Nachzügler auf zwei Floors

Hier House, da Jungle – in den Clubs sind solche Clashs keine Seltenheit. Bei Plattenvorstellungen wird aber meist feinsäuberlich getrennt. Warum eigentlich? Wir hauen Alphacut und Good Guy Mikesh & Filburt in einen Topf.

Natürlich nicht wirklich, wie in einem DJ-Mix. Aber hier liegen zwei Nachzügler auf dem Tisch, die aus verschiedenen Gründen bei frohfroh noch nicht vorkamen. Zum ersten der Good Guy Mikesh & Filburt-Beitrag der im August erschienenen Compilation „If This Is House I Want My Money Back Zwei“ vom Münchner Label Permanent Vacation.

Im Prinzip ein Wiedersehen mit dem großen Katalysator der beiden. Vor zwei Jahren gelang dem dort mit „Someone Told Me“ ein kleiner, aber doch amtlicher Hit. Ihr aktuelles Stück „Roamer“ ist wesentlich zurückhaltender und in nur vier Minuten gut auf den Punkt gebracht. Es ist der entspannt-deepe Ausklang von einer subtil besetzten Compilation mit Leuten wie Jacob Korn & Cuthead, Trickski, John Talabot und anderen.

Für Good Guy Mikesh & Filburt ist „Roamer“ erstaunlich deutlich auf House getrimmt, mit einer dezent treibenden HiHat und ohne Vocals. Die Disco-Note in den Chords bleibt aber nicht außen vor. Auf eine reife Weise verspielt, so klingt „Roamer“. Nicht überzogen, aber durchaus ernsthaft in der Schwelgerei.

Alphacut-24Bit Depth & Phuture-T „Stalk Them“/„Amazon Basin“ (Alphacut Records)

Bei Alphacut Records ist mir die Nummer 24 durch die Lappen gegangen. Und dass obwohl die Release-Intervalle der „Second Wave“ seit einem Jahr gestreckt wurden, um jeder EP mehr Luft zu Entfalten zu geben. Auf der 24 gibt es ein Wiederhören mit Phuture-T, der auf der EP zuvor sehr verschlungen und sphärisch klingende dabei war. Bei „Amazon Basin“ zieht der Amsterdamer das Tempo merklich an. Weniger große Flächen, dafür schnell aufflammende Chords und Sounds. Ein Stück mit wilden dramaturgischen Wechseln.

Für Bit Depth ist „Stalk Them“ das Debüt. Und für Alphacut ein kurzer Abstecher an die ambitionierte Schnittstelle von Jungle und HipHop. Sehr scharf geschnittene, stakkatohafte Beats mit wenigen zusätzlichen Chord-Skizzen. Das hält den Track sehr kompakt. Sehr schön. Übrigens bietet Alphacut Records jetzt auch ein Vinyl-Abo an. Damit geht keine Platte unter, und es gibt sogar Rabatt.

Permanent Vacation Website
Alphacut Records Website
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Roundtable – Analog sucht Digital

Am kommenden Freitag fragt das Label Analog zusammen mit der Fenster zum Hof-Crew nach dem Status Quo der Digital-Analog-Verschmelzung. Anlass genug, einen virtuellen Roundtable mit den drei auftretenden Bands zu genau diesem Thema anzuleiern.

Das Diskussionsfeld ist riesig, mit unzähligen Anknüpfungspunkten und verschiedenen Perspektiven. Was hört analog produzierte Musik auf, wo beginnt das Digitale, an welchen Punkten sind Vermischungen möglich? Sind Laptop-Live-Acts überhaupt Live-Acts. Wir haben Klinke Auf Cinch, Me And Oceans und PraezisaRapid3000 einige Fragen zu diesem Thema gefragt. Hier sind ihre Antworten.

Analog sucht digital, so das Credo des Abends, den Analogsoul zusammen der Distillery kuratiert – sind die beiden Kategorien für euch beim Musik machen heute noch solch ein Gegensatz?

Clemens (Klinke Auf Cinch): Kreatives Arbeiten ermöglichen beide Welten. Aber analoges Equipment klingt in unseren Ohren angenehmer und ist für uns daher unverzichtbar. Letztendlich landet aber doch jeder Track auf der Festplatte. Das ist schon ungeheuer praktisch, um Ideen schnell aufnehmen und im Sequenzer immer wieder umarrangieren zu können. Dadurch entwickelt sich ein schöner Arbeitsfluss und verbindet damit wieder beide Welten.

