Analoger Medienzuwachs

Bestimmt erinnert sich der ein oder andere noch an das Repertoire – ein kleines Faltmagazin für „kantige Musik in 0341“. Ich selbst hüte auch noch ein oder zwei Exemplare wie einen kleinen Schatz bei mir. Jetzt wird an diese Tradition angeknüpft.

Gestern war von der Überraschung bereits bei itsyours zu lesen: Paperclip geht in diesem November erstmals offline. Ja, richtig gelesen. Es geht mal nicht um ein neues Online-Magazin, sondern um etwas Ausdrucktes. Um ein Medium 1.0, um „2 Bytes analoge Musikvermittlung“, wie es im Untertitel heißt. Herausgegeben werden soll Paperclip künftig einmal monatlich von Lowcut, Sunliq und sH1. Und es wird sich ganz offen an die Repertoire-Tradition angelehnt. Party-, Radio- und Konzert-Termine sowie Plattenrezensionen und Interviews aus der Leipziger Musik- und Clubszene. Also ähnlich frohfroh, nur eben handfester.

Die erste Ausgabe wurde 200mal gedruckt – im Copy-Shop am Rossplatz. Anschließend faltete das Paperclip-Trio die beidseitig in Schwarz-Weiß bedruckten A4-Letter einzeln zusammen und befestigte sie mit einer Büroklammer. Genau an der November-Stelle im Druck. Das ist liebevolle Perfektion mit DIY-Charakter. Ein Großteil liegt nun in Kneipen, Spätis und anderen szeneaffinen Geschäften des Südens und kreativen Westens von Leipzig aus. Die Idee kam den Dreien übrigens auf der Autobahn von Halle nach Leipzig.

Ein Fanzine im klassischen Sinne soll es nicht sein, zumindest nicht fokussiert auf eine eng abgesteckte musikalische Nische. Zwar sei das Debüt recht Drum’n’Bass-dominiert mit einem DJ Booga-Interview und einer Alphacut-Besprechung, aber schon in der Dezember-Ausgabe stehen Praezisa Rapid 3000 sowie Rezensionen zur deren erster offizieller Platte und der neuen Mancha Recordings-Platte auf dem Plan.

We like it!

Auf Abwegen

Auf Abwegen klingt nach Ausflucht. Aber so ist das gar nicht gemeint. Dennoch fällt auf, dass mit Dan Drastic und Luna City Express zwei Moon Harbour-Stamm-Artists quasi parallel auch bei anderen Labels vertreten sind.

Das ist natürlich keine Neuigkeit. Dan Drastic war auch schon bei Hairy Claw, Luna Records, Rrygular und Highgrade. Und Luna City Express bei Aerobic Studio, Justified Cause und Enliven Music, wo nun eine weitere EP der Berliner erschienen ist. „The Bartender“ ist ein smoothes Deep House-Stück mit einem House-Manifest-Vocal. Lässig, elegant und US-inspiriert.

Da liegt ein Downbeat Edit natürlich nahe. Dass sich Luna City Express für diese andere Art der musikalischen Lässigkeit erwärmen können, war ansatzweise auch schon auf deren Debüt-Album herauszuhören. Auf jeden Fall ist diese Version im Luna City Express-Kontext die Überraschendere und Frischere, auch wenn die Mittel eigentlich ganz klassisch und alles andere als frisch sind. Die Enliven Music Acoustics-Jungs machen aus „The Bartender“ aber eigentlich den besten Entwurf. Während das Original sehr glatt gestrichen ist, hat dieser Remix mehr Reibeflächen, mehr Kanten, mehr Drive. Und auch das Vocal passt sich besser rein.

Dan-Drastic-Andreas-Eckhardt-ButterflyBei Dan Drastic & Andreas Eckhardt ist es ungekehrt. Da ist das Original dem Remix voraus. „Butterfly“ kam bei dem Kopenhagener Digital-Label Girafe Sauvage heraus. Im Gegensatz zur ersten gemeinsamen EP der beiden auf Rrygular ist dieser Track weniger straight. Dafür etwas gespenstischer mit seinem Vocal und dem flirrenden Bienenschwarm-Sound im Hintergrund. Recht zurückgenommen und basic.

