Jahtarian Dubbers 2010

Viel Neues von Jahtari in diesen Tagen. Die zweite Ausgabe der „Jahtarian Dubbers“-Compilation ist gerade herausgekommen. Trotz des Erfolgs mit den Platten bleibt die Netlabel-Idee weiter Teil von Jahtari, sagt Label-Betreiber Disrupt im frohfroh-Interview.

Label-Compilations zeugen immer auch von einem Innehalten, von einer möglichen Zäsur. Im Fall von Jahtari markiert es den vorläufigen Höhepunkt eines Marathons an neuen Veröffentlichungen – und zwar vorwiegend auf Vinyl. Der parallele Gang vom digitalen zum klassischen haptischen Tonträger scheint also geglückt. Und es passt genau in die Sympathiewelle, die der Jahtari-Sound beispielsweise in Großbritannien losgetreten hat.

„Jahtarian Dubbers Vol. 2“ strahlt viel von dem neuen Selbstbewussstsein aus. Es behält viel von dem schrägen und kantigen 8bit-Reggae und -Dub, für den Jahtari mittlerweile quasi prototypisch steht. Neben den Leipziger Originalen Disrupt, Jahtari Riddim Force und Illyah & Ltd. Candy reihen sich auch die neuen Label-Kollegen aus aller Welt ein, die in den letzten Monaten und Jahren den Sound mit geprägt haben – Soom T, Pupajim, Tapes.

Und es gibt ein paar Neuzugänge: Clause Four sticht da besonders heraus mit seinem langsam schreitenden „Mars“ in zwei Versionen. Schnarrend und sirenenhaft zieht sich die Synthie-Bassline durch und wird auf ganz verschiedene Weise von beinahe hymnischen Melodien aufgefangen. Ziemlich entschleunigt ist auch das Intro mit Black Chow.

Auch John Frum sagte mir vorher noch nichts. Sein „Shreveport Shuffle“ kommt aber mit einem unheimlich lässigen und simplen Arrangement und Beat daher. Wie wenig manchmal ausreichen kann. Solo Banton und Soom T ziehen das Tempo zum Schluss hin noch einmal kräftig an. Vielseitig und sympathisch zusammengestellt ist diese Compilation im Gesamten betrachtet.

Und sie ist uns Anlass genug, Jahtari-Betreiber Disrupt nach einem Resümee über das letzte Jahr zu fragen.

Was für ein Resümee ziehst du nach dem Vinyl-Marathon des letzten halben Jahres?

„Alle Platten liefen gut bis sehr gut und wir haben natürlich eine Menge gelernt. Ist ja deutlich komplexer als CDs oder MP3s zu machen. Aber mittlerweile ist alles bestens eingespielt und gerade R.A.N.D. Muzik, das Presswerk hier in Leipzig, ist top. Am Ende gibt’s nichts Besseres als Musik, die man selber gemacht hat oder gut findet als fertige Platte in der Hand zu halten.“

Bleibt die Netlabel-Idee erhalten?

„Klaro, da kam viel in den letzten Monaten. Eine neue Bo Marley-EP – auch auf Kassette – und drei Net-7″s. Die letzte mit ElFata, einem Sänger aus London und Nigeria. Es ist einfach schön die Tracks raus zu bringen. Man erreicht damit ja auch weitaus mehr Leute als mit 1000 7″s.“

In Großbritannien ist Jahtari ziemlich angesagt. Wie ist euer Standing dort aber konkret, seid ihr als Leipziger mit einem elektronischen Sound eher geschätzte Exoten oder werdet ihr schon von der ganzen Reggae/Dub/Dubstep-Szene wahrgenommen?

„UK läuft nach wie vor bestens, aber vor allem in Frankreich und Japan tut sich sehr viel. Ich war neulich mit Soom T in Shanghai, Hongkong und Japan für ein paar Gigs. Vor allem in Japan kannten schon sehr viele Leute Jahtari und wir mussten Platten signieren – das war krass.

Der Exotenbonus ist schon da, kommt aber eher vom Sound als der Herkunft. Für Leute vom klassischen Reggae klingt es immer abgefahren wegen der rohen 8bit-Ästhetik, und für Leute aus der Elektronik-Ecke sind’s dieselben Sounds, aber mit mehr Bass und Offbeat. Generell sind wir eher immer so das schräge Underground Sound System.

Seitdem jeder Musiker nach Berlin gezogen ist, spielt Herkunft kaum noch eine Rolle. Auch den Mythos, von dem Berlin aus den Neunzigern noch lebt, hat ja mit der Realität nicht mehr viel zu tun. Ich sage immer: Leipzig ist wie Berlin vor zehn Jahren: Platz, Freiräume, Energie, viel illegal.

Es kommen ja immer mal Musiker oder Freunde von anderen Sounds aus Europa auf Urlaub vorbei, und alle sind total beeindruckt von Leipzig. Diese Art von Subkultur ist in London, Paris oder auch in Westdeutschland bis auf Hamburg oder Freiburg schon längst tot oder kommerzialisiert. Soom T zieht eventuell auch bald her, aus genau den Gründen.“

Noch etwas zum Stichwort: Japan. Da sind gerade zwei exklusive Jahtari-Compilations heraus gekommen, die es in Europa nicht geben wird – darunter eine mit dem Titel „Leipzig Dub“. Was für ein Liebesbeweis.