Henrik (Praezisa Rapid 3000): Diese „Analog/Digital“-Diskussion spricht ja von etwas ganz anderem als wirklich ihr Thema sein sollte. Die Leute versuchen Kategorien zu schaffen um sich zu erklären warum dies und das fetter, besser, wärmer als das andere klingt. Das ist natürlich Quatsch.Für uns stellt sich nie die Frage ob analog oder digital gearbeitet wird. Eher die Frage ob wir versuchen Dreck durch schlechte Qualität von Geräten oder Tonträgern einzubringen, das machen wir dann teils mit Simulationen auf digitaler Ebene und teils mit Aufnahmegeräten und halbkaputten Tretminen aus den Siebzigern auf der analogen Seite. Im Prinzip würde auch analoge Summierung ein Thema für uns sein, wenn wir denn das nötige Kleingeld hätten um uns in der Richtung auszustatten.

Fabian (Me And Oceans): Auf der einen Seite nicht, da beide Dinge Teil des natürlichen Workflows beim Songwriting und Produzieren sind. Es ist für mich relativ selbstverständlich, das analog und digital zusammengehen und beispielsweise alte Synthesizer auf Plugins treffen. Dennoch wird immer wieder ein Unterschied sicht- bzw. hörbar. Und dann tausche ich für den finalen Mix doch das Pianoplugin gegen ein echtes Fender Rhodes, oder lasse die Streicher nochmal einspielen, die bislang nur als Emulation und somit als digitaler Fremdkörper im Mix saßen, oder lass das Mastering dann komplett analog machen.

Klinke Auf CinchGibt es im Entstehungsprozess neuer Stücke Momente, in denen ihr primär digital oder primär analog arbeitet?

Clemens (Klinke Auf Cinch): Manchmal tüfteln wir stundenlang an einem Sound, testen verschiedene Mkrofonierungen durch oder hängen plötzlich in einer Jam fest. Der rote Faden unserer Stücke entsteht aber oft erst am Rechner, weil immer neue Ideen das Grundkonzept oft wieder umwerfen.

Henrik (Praezisa Rapid 3000): Es ist immer eine Mischung. Auf der „Doebeln/Detroit“ zum Beispiel ist ein Stück, da ist der Drum-Track mit einem Sample-Drumkit im Rechner und einem USB-Controller entstanden. Die Drums haben wir dann aus dem Rechner rausgeschickt und erstmal dann ging es durch einen vollanalogen Flanger aus den Siebzigern (Electric mistress). Ein sehr schönes Gerät, es ist auch etwas kaputt und so hat man immer ordentlich Störgeräusche dabei. Danach ging es durch ein weiteres Effektgerät – ein digitaler Oktavgenerator. Der sieht analog aus und klingt auch so, ist er aber nicht. Dann wurde das ganze auf eine schon oft überspielte ChromeII-Kassette aufgenommen und von da aus wieder in den Computer geschickt. Das war dann der Grundrhythmus, den haben wir für einen zweiten Teil im Lied noch einmal in der Tonhöhe verändert und die Geschwindigkeit angezogen, das ganze dann bis zum geht nicht mehr editiert und voilá, fertig war das Drum-Fundament.

Fabian (Me And Oceans): Nein, eigentlich nicht. Dadurch das Me And Oceans für mich nicht primär elektronische Musik im klassischen Sinn ist, steht natürlich das Songwriting, also Harmoniearrangement, Text und Gesang sehr im Vordergrund und damit automatisch zuerst sehr „analoge“ Sachen. Das geht aber immer sofort einher mit ersten Beatskizzen, gesampelten und digital editierten Teilen oder einem schnell festgehaltenen Thema, das ich midi einspiele.

Me And OceansUnd auf der Bühne, spürt ihr da einen Hang mehr zum Analogen oder mehr zum Digitalen?

Clemens (Klinke Auf Cinch): Wir sind natürlich mit Instrumenten auf der Bühne. Grundbausteine unserer Tracks kommen aber von Rechner und MPC.

Henrik (Praezisa Rapid 3000): Auf der Bühne ist es wichtig, etwas anfassen zu können und wirklich in die Lieder einzugreifen. Das ist keine Frage von analog oder digital, sondern von guten Instrumenten und Interfaces. Da Computer instabil sind, tendieren wir zu Hardware. Da fehlt allerdings das Geld, um sich wirklich so auszustatten wie wir es bräuchten. Also sind wir abhängig vom PC, der im Liveauftritt ca. zehn Synthesizer und nochmal soviele Sampler darstellt. Bei der Gitarre bin ich Purist, da muss es schon ein Singlecoil-Tonabnehmer und Vollröhrenamp sein.