Patrick Bateman haut bei seinem Remix hingegen einfach mit der Rave-Keule auf „Butterfly“. Alles dicker und halliger produziert, ein zusätzlich schiebender Chord dazu. Das sind zwei Welten, die auf dieser EP aufgezeigt werden.

Und wäre das bei Moon Harbour auch gut aufgehoben gewesen? Luna City Express sind mit „The Bartender“ zu deep und zu soft, „Butterfly“ hätte zum derzeitigen Label-Sound aber durchaus gepasst.

Dan Drastic Myspace
Luna City Express Myspace
Girafe Sauvage Website
Enliven Music Myspace
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And the winner is…

Die Gürtelwoche ist rum, die Designers’ Open ebenso. Wir hatten ja für die tollsten Tanz-Moves einen wunderbaren Wechselwilld-Gürtel mit dem einmaligen frohfroh-Motiv ausgelobt. Viel getanzt wurde nicht. Gewonnen hat trotzdem jemand.

Nicht nur irgendjemand: Es ist Map.ache von Kann Records. Und das ist keineswegs als parteiische Entscheidung zu werten. Bei diesem Video stimmt einfach alles. Okay, es ist nicht mehr ganz taufrisch, aber es hat das Zeug zum Classic.

Es spielt in der Bar – einem leider viel zu früh geschlossenen Club auf der Spinnerei. Und es steckt so voller Poesie, dass einem das Herz überquellen mag. Die leere Tanzfläche, die Sonne durch das offene Fenster, der verspulte Track zu dem Map.ache den ganzen Raum ausmisst, das tanzende Duett mit dem Schal und auch der demütige Kniefall – dies ist ein viereinhalb Minuten langes Zeitzeugnis. Aufgenommen von Sevensol und schlicht untertitelt mit „Mapache does a ‚ausdruckstanz’ on a sunday morning in the leipzig based club ‚bar’ after a long dj-set…“

Jawoll!

Ganzheitliches Geschenk

Neulich: Ortstermin im Leipziger Schallplattenpresswerk. Draußen leichter Nieselregen, der Kühlturmdampf wird vom Wind wild umher gewirbelt. Doch bei dem Termin geht nicht um die faszinierende Industrie hier, sondern um Alphacut Records.

LXC empfängt mich auf dem Hof und spendiert eine Kurzführung – vorbei an den Vinyl-Pressen, der Galvanik, einer Druckmaschine für die Etiketten, lauten Typen mit rauen Zungen und zuletzt an einer gut fünf Meter langen Maschine, die die bedruckten Coverhüllen faltet, verleimt und zurecht schneidet. Faszinierend für jemanden, dessen einzige handfeste Erfahrung das Schulbetriebspraktikum in der Bus-Werkstatt des städtischen Nahverkehrsbetriebs war.

LXCs Schneideraum ist eine Etage über der Vinyl-Produktion. An der Bürotür ein Smiley, drinnen fast deckenhohe Türme aus Geräten – darunter eine alte Neumann-Schneidemaschine auf der gerade die Lackfolie für das Album einer Metal-Band geschnitten wird. Wir sitzen hier, weil die Nummer 10 von Alphacut endlich fertig ist. Und dass, obwohl der Label-Katalog bereits bis zur 20 weiter angewachsen ist.

Die Nummer 10 sollte etwas besonderes sein. Zugleich lag aber auch so viel gutes Material wie schon lang nicht mehr bei LXC auf dem Tisch. Das musste raus. Und so startete die „Second Wave“ von Alphacut – jeden Monat eine neue Platte, anfangs limitiert auf 100 Exemplare, später wurden es 200, weil sich solch kleine Auflagen dann doch kaum lohnen. Das hat LXC durchgehalten und dramaturgisch einen spannenden Bogen von roughen bis zu sehr gedrosselten Tracks gespannt.