Jahtari Website
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2 Jahre Break The Surface

Das Digital-Label Break The Surface feiert an diesem Wochenende seinen zweiten Geburtstag. Neben einer dick besetzten Party in Plagwitz gibt es auch ein wunderbares Geschenk für alle zu spät gekommenen oder diejenigen, die ihre Sammlung komplettieren wollen.

Break The Surface ist einer der Leipziger Pioniere auf dem Feld der ausschließlich digital veröffentlichten Musik. Seit zwei Jahren veröffentlichen Sie ihre EPs in nahezu allen wichtigen Download-Shops. Erst im Drum’n’Bass-Bereich beheimatet, liegt der Fokus seit gut einem Jahr auf Techno und House. Die Einzelheiten erzählt unser frohfroh-Label-Porträt.

Im Elipamanoke findet die Geburtstagsparty statt mit Juno6 als Headliner und der ganzen Break The Surface. Übertragen wird das Ganze wieder von mottt.fm.

16.4.2010 // 22 Uhr: Juno6, Arsen1Computerklub, Metasound & Lucuis14, Efka, SPDT

Ein anderes Geschenk beschert uns das Label einen Tag darauf. Für 24 Stunden lassen sich nämlich die sechs EPs der aktuellen Techno-Ära kostenlos herunter laden. Tolle Sache. Konkret sind die Leitungen von 17.4., 19 Uhr bis zum 18.4., 19 Uhr offen. Alle weiteren Infos und Zugangsdaten gibt es auf der Break The Surface-Seite.

Holt euch also den Backkatalog und sagt uns anschließend, was eure liebste EP ist. Wir wollen es wissen!

Die volle Dreizehn

Im Sommer gibt es ein Wochenende, an dem sich eigentlich ganz Club-Leipzig aufs Land verzieht. Irgendwie in eine Senke aus der dann die Bässe dröhnen. Eben ist es reingekommen – das komplette Line-up des 13. Nachtdigital Open Airs.

Diese Information wird weinende Augen hinterlassen. Weinen werden all diejenigen, die keins der 3.000 Tickets abbekommen haben. Weinen werden aber auch diejenigen, die stolz eins unter dem Bett versteckt haben. Denn das Line-up ist draußen und es kommt mir ambitionierter und spannender als die letzten Jahre vor. Es gibt eine Menge Bands und Acts, denen man einfach nur Zuhören kann. Da geht es nicht ums Tanzen und Raven.

Und es gibt lauter mehr oder weniger bekannte Newcomer und Geheimtipps. Das Nachtdigital 13 wird zum Entdeckerwochenende zwischen Techno, House, Dubstep und Electronica. Da ist ein wunderbarer Scuba ebenso dabei wie House-Halbgott Theo Parrish. Da sind Leipziger Helden dabei. Da ist eine Menge Liebe dabei. So wie immer, aber in diesem Jahr irgendwie noch mehr. So scheint es zumindest. Allerhand.

Hier das komplette Line-up:

Ada, Band Ane, Chateau Flight, Fantastikoi Hxoi, Feindrehstar, Floating Points, F.S. Blumm, John Roberts, Lusine, Manamana, Margaret Dygas, Mathias Kaden, OneTake, Redshape and Drums, Rik Elmont, Scuba, Sensual., Steffen Bennemann, Supermayer, Theo Parrish

Special – ND loves Border Community:
Avus, James Holden, Luke Abbott, Nathan Fake, Wesley Matsel

Uncanny Valley:
Albrecht Wassersleben, Break.SL, Hombres Discos (Tiny & Spunky), Jacob Korn, Soeren Matschiste, The Moroders

Deko & Visuals:
Convulse, Cinemata, Malte

Nachtdigital Website

Mod.Civil „op.cit.“ (Ornaments)

War nicht „Einfachheit Gewinnt“ das Motto von Gerrit Behrens und René Wettig, den beiden Jungs von Mod.Civil? Hört man in ihre neueste EP auf Ornaments rein, scheinen diese einfachen Zeiten der Vergangenheit anzugehören.

Beide Stücke auf der Ornaments 13 sind deutlich weniger durchsichtig als das, was man von Mod.Civil bisher so kennt. Die letzten Stücke zeichneten sich meist durch ziemlich klare Strukturen aus mit einem Schwerpunkt auf den Club.

Bei „op.cit.“ ist dagegen Vieles versteckter, es klingt als hätten sich Mod.Civil bewusst für eine neue Richtung entschieden. Die A-Seite beginnt noch ganz klassisch mit der Bassdrum und Snare. Dann das Thema, das sich anfangs fast ausschließlich in den tiefen Tonlagen abspielt.

Hier baut sich ein richtig guter deeper Housetrack auf. Doch dann kommt wie eine zweite Schicht ein anderer Rhythmus, der durchgehend leicht versetzt zum eigentlich Beat schlägt und dem Ganzen eine neue Richtung gibt. Während bei anderen Mod.Civil-Tracks voll auf den Höhepunkt zugearbeitet worde, nehmen die Jungs hier kurz vor dem erwarteten Höhepunkt den Schwung raus. Und das ist gut. Die komplexere Struktur mit verschiedenen Rhythmusschichten macht den Track weniger voraussehbar und dadurch aufregender, ohne dabei den Clubcharakter ganz zu verwerfen.