Fabian (Me And Oceans): Ich spiele live ja mit Laptop, und einigen Kleinstinstrumenten und manchmal mit einer alten Hohner-Orgel. Der Fokus liegt sehr auf der Stimme, die ich auch kaum oder gar nicht verfremde. Insofern trifft da analog hart auf digital und ich versuche einfach ein „Gesamtes“, etwas Homogenes zu performen.

Was ist live die größte Herausforderung für euch?

Clemens (Klinke Auf Cinch): Wasser zu trinken.

Henrik (Praezisa Rapid 3000): Jedes mal anders zu spielen. Die Lieder entstehen in monatelanger Kleinstarbeit, nicht aus dem Jam. Das wollen wir so, live ist das eine große Herausforderung, denn ein Proben beginnt immer mit der Frage: „Wie verdammt nochmal setzen wir das Lied denn jetzt live um..?“ Wir sehen keinen Sinn darin einen Auftritt zu spielen, bei dem man versucht cool auszusehen und im Takt der Musik mitzuwippen, aber nichts wirklich verändert in dem Moment, keinen Zugriff auf die Essenz der Musik hat. Das allerdings zu überwinden ist ein langer Prozess. Aber wir haben Zeit.

Fabian (Me And Oceans): Die größte Herausforderung ist auf jeden Fall dem Laptop als „Band“, der ja sehr kühl und akribisch funktioniert menschliche Wärme hinzuzugeben und wie oben schon gesagt etwas auf der Bühne zu zeigen, das als ein Ganzes wahrgenommen wird und einen Transport hat, also irgendwas auslöst, berührt.

Man könnte meinen, dass durch die Verknüpfung von Digitalem und Analogem nahezu alles möglich wird. Seht ihr trotzdem irgendeine Grenze?

Clemens (Klinke Auf Cinch): Ohne Analog gehts nicht. Ohne Digital aber schon.

Henrik (Praezisa Rapid 3000): Es fehlt noch an wirklich möglichkeitserweiternden Mensch-Computer-Interfaces. Der Computer muss vollkommen zum Musikinstrument werden. Die meisten bisherigen Controller sind bloss Kopien von alten Klaviaturen und Mischpulten. Da geht aber noch viel mehr. Multitouch ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber für mich noch nicht wirklich praktikabel, es fehlt die Kontur und das, was man wirklich anfassen kann. Audio anfassen können, das wärs. Es gibt bei uns auch schon länger die Überlegung sich mal selbst an ein Interfacekonzept zu wagen – wir werden sehen.

Me And Oceans Website
Klinke Auf Cinch Website
Praezisa Rapid 3000 Soundcloud
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Der Tick zuviel

Achtung, hier werden zwei EPs in einen Topf geworfen, die in ihren Nuancen abseits der geraden Bassdrum sehr verschieden ausfallen. Was sie dennoch eint: beide überzeugen nicht so recht.

Das ist aber nicht der eigentliche Grund, sie gemeinsam zu besprechen. Spannend ist eher der Generationsunterschied, der in beiden EPs mitschwingt. Mittagskind als Jungspund, Frankman als Leipziger House-Urgestein. Musikalisch liegen auch durchaus Welten zwischen beiden.

Wobei dies natürlich wenig mit dem Altersunterschied zu tun hat. In den Zwischentönen liegen die Feinheiten. Dunkel eingefärbter Minimal hier, souliger Deep House da. Und beides ist irgendwie in seiner Zeit hängengeblieben.

Wie schon auf der Debüt-EP im Mai gräbt sich Mittagskind mit der neuen EP „Over Cities“ auf dem Eisenhüttenstädter Label Farbton Records sehr in sich geschlungen und düster in die Minimal-Welt hinein. So gemäßigt die drei Stücke im Tempo sind, so pathetisch und bedeutungsschwanger holen die hallüberladenen Chords aus.

Gerade auf der melodischen Ebene klingt der gedämpfte Rave-Appeal oft recht plastisch und vorgeformt. Wobei genau die gedämpfte Stimmung eben auch ihre Qualität hat, nimmt sie doch dem naheliegenden Progressive-Charakter den Wind aus den Segeln.

Frankman-At-NightBei Frankman bleibt die ultimative Deepness mit dem Downbeat-Fundament der späten Neunziger das prägende Element. Auf seinem eigenen Label erschien Anfang September die EP „At Night“. Mit drei neuen Stücken, die überraschend verspielt und leichtfüßig sind. Bei Frankman ist es immer wieder erstaunlich angenehm, wie tight die Bassdrums sind, und wie soft sich die Tracks später hin entwickeln.