Tolle Demos gibt es weiterhin, aber die Frequenz soll auf zwei Monate verlängert werden. „Selbst die harten Fans sind irgendwann nicht mehr hinterher gekommen. Es braucht einfach doch etwas Zeit, bis eine neue Platte auch aufgenommen werden kann“, hat LXC in dem Jahr der zweiten Alphacut-Welle festgestellt. Auch wenn es vielleicht eine kleine Überforderung war, es hat Alphacut in der weltweit gut vernetzten Szene durchaus Schub gebracht.

Doch zurück zur Nummer 10. Die sollte eigentlich schon vor einem Jahr erscheinen. Die ursprüngliche Idee war eine Jubiläums-Compilation mit Künstlern und befreundeten Musikern des Labels. Die Liste wurde irgendwann aber zu lang und so kamen die Loops ins Spiel, die bereits früher auf vielen Alphacut-Platten als Gimmicks zu finden waren.

Im Sommer 2008 gingen erste Anfragen raus, der letzte der insgesamt 111 Loops kam schließlich im September 2009. Doch die 10 musste noch weiter reifen – immerhin wollte LXC nicht nur eine schwarze Hülle, sondern eine mit Ausstanzungen und Siebdruck, die er weitgehend selbst herstellen wollte. Allein der Vinyl-Schnitt der B-Seite mit den Loops war eine Herausforderung für sich. In Sechser-Gruppen und nach 33- und 45er-Loops sind sie nun angeordnet. Es braucht etwas Geduld und Übung sich da durch zu stöbern.

Und es gleicht nebenbei einem historischen Rundumschlag in punkto elektronischer Musik – von Leipzig und der Welt aus. Da Halz, Booga, Proceed, Thomas Christoph Heyde, Qui, triPhaze und Opossum hauen ebenso zwei Sekunden-Tracks heraus wie Paradox, Hans Platzgumer, Martsman, Hey-O-Hansen, Karl Marx Stadt oder Enduser. Manche sehr reduziert, andere so aufgeladen wie es wohl nur geht. Manche total rhythmisch konzentriert, andere auf Chords fokussiert. Wunderbar übrigens auch die Track-List bei Discogs. Ein Monster.

Die A-Seite gehört „Seeing Angels“ von dem Londoner Randomer. Ein hektisch und düster umher fegender Drum’n’Bass-Track mit großen Auf und Abs sowie einer latenten Burial-Atmosphäre in den ruhigeren Passagen.

Diese Platte nimmt letztendlich nicht nur als groß inszeniertes – verspätetes – Jubiläumsgeschenk einen besonderen Stellenwert in der Label-Geschichte ein. Sie ist auch ein ganzheitliches Geschenk von LXC an sich selbst. 333 Exemplare gibt es nun, 111 davon sind den Loop-Acts reserviert. Der Rest dürfte wahrscheinlich auch bald ausverkauft sein – ähnlich wie ein Großteil der letzten Platten.

10 und 20
Cycom & Fanu „Rude Bwoy“

Quasi parallel zur Nummer 10 erschien vor kurzem übrigens auch die Katalognummer 20. Und die greift auf andere Weise auf die Alphacut-Geschichte zurück. Cycoms Track „Rude Bwoy“ von der ersten Alphacut-Platte aus dem Jahr 2003 kommt noch einmal zum Vorschein. Cycom selbst bringt sie erneut auf Vordermann.

Der Finne Fanu spielt dagegen einen ganz neuen Spannungsbogen durch. Das Tempo steigert sich langamer und schwankt später immer wieder. Irgendwie schafft Fanu auch eindringlicher und aufgeladener Momente.

Alphacut Records Website
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Anschnallen! Anschnallen!