Die B-Seite geht dann noch einen erheblichen Schritt weiter. Der mehr als zehnminütige Track spielt immer wieder mit Rhythmus und Themenwechseln. Vom ersten Schlag an ist hier der Beat leicht versetzt und schleppt sich eher schwerfällig über die ersten Takte, bis die Snare dem Ganzen etwas mehr Schwung gibt.

Langsam baut sich der Track auf, mit einer angedeuteten Melodie in den Tiefen und einem jazzartigen Saxophonsound in den Höhen. Doch sobald man glaubt, die Idee verstanden zu haben, wird eine neue Tür geöffnet und der Track geht in eine ganz andere Richtung weiter. So kommt nach über sechs Minuten in den Höhen eine ganz andere Melodie hinzu, abgerundet durch abstrakte Vocals. Das ist gut zu hören, auch wenn es wahrscheinlich zu verschroben ist, um auf der Tanzfläche wirklich zu funktionieren. Ein Risiko, das durchaus eingegangen werden kann, denn langfristig macht es die Veröffentlichungen von Mod.Civil interessanter.

„op.cit.“ weist in eine neue Richtung. Wenn Mod.Civil dieser Richtung in Zukunft folgen, können sie, was die Produktion ihrer Stücke angeht, einen erheblichen Schritt nach vorne machen. Oder anders gesagt: Komplexität gewinnt.

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Ornaments Website
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Daniel Stefanik „Powers Of The Deep“ (Be Chosen)

Daniel Stefanik goes Frankfurt. Auf dem dort ansässigen Label Be Chosen ist vor wenigen Wochen seine aktuelle EP veröffentlicht wurden. Und sie reiht sich ein in die nostalgische Leichtigkeit seiner letzten Tracks.

Es ist schon spannend zu sehen, wie sich Daniel Stefaniks Sound seit seinem Album „Reactivity“ im Herbst 2008 entwickelt hat. Erst die überraschend konsequente Auseinandersetzung mit Dub, die auch als Zäsur zu seinen vorherigen Platten auf Moon Harbour zu verstehen war. Quasi parallel dazu kam aber auch schon eine breit aufgestellte Platte auf Freude am Tanzen heraus, irgendwo zwischen verschroben-düsteren Minimal und House.

Dann das Debüt von Oh! Yeah!, zwei ungestüme Techno-Tracks. Mehr im roughen House landeten schließlich seine beiden EPs auf Kann Records und Bangbang!. Eine gerade Linie ist das nicht. Doch darum ging es Daniel Stefanik scheinbar auch noch nie. In den Zwischentönen klingt es seit 2008 insgesamt aber weitaus selbstbewusster und ausgefeilter. Und irgendwie scheint es gerade auch um einen Bogen zwischen den Wurzeln und der Gegenwart von House und Techno zu gehen.

Die beiden Tracks auf „Power Of The Deep“ tragen auch solch eine unausgesprochene Sympathie für reduzierte Arrangements, wie sie bei älteren Platten zu hören sind. Kein digitaler Ballast, stattdessen ein straighter Beat und einige wenige deepe bis verschrobene Elemente.

Was „Just One Moment“ und „Sidechain“ aber noch einmal besonders auszeichnet, ist ihre Unmittelbarkeit. Sie klingen wie das Ergebnis einer Live-Session, noch etwas rau und nicht passgenau auf Peaktime-Bedürfnisse ausgerichtet. Und doch wirken sie gerade in ihrer Direktheit sehr homogen.

„Sidechain“ ist mit seinem mäandernden Chord eher die deepe Variante von dieser Facette. „Just One Moment“ dagegen eher die lauthals los marschierende. Beide zusammen befinden sich aber genau richtig auf der gleichen EP.

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Praezisa Rapid 3000 „Mandy sagt: ‚Das ist Naturmusik!’“ (Doumen)

Besser spät als nie. Im Fall dieser Platte ist die Verspätung jedoch beschämender als bei anderen. Denn sie ist eine dreifache Überraschung: sie ist von einem neuen Label, einer spannenden Band und die wohl skurrilste Platte des Leipziger Frühjahrs.

Es ist alles noch im Vagen bei Doumen. Auf der Myspace-Seite ist von einem Projekt die Rede, das noch kein Label ist. Allerdings liegt hier eine echte 12“ mit der Startnummer „00“ vor. Nebenbei: Kann Records starteten auch mit einer Doppel-Null-Nummer. Heute tragen sie Lorbeeren.

Doumen ist ein Kind der HW-Massive-Crew, die ja bekannt für ihre musikalische Offenherzigkeit ist – House, Dubstep und Electronica macht der jungen Party-Crew gleichermaßen Freude. Und so klingt auch die erste Praezisa Rapid 3000-EP. Drei Musiker mit unterschiedlicher musikalischer Sozialisation kommen hier als Band zusammen. Ja, als Band. Kein Producer-Trio, sondern eine Band mit Instrumenten und Live-Appeal.

Der kommt auch immer wieder durch, genauso wie zahlreiche Verweise auf andere Bands und Musiker. Bei „Candy Mountain“ schimmert zum Beispiel die beseelte Leichtigkeit von International Pony durch, sicherlich auch durch das gefilterte Vocal und den gedrosselten House-Beat.