„Red Moon“ trägt dick auf mit einem kurzen Soul-Vocal am Anfang und einem Funk-Gitarren-Jam am Ende. Sehr versiert, aber auch recht kitschbeladen. „Dreamcatcher“ hält sich da mehr zurück, wenn auch im Hintergrund immer mal wieder Chords rein fahren, die nach einer typischen Sternschnuppen-Vertonung klingen.

Mit „Darkness“ überrascht Frankman am meisten. Ein dunkel schiebender, später sehr sehr ravig werdender House-Track – Âme klingen hier in Ansätzen durch. Einen Tick zu weit geht der Abfahrtspegel aber doch. Auch wenn die Arrangements und Sounds deutlich nahtloser verschmolzen sind als bei Mittagskind. Ein wenig muss der Altersunterschied ja doch herauszuhören sein.

Mittagskind Soundcloud
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Neu entdeckt

Dieses neue Label kümmert sich noch nicht um die Pressearbeit, ist aber erwähnenswert, hieß es in den Kommentaren der letzten Dance Dance-Ausgabe. Beides stimmt.

Und dass, obwohl hier nicht die gerade oder gebrochene Bassdrum dominiert. Es geht um Resistant Mindz, ein Anfang des Jahres gegründetes Label-Kollektiv mit Künstlern wie Duktus, Chris Medleigh, Dyze, Soul Mad und anderen. Für die kurze Zeit ist es erstaunlich fit aufgestellt. Mehrere Mixtapes und Compilations mit eigenen Tracks zum kostenlosen Download, ein Podcast, professionellen Videos und eine Menge Fans, die bei Soundcloud ihr Lob kundtun.

Vor wenigen Tagen dann der vorläufige Höhepunkt: das erste auf 300 Stück limitierte Vinyl, inklusive Release-Party im Sweat. „Each production follows the red line of soulful expression“, heißt es auf der Resistant Mindz-Website etwas pathetisch. Mit welchen Mitteln dies passiert, scheint dabei egal.

Dass die Heimat der Resistant Mindz-Köpfe im HipHop liegt, ist aber kaum zu überhören. Allerdings ist es eher der Ausgangspunkt für verschiedene Ausläufer. Instrumental ist vieles, mit gesampleten Funk- und Soul-Elementen. Und immer wieder lugen auch Electronica- und Dubstep-Anleihen mit durch. Das alles überaus versiert und ausgereift im Sound. So sehr, dass sich einige der Producer auch live auf die Bühne wagen.

Da dürfte also auch schon länger an Tracks gefeilt werden. Und irgendwann ist die Zeit reif damit auch an die Öffentlichkeit zu gehen. Ein Phänomen von dem Leipzig gerade sehr profitiert. Im Vorfeld der ersten Platte entstand auch eine Art Image-Video – mit schönen Bildern, aber auch nicht bescheiden mit theatralischen Gesten.

„RM1“ ist mit acht Stücken der Resistant Mindz-Crew bestückt. Und die zwei Seiten des Vinyls zeigen auch zwei musikalische Pfade auf: die zumeist kurz gehaltenen Stücke tauchen sowohl in einen eher experimentellen Bereich des HipHops ab als auch in den eher klassischen. Angenehm brüchig in den Arrangements bei Defekto und Chris Medleigh auf der A-Seite. Sehr Oldschool-inspiriert bei Mr. Beef und Dyze auf der B-Seite. Als erstes handfestes Lebenszeichen ist „RM1“ überaus viel versprechend. Via Bandcamp ist es auch digital zu bekommen.

Resistant Mindz Website

Ron Ron

Wie geballt das manchmal läuft mit den Veröffentlichungen. Vor einem Jahr kam die letzte Ron Deacon-EP heraus. Jetzt ist er gleich auf zwei neuen Platten dabei. Eigenwillig wie immer.

Bei Ron Deacon hört man immer wieder heraus, dass hier jemand schon seit Jahren an House-Tracks arbeitet. Nicht, dass sie routiniert klingen würden. In den Sounds und Arrangements steckt einfach eine subtile Tiefe, die Preset-Tracks nicht bieten können. Nach Handarbeit, Producer-Ethos und Erfahrung klingen die Stücke.

Innerhalb der letzten Woche sind nun zwei neue Veröffentlichungen von Ron Deacon heraus gekommen, die diese Beobachtung einmal mehr bestätigen. Bei Aim Records, dem Berliner Label von Tristen, jammt sich Deacon über elf Minuten hinweg durch verschiedene Klangräume. Zusammengehalten wird die Reise von einem sonor strahlenden Ton, der „The Rhythm“ seine leicht bedrohliche, aber doch auch in sich ruhende und driftende Grundstimmung verleiht.

