On Tape #1 – Shell Tapes

Wir starten eine neue Serie – „On Tape“. Und wie der Titel andeutet, dreht sich diese kleine Serie an Artikeln nur um das Medium Kassette. Genauer gesagt soll der Fokus auf die Menschen in Leipzig gerichtet werden, in deren Arbeit die Kassette eine wichtige Rolle spielt. Sei es als Label, in der Herstellung oder in irgendeiner anderen Art und Weise. Los geht’s mit Shell Tapes.

Shell Tapes, das sind drei nette Leute, die selbst ein kleines Aufnahme-Studio für Kassetten betreiben und regelmäßig Tapes für andere Labels und Künstler:innen produzieren. Ich treffe Max, Nathalie und Sven in deren Kreativ-Raum in der Riebeckstrasse im Leipziger Osten – ein Mix aus Werkstatt, Co-Working-Space, Tonstudio und kleiner „Tape-Fabrik“. All das vereint dieser Ort unter einem Dach, der sich „Aquarium“ nennt.

Erstmal für alle, die euch und diesen Ort nicht kennen. Wo sind wir hier denn eigentlich, wer seid ihr und was macht ihr hier?

Sven ist ein Drittel von Shell Tapes und betreibt zudem das Tape-Label Golden Doom Records, ein Kassetten-Label für experimentelle Musik. „GDR“ ist eine Plattform für lokale Musikerinnen, wobei hier alles erlaubt ist, von Experimental Kraut Jazz oder LoFi-Ambient zu Noise-Punk. Er selbst macht auch Musik unter dem Namen Multimedia Schneider, schmeisst gemeinsam mit Max das Tonstudio im Aquarium und ist desweiteren im ZiMMT (Zentrum für immersive Medienkunst, Musik und Technologie) tätig.

Max veröffentlicht auf seinem Label Prepaid Records experimentelle elektronische Musik auf Tape (er selbst nennt es „Abstraktion auf dem analogen Medium“) und produziert unter dem Pseudonym ahabzutun. Des Weiteren veröffentlicht er physische Mixtapes mit wechselnden Artists (Prepaid Radio), die im Ton- und Dubbing-Studio aufgenommen und produziert werden. Hier ist alles drin vom klassischem DJ- bis zum analogen Live-Set.

Die Dritte im Bunde ist Nathalie. Sie legt unter dem Alias Valeska auf, ist Bookerin für die Pracht und das Trip Festival, studiert an der HGB Fotografie und plant derzeit ihre eigene, musikalisch experimentell ausgerichtete Veranstaltungsreihe im IfZ namens rewind. Im November soll die an den Start gehen. Sie kam zu Shell Tapes über ein DJ-Mixtape, welches sie vor ein paar Jahren für Max im Aquarium aufgenommen hatte.

Gemeinsam sitzen und sprechen wir an dem Ort, wo sehr viel von all dem entsteht und zusammenkommt.

„Das Aquarium ist ein interdisziplinärer, offener Raum für die Verknüpfung von Musik,
bildender Kunst, Literatur und Technologie.“
– Max

„Es besteht aus einem Co-Working-Raum, einem Musikstudio, in dem auch das Tape-
Dubbing stattfindet und einer Werkstatt, in der wir Dinge reparieren (…). Wir bieten auch Leuten an, dort selbst Dinge zu reparieren. Zudem haben wir einen 3D-Drucker, mit dem wir selbst Teile produzieren (…).“
– Sven

Wie ich außerdem erfahre, finden im Aquarium regelmäßig Konzerte, Lesungen und Workshops statt. In einem Workshop, der unter dem Namen „Heavy Wires“ läuft, dreht sich zum Beispiel alles um den Bau elektronischer Musikinstrumente und Klangerzeuger. Wechselnde Dozent:innen erklären hier, wie man beispielsweise selbst einen Oszillator oder ein Gerät wie die „Atari Punk Console“ baut. Und natürlich werden hier im Aquarium Kassetten hergestellt.

Was auf jeden Fall sofort ins Auge sticht, wenn man das Aquarium betritt, ist ein sehr großes Regal voller Tapes. Eine kleine Werkschau an Material, das hier bereits produziert wurde. Alles in „Echtzeit“, wie man mir erklärt. Das heißt: Es kann auf vierzig, parallel geschalteten Tape-Decks des selben Bautyps gleichzeitig aufgenommen werden. Es werden also nicht nur eine Kopie einer Kassette, sondern gleich vierzig auf einen Schlag produziert. Die Decks werden selbst gewartet und wenn nötig repariert. Alles schreit hier nach DIY auf einem sehr hohen Niveau.