Im Remix von Good Guy Mikesh & Filburt weicht diese Leichtigkeit einer melancholischen Disco-Eleganz – herrlich die runter gedrosselte Stimmung. Bei „Jukeblox“ schielen die Drei dann zu Four Tet. Ein Track, der nahtlos zwischen echten Instrumenten und Electronica, Naivität und süßer Melancholie hin und her switcht.

„From Sexy Clips To Arequipa“ ist schließlich der wohl eigenständigste Track auf dieser EP. Da fällt mir keine so direkte Referenz ein. Außer vielleicht einige Momente, wie die hintergründigen Detroit-Flächen, die immer wieder wärmen. Ansonsten ist dies scheinbar durch und durch Praezisa Rapid 3000 – vielschichtig, intuitiv, dezent treibend und mit einem sympathischen Augenzwinkern.

Dieses Augenzwinkern kommt bei den Skizzen „Stippvisite bei der Praezisa Hausverwaltung“ und „Back In Those Days (When Rendern Was Gratis)“ noch deutlicher zur Vorschein. Müsste nicht unbedingt auf der EP sein. Aber die anderen vier Stücke überstrahlen alles, vielleicht sogar diesen Frühling.

Aber wer ist eigentlich Mandy? Und was ist Naturmusik?

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Rundumschlag

Es ist nicht so, dass in den letzten Wochen und Monaten weniger von Leipziger Musikern und Labels kam als bisher. Ein paar Sachen sind bei frohfroh leider untergegangen. Daher nun ein kleiner Rundumschlag auf ein paar vergessene Highlights.

Daniel Stefanik „Stretchcat EP“ (Bangbang!)

Schon im letzten Dezember veröffentlicht wurde die „Stretchcat“-EP von Daniel Stefanik, und zwar auf Bangbang!, einem Sublabel des niederländischen House-Labels 100% Pure. Nimmt man die letzte Kann Records-Platte hinzu, dann scheint Daniel Stefanik derzeit eine Menge Freude an den roughen Anfängen von House und Techno zu verspüren. Die Tracks sind straight und rollen das ganze Spektrum von deepen bis abstrakt-kickenden Sounds auf.

Bei „Stretchcat A“ graben Bass und Beats an der Schwelle von Disco und Oldschool-House – sehr authentisch und voller Funk. Und trotzdem ist alles noch so reduziert, das die Disco-Kitschfalle nie zuschlägt. „Stretchcat B“ ist eine gehörige Spur straighter und schlanker. In einer Linie reißt der Track sein Programm runter, ohne Brüche und ohne Allüren oder Rave-Ambitionen. Das macht ihn im angenehmen Sinne understatement, aber auch etwas gesichtslos.

Ki.Mi. „Inei“ (Instabil)

Instabil, das digitale Sublabel von Statik Entertainment, sendete im Januar neue Dub-Klänge – das Debüt-Album „Inei“ von Ki.Mi.. Ein neues Gesicht, mehr ist auf die Schnelle aber nicht zu erfahren. Die sieben Tracks sind ziemlich in sich gekehrt. Meist tief versunkene Beats werden von den Dub-Flächen in Watte gehüllt. Teilweise bekommt diese Fülle fast etwas Orchestrales. Und obwohl die Tracks so elegisch voran schreiten, darben sie nicht in einer bedrückenden Düsternis. Die aktuelle Instabil-Compilation ist übrigens auch schon veröffentlicht. Demnächst dazu dann mehr bei frohfroh.

Dan Drastic „Behind A Green Door“ (Luna Records)

Dan Drastic debütierte im Februar bei Luna Records, einem jungen britischen Deep House-Label. Eine Kumpel-Platte, denn auch Matthias Tanzmann und Chris Lattner sind mit Remixen dabei. Sein Track „Behind A Green Door“ überrascht mit seinem Live-Appeal. Die Beats könnten auch von einer Indie-Band stammen, die gern mal in House-Clubs auftritt. Sehr schnittig und gut gelaunt. Der Chord schillert hell und doch auch etwas ungeschliffen. Toll auch die Momente, wenn sich langsam rein schleicht. Das Vocal-Sample erdet den Track kurzzeitig, macht ihn etwas düsterer, als er eigentlich ist. Wenn ich mich recht erinnere, ist das der bisher beste Dan Drastic-Track.

Matthias Tanzmann behält den Live-Vibe bei, entschlackt das Original aber noch mehr. Der charakteristische Chord kommt nur noch angetippt vor, dafür betont er die kurzen Vocal-Samples stärker und schiebt ganz dezente neue Zwischentöne rein. Irgendwas fehlt aber was, was nachhallen könnte. Chris Lattner geht voll auf Deepness. Eigentlich ganz schön, wie skizzenhaft der Berliner Dub- und Deep House-Elemente vermischt.

Michael-Melchner-Four-To-The-FloorMichael Melchner „Four To The Floor“ (Cargo Edition)

Matthias Tanzmann ist übrigens auch gerade auf einer anderen EP zu hören. Und zwar bei Michael Melchners neuer EP auf Cargo Edition – „Four To The Floor“ heißt die. Als ob die anderen Melchner- und Cargo-Platten nicht dasselbe Motto hätten. Klar, für Michael Melchner, dem Nürnberger Jungspund ist dies wohl mit einer der straighteren und offensiveren Stücke. Aber eigentlich nur durch das Vocal, das in fordernder Schärfe eins bis vier durchzählt. Der Rest ist solider Tech-House, kraftstrotzend und auf das nötigste reduziert.