Solche Tracks sind zum Hören, zum Entdecken und sicherlich auch zum stummen Mit-sich-tanzen – es sind schlicht Kleinode, die mehr wollen, als nur zu funktionieren. „The Rhythm“ ist Teil der groß aufgezogenen Aim-Compilation „Sun Avenue“ – in einer Reihe mit Oskar Offermann, Oliver Deutschmann und Christopher Rau.

Ron-Deacon-The-Kat-Phil-3Bei Phil Records, einem jungen Label aus Rotterdam, platziert Ron Deacon seine dritte eigene Artist-EP mit insgesamt vier Tracks. Auch The Kat ist als Sängerin bei zwei Stücken wieder dabei. Allerdings weniger anschmiegsam als auf der „Secret Garden“-EP. In „Love Your“ und „Electronic Music“ hält sie sich eher im Hintergrund – zumindest scheinbar.

Denn die Vocals bei „Electronic Music“ haben es durchaus in sich. „There are too many guys, that think they’re making good music“, spricht sie etwa an einer Stelle zu dem leicht stolprigen Beat und den deep schwebenden Chords. Überhaupt ist auch diese EP ein weiterer Schritt hin zur Langsamkeit.

„Don’t Drive Again“ schleicht beharrlich und verschlungen voran. Mit einem halligen Klavier und wohligem Rauschen. „Tribute To Oxygene“ setzt an den Detroit-Futurismus an, mit angeteaster Space Disco-Leichtigkeit. Dieses Stück könnte ebenso vor 30 Jahren entstanden sein, so verspielt und experimentierfreudig wie die Synthies klingen. Nur ist es durch die tightere Bassdrum in der Gegenwart verwurzelt.

Eigensinn, das kommt mir bei Ron Deacon immer wieder in den Sinn. Und es ist eine wunderbare Tugend.

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Die Schatzinsel

Das Conne Island, der Eiskeller – er feiert in diesem Herbst seinen 20. Geburtstag als subkultureller und sozialer Freiraum. Neben dem fast dekadenten Booking für die nächsten Wochen, erscheint auch ein Buch.

„20 YRS – Noch lange nicht Geschichte“ heißt es und wird in diesen Tagen vom Berliner Verbrecher Verlag veröffentlicht. Und es ist eine breit aufgezogene Introspektive. Kein distanzierter Blick von außen, kein „akademischer, kulturwissenschaftlicher und sozialarbeiterischer Zugang“, wie es im Vorwort heißt.

Es sind fast zwei Dutzend persönliche Reflektionen von ehemaligen und noch immer aktiven Mitstreitern des Conne Island sowie einigen Gästen. Aus ganz verschiedenen Richtungen schauen sie auf die vergangenen 20 Jahre und daraus geprägte Gegenwart – teilweise sind die Sichten eng fokussiert auf bestimmte musikalische Entwicklungen, dann wieder weiter ausholend als Pop-Diskurs.

Electric Weekender (Foto: Conne Island/Verbrecher Verlag)In der abgebildeten Breite ist das Buch eine beeindruckende Leistung. Sonja Eismann spricht über linke Kulturdiskurse und politischen Sound, der Tontechniker Rumsei über „seine“ Anlage, Sascha Lange über die Gründungsmythen des Conne Island. Und auch die Kritikfreudigkeit mit der eigenen Geschichte verleiht dem Buch eine eigene Stärke – nimmt es das Jubiläum nicht als Anlass zur großen Lobhudelei, sondern als Ausgangspunkt für neue Diskussionen.

„20 YRS“ ist kein schulterklopfendes Kompendium über das bisher Erreichte. Über 300 Seiten hinweg zeigt das Buch die inhaltliche, soziale und kulturelle Vielschichtigkeit des Conne Island auf – mit all ihren Problemen.

(Foto: Conne Island/Verbrecher Verlag)Die Glanzpunkte bleiben natürlich nicht unerwähnt. Heiko Wunderlich alias OneTake schwärmt zurecht von den ersten Dubstep-Nächten, auch Jan Barich alias Map.ache zeichnet die Erfolgsgeschichte der Electric Island-Reihe nach, thematisiert aber auch die kritischen Stimmen, die in der Reihe zunehmend eine „Großraumdiskothek“ sehen.

In gewisser Weise ist „20 YRS“ auch eine Liebeserklärung an einen besonderen Ort, der anders sein möchte. Dieses Wechselspiel macht den Reiz des Buches aus. Und natürlich auch die vielen alten Bilder und beinahe antik wirkenden Flyer. Zwischendrin reihen sich auch Glückwünsche von einigen Musikgrößen, die das Conne Island ebenso als einen Ort wahrgenommen haben, der mehr ist als eine Konzerthalle.

