Zweistreifen with Ian Simmonds „Who Is The Daddy?“ (Analogsoul)

Analogsoul lotet immer wieder auf ganz interessante, skizzenhafte Weise die Schnittstelle von Pop und Elektronik aus. Auf der neuen EP des Duos Zweistreifen kommt sogar der große Ian Simmonds mit ins Spiel.

Zweistreifen sind ein typisches Zwischen-Tür-und-Angel-Duo. Fabian Schütze lebt in Leipzig, Clemens Kynast in Jena. Eigentlich arbeitet jeder noch an anderen Projekten – Me And Oceans, A Forest und Klinke Auf Cinch um genau zu sein. Und doch haben beide mit Zweistreifen einen gemeinsamen Nenner gefunden, der nun schon seit 2008 beständig ausgebaut wird – drei Net-EPs sind bei Analogsoul bislang erschienen.

Experimentelle, skizzenhafte Electronica-Arrangements, filigran übereinander gelegte Loop-Schichten, viel organische Wärme und bei aller Brüchigkeit eine stille Eingängigkeit, das zeichnet den Zweistreifen-Sound aus. Ihre neue EP „Who Is The Daddy?“ hebt diesen angedeuteten Pop-Appeal der ersten EPs auf ein neues Level. Nicht nur, weil Ian Simmonds singt. Auch die Sounds sind ausgereifter und glatt gezogener.

Natürlich prägt der britische Wahl-Jenaer Simmonds mit seiner Stimme und all der lebensweisen Tiefe, die darin mitschwingt, den 2011er Sound von Zweistreifen ganz entscheidend mit. Es sind stille Electronica-Pop-Songs, wunderbar ausbalanciert zwischen Wohlklang und Reibung.

Und während Ian Simmonds bei seinen Solo-Stücken durchaus offensiver wirkt, ist er bei den vier Stücken der „Who Is The Daddy?“-EP von einer ruhigen, introvertierten Seite zu erleben. Das Zweistreifen-Duo reagiert entsprechend mit einer dezenten musikalischen Einbettung. Das ist süße Melancholie in ihrer schönsten Form. Ein Video in ähnlicher Tonalität gibt es auch zur EP.

Ende Mai kam übrigens auch eine 1-Track-EP von Klinke Auf Cinch heraus. „Lentis“ heißt der Track, und er ist ein Slow-Pop-Hit zwischen HipHop, Electronica und Downbeat im Band-Format. Direkter und radiotauglicher als die neue Zweistreifen-EP. Und dennoch ist der Ansatz von beiden Veröffentlichungen gar nicht so weit voneinander entfernt.

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Neue Wege

Labels, die nur noch digital veröffentlichen, Labels, die sich mehr und mehr als Party-Marken für Clubs etablieren – wahrscheinlich befinden wir uns  gerade mitten in der spannendsten Umbruchphase der Musikwirtschaft. Das Berliner Label Innervisions löst sich nun von seinem Vertrieb.

Das Label von Dixon und den Âme stach aus der Release-Flut schon immer durch seine wunderbar kunstvollen Cover und den latent mit verkauften Style hervor. Jetzt gehen sie auch wirtschaftlich einen Sonderweg, wie Dixon in einem Interview mit Resident Advisor sagte. Innervisions übernimmt ab der nächsten EP den Vertrieb selbst. Im Mittelpunkt steht dabei der eigene Online-Shop Muting The Noise, der neben den Innervisions-Platten auch die Veröffentlichungen der beiden Sublabels sowie die von ausgewählten anderen Labels verkauft. Hinzu kommt auch der ganze Label-Merchandise. Außerdem werden künftig nur noch eine Handvoll Plattenläden exklusiv beliefert – darunter auch das Leipziger Freezone Records.