Matthias Tanzmann bemüht sich um mehr Deepness und Wärme. Und das gibt dem Track tatsächlich mehr Prägnanz. Zumal der Chord etwas stolprig, aber auch sympathisch umhertänzelt. Beide Remixe gehen aber insgesamt wieder etwas weg von dem ultrareduzierten Stil, den Tanzmann mit seiner letzten EP einzuschlagen schien.

Curl-Curl-Music-011Various Artists „Distance Learning“ (Curl Curl)

Aus demselben Haus, aber unter anderem Banner kommt eine weitere EP, eine neue Curl Curl-Platte. „Distance Learning“ ist eine 4-Track-Compilation mit lauter Verweisen in die Curl Curl-Geschichte. Denn bis auf Simon Flowers gleichnamigen Track handelt es sich bei den anderen drei Stücken um Remixe von vergangenen EPs. Es gibt zwei sehr verschiedene Seiten.

Die A-Seite ist eher in gewohnter Manier – Schwelgerischer House mit kratzigen Dub-Momenten bei Simon Flower und perkussiver Leichtigkeit bei Chris Lattners Remix. Die B-Seite jedoch fährt nach Detroit, holt den verschleierten Electro-Futurismus mit ausladenden Synthie-Flächen und soften Beats heraus. Das gibt dem House-Background, der sich bei den Andi Numan- und Shortboard-Tracks noch erahnen lässt eine ganz neue Note. Diese B-Seite überstrahlt die ganze EP.

A-Forest-LeavesA Forest „Leaves Leaves Fall Fall Rain Fall“ (Analogsoul)

Gänzlich weg vom Dancefloor sind A Forest. Ein Singer/Songwriter-Trio mit elektronischer Erdung. Ihr erstes Album „Leaves Leaves Fall Fall Rain Fall“ ist rein äußerlich gewohnt liebevoll inszeniert – in einer gefalteten Papphülle. Musikalisch Schlagzeug, Keyboard, Computer und zwei Stimmen, mehr brauchen A Forest nicht, um ihren smarten Pop-Entwurf zu entwickeln.

Die Drei spielen in einem interessanten Zwischenraum: einerseits gibt es ganz klare Pop-Momente, besonders durch die beiden Gesangsstimmen. In den Arrangements der Songs wird allerdings permanent mit den Pop-Strukturen gebrochen – mal mehr mal weniger offensiv. Und meist gewinnen die Stücke genau durch diese repetitiven, ungewohnt elektronischen Sounds ihre Eigenheit. Gerade auch deshalb, weil diese kontrollierte Sperrigkeit den teilweise durchaus pathetisch-souligen Gesang von Fabian Schuetze und Franziska Benkert entschärft. In diesem Kontext passt es genau zusammen, ergibt es die richtige Balance. Von Live-Electronica, Kammerpop und Loop-Jazz sprechen A Forest selbst, das trifft es ganz gut.

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No Hype! No Hype!

An diesem Gründonnerstag findet zum vierten Mal das Don’t Believe The Hype-Festival statt. Ein Schmelztiegel der verschiedensten Genres, und auch ein Ausblick auf Newcomer. frohfroh präsentiert – mit Interview.

Vor Jahren noch wirkte es durchaus skurril, dass in der Distillery ein kleines, dicht besetztes Indoor-Festival Gitarren-Rock mit Techno zusammenbringt. Im großen Stil und unter freiem Himmel passiert dies zwar auch schon länger in Gräfenhainichen, Lärz und sonst wo. Doch in Leipzig ist ein derart konzentrierter Genre-Clash doch noch die Ausnahme. Neben großen internationalen Namen ist Don’t Believe The Hype auch ein Kompass für neue Bands und Producer, teilweise auch aus Leipzig selbst. Good Guy Mikesh & Filburt und Raj Mandir sind es in diesem Jahr.

frohfroh stellte vier Fragen an Markus Krasselt aka Peter Invasion, Kopf der Riotvan-Crew, für die das Festival den Jahreshöhepunkt darstellt.

Riotvan-Kopf Peter InvasionVier Jahre Don’t Believe The Hype? Was für ein Resümee ziehst du? Wo stand das Festival damals, wo steht es heute?

Das Festival sollte immer neue oder neu wieder entdeckte Sounds der Stadt zeigen. Wenn ich überlege, wie schräg ich vor vier Jahren noch angeguckt wurden und wie es hieß: „Was? In der Distillery willst du das machen? Mach das doch lieber in der Ilse oder so.“

Das war der Anfang vom so genannten „New Rave“. Es war alles bunt und wild, Grenzen gab es nicht, es sollte einfach alles ineinander verschwimmen. So So Modern waren damals der perfekte Headliner und mit Blutsportdisko hatten wir wohl im Nachhinein eines der interessantesten Leipzier Kunstprojekte am Start. Es war frisch und die Leute strebten wieder nach was Neuen. Ich war gerade 18 geworden und wollte das alles mit jedem teilen. Vorher ging ich ehrlich gesagt nie auf Techno-Partys, konnte mit den Sound gar nichts anfangen – erst recht nicht mit der Tille. Ich fand einfach nur die Location schön und passend.

