sinne werden dürfte. Da steckt mehr dahinter…

Ominira Website
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Pop Up, Nachtdigital und mehr

Ja, es gibt wieder etwas zu vermelden. Kleine Dinge mit großer Wirkung.

In den letzten Tagen hat es schon seine Runde gemacht, dennoch soll es hier nicht unerwähnt bleiben: Die Pop Up verzichtet in diesem Jahr auf ihre Messe. Ein durchaus konsequenter Zug, hat der Reiz und Nutzen der Messe in den vergangenen Jahren merklich nachgelassen. Mit „Wir bauen eine neue Stadt“ sollte jener Tendenz mit einem neuen Messekonzept entgegengewirkt werden.

Nur waren davon zu wenige Aussteller überzeugt. So bleiben in diesem Jahr die Podiumsdiskussionen sowie die Konzerte. Ob dies ein gänzlicher Abschied auf Raten ist, wird sich zeigen. Den genauen Wortlaut der Pop Up gibt es hier noch einmal nachzulesen.

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Ausverkauft ist ausverkauft. Und trotzdem gibt es jedes Jahr noch einen zweiten Nachtdigital-Peak nach dem Vorverkaufswahnsinn: Die Bekanntgabe des Line-ups. Und das liest sich wie folgt: Agoria, Áme, André Sondermann, Bender, Dasha Rush, Dixon, Fairmont, Gold Panda, Ikonika, Kassem Mosse, Kyle Hall, Lilabungalow, Lone, Map.ache, Monkey Maffia, Onetake, Prosumer, Rik Elmont, Rizzoknor, Robag Wruhme, Shackleton, Shed, Smith’n’Hack, Space Dimension Controller, Steffen Bennemann sowie Taron Trekka. Außerdem wird es einen Dial-Abend geben mit Carsten Jost, Efdemin, Isolée, Lawrence und Roman Flügel.

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Und auch dem im letzten Jahr wiederbelebten Tages-Open Air Think? gibt es erste Namen zu verkünden – Sven Väth ist als Headliner bestätigt. Naja. Deutlicher kann der Unterschied zum Nachtdigital kaum ausfallen.

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Und wo wir gerade bei der Beschallung im großen Stile sind: Paul Kalkbrenner – man erinnere sich: gebürtiger Leipziger – veröffentlicht im Mai sein neues Album „Icke, wieder“. Ganz ohne Gesang und wie früher, heißt es in der eigens von Kalkbrenner formulierten Pressemitteilung. Und am 14.10. gibt es dann auch ein Wiedersehen in Leipzig – in der Arena. Ohje ohje…

Blick ostwärts – nach Dresden

Dresden und Leipzig – nicht unbedingt das entspannteste Liebespärchen. Und auch wenn Stadtrivalitäten durchaus ihren Reiz haben können, gibt es wenigstens auf der musikalischen Ebene Parallelen zwischen den beiden Diven.

Noch vor einem Jahr stolperte ich über die Bemerkung Dresdens Elektronik-Szene würde etwas im Schatten stehen. Nicht, dass mir Etui Records, Jacob Korn, Break SL oder Phonocake kein Begriff waren. Es gab nur eben von außen betrachtet nicht das Gefühl einer umtriebigen Szene mit einer entsprechenden Außenwirkung wie etwa in Hamburg, Mannheim, Essen oder in Ansätzen Leipzig.

Doch dann kam Uncanny Valley – ein Label mit viel Elan, einem roughen und deepen Sound zwischen House und Electro sowie liebevoll gestalteten Plattencovern. Anschließend ging es ganz schnell: das unheimliche Tal spricht sich herum, als neue Heimat einer Underground-Clubkultur in der sächsischen Landeshauptstadt.

Drei Compilations sind bisher erschienen – und mit ihnen wunderbare, im besten Sinne eigenartige Tracks von Credit 00, Jacob Korn, Cuthead, C-Beams und Thomas Fröhlich. Genau dieses Bündeln von verschiedenen befreundeten Kräften hat auch in Leipzig in den vergangenen Jahren viel Neues bewirkt.

Zeit also noch tiefer hinter die Kulissen zu schauen. Philipp Demankowski, ein Teil des DJ-Duos The Moroders, erklärt im frohfroh-Interview die Zusammenhänge in Dresden.

Wie hat sich die Clubszene in Dresden innerhalb der letzten Jahre entwickelt?

„Dresden hat ja eine lange Techno-Tradition. Gerade nach der Wende gab es eine Menge Clubs, die mal legal, mal in der halblegalen Grauzone wirkten und vielen Tänzern eine Menge Spaß bereitet haben. Nachdem die damaligen Tänzer erwachsen, Eltern, berufstätig oder partymüde geworden waren, gab es wohl so etwas wie einen Bruch. Viele der Pionierclubs mussten schließen.“

Und was geschah danach?