Für ein Label mit ausgeprägter Fan-Base ist das ein durchaus interessanter Schritt, gehen die Einnahmen des Online-Shops zu 100 Prozent an das Label. Dixon erklärt die Entscheidung auch mit der Tatsache, das ein Großteil der Platten über die großen Online-Shops wie Decks oder Juno verkauft werden. Der klassische Vertrieb hätte demnach relativ wenig Arbeit im verteilen, kassiere aber dennoch sein Drittel. Für kleinere Labels könnte die Idee auch interessant sein, indem sie sich mit anderen Labels zusammen schließen.

Im Indie- und Electronica-Bereich ist der Gedanke gar nicht neu. Morr Music hat auch seinen eigenen Shop A Number Of Small Things, bei auch Platten von Karaoke Kalk und zwei Dutzend anderen Labels angeboten werden. Ist dies also ein weiterer Schritt auf dem Weg zur strukturellen Straffung, um doch noch einigermaßen gewinnbringend ein Label führen zu können?

Analogsoul sind mit ihrem Weg des Crowdfunding übrigens an anderer Stelle ganz erfolgreich unterwegs. Mit Mud Mahaka ist bereits das nächste Musik-Spenden-Projekt geglückt.

Aus mit super

Die Odyssee ging lang, jetzt scheint sie vorläufig zu einem Ende gekommen sein – das Superkronik wurde geräumt.

Dass Anfang Mai eine Räumung stattgefunden hat, war schon auf der Facebook-Seite des Superkronik zu lesen. Zwei Wochen zuvor ging noch ein offener Brief an die Presse. Nun scheint aber wirklich Schluss zu sein, wie der kreuzer auf seiner Website heute berichtet. Ordnungsamt und Mietrückstande waren wohl zu erdrückend, um einer kompletten Räumung weiter zu entkommen.

Skurril auch, dass ausgerechnet beim Superkronik das Wort „Angst“ als Neon-Reklame angebracht wurde. Das Superkronik hat viel Potential ausgestrahlt mit seinem breiten, subkulturellen Profil. Richtig rund lief es nach dem Umzug an die Karl-Heine-Straße aber nie. Schade schade.

Neue November-Filme

Vor kurzem ging es hier schon einmal um die Home-Music-Video-Producer von 29th Films. Auch an einigen Leipziger Tracks hatten sie ihre Freude. Und so gibt es ein paar neue Videos zu bestaunen.

Kassem Mosse ist gleich dreimal dabei. Good Guy Mikesh & Filburt mit ihrem „Gold Snake“ sowie ihrem Dirt Crew-Remix, Efdemins Beitrag zur letzten Kann Records-Compilation und Daniel Stefaniks „Tension In Leipzig“. 45 Minuten also, um sich zurückzulehnen und das zweite Leipzig-Video-Mixtape anzuschauen. Wieder entstand es mit Hilfe von Drag On Tape. Viel Spaß.

Peinlich berührt

Jahtari und Alphacute sind mit zwei neuen 7“-EPs draußen. Und gerade letztere eröffnet Neuland.

Warum? Nunja, einmal kommt die türkis-illustrative Cover-Gestaltung von Franziska Kempiak alias Iska Kaek, die bisher allen Kann Records-Platten auch optisch zu Liebhaberstücken verhalf. Für das 7“-Cover der „Twoo Cereal Kyllers“ widmet sie sich einer figürlicheren Bildsprache, einfarbig gedruckt und mit bestempelten Etiketten. So wünscht man sich limitierte Platten.

Musikalisch ist es ein ähnliches Kleinod. Zwei dreieinhalb Minuten lange Stücke von Thee Vaporizer und Yvat, die zwischen vertrackter IDM- und Breaks-Schärfe und sanft schimmerndem Wohlgefallen pendeln. Besonders „Misses = Confusion“ von Thee Vaporizer spielt in der kurzen Zeit verschiedene Stimmungen durch, albern, schroff, niedlich-elegisch. Yvat ist mehr vom Stimmen und Sounds schreddern geflasht. So harsch beide Stücke sind, so sehr ist ihnen doch ein latenter Hang zum Eingängigen gemein.

