Viel Neues von Jahtari in diesen Tagen. Die zweite Ausgabe der „Jahtarian Dubbers“-Compilation ist gerade herausgekommen. Trotz des Erfolgs mit den Platten bleibt die Netlabel-Idee weiter Teil von Jahtari, sagt Label-Betreiber Disrupt im frohfroh-Interview.
Label-Compilations zeugen immer auch von einem Innehalten, von einer möglichen Zäsur. Im Fall von Jahtari markiert es den vorläufigen Höhepunkt eines Marathons an neuen Veröffentlichungen – und zwar vorwiegend auf Vinyl. Der parallele Gang vom digitalen zum klassischen haptischen Tonträger scheint also geglückt. Und es passt genau in die Sympathiewelle, die der Jahtari-Sound beispielsweise in Großbritannien losgetreten hat.
„Jahtarian Dubbers Vol. 2“ strahlt viel von dem neuen Selbstbewussstsein aus. Es behält viel von dem schrägen und kantigen 8bit-Reggae und -Dub, für den Jahtari mittlerweile quasi prototypisch steht. Neben den Leipziger Originalen Disrupt, Jahtari Riddim Force und Illyah & Ltd. Candy reihen sich auch die neuen Label-Kollegen aus aller Welt ein, die in den letzten Monaten und Jahren den Sound mit geprägt haben – Soom T, Pupajim, Tapes.
Und es gibt ein paar Neuzugänge: Clause Four sticht da besonders heraus mit seinem langsam schreitenden „Mars“ in zwei Versionen. Schnarrend und sirenenhaft zieht sich die Synthie-Bassline durch und wird auf ganz verschiedene Weise von beinahe hymnischen Melodien aufgefangen. Ziemlich entschleunigt ist auch das Intro mit Black Chow.
Auch John Frum sagte mir vorher noch nichts. Sein „Shreveport Shuffle“ kommt aber mit einem unheimlich lässigen und simplen Arrangement und Beat daher. Wie wenig manchmal ausreichen kann. Solo Banton und Soom T ziehen das Tempo zum Schluss hin noch einmal kräftig an. Vielseitig und sympathisch zusammengestellt ist diese Compilation im Gesamten betrachtet.
Und sie ist uns Anlass genug, Jahtari-Betreiber Disrupt nach einem Resümee über das letzte Jahr zu fragen.
Was für ein Resümee ziehst du nach dem Vinyl-Marathon des letzten halben Jahres?
„Alle Platten liefen gut bis sehr gut und wir haben natürlich eine Menge gelernt. Ist ja deutlich komplexer als CDs oder MP3s zu machen. Aber mittlerweile ist alles bestens eingespielt und gerade R.A.N.D. Muzik, das Presswerk hier in Leipzig, ist top. Am Ende gibt’s nichts Besseres als Musik, die man selber gemacht hat oder gut findet als fertige Platte in der Hand zu halten.“
Bleibt die Netlabel-Idee erhalten?
„Klaro, da kam viel in den letzten Monaten. Eine neue Bo Marley-EP – auch auf Kassette – und drei Net-7″s. Die letzte mit ElFata, einem Sänger aus London und Nigeria. Es ist einfach schön die Tracks raus zu bringen. Man erreicht damit ja auch weitaus mehr Leute als mit 1000 7″s.“
In Großbritannien ist Jahtari ziemlich angesagt. Wie ist euer Standing dort aber konkret, seid ihr als Leipziger mit einem elektronischen Sound eher geschätzte Exoten oder werdet ihr schon von der ganzen Reggae/Dub/Dubstep-Szene wahrgenommen?
„UK läuft nach wie vor bestens, aber vor allem in Frankreich und Japan tut sich sehr viel. Ich war neulich mit Soom T in Shanghai, Hongkong und Japan für ein paar Gigs. Vor allem in Japan kannten schon sehr viele Leute Jahtari und wir mussten Platten signieren – das war krass.