Ausgehen und schick machen – frohfroh will euch beides bieten. Besser gesagt einem oder einer von euch. Denn unser besonderes Herbst-Accessoire gibt es vorerst nur einmal.

Auf die Idee brachten uns die Jungs von Wechselwild – einem Online-Shop, der einen weiteren Beitrag zur großen modischen DIY-Individualisierungswelle der letzten Jahre leistet. Und zwar mit Leckergürteln, deren Schnallen sich selbst gestalten lassen. Nicht nur dass: Sie lassen sich auch jederzeit austauschen. Eine sorgsam bedruckte Magnetplatte macht es möglich. Eine davon ziert nun unseren einmaligen frohfroh-Gürtel. Schwarz wie die Nacht, reduziert wie die Musik dazu.

Dafür wollen wir aber auch was sehen von euch: Ein Video mit den atemberaubendsten Tanz-Moves. Egal wo, egal wer, egal wie. Denn wie heißt es so schön Woche für Woche bei uns: Dance! Dance!

Einfach einen Link an dance [at] frohfroh.de schicken oder auf unserem Facebook-Profil direkt an die Pinnwand posten. Bis zum 31. Oktober, 18 Uhr habt ihr Zeit. Ein Starter-Set Classic im Wert von EUR 59,90, inklusive braunen oder schwarzen Gürtel, der magnetiscen Gürtelschnalle, unserem frohfroh-Motiv, einem Farb-Startmotiv nach Wahl sowie einer Sammelbox gewinnt das Video, das uns am meisten flasht.

Aber Achtung: Wir haben keine Lust auf zweit verwertete Youtube-Leichen von irgendwelchen Freundesfreunden. Die Videos müssen frisch bei Youtube oder sonst wo hoch geladen worden sein.

Wer Wechselwild auch so super findet, kann Eule und Edin am kommenden Wochenende übrigens auch live auf der Designers Open erleben. Dort haben sie einen Stand und bestimmt auch eine Menge Sets und vorgefertigte Wechselbilder im Koffer. Mit dem Freezone in der Nikolaistraße gibt es auch einen Laden in Leipzig, der Wechselwild im Programm hat.

Sevensol & Bender „Scuba“ (Fauxpas Musik)

Alles taucht scheinbar gerade ab – bei diesen Temperaturen kein Wunder. Da passt auch die neue EP von Sevensol & Bender. Wieder einmal verlassen sie ihre Kann-Heimat und landen in Hamburg.

Genauer gesagt bei Fauxpas Musik, einem noch jungen Label mit gerade mal vier Veröffentlichungen. Darunter aber auch eine von dem wunderbaren Duo Mittekill. Mit „Scuba“ schält sich in einem weiteren Schritt ein Sound heraus, der mittlerweile ganz charakteristisch für Sevensol & Bender ist – House von seiner deepsten Seite. Kein klassischer Deep House, klar. Aber eine Form, die sich nicht auf die Club-Hektik einlässt, die sich im Warm-up oder der Afterhour einer Nacht am wohlsten fühlt.

Dabei schwebt „Scuba“ noch einmal zeitverlorener und friedlich vor sich hin mäandernder als die bisherigen Tracks der beiden Kann-Mitbetreiber. Einerseits geerdet durch die herrschaftlich durchscheinenden Streicher, andererseits durch den auf und ab flirrenden Chord. Das ist Musik für Naturstummfilme, Strandspaziergänge oder einen späten Sonntag.

Oskar Offermann, der Betreiber des Berliner Labels White, holt „Scuba“ in seinem Edit den Track aus dieser weltentrückten Atmosphäre heraus. Das Flirrende bleibt zwar, aber die Rhythmik ist sehr viel angespannter. Irgendwie kommt mir das aber nicht so richtig auf den Punkt.