Was diese Platte aber so zur Offenbarung macht, ist die Tatsache, dass sie eine gemeinsame Veröffentlichung von Alphacute, dem Alphacut Records-Sublabel und Flop Beat Disk, wiederum Sublabel von Minor ist. Erneut muss ich gestehen, dass mir hier einiges entgangen ist, es sind beides Leipziger Labels aus einem erweiterten Wirkungskreis von Alphacut, Phantomnoise und Privatelektro.

Ich höre aber zum ersten Mal davon – und dass bei einem Labelkatalog, der in vergangenen zehn Jahren auf 25 Veröffentlichungen auf Vinyl, CD-R und Tape gewachsen ist. Zuletzt erschien eine auf 100 Stück limitierte CD-R. Flop Beat Disk ist seit 2005 eine etwas weniger noise-geladene Spielwiese. Tolle Überraschung. Wenn auch etwas peinlich berührt.

Pupajim-Double-LockPupajim „Double Lock / Trouble Again“ (Jahtari)

Bei Jahtari fällt die Überraschung dagegen aus. Im Rahmen der Maffi-7“-Serie kommt Comic-Dubber Pupajim wieder zum Zuge. Zwar ist sein Pitch-SingSang immer noch genauso grundsympathisch wie auf seiner „I Am A Robot“-EP vom letzten Jahr.

Der Pop-Appeal von „Double Lock“ und „Trouble Again“ ist auch einfach unschlagbar. Doch irgendwie fehlt mir hier der viel versprechende Schritt nach vorn. Oder zur Seite. Solide und gut, könnte man auch schreiben. Disrupt beschreitet schließlich die beiden Instrumental-Versionen. Ebenfalls solide und gut. Hoch gleich bleibendes Jahtari-Niveau.

Alphacut Records Website
Jahtari Website
Flop Beat Disk Website
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Aufgeschoben

Prokrastination ist ein Stolperwort, doch die Bedeutung prägt unseren Alltag immerzu – wir schieben Dinge auf und erledigen stattdessen andere. So auch bei frohfroh: bei Moon Harbour ist einiges rausgekommen innerhalb des letzten Monats. Länger aufschieben geht nicht.

Wenn man es genau nimmt, war nicht nur Moon Harbour aktiv, auch das Sublabel Cargo Edition mischte mit. Doch beide Labels sind eh kaum getrennt wahrnehmbar. Insofern passt der Wurf in den gleichen, großen Topf.

Los ging es Ende Mai schon mit der neuen Compilation zur Circoloco-Reihe, bei der Matthias Tanzmann Resident-DJ ist. Vor drei Jahren waren es noch drei dicke Doppel-Digipaks, mit sechs Mixen und schrecklichen Covern – darunter die beiden wunderbar slimmen Sets von dem rumänischen Trio Arpiar. 2011 bleibt es bei einem Back-to-Back-Mix von Tanzmann mit seinem italienischen Kollegen Davide Squillace, leider auch beim Cover.

Beide waren am letzten Wochenende in der Distillery. Am Montagabend darauf spielten sie wieder auf Ibiza. Diese Rastlosigkeit ist auch dem Mix anzuhören. Bei der After-After-Afterhour hebt sich das Tempo anscheinend wieder, sind die Synapsen wieder aufnahmefähiger für sich dezent hochschiebende Peaks.

„The Next Level“, so der Name des Mixes, ist sehr loopig und verspielt zugleich, mit kleinen Wellen und kleinen Ebben. Er spiegelt eine glamouröse, irgendwie auch oberflächliche Leichtigkeit wider, bei der Anfang und Ende ausgehebelt werden. Mit „Memorial“ im Luna City Express-Mix, „Puddle Trouble“ und „Mr. Ray“ reihen sich auch einige Leipziger Tracks mit ein. Adam Ports „Basement“ wird zum Ende hin angeteast, demnächst erscheint der Track noch einmal auf einer eigenen EP bei Moon Harbour.