Aber warum eigentlich Kassette? Ein Medium, das irgendwie retro erscheint und für manche vielleicht auch einfach unpraktisch? Sven meint:

„Für mich hat es sich aus dem Musik machen ergeben. Ich hatte mit Tape-Loops herum experimentiert und dachte: Moment mal, man kann doch auch seine eigene Musik auf Tape spielen. Ich hatte mir einen kleinen Stack an Tape-Decks zum aufnehmen bereits zugelegt, nur um dann auf einem Konzert, das ich mit Max gespielt hatte, festzustellen, dass der das bereits genau so gemacht hatte.“

Die Produktion von Kassetten sei niedrigschwellig und kostengünstig, ergänzt er. Ein Weg, seine Musik einfach und schnell an Freund:innen zu verteilen. Schallplatten seien in der Produktion oft teuer und man habe mit langen Wartezeiten zu rechnen. Zudem lohnen sich erst Auflagen in Bereichen, die oft gar keinen Sinn ergäben. Dafür sei die Hörer:innenschaft zu klein, die Veröffentlichungen zu speziell.

Es gehe aber auch darum, die Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken, was so nicht auf Spotify oder Bandcamp stattfindet, geschweige denn den Weg auf eine Schallplatte finden würde. Außerdem sei da noch der spezielle Klang einer Kassette, der nicht zu unterschätzen sei.

„Tape klingt geil. Eine besondere Qualität, die mitschwingt. Die objektiv betrachtet vielleicht gar nicht mal so gut ist, aber meiner Meinung nach unterschätzt wird und eine schöne, analoge Wärme mitbringt (…).“ – Sven

Es gibt aber noch eine weitere Motivation für die drei, Musik auf Kassette zu veröffentlichen und Tonträger unter die Leute zu bringen:

„Für mich ist das fast schon ein politischer Akt geworden. Mein Eindruck ist, dass es in den letzten 10-15 Jahren eine extreme Abwertung von Musik und extreme Veränderungen im Konsumverhalten von Musik gegeben hat. Dass sich eine Art von Kultur etabliert hat, die nicht mehr wahrnimmt, dass Musik von Menschen produziert wurde, die da ihre Zeit, Energie und Kreativität hineingesteckt haben.“ – Max

Den Musikmarkt in seiner jetzigen Form nennt Max eine Dystopie für die Produzierenden. Die Idee des Tapes könne als Akt der Selbstermächtigung von Künstler:innen, kleinen Labels und Gruppen verstanden werden, die sich zusammen tun, um Musik zu veröffentlichen. Als Idee, die man diesem Wahnwitz entgegen setzen könne.

Was mir selbst auffällt, wenn ich ab und an in Plattenläden verweile oder an Merch-Tischen stöbere: Die Präsenz der Kassette hat zugenommen. Sogar größere Acts und Labels, teilweise sogar kommerzielle Major-Produktionen haben oft Tape-Issues aktueller Releases anzubieten. Gibt es ein Comeback der Kassette oder sogar einen kleinen Hype wie man ab und zu hört?

„Was wir wahrnehmen ist, dass die Produktionszahlen bei uns jedes Jahr steigen“, meint Max. Und wie wird das aus der Sicht einer DJ und Bookerin wahrgenommen?

„Ich kenne nur zwei Personen, die mit Tapes auflegen (…). Ansonsten, sind die Genres,
in denen ich unterwegs bin, relativ tape-lastig. Ich weiß nicht, wie man das jetzt eingrenzen soll, vielleicht als dystopischen Cinematic-Post-Club-Noise-Sound. Hier veröffentlichen fast alle Menschen, deren Musik ich richtig gut finde, die ich auf Veranstaltungen einlade und selbst spiele auf Tape (…). Pop-Kultur findet meiner Erfahrung nach nicht unbedingt auf Tape statt“
– Nathalie

Klar, bringen vielleicht die Pet Shop Boys ihr neues Album auf Kassette raus oder das „Guardians Of The Galaxy“-Mixtape aus dem gleichnamigen Film wird tatsächlich als Merch-Artikel verkauft. Der Anteil von physischen Tonträgern am Musikmarkt allgemein – und vor allem der Anteil der Kassette – seien aber verschwindend gering, ergänzt Max noch zum Thema.