Das Buch ist für 12 € direkt beim Verlag zu bestellen. Am 8.9. wird das Buch im Conne Island selbst vorgestellt.

20 Jahre Conne Island Website

Daniel Stefanik „In Days Of Old Pt. II“ (Kann Records)

Da ist er nun also, der zweite Teil von Daniel Stefaniks Auseinandersetzung mit seinen musikalischen Wurzeln. Sie kommt im richtigen Moment, denn ab dem nächsten Jahr dürfte einiges anders werden.

Es ist keine Neuigkeit, dass in Leipzig etwas entsteht und beharrlich wächst. Für Daniel Stefanik steht 2012 der nächste Schritt an. Dann nimmt ihn Sven Väth in sein Cocoon-Konglomerat auf – sowohl was das Booking betrifft, als auch seine Veröffentlichungen. Ein Album ist für das nächste Jahr beispielsweise geplant. Erste Cocoon-Luft konnte er bereits im letzten Jahr mit seiner „Nocturnal EP“ schnuppern. Mal sehen, wie sich die unmittelbare „Nachbarschaft“ zu Ricardo Villalolobos auf den künftigen Sound von Daniel Stefanik auswirken wird.

Doch zurück in den September 2011. Seine zweite EP auf Kann Records erweitert die „In Days Of Old“-Reihe um drei weitere Stücke. Es sind neue Stücke, die nicht in der selben Session entstanden sind, wie die ersten drei. Doch sie vermitteln einen ähnlich entspannten, sich treiben lassenden Eindruck. Mit viel Wärme und viel Zeit, um sich ausleben zu können.

„Four“ nimmt sich fast elf Minuten, um mit einem elegant schiebenden House-Fundament unterschiedlich versponnene Sounds umher geistern zu lassen. Ganz unaufgeregt. In der fast schwebenden Weise erinnert „Four“ an „Reactivity 03“ von seinem Debüt-Album. Das mäanderte auch so vor sich hin – allerdings in ein dichtes Dub-Gewand eingehüllt.

„Five“ zeigt Stefaniks Faible für Electronica – zum Glück hat er Warp vor vielen Jahren entdeckt. Hier dominiert keine Bassdrum das Geschehen, sondern versunken flirrende Sounds. Wunderbar, dass er auch diesem Stück so viel Zeit einräumt. Dadurch wird es nicht zum bloßen Interlude einer Club-Platte. Es erhebt sich vielmehr zu einer eigenständigen Facette, die der EP sehr gut tut und die nebenbei auch die Qualität von Kann Records widerspiegelt, in dem es als Label so etwas zulässt.

„Six“ ist vielleicht das direkteste Club-Stück. Jedoch nur, was die Schärfe der Rhythmik und die sich ganz dezent aufbäumende Dramaturgie angeht. Für die Peak Time ist es zu verwoben. Toll hier, wie sich die Sounds über einen langen Zeitraum hinweg unterschiedlich heraus schälen. „Blues“ steht in der iTunes-Genre-Bezeichnung, aber das Augenzwinkern dahinter trifft die durchaus introvertierte Weise der drei Stücke doch irgendwie.

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Daniel Stefanik Website
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KM

Gutes Musikfernsehen, welch ungewohnte Freude. Boiler Room hat neulich ein Live-Set von Kassem Mosse im Netz gesendet – und mitgeschnitten. 60 Minuten produziert mit „enough equipment to give a small African township fresh water for a year“, wie Boiler Room lakonisch meint.

Im weißen T-Shirt steht Kassem Mosse mitten im Boiler Room. Überall wippende Menschen. Zum Anschauen natürlich etwas tröge, als Zeitdokument aber doch sehr schön. Denn sonst kursieren meist nur verschwommene Handy-Mitschnitte von Kassem Mosses Auftritten.

Für das Online-Magazin Little White Earbuds gab er vor Kurzem auch ein sehr ausführliches Interview, unter anderem ging es dort um die Unmittelbarkeit und der stete Wandel seiner Musik im Club und sein Chill Out-Projekt mit Mix Mup. Sehen und lesen und hören. Noch einmal ein schöner Montag.

DIY – Reloaded

Letzte Woche haben wir dazu aufgerufen, uns eure selbst gestalteten Cover der Nachti Zehn Zoll zu schicken. Viel kam nicht, aber die Galerie ist hiermit eröffnet und könnte wachsen – wenn ihr denn wollt.