Martinez „The Paradigm Shift Remixes Pt. 2“ (Moon Harbour Recordings)

Dort steht aber gerade noch der zweite Teil der Remixe zum Martinez-Album ganz oben im Label-Katalog. Wirklich erstaunlich, was für ein großer Fokus auf diesen Remix-Paketen immer liegt – insgesamt elf Remixe von „The Paradigm Shift“ gibt es nun.

Darunter auch den Gewinner des Contests, an dem sich rund 150 Producer beteiligten. Gewonnen hat Tripmastaz aus St. Petersburg. Wuchtig schraubt sich seine „Paradigm Shift“-Version noch vorn, sehr toolig. Luna City Express bleiben sich ziemlich treu, steuern in gleich zwei Remixen sowohl ihr typisches House-Laissez-faire mit deepen Chords und einer gewissen Oldschool-Prise als auch ihr Faible für Downbeat bei.

Gerade die Downbeat-Version von „Lavender Mist“ sticht zwar aus der funktionalen Note der EP heraus, sie bleibt aber leider allzu sehr in den Downbeat-Laid-back-Klischees hängen. HipHop-Scratches für Breitpop-Formate, eine dicke, entspannt-rollende Bassline und ein lässig schlurfender Beat.

Die Höhepunkte der EP kommen von Alex Celler sowie Livio & Roby. Ersterer lässt nichts anbrennen, was die loopige Straightness angeht. Sein „Kamino“-Mix entfaltet jedoch eine plumpe wie auch reizvolle Energie. Wahrscheinlich ist es die konsequente Reduktion, das abgefedert Technoide, was diesen Remix so leuchten lässt. Roby & Livio, zwei Rumänen nehmen den entgegenesetzten Weg – zeitentgrenzte Deepness, klassisch, europäisch, ein Track, der in seiner Einfachheit nichts falsch machen kann.

Various Artists „Five Years Of Cargo Edition“ (Cargo Edition)

Die beiden Rumänen sind auch auf der Jubiläums-Compilation von Cargo Edition vertreten – mit einem eigenen Track, „Doar Un Test“. Da ziehen die das Tempo etwas an, bleiben aber in so einer leicht melancholischen, unaufgeregten Versunkenheit.

„Five Years Of Cargo Edition“ ist ähnlich groß aufgezogen wie die Moon Harbour-Jubiläen. Digipak mit zwei CDs, auf der ersten exklusive neue Stücke, auf der anderen ein DJ-Mix mit den Label-Klassikern. Die Covergestaltung bricht aus dem bisherigen Label-Stil heraus. Erstmals wird mit einem Foto gearbeitet, einem montierten mit US-Business-Appeal.

Cargo Edition wird von Matthias Tanzmann als die Spielwiese für speziellere Stücke gesehen. Und beim Durchhören der Compilation rückt das Dancefloor-Diktat tatsächlich etwas mehr in den Hintergrund. Natürlich ist das Gros der Stücke auf den Floor gerichtet. Aber es ist mehr House, mit weniger Peaktime-Loops.

Alles ist eine Spur gedimmter. Und in dieser Dichte geht die Compilation sehr schlüssig auf. Markus Schatz sowie Sven Tasnadi & Juno6, Ralph Sliwinski auf etwas offensivere Weise als Michael Melchner, Skipson und Ekkohaus.

Auf Position 6 und 7 schlummern jedoch zwei echte Perlen. „Venus“ von Minimono ist so dicht und angenehm angedunkelt im Bass, so stolpernd im Rhythmus, dass mir das Herz überläuft. Wunderbar auch die rein mäandernden, lange laufenden Bläser-Samples. Es passiert nicht viel hier, aber die Dramaturgie des Stücks hält eine permanente Spannung, die sich einfach nicht entladen möchte.

Veras „Crisis Of Faith“ besticht hingegen durch seine Fragilität. Sowohl die Beats als auch die spärlich gesetzten Sounds offenbaren eine spürbare Feinheit, die eigentlich einen eigenen Floor braucht. Der bislang beste Track von Vera.