„Die Nuller liefen eher mau an. Die Partys, bei denen die alten Raver ‚Das ist ja wie früher‘ riefen, wurden seltener. Und etwas Neues entwickelte sich nur schleppend. Klar gab es immer die Showboxx für die Techno-Großkaliber oder das Triebwerk für die härtere Gangart, aber beharrliche Underground-Clubs waren selten. Die Schleife, die später Galerie Disko hieß, war so ein Spot, musste inzwischen aber auch schließen.“

Jetzt scheint aber wieder mehr Elan da zu sein.

„Ja, seit ein paar Jahren ist aber so etwas wie Aufbruchstimmung zu spüren. Die Leute, die an der Blüte von elektronischer Musik in Dresden interessiert sind, ziehen an einem Strang, kommunizieren miteinander und befruchten sich gegenseitig. Uncanny Valley ist im Prinzip ein Ergebnis davon.

Es gibt junge Crews mit Blick für schicke Off-Locations wie BEST.OFF productions für House-Partys oder Follow The White Rabbit für Post-Minimal. Und auch Dubstep geht gerade gut ab mit diversen Crews und vollen Partys.

Für Drum’n’Bass war Dresden ohnehin schon immer eine Hochburg. Und mit dem Sektor Evolution gibt es endlich auch wieder einen amtlichen Techno-Club, der auch als Platz für Kunstfestivals und Nachwuchs-Rockbandabende taugt.

Das Alte Wettbüro als Kristallisationspunkt zwischen Club und Bar spielt sicherlich ebenso eine wichtige Rolle in dieser Entwicklung und auch das Fat Fenders als der wichtigste Plattenladen der Stadt hat seinen Teil durch seine beständig gute Sortierarbeit beigetragen.“

Wann und warum kam die Idee zu Uncanny Valley auf?

„Das Potential der Dresdner Musiker zu bündeln, war schon immer im Hinterkopf der Beteiligten. Es gab und gibt natürlich auch vor Uncanny Valley Labels in Dresden, aber eben ohne die musikalische Breitenwirkung und Vielfalt, die uns vorschwebte. Mit Jacob Korn und Break SL gab es zwei Dresdner House-Artists, die durch tolle EPs auf Running Back, Dolly und Philpot bereits einen Namen hatten.

Und als dann das Angebot von Nachtdigital kam, 2010 den See-Floor zu gestalten, wurde Nägel mit Köpfen gemacht und erstmal viel geredet und gelernt. Dass dann die erste Platte genau zum ND-Festival fertig wurde, war eine Mischung aus planerischem Geschick und Glück.“

Wer steckt alles hinter dem Label?

„Die drei Betreiber sind Conrad Kaden von The Moroders, Carl-Johannes Schulze alias Carl Suspect und Albrecht Wassersleben. Sie treffen die wichtigsten Entscheidungen und kümmern sich um einen Großteil der organisatorischen Arbeit. Darüber hinaus werkeln eine Menge Leute mit ihren jeweiligen Stärken am Gedeihen des Labels – Cover, Mastering, Presse, Visuals, Deko und Aufbau für die Partys. Too many to mention.“

Auf den ersten drei EPs ist der musikalische Rahmen grob betrachtet mit House und Electro abgesteckt. Gibt es aus deiner Sicht einen verbindenden Sound oder eine bestimmte Herangehensweise, die einen Track für Uncanny Valley interessant machen?

„Qualität ist entscheidend. So einfach das klingt, so wahr ist es am Ende. Alle Tracks gehen durch einen mehrstufigen Auswahlprozess, in dem jeder der Labelmitglieder seine Meinung, Verbesserungsvorschläge oder sonstiges Feedback äußern kann. Ein bestimmter Sound ist auch schon aufgrund der vielen verschiedenen Künstler, die ja auch unterschiedliche Produktionsmethoden und Klangideale bevorzugen, eher schwierig zu identifizieren.

Und nach gerade mal drei EPs ist das schlechterdings unmöglich und auch nicht zielführend. Schließlich wollen wir den Musikern auch nicht ins Handwerk pfuschen. Die sollen gefälligst ihre Individualität bewahren. Die UV004, die nächste und vorerst letzte Compilation-EP, wird sich auch in gewisser Weise absetzen. Die ist ein bisschen rougher.“

Clone vertreibt die Platten, ihr habt sofort eine Menge positives Feedback erhalten, habt ihr mit solch einem Start gerechnet?

Wir sind natürlich überzeugt von den Tracks, mögen sie ungemein. Da wir alle selber auch auflegen, können die Tracks auch immer schon getestet werden. Mit dem Fullcover und versteckten kleinen Gimmicks haben wir ja auch immer ein reizvolles Paket für Vinylliebhaber.