Wer in Leipzig selbst schon einmal mit dem Gedanken gespielt hat, eine Kassette aufzunehmen, wird auch über den Namen T.A.P.E. Muzik gestolpert sein, dem kleinen Sub-Unternehmen der Schallplatten-Produktionsstätte R.A.N.D. Muzik.

Hier wird ebenfalls das Bespielen von Kassetten angeboten. Auch Inlays und Cover können hier gedruckt, Zubehör erworben und zwischen diversen Kassetten-Farben ausgewählt werden. Was unterscheidet denn Shell Tapes eigentlich von T.A.P.E. Muzik? Seid ihr die harte Konkurrenz?

„Wir hatten ganz lange Angst vor T.A.P.E. Muzik, weil die ebenfalls Dubbing und
Produktion von Tapes anbieten. Wir haben dann aber festgestellt, dass diese Angst unbegründet war. Scheinbar schätzen uns T.A.P.E Muzik sogar.“
– Max

Der Fokus bei T.A.P.E. Muzik liege eher darauf, auf Masse zu produzieren. Auflagen von 200 Stück aufwärts. Die unangenehmeren, kleineren Aufträge übernehme da gerne mal Shell Tapes. Es sei sogar möglich, die bei T.A.P.E. bestellten Leerkassetten direkt an Shell Tapes ins Aquarium liefern zu lassen, wo sie dann bespielt werden. Manchmal werden diese sogar von T.A.P.E. Muzik-Mitarbeiter:innen nach Feierabend gebracht. Das ist dann auch das Stichwort für Max: „Danke an Franzi von T.A.P.E Muzik, die die ganze Logistik übernimmt!“

Mir fällt immer mehr auf, wie tief die drei in der Thematik stecken, wie sehr das Thema DIY und Selbstermächtigung eine Rolle spielen und wie eng sie mit der lokalen Musik- und Kulturszene verbunden sind. Auch die enge Zusammenarbeit mit weiteren Akteur:innen aus Leipzig findet Erwähnung. So zum Beispiel mit dem Riso-Club, einer Einrichtung für Riso-Print.

Und auch der von Shell Tapes initiierte und organisierte „Fachmarkt für Kultur“ kommt noch zur Sprache. Ein kleiner Leipziger Labelmarkt, der sich voll und ganz den analogen Medien wie Tapes, Zines und Vinyl verschrieben hat und vor kurzem bereits zum fünften Mal stattgefunden hat.

Wer sich übrigens selbst einbringen möchte im Aquarium, sei hiermit ermutigt dies zu tun. Der Plan einen Verein zu gründen steht. Auch soll Shell Tapes zu einem Vertrieb für Kassetten werden. Labels aus Nicht-EU-Ländern sollen via Shell Tapes ihren EU-Vertrieb bekommen, die Produktion und der Verkauf über „Shell“ laufen, um Zoll-Gebühren zu sparen und den Erwerb in Europa zu erleichtern.

Und wer selbst über die Produktion einer Kassette nachdenkt oder sich sogar ein Dubbing-Studio
selbst einrichten möchte, darf sich gerne melden unter der E-Mail Adresse: shelltapes @ posteo.net. Man werde dann alle relevanten Hinweise geben und Informationen teilen.

Fotos

Zum Schluss noch ein herzliches Danke an Nikolas Fabian Kammerer für die erneut tollen, atmosphärischen Fotos zu diesem Treffen. Wie er das Shooting wahrgenommen hat, erzählt er hier:

„Die Leute von Shell Tapes lieben das, was sie tun. Das merkt man schon vor dem Laden an dem liebevoll eingerichteten Schaufenster, in dem diverse Tape Releases zu sehen sind. In den eigentlichen „Produktionsräumen“ wird’s dann richtig nerdy, mit den gefühlt tausend Kassentrecordern, wirren Kabeln und den zu einem Netzwerk zusammengeschlossenen Audio-Gerätschaften. Das war ein sehr spannendes Treffen mit einer wirklich lieben Crew!

Behind the Nights – Disco Sprizz

Ein Spritz geht immer, oder? Wer das Sommer-Getränk auch auf andere Art und Weise in sein Leben lassen möchte: Eine Partyreihe in Leipzig heißt Disco Sprizz (mit zz) und verspricht „das fröhlich-spritzige Gefühl von einem erfrischenden Aperol Spritz in Form einer Party“ zu sein. Wir haben Anka, Gründer:in der Reihe, beim Nägel machen getroffen.