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Cargo Edition Website
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Various Artists „Sleeping Animals“ (Fön Netlabel)

In Erfurt hat sich ein Verein für die Vermittlung von neuen kulturellen, öffentlichen Räumen gegründet? Was interessiert uns das? Zum Verein gehört auch ein Netlabel, und auf der ersten Compilation sind drei Tracks aus Leipzig dabei.

Es ist der Einstand für das Fön-Netlabel des Fön e.V.. Das Vermittlungsengagement des Vereins zielt zwar auf verschiedene kulturelle Bereiche, die Compilation ist aber straight im House, Techno und Electro verwurzelt. Sicherlich bekommen jedoch auch noch andere Genres ihr Podium, aber auf „Sleeping Animals“ dominieren die geraden Bassdrums und lässig schimmernden Chords. Mit dabei M.ono & Luvless, erstmals nicht nur als DJ-, sondern auch als Producer-Duo. Da kommt demnächst wohl auch noch mehr rosiges.

Ihr „Brenner 38“ ist eins dieser herrlich gedrosselten House-Stücke, die den Disco-Glamour ins Deepness-Zeitalter hieven, ganz dezent dosiert. Da heben die Chords durchaus großspurig ab, werden dann aber durch eine Piano-Spur neu eingebettet. Tolles Zusammenspiel. Erstaunlich, dass solch ein Track sich nur auf einem Netlabel-Server tummelt.

Der zweite Leipzig-Beitrag überrascht mich noch etwas mehr. Denn hier hatte wieder einmal IAMI seine Hände im Spiel. Erinnert euch an die euphorischen Worte zu „Waiting4π“ auf dem aktuellen Tetmusik-Sampler. Das Stück ist hier bei „Sleeping Animals“ auch noch einmal drauf.

Hinzu kommt aber „Letdown“, ein vertrackt, schnarrender Minimal-Track mit angenehmem Crisp in den Tönen und einem fast breakigen Zwischenpart. Fast theatralisch baut sich das Stück zum hin Ende auf. Ich weiß bisher nichts weiter zu IAMI, aber da ist ein Electronica-Background heraus zu hören. Was fest steht: mit diesem Namen ist demnächst mehr zu rechnen.

Hier gibt es die Compilation übrigens herunter zu laden. Ein Video zu „Brenner 38“ ist aber schon hier zu genießen.

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Lake People „Flugaal EP“ (Acker Dub)

Wonnemonat Mai – für Lake People dürfte sich dies erfüllt haben. Zwei EPs hat er in diesem Monat veröffentlichen können. Nach Musik Gewinnt Freunde steht nun auch bei Acker Dub sein Name im Label-Katalog.

Eigentlich sollte die „Flugaal EP“ das Vinyl-Debüt für Lake People werden. Es dauerte dann aber doch etwas länger. Zwei Wochen liegen nur auseinander zur „Clockhands EP“ auf Musik Gewinnt Freunde. Musikalisch zeigt sich auf der Acker Dub-Platte die etwas deepere Seite von Lake People. Mit weniger Rave-Appeal als zuvor.

Drei träumerische Tracks mit dicht verwobenen Chords, rhythmisch federnder Lässigkeit und der für Lake People durchaus charakteristischen Verspieltheit in den Samples und Sound-Dramaturgien. Seine Trickform-Vergangenheit taucht in den Zwischentönen einfach auch immer wieder auf. Eine schöne Sache, wenn solch eine Evolution im Sound nachvollziehbar bleibt – auch wenn Lake People heute an einem ganz anderen Ufer tanzt.

„Silent Dancer“ ist auch noch als Mollono.Bass-Remix mit auf der EP. Glatt gezogener und in seiner schwelgerischen Art noch stärker betont, klingt seine Version. Im Zusammenspiel mit der „Clockhands EP“ eine sehr schöne und schlüssige Platte.