Zwei Bilder erreichten uns – und verschiedener könnten die Cover kaum sein. Einmal wilder Minimalismus, einmal geordnete Repetitivität, inklusive eines Autogramms von Skydden, dem A-Seiten-Star. Vielen Dank an Holger Schulze und Marcus Wenzel.

Nun sind wir hier nicht in der Druckwirtschaft mit harten Deadlines, sondern im digitalen Work in Progress. Wer sich von den beiden Bildern inspiriert fühlt, kann sein Exemplar immer noch einreichen. Wir wollen mehr – hört ihr! Zum Ansporn gibt es auch was zum Hören. Einen schönen Montag.

© Marcus Wenzel

© Holger Schulze

Studio Studio – Daniel Stefanik

Zwei Monate sind vergangenen seit dem letzten Einblick in ein Leipziger Musikzimmer. Dazwischen liegen komische Sommertage, sicherlich schöne Urlaube, Partys, Festivals und mehr. Pünktlich zum Spätsommerbeginn geht es mit der Studio Studio-Serie weiter – mit Daniel Stefanik.

Wie unterschiedlich die persönlichen Beschreibungen der Zimmerbesitzer ausfallen können. Vom ausschweifenden Nerd-Talk bis zur Basswellenforschung im Hinterhof. Daniel Stefanik hält es kurz und durchaus philosophisch. Was wäre wenn, ist seine Leitfrage, die in einem Atemzug die kulturtechnische Revolution der letzten zehn Jahre aufgreift.

Zwei Bilder haben wir ausgewählt aus der Session, die Christian Hüller kürzlich im Studio von Daniel Stefanik aufnahm. Es gibt sie auch größer zu begutachten: einfach auf die Bilder klicken und es öffnet sich eine Lightbox.

„Wenn ich mir die Bilder so anschaue, denke ich: ich finde diesen Ort wundervoll und ich bin dankbar, dass ich diesen Ort habe. Er ist vielleicht nicht besonders schön und gemütlich, aber ich kann darin kreativ sein.

Es ist alles da, was ich dafür brauche. Meine Plattensammlung zum Beispiel. In der 3. Reihe des ersten Fachs befindet sich meine fast vollständige Perlon-Sammlung, ein paar sind noch in der Plattenkiste. Zwei Fächer darunter – auf dem Bild nicht zu sehen – die komplette Axis / Purpose Maker / M-Plant-Serie. Rechts neben Perlon ist Playhouse, M_nus, Plus8. Darüber befindet sich alles von Cadenza. Ich bin ein typisches Beispiel für einen Jäger und Sammler.

Wenn mich ein Label kickt, dann will ich alles davon haben, auch wenn vielleicht manche Releases nicht so mein Fall sind. Aber ich bin immer gut gefahren damit, Artists oder Label-Chefs und ihrem Geschmack zu vertrauen. Man kann nicht immer alles gleich verstehen und mögen. Es braucht alles auch seine Zeit und vielleicht einen bestimmten Moment.

Ich bin auch froh, in einer Zeit aufgewachsen zu sein, in der Vinyl noch das absolute Muss war, weil man sonst nicht an diese Musik herankam. Es war irgendwie alles streng limitiert und nur im gesamten Paket erhältlich. Heute kann man einzelne Tracks von einem Album kaufen.

Aber wie kann ich heute wissen, was ich morgen vielleicht gut finden werde? Oder die klassische B-Seite, was ist mit ihr? Bei Planet E zum Beispiel (3. Reihe, 3. Fach) gibt es eine Menge genialer B-Seiten-Stücke. Sie wären mir alle verwehrt geblieben, hätte ich damals nur den vermeintlichen Hit als MP3 herunterladen können. Wäre ich überhaupt zu Warp Records gekommen, wenn ich mir nur Hits hätte ziehen können, die mich damals als Jungsporn fast ausschließlich interessiert haben?

Studio Studio #4 – Musikzimmer von Daniel Stefanik (Foto: Christian Hüller)Und wenn ich nicht zu Warp gekommen wäre, hätte mich dann überhaupt interessiert, wie man mit Maschinen wirklich interessante Klänge herausbringen kann bzw. nicht nur nach fertigen Presets schaut, sondern selbst die eigene Kreativität fördert und fordert? Wo wäre ich dann als DJ, wenn ich doch niemals gelernt hätte, selbst zu selektieren und mich nur von Charts in unübersichtlichen MP3-Shops leiten und verleiten zu lassen?