Das Ding sollte natürlich jedes Jahr wachsen, ich mochte nie auf der stelle stehen bleiben. Mit Peaches hab ich mir auf jeden Fall persönlich eine hohe Messlatte gesetzt und war auch dementsprechend aufgeregt.

2008 war „New Rave“ bei den Leuten angekommen – immer noch Szene, aber es wurde salonfähig. Dementsprechend war auch die Party. Für mich persönlich war 2008 das beste Jahr bis jetzt. Die Leute waren so am Durchdrehen. Letztes Jahr mit Mr. Oizo haben wir auf jeden Fall was probiert – und es auch geschafft – was fast unmöglich ist in so einem kleinen Club wie der Distillery. Alle, inklusive der Tille haben mir den Vogel gezeigt. Verdient hat an der Nummer jeder, außer mir. Aber das war es mir wert und auch von Anfang ganz bewusst.

2009 kam auch Joerg (aka Haircut & SZNT) mit zu Riotvan. Ohne ihn hätte ich mir die ganze Sache damals wahrscheinlich nicht getraut. Mit dem DBTH IV 2010 haben wir absichtlich einen gang runter geschaltet. Mir war das letzte Jahr zu viel. Nicht vom Aufwand, aber mir kam es so vor als ob der größte Teil der Leute nur wegen ihm, Mr. Oizo, da waren. Klar, das war abzusehen, aber ich fand es sehr schade. Die Leute haben gewartet bis es losgeht, um danach gleich wieder zu gehen. Die anderen Acts wurden teilweise ungeduldig abgewartet.

Auf so ein name dropping habe ich aber keine Lust. Es war eine gute Party, aber bei dem Festival geht es ums Entdecken, um unterschiedliche Musikrichtungen und unterschiedliche Leute.

Dieses Jahr bin ich ganz besonders aufgeregt. Es gibt keinen wirklich offensichtlichen Headliner, kein Peaches, kein Oizo. Dieses Jahr heißt es entdecken und ich weiß noch nicht genau, ob da s hier so angekommen ist. Leipzig ist in den letzten Jahren meiner Meinung nach offener geworden.

Riotvan steckt dahinter, kannst du kurz erklären, wo du Riotvan stilistisch siehst?

Ich will Riotvan nicht in eine Schublade schieben. Ich sehe Riotvan als kleinen Vorreiter, aber nicht nur wir. Riotvan ist eine family, da gehören genau so die Whizzkids, meine Freundin, meine Mutter und viele mehr dazu.

Es fängt bei meinen Ursprung Rock’n’Roll an und geht bis zu House, es muss grooven, egal welche art von Musik es ist. So sehe ich auch Riotvan. Die Leute werden überrascht, es soll nie langweilig werden.

Das sieht man bei Acts wie Gregor oder Good Guy Mikesh & Filburt – vom Sound so unterschiedlich, aber das Publikum bleibt stehen und hört sich beides an. Ich denke auf jeden Fall, dass Riotvan in zukunft ein wenig erwachsener wird, und trotzdem immer frisch.

Anfangs hatte ich euch eher in dem Nu Rave-Kontext verortet. Euer Profil hat sich aber schon auch verändert, oder?

Auf jeden Fall. New Rave war eine Modeerscheinung, ein erfundener Begriff der Medien, um etwas nicht Erklärbares in Worte zu fassen. Ich selber mochte den Begriff nie, weil auch Acts als New Rave bezeichnet wurden, die vorher bereits einen solchen Sound gefahren haben, z. B. Soulwax oder auch Mr. Oizo. Sicherlich kam der Begriff nicht von nirgendwo und war auch teilweise berechtigt, aber am Ende folgte nur noch der Ausverkauf.

Ich werde älter, Riotvan wird älter, mein Musikgeschmack ändert sich und vermischt sich mit neuem. Wir mussten schon manchmal mit dem Voruteil der Leute „kämpfen“. Ich glaube auch heute haben wir immer noch nicht alle überzeugt, dass wir nicht nur New Rave sind und Riotvan keine Modeerscheinung ist. Es kann auch ernster zu gehen, aber immer mit einer Portion Spaß – House ist bei uns nicht gleich House, Techno nicht gleich Techno. Das ganze was New Rave ausdrücken soll, ist aber am Ende immer noch in unserem Blut: Es gibt keine Grenzen!

Ihr steht ja durchaus für einen Generationswechsel in der Leipziger Clubkultur. Du bist selbst Anfang 20. Ist es schwer, sich gegen die „alten Hasen“ zu behaupten?

Stehen wir dafür? Naja, irgendwie ja schon. Inzwischen arbeiten wir mit den „alten Hasen“ zusammen. Wir wurden zwar öfters mal belächelt, aber mir kam es so vor als ob wir schon ernst genommen und akzeptiert wurden.

Riotvan besteht ja auch nicht nur aus mir. Es ist ganz gut wenn man auch „ältere“ dabei hat. Dennoch habe ich mich auch noch nie von „den älteren“ ablenken lassen, ich hab mein Ding gemacht und hab mich auch nirgendwo anders orientiert, oder gedacht, dass ich jemanden was beweisen müsste. Das ganze mache ich für mich und die Leute die Bock drauf haben.