Das Hörbeispiel ist übrigens ein Snippet – in der Reihenfolge: „Silent Dancer“, „Duffer In“, „Beenstisch“, „Silent Dancer (Mollono.Bass Remix)“

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Studio Studio – Juno6

Montag ist bekanntlich Schontag. Daher gibt es heute in erster Linie etwas anzusehen – und zwar den dritten Teil unserer Musikzimmer-Serie. Dieses Mal geht es in das Studio von Stefan Schultz alias Juno6.

Gemütlich sieht es aus. Und ordentlich vor dem Jammer der Nachbarn abgeschirmt. Zwei Aufnahmen aus der Session von vor wenigen Wochen haben wir ausgewählt. Stefan selbst erzählt in eigenen Worten etwas zu seinem Studio.

Fotografiert hat wieder der Leipziger Fotograf Christian Hüller. Zum Vergrößern der Bilder einfach darauf klicken, es öffnet sich dann eine Light-Box.

„Das ganze ist eine bunte Mischung aus analoger und digitaler Technik, angefangen aus den Siebzigern bis 2011. Dazu ein paar Flöten, Trommeln, Didgeridoos und zwischendrin eine Katze.

Lieblingsgeräte gibt es nicht, ich habe alle sehr lieb. Mal beschäftigt man sich mit dem einen Instrument mehr, mal mit dem anderen und wenn das dann langweilig wird patche ich die Dinger in beliebiger Reihenfolge zusammen oder hintereinander.

Wichtig sind mir bei der ganzen Sache immer nur mein bequemer Sessel und ein Becher Kaffee sowie das Spielen, bzw. der spielerische Umgang mit der Technik. Das ganze läuft dann meist in Sessions ab, welche ich recorde und direkt weiterverwende bzw. werden die in der Library abgelegt und für andere Projekte genutzt. Selten setze ich mich hin und baue mir genau diesen einen Sound, den ich gerade im Kopf habe. Ich mache das eher so impulsiv und nach Laune.

Vieles sammelt sich einfach nur mit der Zeit an. Hier mal was bei eBay gekauft noch bevor der Vintage-Hype losging und solche Geräte wie der Juno-6 zum Beispiel nur das gekostet haben was sie auch wirklich wert sind, dort mal was vom Kumpel geliehen und vergessen zurückzugeben. Oder man bekommt auch etwas geschenkt, etwa wenn die Eltern mit einer Djembé aus dem Urlaub zurückkommen – das passiert aber eher selten.

 

Lustige Geschichten gibt’s da leider auch nicht zu erzählen, schließlich wird hier ja ‚gearbeitet“, und dass macht bekanntlich keinen Spaß.
Jetzt wo es wieder wärmer wird, bleibt das Fenster geöffnet. So bekommt man aus dem Hinterhof nochmal ein ganz anderes Feeling. Experimente mit dem Hof gab es da auch.

Dabei wurden die Boxen aus dem Zimmer in Richtung Hofmitte ausgerichtet, um dann einen Sinus-Sweep zu machen, also ein Sinuston von ganz unten im Bass bis ganz hoch in die Höhen. Das ganze habe ich dann vom Balkon aus mit einem Mikrofon aufgenommen. Später habe ich am Rechner den Sinuston aus der Aufnahme rausgerechnet und dann hatte ich den eigenen Hof als Hall-Peset für diverse Reverb-Plug-ins.

Studio Studio #3 – Musikzimmer von Juno6 mit Katze (Foto: Christian Hüller)So einen Hof kann man aber auch direkt als ‚Klangerzeuger’ nutzen. Wenn z.B. der Hausmeister Rasen mäht oder im Nachbarhaus der Presslufthammer nervt. Besonders schön ist es, wenn die Leute im Hof zur eigenen Musik mitklatschen oder summen, was sich super verwenden lässt – wenn es das Material hergibt. So einen Hof kann ich jeden nur empfehlen.