Der „Diving Dub“ von Aera ist auch stärker getrieben. Aber er schafft diesen Spagat zwischen der Verwunschenheit des Originals und einem dezent angezogenem Tempo. Und er nimmt sich unendlich viel Zeit: 15 Minuten. Wahnsinn, wie verschwenderisch hier mit der Zeit umgegangen wird. Aber irgendwie auch sehr sympathisch, wie konsequent auf jegliche Effekthascherei verzichtet. So understatement kann House sein, könnte das Motto dieser Platte sein.

Fauxpas Myspace
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Orange Dot „Hi John, By John“ (Spunky Monkey Records)

Es gehen hier ja durchaus Platten durch die Lappen. Bei der letzten Orange Dot-EP plagt mich jedoch am meisten ein schlechtes Gewissen. Seit Wochen schon möchte ich die hier vorstellen. Jetzt endlich geschieht es.

Ganze vier Monate ist es her, dass „Hi John, By John“ herauskam. Im kreuzer gab es damals auch einen Artikel dazu. Denn für Orange Dot alias Alexander Hessel ist diese Platte schon eine Überraschung – zumindest für Außenstehende. Denn bislang kannte man den frequenzcamping- und Alula Ton Serien-Kurator eher für seine im weitesten Sinne Electronica-verwurzelten Tracks.

Auf Spunky Monkey fand er sich erstmals auf dem Dancefloor wieder. Natürlich nicht so direkt und keineswegs Peak Time-kompatibel. Dafür ist „Hi John, By John“ eine dieser Platten, die lange nachhallen, die ein Zuhören reklamieren und bei dem die Hände getrost im Schoss liegen bleiben können. Es ist eine Platte, der man den Electronica-Background deutlich anhört.

Dass ich sie jetzt erst richtig in den Fokus nehme, hängt vielleicht mit der Jahreszeit zusammen. Die fünf Stücke eint nämlich eine gewisse Melancholie, die irgendwie erst in der Herbst-Tristesse richtig nachempfunden werden kann. Im Frühling sind die Gedanken und Gefühle meist woanders.

„Wendungen“, „Streifen“ und „Hund“ sind die Stücke, die tatsächlich relativ geradlinig und straight ausfallen – jedes für sich mit einer eigenen Prägnanz. „Hund“ baut sich beispielsweise zu einem episch abhebenden Slow-Raver auf, inklusive verschleiert dunklem Gesang. Überhaupt sind Stimmen bei Orange Dot hier ein wichtiges Element. Allerdings nicht um sich den Pop-Appeal reinzuholen, sondern um eine bestimmte Stimmung noch stärker zu verfestigen.

„Die Geschichte – erst recht die eigene – ist nie abgeschlossen. Sie wächst mit, sie macht Wendungen, sie bäumt sich auf, wenn man sie schon tot glaubt“, heißt es etwa bei „Wendungen“. Dabei ist der Track insgesamt aber wesentlich reduzierter und verrauschter. In manchen Sounds schimmert sogar die digitale Raster Noton-Kühle hervor.

„Streifen“ ist hingegen der Track, in dem die Kontraste von Orange Dot am besten zur Geltung kommen. Zu Anfang fegt die gerade Bassdrum los. Später wird sie gebrochen und das Tempo rausgenommen. Am Ende sind die Intervalle zwischen diesen beiden Seiten noch fließender ausformuliert.

„Selten“ und „Kristalle“ sind schließlich der Link auf Orange Dots musikalische Herkunft: Vertrackte, detailreiche und zugleich überaus harmonische Electronica-Stücke mit einem Klavier im Zentrum.

„Hi John, By John“ strahlt insgesamt eine klangliche und melodiöse Reife aus, die einfach umwerfend ist. Im frohfroh-Leserpoll – der bald ausgerufen werden soll – hoffe ich, dass diese Platte weit oben auftauchen wird!

Spunky Monkey Records Website
Orange Dot Myspace
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Marbert Rocel „Remix EP“ (Compost Black Label)

Und wieder ein Remix-Thema. Dass das thüringische House-Soul-Trio Marbert Rocel auch gute Verbindungen nach Leipzig unterhält, dürfte nicht neu sein. Insofern passt es auch, dass auf der Remix-EP gleich drei Leipziger Beiträge dabei sind.