Ein Tag im Nagelstudio. Ja, der Text geht so los (no worries, alles richtig, lest weiter). Das Sex Nails-Studio in der Kollonadenstraße ist ein beliebter Ort, um (positiver) Exzentrik auch auf den Fingernägeln Ausdruck zu verleihen. Und man trifft dort (wie passend) häufiger Menschen aus dem Nachtleben, „DJ-Nails“ are a thing. Obwohl ich hauptsächlich auf Tastaturen tippe, lasse ich mir dort auch die Nägel machen (ist kein Hindernis).

Die Feile arbeitet sich an diesem verregneten Freitag (wieder mal) an ehemaligen Nagel-Aufbauten ab, man sitzt zu zweit in einer Reihe. Es surrt ein wenig, Musik läuft im Hintergrund. Und man kommt so ins Plaudern, stellt sich vor, was machst du so, oh zeig mal, geile Nägel, was lässt du heute machen? Ihr kennt das.

Anka aka bad:belle sitzt an diesem Tag neben mir und ich lausche unabsichtlich, was Anka von deren Partyreihe erzählt. Na ja und als frohfroh-Redakteurin kann ich eigentlich nicht anders als nachfragen. Auf diese Weise kam ich zu Disco Sprizz und Disco Sprizz zu mir. Und hiermit auch zu euch. Enjoy!


ff: Erzähl doch mal: Was ist Disco Sprizz?

Anka: Disco Sprizz, das sind sweete Vibes, gute Laune und das fröhlich-spritzige Gefühl von einem erfrischenden Aperol Spritz in Form einer Party. Die Partyreihe wurde erst vor kurzem ins Leben gerufen. Auftaktveranstaltung war der 08.07.23 im Noch besser Leben und dann ging es weiter im Pixi 08.09.23, das nächste Mal wird am 27.10.23 im Oskar sein. 

Welche Lücke besetzt du mit der Veranstaltung?

Es ist eine Party von FLINTAS für FLINTAS und für die queere Community (Allies willkommen) abseits vom gängigen Techno, mit einem Fokus auf groovy, bouncy Genres. Hauptsächlich kann die Crowd Disco, House, und ab und zu Hip-Hop oder Breaks erwarten. Außerdem soll es immer Dragshows geben.

Welche Locations und Residents gehören zum Kern deiner Reihe?

Da die Reihe neu ist, muss sich ein Team sowie eine regelmäßige Location noch bilden. Bisher wechseln die DJs und die Clubs. Musikalisch ist es mir wichtig, verschiedene DJs zu zeigen. Aber vielleicht wäre es gut, langfristig eine Residency in einem Club zu haben. Bisher übernehme ich sowohl Organisation, Booking, als auch Artist Care selbst, und lege jedes Mal auf. Als Dragqueen wird Lili Alexander Ende Oktober zum zweiten Mal performen. 

Ein paar Regelmäßigkeiten gibt es also doch schon. Auf die Orga-Arbeit kommen wir gleich nochmal, aber vorher: Wie kamst du auf die Idee, was motiviert dich und treibt dich an?

Ich will mit Disco Sprizz talentierten DJs und Dragperformer*innen eine Bühne bieten und der Community etwas zurück geben.

Du organisierst deine Veranstaltung alleine. Warum, welche Vor- und Nachteile siehst du dabei?

Zwar bin ich hauptverantwortlich, aber bekomme bei der Promo Unterstützung von meinem Kollektiv Italo Fundamentalo. Einerseits ist es cool, dass ich so frei mit meinen Entscheidungen bin und die Partyreihe von Grund auf neu konzipieren kann.

Andererseits ist es viel (Zeit-) Aufwand, aber für einen guten Zweck. Langfristig könnte ich mir vorstellen aus Disco Sprizz eine Art FLINTA-Kollektiv oder Ähnliches zu gründen.

Wie waren deine bisherigen Partys? Worauf legst du besonders wert, was ist dir wichtig? Und was hat dich vielleicht überrascht oder was hast du gelernt?

Die bisherigen zwei Veranstaltungen waren so erfolgreich, dass wir mehrmals am Abend Einlassstop hatten und der Dancefloor gut gefüllt war. Dabei waren hauptsächlich Queers und FLINTAS unsere Gäst*innen. Ich könnte nicht glücklicher sein, dass es bisher ein Volltreffer war. 