Wo wäre mein Antrieb, schwierige Übergänge zu meistern, wenn es den Sync Button an den Turntables schon damals gegeben hätte? Hätte ich überhaupt ein Maß, wenn alles maßlos zur Verfügung gestanden hätte und wie sähe dann dieser Ort hier aus, wenn ich schon damals mit einem Programm vermeintlich ein ganzes Tonstudio ersetzen hätte können?“

Do It Yourself

Das Nachtdigital liegt nun einen Monat zurück. Und wir wollen noch einmal auf die erste auf Vinyl gepresste Erinnerung des Festivals zurückblicken. Mit euch zusammen.

10-Zoll im Durchmesser, weitgehend weiß in der Cover-Gestaltung, zwei Seiten musikalisches Glück – das ist die erste EP des Nachtdigitals. In Zusammenarbeit mit Kann Records entstand die „Nachti Zehn Zoll“ mit der Sommer-Ode „Hier kommt die Sonne“ von Robag Wruhme & Erobique sowie „The Ungeduld“ von Map.ache.

Herzlicher Klamauk und epische Deepness auf einer Platte. Und bei der Cover-Gestaltung gab es sogar noch Spielraum. Außer eines kleines Aufklebers blieb die Hülle weiß und bot damit eine Menge Platz für eure Ideen.

Und genau um die geht es uns: wir wollen sehen, was dabei herausgekommen ist. Schießt ein Foto von eurer persönlichen „Nachti Zehn Zoll“-Version und schickt sie bis zum 4. September an dance at frohfroh.de. Wir veröffentlichen alle Einsendungen dann zu einer Galerie. Zu gewinnen gibt es ausnahmsweise mal nichts. Außer Ruhm natürlich.

Übrigens gibt es auch noch ein paar Exemplare der limitierten Platte. Neben dem Freezone und Smallville in Hamburg auch online im Kann Records– und Nachtdigital-Shop. Ausgewählte Sets des 14. Nachtdigitals gibt es auch hier zu hören.

Neue Rosen

Die Leipziger Label-Landschaft wächst beharrlich. Mit Rose Records startet in diesem August das nächste Liebhaber-Label von einer handvoll Freunden.

Hat ein Plattenpresswerk vor der Haustür einen Einfluss auf die Entwicklung neuer Labels? Das frage ich mich immer wieder. Wenn schon so ein immer seltener zu findendes Industrie-Refugium vor Ort existiert, dann ist die Hemmschwelle zum eigenen Label vielleicht niedriger. Ob das bei Rose Records eine Rolle spielte, weiß ich nicht, aber als These geistert es länger schon in meinem Kopf.

Bei Rose Records geht es erster Linie um eine unabhängige Plattform für eigene Tracks, für einen eigenen Sound, ohne Abstriche. Nicht von irgendwem: Rose Records ist die neue Heimat von M.ono, Luvless und Martin Hayes – im Hintergrund werkeln noch zwei weitere Freunde am gemeinsamen Glück.

Die drei hatten ihr Debüt als Trio bereits im letzten Winter auf der „Summer Anachronismus“-EP auf Mancha Recordings. Und schon da war klar, wofür das Herz der drei schlägt: für deepen, ja, wirklich deepen House mit einer gehörigen Disco-Prägung.

Im frohfroh-Interview mit Good Guy Mikesh & Filburt vor anderthalb Jahren wurde dem Disco-Sound in Leipzig eher eine Außenseiterrolle zugesprochen. Mit Rose Records als Label und M.ono, Luvless und Martin Hayes als DJs ist da mittlerweile ein ganz neuer Input in die Stadt gekommen. Jene unverstellte Leichtigkeit, wie sie in den frühen Disco-Tracks omnipräsent war, findet sich auch in den drei Stücken der ersten Rose-EP.

Am deutlichsten bei „Take Me“ von Martin Hayes. Unglaublich cheesy, elegant und lässig aus der Hüfte. Bei den Tracks von M.ono und Luvless ist die Entwicklung von Disco zu House das prägendere Element. Die Bassdrums sind etwas druckvoller, die Arrangements gestreckter. Doch der Disco-Appeal atmet aus jeder Pore.

Das kann leicht ins Nostalgische und Kitschige entgleiten, aber irgendwie schaffen es alle drei auf ihre Weise dem zu entgehen. Eine wunderbar schlüssige EP, die 250 mal auf Vinyl gepresst wurde. Auf einen Vertrieb verzichten die Rose Records-Betreiber erstmal. Bei fünf Leuten bleiben die Aufgaben überschaubar, sagen sie.

Und so sind einige der handnummerierten Platten im Freezone- und dem einen oder anderen Plattenladen zu finden. Hans Nieswandt und Move D sind bereits Fans der ersten Platte. Und vergesst nicht den tollen M.ono-Edit von When Saints Go Machine

Rose Records Website
M.ono & Luvless Facebook
Martin Hayes Facebook