Für Compost dürften Marbert Rocel ein echter Glücksfall gewesen sein. Keine Ahnung, ob wie erfolgreich die Band für das Label ist, aber sie hat die Münchner NuJazz-House-Downbeat-Institution wieder auffrischen können – neben den erfolgreichen Sub-Labels Black Label und Drumpoet Community. Aufgefrischt daher, weil sie der Schnittstelle von House und Soul überraschend viel an gutem Pop-Appeal verleihen konnten.

Die Remix-EP zum letztjährigen Album „Catch A Bird“ kommt daher zurecht umfangreich daher – insgesamt neun Remixe, vier davon noch einmal extra auf Vinyl gebündelt. Aus Leipzig haben sich Good Guy Mikesh & Filburt, Sevensol & Bender sowie Boytalk an die Tracks gesetzt. Bei „Love Me“ fällt die musikalische Differenz am deutlichsten auf. Im Original ist das Stück eine ruhige soulig-poppige Ballade, mit organischem Band-Sound und richtigen Vocals. Sevensol & Bender lassen die fast gänzlich weg und konzentrieren sich auf einen in sich ruhenden und sanft schwebenden House-Track in dem sogar ein Sound auftaucht, der nach einem Theremin klingt. Sehr deep, sehr ausgeglichen, süß-melancholisch.

Toll, wie Good Guy Mikesh & Filburt dann in demselben Track etwas ganz anderes betonen – und zwar den Pop-Einschlag. Das klingt dann so, als würde Mikesh leibhaftig im Duett mit der Marbert Rocel-Sängerin singen würde – wunderbar. Toll auch, wie gedrosselt das Tempo über den gesamten Track durchgehalten wird. Dadurch behält „Love Me“ einerseits seinen balladesken Charakter, wird andererseits aber ganz behutsam auf den Dancehall geführt. Das ist eigentlich schon eine Cover-Version, so musikalisch und fernab der Funktionalität hier mit dem ursprünglichen Vibe umgegangen wird.

Boytalk haben sich mit „Chambers“ einen der balearisch tänzelnden Tracks von Marbert Rocel rausgesucht. Im Original schwingt mir da zuviel Kitsch mit. Der wird bei den Neu-Leipzigern mit einem Disco-Filter überzogen, was den Track geradliniger macht und ihm ein permanentes Augenzwinkern verleiht. Ob das Marbert Rocel auch so ironisch gesehen haben? Bei Boytalk bin ich mir nicht immer ganz sicher, ob die sich nun über diese Disco-Funk-Lässigkeit lustig machen oder es total ernst meinen. Ist vielleicht auch egal. Denn kaum einer ist darin gerade so konsequent.

Marbert Rocel Website
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Geschnitten Brot

Gerade eben mit Erstaunen entdeckt: Cutz.Me, ein neues Label aus dem Ornaments- und Rotary Cocktail-Umfeld. Und wieder ist Leipzig dabei – mit Map.ache und Mod.Civil.

Cutz.Me ist quasi ein persönliches Konzept-Label der Herren Martin Müller und Daniel Stroeter alias youANDme. Konzept daher, weil es ausschließlich deren Lieblingshits der beiden in neuen Edits und Remixen featuren soll. Und zwar auf eine etwas funktionalere Weise als die Originale. Das Interessante an dem Ganzen ist die Art wie hier verschiedene Labels aufgezogen werden. Ornaments als Sammlerstücke mit farbigem Vinyl und gestempelten Sleeves, Rotary als klassisches Label und nun Cutz.Me als Liebhaber-Ding zweier Typen.