Die musikalische Vielfalt liegt mir am Herzen, klar, aber für einen gelungenen Abend ist eine ausgelassene, aber rücksichtsvolle Stimmung besonders wichtig. Alle sollten sich wohlfühlen und kreativ ausleben können.

Die nächste Veranstaltung steht bei dir kurz bevor, richtig? Worauf freust du dich, was wird Besonders und wer sollte die Party nicht verpassen?

Das Publikum darf sich auf zwei atemberaubende Performances von der Drag-Göttin Lili Alexander freuen. Es wird im wahrsten Sinne eine goldige Party mit der Dresdener Objekt klein a – Resident goldie. Und auch Goldie Palm serviert groovy House. Ich werde eine Mischung aus Indie Dance und Acid House spielen.

Am Freitag 27.10. wird der Indoor Floor vom Oskar in der Südvorstadt mit Housemusic beben. Das Oskar ist bereits in der queeren Szene als ‚Dirty Foxy Unicorn‘ Partylocation bekannt. 

Ihr habt es gehört, am 27. Oktober ist das Oskar der place to be.

Bells Echo Interim 2023

Am 10. November gibt es mal wieder ein Bells Echo – wieder an einem besonderen Ort und mit einem spannenden Headliner aus Japan. Wir präsentieren das Konzert und verlosen Tickets.

Die Bells Echo-Reihe ist seit einigen Jahren ein verlässliches Highlight für Konzerte mit experimentieller elektronischer Musik – nicht irgendwo, sondern an ungewohnten Orten. Dieses Jahr ist es mal wieder eine Kirche, die Heilandskirche in Plagwitz, um genau zu sein.

Ende Oktober 2023 eröffnet sie mit dem Westkreuz einen neuen Raum, der nach einem Umbau in neuen Glanz erstrahlt. Der Westkreuz-Bereich ist ein architektonisches Spezifikum, weil zu DDR-Zeiten in der Kirche eine Zwischendecke eingezogen wurde. Dadurch entstand oben ein recht niedriger Kirchraum und unten Platz für ein Kunstarchiv. Mehr Infos gewünscht? Hier gibt es ein interessantes Bau-Tagebuch.

„Die Heilandskirche hatten wir schon 2020 ausgesucht, mussten die Ausgabe aber wegen Corona absagen. Durch den extrem niedrigen Kirchraum ist man als Besucher auf einer Höhe mit der Orgel und nah an den Fenstern.“ – Stefkovic van Interesse, Mit-Organisator Bells Echo

Musikalisch spielt auch eine Orgel eine herausragende Rolle – allerdings eine selbst gebaute von Yosuke Fujita alias FUJI|||||||||||TA. Der japanische Soundkünstler nutzt dafür einen alten Blasebalg aus Holz und eine eigens entwickelte Klaviatur, um Luftströme in die Pfeifen zu drücken. Das ergibt eine melancholisch-sphärische, sehr unmittelbare, mantrenhafte Sound-Ästhetik, bei der auch die Geräusche des Bedienens organisch mit einfließen. „FUJI|||||||||||TA war schon seit einiger Zeit auf unserem Zettel, da seine Performance sehr eindrucksvoll und geisterhaft wirkt“, meint Stefko. Hier gibt es einen Eindruck davon:

Und zur weiteren Einstimmung empfehlen wir das 2020 erschienene Debüt-Album „Iki“.

Mit Maya Shenfeld gibt es am 10.11.2023 noch ein weiteres Ambient-Highlight. In Jerusalem geboren, nun von Berlin aus, entwickelt sie mit E-Gitarre und Elektronik einen verträumt-schwebenden, interstellaren Sound. Etwas zugänglicher in ihren Harmonien, vielschichtig in den Spunds.

Abgerundet und eingeleitet wird der Abend von Bells Echo-Co-Host Stefkovic van Interesse. Gemeinsam mit dem Video-Artist Gen.Pi, der Künstlerin Johanna Frederike Koenitz und dem Sound Designer André Klar hat er eine neue Performance mit lokalem Bezug entwickelt: Es geht um die Faltensprengung des Schornsteins im Leipziger Süden vor wenigen Wochen. Wie Stefkovic arbeitet, haben wir schon filmisch begleitet:

Tickets und Verlosung

Tickets für Bells Echo 2023 gibt es online bei TixForGigs.