 

Zu den Geräten an sich will ich jetzt nicht unbedingt was erzählen, weil jeder da seine Vorlieben bezüglich des Sounds und der Arbeitsweise hat und man eigentlich zu jedem aufgezählten Instrument ein Sound-Beispiel oder eine Bedienungsanleitung mitgeben müsste damit man sich wirklich ein Bild machen kann. Außerdem: macht der das gern so, der andere wieder ganz anders.“

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Der Tet-Ted ist freigeschaltet

Das Indie-Elektronik-Label Tetmusik geht neue Wege im Musikvertrieb und bietet seine aktuelle Compilation via Bandcamp an – jeder kann zahlen wie viel er mag.

Das Web 2.0 schlägt wild um sich, und gerade bei der Neuausrichtung der Musikwirtschaft passiert einiges. Bandcamp ist natürlich nicht die einzige Plattform bei der Musiker sich Labels und Vertriebe künftig sparen können. Doch die individuellen Mikro-Site-Anpassungen dürften die Seite doch interessanter machen.

Headnoaks nutzt von den Leipziger Elektronik-Akteuren Bandcamp derzeit am intensivsten – mehr als zehn Alben und EPs hat er hochgeladen und verkauft sie um die fünf Euro. Auch die Dambala Experience von Daniel Stefanik wurde zuerst bei Bandcamp angeboten bevor sie demnächst als 10“ noch einmal heraus kommt.

Tetmusik setzen dagegen auf das Zahl-soviel-wie-du-willst-Prinzip. Und so kann man selbst entscheiden, was einem der „Tetsampler 2011“ wert ist. Doch wie ist das mit der Wertschätzung eigentlich? Ist solch eine Veröffentlichung mehr wert wenn wenige einen hohen, vom Künstler vorgegebenen Preis zahlen? Oder wenn viele nur ganz wenig dafür ausgeben möchten? Schmälert es den Respekt einem Künstler gegenüber nicht, wenn nur 50 Cent pro Stück gezahlt werden, während der derzeitige Download-Shop-Standard bei einem Euro liegt? Kann es überhaupt einen allgemeingültigen Wert für eine digitale Kopie eines Musikstückes geben?

Wie auch immer, in erster Linie ist es eine durchaus sympathische Geste den einstigen Monopol-Anspruch der Musikindustrie aufzuweichen, indem der Kunde sagt, wie viel er zahlen möchte. Dennoch bleibt auch ein fahler Beigeschmack, weil solch ein offenes System eben auch der Discount-Mentalität in die Karten spielt.

Was mir der „Tetsampler 2011“ wert wäre, verrate ich nicht. Wahrscheinlich würde ich mir auch nur einzelne Stücke kaufen – eine weitere Respektlosigkeit dem Künstler und Label gegenüber? Limousine Rot sind und bleiben wunderbare Querdenker zwischen Pop und House. Nicht mal zwei Minuten geht ihr knisterndes und dicht verhalltes „Le Mépris“.

Elster Club überraschen hingegen mit einem amtlichen Live-House-Song, im Refrain dann aber doch etwas zu Hände-in-Luft-mäßig. Jennifer Touch und Fox Pet beamen sich straight in die dunklen Ecken der Achtziger, und es gelingt ihnen ziemlich gut. Stiller Höhepunkt ist aber Iami mit „Waitin4π“. Langsam schwebend, leicht pathetisch, aber irgendwie sehr anziehend in seiner Friedlichkeit ist dieses House-Stück.

Diese Compilation ist ein Querschnitt durch den Sound eines offen gehaltenen Labels – Gitarren spielen in der selben Liga wie Drum Computer und Synthesizer, introvertierte Tracks gibt es ebenso wie ausladende Indie-Hymnen. Das ist mutig und natürlich nicht jedermanns Sache. Aber Tetmusik haben ein gutes Gespür – in verschiedene Richtungen. Und da passt auch der Weg mit Bandcamp.

Tetmusik Website
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Analogsoul, Nachtdigital und mehr

Tick, Tick, Tick – neue Neuigkeiten, die vielleicht schon durch das ein oder andere Netzwerk gesickert sind, finden sich nun noch einmal gebündelt – im frohfroh-Ticker.