„We want to present songs that we love, bought, edited, played out and which we have the feeling more people should know about them“, heißt es auf Discogs. Der letzte Punkt geht aber nicht ganz auf, denn die Platten sind limitierte White-Labels. Und ich könnte mir vorstellen, dass die Ortloff-Auflagen nicht viel niedriger sind als die von Cutz.Me. Ortloff kommt deshalb ins Spiel, weil bei Cutz.Me zwei Tracks von Map.ache und Mod.Civil auf Spur gebracht wurden, die vorher bei Ortloff schon zu hören waren.

Map.aches „The Fool“ erschien bereits im März dieses Jahres. Und youANDme haben dem ursprünglich wunderbar vertrackt, holprigen Track auf eine gerade Bahn gelenkt. Sehr ravig, besonders in den Breaks wird da viel hoch gepeitscht. Kurioserweise klingt der eine – jetzt stärker betonte – Chord wie diese Tuba-Sounds von Die Vögel. Hätte es aber eigentlich nicht unbedingt gebraucht.

Bei Mod.Civils „Cold Flowers“ dann das gleiche Spiel. Ein paar Elemente werden stärker akzentuiert, dem Beat werden die sympathischen Flausen entzogen. Dadurch werden amtliche Rave-Fanfaren daraus. Okay, beides sind nur Edits. Da fallen die Neubearbeitungen ja meist eher behutsam aus. Trotzdem: Naja!

Marko Fürstenberg „Counter Mode“ (a.r.t.less)

Oh, mir gehen langsam die Worte aus bei Marko Fürstenberg. Nicht dass seine Tracks an Reiz verlieren, aber sein Sound ist so homogen, das die neue EP auf a.r.t.less sich nahtlos in die vorherigen EPs einreiht.

Wie weit kann Dub-Techno noch ausformuliert werden? Das frage ich mich auch immer wieder bei den Statik Entertainment– und Instabil-Releases. Marko Fürstenberg bleibt ebenso unbeirrt. Und man kann es ihm nicht verübeln, weil diese Dub-Deepness einfach so etwas Zeitloses hat. Unglaublich eigentlich.

Im Prinzip macht sich aber das Zeitlose durch seine permanente Wiederaufnahme irgendwann selbst unnötig. Der Grat zwischen „Es ist alles gesagt“ und „Das geht einfach immer“ ist durchaus schmal. Dennoch: Es gibt einfach nichts auszusetzen an diesen beiden neuen Fürstenberg-Tracks. Was auffällt ist, dass seine EPs bei a.r.t.less immer noch ein wenig rauer klingen.

Da ist der Beat schleppender und das Rauschen zwischen den Tönen lauter. Der Maurizio-Wind weht hier einfach deutlicher. „071020“ ist dabei noch etwas verschlungener, Welt entrückter und rougher als „BBT“ auf der A-Seite. Zwei echte Fürstenbergs eben.

Marko Fürstenberg Myspace
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Talking To Turtles „Monologue Remixed“ (Analogsoul)

Hier der Beweis, wie leicht sich mit Remixen von Gitarrensongs Aufmerksamkeit in der Elektronik-Ecke erheischen lässt. Das Duo Talking To Turtles hat bisher an mir vorbei gespielt – mit der Remix-Version des aktuellen Albums hat sich das geändert.

Prinzipiell gäbe es keinen Grund für mich Talking To Turtles absichtlich verpassen zu wollen. Ihr leichtfüßiger, süß-melancholischer Folk-Pop berührt mich schon weitaus mehr als viele andere Gitarrenbands. Ich habe „Monologue“, das Referenzalbum für „Monologue Remixed“ dennoch nicht in seiner Gesamtheit gehört. Insofern kann ich jetzt nicht sagen, wie die Remixe im Bezug auf ihre Originale ausfallen. Vielleicht ist es aber auch ganz gut, denn bei solch einer Genre-Vermischung entstehen eigentlich immer zwei von einander unabhängige Varianten – ganz im Gegenteil von Techno-Remixen, bei denen meist nur bestimmte Akzente verschoben werden, nicht aber die grundlegende Richtung.