1. April 2010 Don’t Believe The Hype IV

w/ Jesse Rose, Wareika, Raj Mandir, Dancing Pigeons, Mano Le Tough, And Me, Filburt & Mikesh, Grand Ouvert, Peter Invasion, SZNT, Preller, Rampa

Riotvan Myspace

Matthew und Leipzig

Matthew Herbert veröffentlicht in diesem Jahr eine Album-Trilogie. Den Anfang macht Ende März eine erste Single, die „Leipzig“ heißt. Was es mit dem Ort auf sich hat, kommt leider nicht direkt heraus.

Ob es mit dem Auftritt im Centraltheater im Januar 2009 zusammenhängt? War Matthew Herbert danach noch aus? In dem Song erzählt der Brite eine Geschichte über „a young man’s hedonistic adventures in club land“, heißt im Fact Magazine. Einziger Anhaltspunkt ist, dass alle Stücke auf dem ersten Album der Trilogie Städtenamen tragen.

Unabhängig davon ist es das erste Mal, dass Herbert selbst singt – und dass durchaus gut, sehr dezent und smooth. Wer raus bekommt, warum dieser Song konkret zu seinem Titel gekommen ist, kriegt eine Überraschung.

Hier das Video:

Matthew Herbert Website

Juno6 „Moswampia“ (Oh! Yeah!)

Stefan Schultz alias Juno6 hatte mit seinen letzten beiden Veröffentlichungen im letzten Spätsommer die Clubwelt geradezu betört. Seitdem sind ein paar Monate vergangen, in denen es zwar nie so richtig still wurde um ihn, doch Veröffentlichungen blieben erstmal aus.

Juno 6 blieb nicht unproduktiv seit seinen Freude am Tanzen– und Oh! Yeah!-EPs, wahrscheinlich verwendete er viel Zeit darauf, sich mit Blasinstrumenten und Mikrophonen auseinander zu setzen. Denn deren erfolgreiche Zusammenkunft ist eine Kunst für sich. Juno6 ist bekannt als Verfechter der analogen Produktion, sollte er tatsächlich die Bläser auf „Moswampia“ eingespielt haben, wird das Zeit gekostet haben. Zeit, die zu nehmen sich gelohnt hat.

Durch die Snare, die Claps und die Cowbell, ist „Moswampia“ von Anfang an sehr treibend, fast zu treibend wenn dann noch die afrikanisch anmutenden Vocals und die Bläser dazukommen. Der Track ist ganz auf den Tanzboden ausgelegt, dort wird er auch funktionieren, vielleicht gerade weil der Track zwischendurch vorhersehbar ist: Bässe weg, Bläser in den Vordergrund, Höhen hochziehen – Höhepunkt, Pfiffe, „Jawooooll“ – Bässe wieder rein, man kann es sich bildlich vorstellen. Trotzdem ist mir das etwas zu einfach, auch wenn ich die Bläser sehr liebe.

Und die kommen auf der Rückseite noch besser zur Geltung. „Akopaluetze“ ist zwar ein von Helge Schneider abgekupfterter Wortwitz, aber der Track hat einiges mehr zu bieten. Das Fundament ist für Juno6 ein ungewohnt melodiöses. Das allein ist schon große Musik. Darüber fallen immer mal wieder die Bläser herein, stürmisch, radikal, verdrängend. Tonangebend ist allerdings diesmal das Saxophon, das dann auch dem Grundbeat den entscheidenden Anstoß Richtung Jazz – ja richtig gelesen – gibt. Helge Schneider würde es freuen. Mich freute es auch.

Juno6 Website
Oh! Yeah! Website
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Das andere Leipzig

Klar, Belgershain ist nicht Leipzig. Doch Leipzig ist auch Dusted Decks-Area, genau wie Döbeln, Delitzsch oder Grimma. Die Booking-Agentur hat nicht nur das Leipziger Umland fest in der Rave-Hand, sondern jetzt auch ihr eigenes Digital-Label.

Die Szene-Romantik verstellt ja gern den Blick für anderes. Da tun sich einige Parallelwelten auf, die fern „unserer“ Kann Records- und Moon Harbour-Liebhaberei ihre Wellen schlagen. Ein Blick in die Bildergalerien von Port01 oder Freshguide lässt dann erahnen, was da in der Alten Hauptpost, im Nachtcafé, im Sky Club und früher auch im Lagerhof und Bachstatt passiert. Da gibt es ein anderes Leipzig mit einer anderen Club-Kultur. Wahrscheinlich alles nicht der Rede wert, es gibt ja auch einen himmelweiten Unterschied zwischen Rockbands in der Arena und im Paris Syndrom, es gibt ja auch Sven Väth in Ibiza und Marko Fürstenberg im Elipamanoke.