Insofern haben wir schon gehofft, dass einige DJs, die wir mögen, mit den Tracks was anfangen können. Dass die erste Nummer aber derart hohe Wellen schlägt, haben wir aber natürlich nicht erwartet. Sowas ist aber über allem auch ein prima Ansporn, weiterhin gute Platten herauszubringen.“

Uncanny Valley Website

Blick westwärts – nach Jena

Es gibt wenige Label-Jubiläen der letzten Jahre, die so ganzheitlich und charmant zelebriert werden, wie die 50. Veröffentlichung des Jenaer Labels Freude am Tanzen. Daniel Stefanik und Juno6 haben auch ihren Anteil daran.

Eine gute Auto- und Zugstunde ist Jena entfernt. Und wer sich an der Autobahn nicht von den Plattenbauten abschrecken lässt, findet entlang des Saaletals eine räumlich höchst konzentrierte Industrie-, Universitäts- und House-Hochburg. Seit knapp 13 Jahren begleitet Freude am Tanzen fast kumpelhaft die hiesige und weit darüber hinaus schwingende House-Szene.

Es ist ein Paradebeispiel für das glückliche Leben in der Provinz, für professionelle Strukturen auf Freundschaftsbasis, für ein konstant eigenständiges musikalisches Profil und nicht zuletzt für einen überschaubaren Kreis an gewachsenen Charakteren.

„Bei uns darf jeder seine eigene Suppe kochen“, heißt denn auch das Credo der Aktivitäten zum „FAT5zig“-Jubiläum. Da passt ein smooth-eingängiger Rave-Ansatz von Marek Hemmann ebenso wie der kantige und doch treibende Eigensinn vom Krause Duo.

Und auch die Leipziger Daniel Stefanik und Stefan Schultz alias Juno6 gehören seit gut drei Jahren zum erweiterten Freundeskreis von Freude am Tanzen. Folglich sind sie auch auf der „FAT5zig“-Compilation mit zwei unveröffentlichten Tracks vertreten.

„Tension In Leipzig“ von Daniel Stefanik fällt anfangs mit seiner strengen Straightness fast etwas aus dem Rahmen der übrigen Tracks. Doch mit seinen später umher schwingenden Sounds findet er doch eine passende in sich verfangene und verwunschene Deepness – da wird auf der Leipzig-Detroit-Achse ein Abstecher in Jena gemacht.

Juno6 ist mit seinem „Guununk“ auf einem gemächlicheren Pfad unterwegs. Etwas organischer in seinem tief kreisenden Basslauf und den sich herantastenden Chords im Hintergrund. Ein sehr ausgeglichener, in sich ruhender House-Track, der es auch verdient auf die Vinyl-Edition zu kommen. So ist er nur bei der CD-Version dabei.

Aber Stefanik und Schultz sind beide gleichermaßen die Stars in der auf Video dokumentierten Freude am Tanzen-Suppenküche – die Rezepte aller Suppen gibt es übrigens in der Deluxe-Edition der Compilation. Guten Appetit.

Freude am Tanzen Website
Daniel Stefanik Website
Juno6 Website
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Riot Riot

Der Name Riotvan geistert schon seit einigen Jahren durch die Stadt – als Garant für stilistisch offene Partys ebenso wie als Booking-Partner für Leipziger Acts wie Gregor., Good Guy Mikesh & Filburt und Boytalk. 2011 gibt es einen neuerlichen Schub – und einen Wermutstropfen.

Die schlechten Nachrichten will man meist zuerst erfahren. Und in Bezug auf Riotvan lautet die: das jährliche Indoor-Festival Don’t Believe The Hype wird in diesem Jahr nicht stattfinden. Vor vier Jahren brachte das Festival in der Distillery zum ersten Mal unter dem Riotvan-Banner Club- und Indie-Kultur zusammen. Und es ist trotz der vielen anderen kleinen Party-Reihen und dem Booking-Engagement noch immer das Steckenpferd für Riotvan.

Dass es in diesem Jahr ausfällt erklärt Markus Krasselt, der Kopf hinter Riotvan so: „2011 wollten wir die Distillery verlassen. Es gab auch schon eine nette, unverbrauchte Off-Location. Vor zwei Monaten schob uns die Stadt aber einen Riegel davor, obwohl zuvor alles für machbar erklärt wurde.“ Da auf die Schnelle keine Ersatz-Location aufzutreiben war, die dem „Festival-Anspruch gerecht geworden wäre“, pausiert Don’t Believe The Hype für ein Jahr.

Allerdings startet Riotvan ab Mai sein Summercamp in der Villa Hasenholz. Holzgrill im Garten, Konzerte mit Wareika und Norman Palm, große Party im Hasenholz-Saal mit Good Guy Mikesh & Filburt und Afterhour im Hasenholz-Obstgarten – so lässt sich die Idee zusammenfassen. Und das Riotvan Summercamp bleibt kein einmaliges Event. Im Juni ist die Berliner Keine Musik-Label-Crew eingeladen.

Es passiert auch noch mehr gerade: die neue Website ist online. Und neue Acts sind im Booking-Programm. Unter anderem auch Mod.Civil und Boytalk.