Bei „Monologue Remixed“ geht es dagegen sehr vielseitig zu. Allein der „Can’t Make My Day Mix“ von Christian Schöfer hat mehrere Gesichter – ein gutes, das am Anfang und am Ende im positiven Sinne nach Bodi Bill klingt. Dazwischen erliegt Schöfer aber der Versuchung einen Rave-Pop-Hit aus dem Song zu machen. Dick aufgetragene Mayday-Synthies machen leider alles kaputt. Auch wenn das Ende eben wieder versöhnlicher klingt.

Die Audiolith-Electro-Punk-Pop-Boliden Supershirt imitieren Pop mit ebenso großer Geste. So stelle ich mir die Versuche von Rock sozialisierten Musikern vor sich auf elektronische Musik einzulassen. Irgendwie alles zu überladen und zu poppig.

Stimmiger klingen da die durchdringenden Remixe von Me And Oceans, Touchy Mod, Wooden Peak, Trickform und Micronaut. Da wird die ursprüngliche Stimmung aufgegriffen und mit anderen musikalischen Elementen verknüpft. Da wird nicht ein eigener Sound drüber gelegt. Da wird mit dem Ausgangsmaterial gearbeitet – ohne eben der Grundstimmung die Luft zum Atmen zu nehmen.

Talking To Turtles Myspace
Analogsoul Website
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Sammeln oder hören?

„Last digital copies …warehouse find!“– so verlinkten Kann Records via Facebook am letzten Freitag auf einen MP3-Shop in dem die aktuelle EP digital verkauft wird. Eine wunderbare Persiflage auf eine große Frage.

Und die Frage geistert nicht erst seit Freitag im Raum: Macht die materielle Verknappung von Tonträgern Musik an sich wertvoller? Ich kann die Freude nachvollziehen wenn plötzlich ein paar Exemplare einer verschollenen Lieblingsplatte auftauchen. Oder wenn im Plattenladen wieder eine limitierte Edition da steht. Vinyl ist einfach auch ein Sammlerstück.

Doch oft genug habe ich mich ertappt, dass ich Platten kaufe, die mich als limitiertes Sammlerobjekt begeistern – musikalisch bewegten sie mich dann aber doch weniger als erwartet. Was heißt Limitierung heute überhaupt noch, wo viele Labels nur noch 500er-Auflagen pressen lassen. Geht es hier nicht um zwei verschiedene Dinge: Sammelleidenschaft für ein Tonträgerformat hier, Musik da. Bei Vinyl trifft beides zusammen, wird allerdings auch unheimlich mit Bedeutung überladen.

Ein Track als MP3 scheint weniger wert zu sein als auf Vinyl. Klar, bei Zero“ kostet eine Kann Records-EP etwa 4 Euro, im Freezone sind es 8. Da gibt es Kosten-Unterschiede. Aber die Musik ist in beiden Shops gleich gut. Oder gleich langweilig.

Im Internet gibt es keine Limitierung mehr. Es kann sie durch all die Rapidshares & Co auch gar nicht geben. MP3s lassen sich super schnell kopieren und weiter vertreiben. Auch die CD ist davor nicht gefeit. Liegt da letztendlich der Reiz vom Vinyl? Hier kann ein Tonträgermedium ohne Maschinenbau-, Chemie -oder Physikstudium nicht so einfach vervielfältigt werden.

Im Prinzip ist es das einzige Medium in dem eine Limitierung auch tatsächlich garantiert werden kann – außer ein Label lässt heimlich nachpressen. Und doch geht für mich diese Verbindung von Tonträger und qualitativer Bewertung von Musik noch nicht ganz auf. Da wird zu schnell das digitale Medium abschätziger betrachtet als eine limitierte Platte. Wie lange bewegen wir uns also noch in einer Übergangsphase?

Fotos
Vinyl: http://www.flickr.com/photos/carljohnson/
Stick: http://www.flickr.com/photos/littledebbie11/