Los geht es mit Analogsoul. Nach deren erfolgreichem Crowdfunding-Aufruf zur Finanzierung der aktuellen A Forest-EP, folgt nun der Zweite.

Die Leipziger Post-Rock-Electronica-Band Mud Mahaka will ihre erste offizielle CD und ein Musikvideo durch die Fans teilfinanzieren lassen. Bis zum 5. Juli kann über VisionBakery gespendet werden. Jeder Spender erhält ein Dankeschön.

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Gestern schrieb Robag Wruhme auf Facebook: „Erobique und ich haben telefoniert. Wir hatten eine Idee. ‚Hier kommt die Sonne‘ kommt nun auf 10″ raus, und zwar in freundschaftlicher wie liebevoller Zusammenarbeit mit der Nachtdigital Crew & Kann Records.

Ein Cover wird es nicht geben, denn das dürft ihr nach Erhalt der platte auf dem ND-14 selbst gestalten.“ Alex von Kann bestätigt, dass sie sich um die Organisation kümmern. Und an ein paar Orten wird es die 10″ auch nach dem ND-Wochenende geben.

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Apropos Nachtdigital: Dort gibt dieses Jahr auch eine interaktive Licht-Installation zu erleben. Hier ein erstes Video dazu.

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Das Line-up des Think-Festivals steht schon einigen Wochen in großen Lettern an einigen Fassaden. Und es hat sich zu einer kleinen Werkschau der Leipziger Heroes gemausert. Selten gibt es in der Dichte so viele Leipziger Live-Acts und DJs zu erleben.

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Vorher gibt es noch ein anderes kleines Festival – Gratwanderung findet am 25. Juni zum fünften Mal im Steinbruch Möseln statt. Mit dabei Daniel Stefanik, Steffen Bennemann und die Uncanny-Jungs aus Dresden sind unter anderem dabei.

Mittagskind „Tequendama Disco“ (Retorica Recordings)

Es ist Mittagszeit. Mit hungrigem Bauch entstehen diese Zeilen hier. Und es ist kein Kalauer, dass es um Mittagskind geht, der seit gut zwei Monaten erste Tracks veröffentlicht.

Der Name Mittagskind geistert schon seit längerem durch die mehr oder weniger versteckten Line-ups der Eule-Partys. Und wer es durch das urbane Dickicht zu deren Partys schafft, wird früher oder später auch eines der Mittagskind-DJ-Sets erleben. Dass er auch Producer ist, war mir neu.

Innerhalb der vergangenen zwei Monate sind drei Tracks auf zwei digital veröffentlichten Compilations erschienen. Eine davon ist „Tequendama Disco“ des kolumbianischen Labels Retorica. Dort finden sich „Quantum Leap“ und „Solido“, zwei unaufgeregte Minimal-Stücke mit viel Melancholie und wehmütigen Harmonien. Letzterer mit tief raunender Bassline und einem angekitschten Saxofon-Sample.

Nimmt man die zwei Dutzend Tracks auf Soundcloud hinzu, dann ist eine leichte Düsternis und Verschlossenheit sowie eine gewisse Verspieltheit als Grundrauschen immer herauzuhören. An manchen Stellen ließe sich auch Pathos dazu schreiben. Effektvoller Minimal also in Zeiten, in denen der Reiz an Minimal etwas verflogen ist.

Allerdings passt dieser Sound nach wie vor in die vielen Afterhour-Stunden. Oder in die stille, ausgelaugte Zeit nach der Afterhour. Im Gegensatz zu den größtenteils unsäglichen Party-Bomben auf dem Rest der Retorica-Compilation klingen die beiden Mittagskind-Stücke aber mehr als deplatziert.

„Kreis mit Radius Null“ kam übrigens schon Anfang April bei Benthic heraus. Straighter, sehr aufgeladen und mit höherer Rave-Flagge ist dieser Track. Mittagskind ist also auch auf anderen Pfaden unterwegs.

Mittagskind Soundcloud
Retorica Recordings