Der Exotenbonus ist schon da, kommt aber eher vom Sound als der Herkunft. Für Leute vom klassischen Reggae klingt es immer abgefahren wegen der rohen 8bit-Ästhetik, und für Leute aus der Elektronik-Ecke sind’s dieselben Sounds, aber mit mehr Bass und Offbeat. Generell sind wir eher immer so das schräge Underground Sound System.
Seitdem jeder Musiker nach Berlin gezogen ist, spielt Herkunft kaum noch eine Rolle. Auch den Mythos, von dem Berlin aus den Neunzigern noch lebt, hat ja mit der Realität nicht mehr viel zu tun. Ich sage immer: Leipzig ist wie Berlin vor zehn Jahren: Platz, Freiräume, Energie, viel illegal.
Es kommen ja immer mal Musiker oder Freunde von anderen Sounds aus Europa auf Urlaub vorbei, und alle sind total beeindruckt von Leipzig. Diese Art von Subkultur ist in London, Paris oder auch in Westdeutschland bis auf Hamburg oder Freiburg schon längst tot oder kommerzialisiert. Soom T zieht eventuell auch bald her, aus genau den Gründen.“
Noch etwas zum Stichwort: Japan. Da sind gerade zwei exklusive Jahtari-Compilations heraus gekommen, die es in Europa nicht geben wird – darunter eine mit dem Titel „Leipzig Dub“. Was für ein Liebesbeweis.
Hier das komplette Line-up:
Ki.Mi. „Inei“ (Instabil)
Dan Drastic „Behind A Green Door“ (Luna Records)
Michael Melchner „Four To The Floor“ (Cargo Edition)
Various Artists „Distance Learning“ (Curl Curl)
A Forest „Leaves Leaves Fall Fall Rain Fall“ (Analogsoul)
Vier Jahre Don’t Believe The Hype? Was für ein Resümee ziehst du? Wo stand das Festival damals, wo steht es heute?
Riotvan steckt dahinter, kannst du kurz erklären, wo du Riotvan stilistisch siehst?
Die Nr. 1 hält genau das, was hier versprochen wird: Es gibt auf die Fresse, Rave-Breaks, böse schraubende Synthies und fünf Remixe, die alle in die gleiche Richtung gehen und die mit viel Humor wohl aber auch in einem artifiziellen Nu Rave-Kontext Freude verbreiten könnten. Irgendwie finde ich es aber auch faszinierend, wie unverhohlen und ohne Scheu hier an der Schraube gedreht wird. Da steckt neben aller Plumpheit auch eine Menge Ehrlichkeit dahinter, denn um die Abfahrt ohne wenn und aber geht es nun mal entlang der A14, A38 und A9.
Am Anfang stand Analogsoul für ein Netlabel, das frei von Genre-Dogmen Musik von bislang unentdeckten Jungtalenten kostenlos im Internet veröffentlichte. Später wurden zudem Konzerte und kleine Tourneen für jene Künstler organisiert. Und mittlerweile veröffentlicht das Label auch Alben auf CD in Kleinauflagen – alles selbst auf die Beine gestellt. „Der Do-it-yourself-Ansatz ist auf jeden Fall wichtig. Wir wollen die Hoheit über unseren Kram bewahren. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass alles handgemacht veröffentlicht wird – handgestempelte Flyer, CD-Cover vom Buchbinder oder T-Shirt-Unikate“, beschreibt Fabian Schuetze die Label-Philosophie. Das Analogsoul-Netzwerk setzt zudem auf Vertrauen, Verträge mit den Künstlern gibt es nicht, dafür einen freundschaftlichen Austausch.
Und was macht den Soul in dem überaus differenten Label-Sound aus? Fabian Schuetze erklärt es so: „Das Genre ist vollkommen egal. Musik muss für uns etwas auslösen, einen irgendwie kriegen und abholen. Ob das nun im Kopf, Bauch oder Herz passiert, ist dabei egal.“ So tummeln sich auf Analogsoul Singer/Songwriter neben Jazz-Formationen, Electronica-Pop trifft auf technoide Stücke, Avantgardistisches auf Eingängiges. Für ein Label durchaus ein Wagnis, bleibt es doch schwer zu fassen und nicht selten reicht bei den Hörern die Aufmerksamkeit nur für Bewährtes.