Irgendwie überrascht es mich dennoch immer wieder, was für umfassendes, territorial begrenztes Paralleluniversum neben Distillery & Co existiert – mit richtigen regionalen Stars, großen Booking-Agenturen und unzähligen Auftritten. Musikalisch ist davon vieles auf Abfahrt im großen Stil ausgerichtet, von Electro House und Electro Rave ist meistens die Rede. Shootingallstars hat seinen Le Tompe in gefühlten hundert Kollaborationen sowie Wuttig & Reuter, Dusted Decks hat seinen Breakfastklub und Markus Lange. Seit Mitte März gibt es nun auch Dusted Decks Records, die Nr. 1 ist von Golden Toys. Und es ist von einer Revolution die Rede:

„Talkin about a revolution… Genau 20 Jahre nach der friedlichen Verabschiedung von Grandmaster Honecker und seinen greisen Recken startet wieder eine Revolution in Leipzig – nur diesmal gibt’s dabei ordentlich auf die Fresse! Rave strikes back… und die geschichtsträchtigen Initialen DDR stehen ab 2010 für den neuen Stern am Label-Firnament: Dusted Decks Records“, heißt es im offiziellen Statement.

Die Nr. 1 hält genau das, was hier versprochen wird: Es gibt auf die Fresse, Rave-Breaks, böse schraubende Synthies und fünf Remixe, die alle in die gleiche Richtung gehen und die mit viel Humor wohl aber auch in einem artifiziellen Nu Rave-Kontext Freude verbreiten könnten. Irgendwie finde ich es aber auch faszinierend, wie unverhohlen und ohne Scheu hier an der Schraube gedreht wird. Da steckt neben aller Plumpheit auch eine Menge Ehrlichkeit dahinter, denn um die Abfahrt ohne wenn und aber geht es nun mal entlang der A14, A38 und A9.

Hier auch das offizielle Video zur ersten EP.

Analoger Verweis

Analogsoul hat vor kurzem seinen zweiten Geburtstag gefeiert. Und im kreuzer gab es aus diesem Anlass einen Artikel über das Leipziger Label mit DIY-Temperament. Wem Stadtmagazine suspekt sind oder für wen Papier kein Medium mehr ist, der kann den Text hier noch einmal nachlesen.

Die Leipziger Label-Infrastruktur entwickelt sich seit einigen Jahren durchaus positiv, auf etwas unkonventionellem Weg trägt auch Analogsoul zu dieser Entwicklung bei. Das Label begreift sich jedoch eher als Plattform. So inflationär und romantisiert dieser Begriff in der Kulturlandschaft auftaucht, so sehr scheint er im Fall von Analogsoul zu passen.

Innerhalb von zwei Jahren ist unter diesem Banner ein loses Netzwerk aus mehreren Musikern, Künstlern und Kulturaktivisten entstanden, das künstlerische Freiheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit im kleinen Rahmen lebt. Einen organisatorischen Kern gibt es dennoch, bestehend aus vier Leuten, die sich verstreut in Leipzig, Jena und Berlin um die Website, die Pressearbeit, das Booking und das künstlerische Profil von Analogsoul kümmern. In einem Laden in der Kurt-Eisner-Straße laufen alle Fäden zusammen. Dort wohnt und arbeitet Fabian Schuetze, selbst Musiker in verschiedenen Projekten und so etwas wie der künstlerische Analogsoul-Leiter.

Am Anfang stand Analogsoul für ein Netlabel, das frei von Genre-Dogmen Musik von bislang unentdeckten Jungtalenten kostenlos im Internet veröffentlichte. Später wurden zudem Konzerte und kleine Tourneen für jene Künstler organisiert. Und mittlerweile veröffentlicht das Label auch Alben auf CD in Kleinauflagen – alles selbst auf die Beine gestellt. „Der Do-it-yourself-Ansatz ist auf jeden Fall wichtig. Wir wollen die Hoheit über unseren Kram bewahren. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass alles handgemacht veröffentlicht wird – handgestempelte Flyer, CD-Cover vom Buchbinder oder T-Shirt-Unikate“, beschreibt Fabian Schuetze die Label-Philosophie. Das Analogsoul-Netzwerk setzt zudem auf Vertrauen, Verträge mit den Künstlern gibt es nicht, dafür einen freundschaftlichen Austausch.

Und was macht den Soul in dem überaus differenten Label-Sound aus? Fabian Schuetze erklärt es so: „Das Genre ist vollkommen egal. Musik muss für uns etwas auslösen, einen irgendwie kriegen und abholen. Ob das nun im Kopf, Bauch oder Herz passiert, ist dabei egal.“ So tummeln sich auf Analogsoul Singer/Songwriter neben Jazz-Formationen, Electronica-Pop trifft auf technoide Stücke, Avantgardistisches auf Eingängiges. Für ein Label durchaus ein Wagnis, bleibt es doch schwer zu fassen und nicht selten reicht bei den Hörern die Aufmerksamkeit nur für Bewährtes.

Doch es scheint aufzugehen, es gibt eine stetig wachsende Stammkäuferschaft, die Alben werden  mittler weile auch via iTunes verkauft. Ende Januar feierte Analogsoul sein 2-jähriges Bestehen in der Kunst- und Bauschlosserei in der Kantstraße, jenem Ort, an dem die meisten Leipziger Analogsoul-Konzerte und auch die eigene Konzert-Reihe Like Water stattfinden. Und momentan sind die Label-Antennen stark nach Osteuropa ausgerichtet, um neue Kontakte zu knüpfen und einen „Tapetenwechsel zu haben“, wie Fabian Schuetze meint.

Analogsoul Website
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