Oder ihr macht bei unserer Verlosung mit. 3 x 1 Tickets könnt ihr gewinnen, wenn ihr bis zum 30.10.2023 an dance @ frohfroh.de eine Mail mit dem Betreff „Bells Echo“ schreibt. Die Gewinner:innen erhalten dann eine E-Mail.

KW 41 – Pause

Warum gibt es eigentlich gerade keine frohfroh-Tipps. Hier zwei Erklärungen.

Ja, seit fast 15 Jahren gibt es die frohfroh-Ausgehtipps. Bis auf ein paar Wochen Pause 2015 und während der Corona-Lockdowns haben wir euch konstant mit Party-Empfehlungen und Überblicken versorgt.

Das soll auch künftig so bleiben. Aber: Erstens gab es bei Party-Tipp-Host Jens einen Todesfall in der Familie – und damit nun wenig Lust, sich mit Party-Tipps zu beschäftigen. Einen Ersatz haben wir auf die Schnelle leider nicht.

Zweitens: Telegram etc. haben das Party-Announcement-Game sehr verändert. Oftmals habt ihr eure Überblicke zum Wochenende schon auf dem Smartphone. Leider verteilt auf verschiedene Gruppen zwar, aber dafür sicher auch einige Off-Location-Tipps, die bei frohfroh eh schwierig zu promoten sind. Wie wir mit dieser neuen Situation umgehen, möchten wir noch durchdenken.

Gebt uns bitte etwas Zeit.

Und hört gern in der Zwischenzeit in unseren Podcast oder in unsere Spot on-Mixe.

Spot on – 50PHIE

Es ist wieder Zeit für Spot on: 5OPHIE. Mit Platten angefangen und seitdem nicht mehr damit aufgehört. Ihr Sound erinnert oft an die Musik aus der Geburtsstadt des Techno: Detroit. Was es sonst noch mit 50PHIE auf sich hat, erfahrt ihr hier bei uns.

Schon länger in der Leipziger Techno-Szene dabei und jetzt kurz vor dem Umzug nach Hamburg: 50PHIE hat die letzten Jahre aktiv an vielen Leipziger Decks mitgemischt. Egal, zu welchem Gig es geht, ihr Plattenkoffer mit den Wackelaugen ist mit am Start. Wozu der früher eigentlich gedacht war und worauf es für 50PHIE beim Auflegen ankommt, erzählt sie frohfroh im Spot-on-Interview.

Wer bist du und wie bist du zum Auflegen gekommen?

Hi, ich bin Sophie und ich wohne schon seit zehneinhalb Jahren in Leipzig. Aber tatsächlich nicht mehr lange. Ab Mitte Oktober geht es nach Hamburg. Da studiere ich dann Kultur -und Medienmanagement im Master, mal schauen. Hab‘ auf jeden Fall Bock auf die Stadt und die Szene dort. Hier in Leipzig war ich auch immer feiern, damals noch im Pferdehaus auf der Karl-Heine, das gibt’s schon gar nicht mehr. Da hatte mich dann die elektronische Musik, obwohl ich eigentlich eher aus der Punk- und Hardcore-Schiene komme. Irgendwann wollt ich selbst was machen, hab mir nen Plattenspieler gekauft und mit nem Kumpel rumprobiert.

Deinen Plattenkoffer, den sieht man auch überall auf Instagram? Ist das schon immer so?

Stimmt, der Koffer. (lacht) Ursprünglich war der ja dazu da, Alkohol mit in den Club zu schmuggeln. Nein gar nicht. Ich habe zwar mit den Platten angefangen, aber dann erstmal bei nem Praktikum im Conne Island gelernt, wie man mit CDJs auflegt. Erst seit ein oder zwei Jahren spiele ich wieder mehr mit Vinyl. Es macht schon echt Bock, ich kann was anfassen und es fühlt sich mega gut an, wenn man es geschafft hat, da was Ordentliches zusammen zu mixen. Klar, digital auflegen bietet einem viel mehr Möglichkeiten und auch mehr Zeit. Deswegen find ich auch bis heute beides gut.

Was spielst du denn am liebsten?

Ich bin echt ganz schön breit aufgestellt. Am meisten gebucht werde ich für Techno, so ein bisschen dubby und ein bisschen detroitig. Ich spiele aber auch super gerne House und bin gerade so ein bisschen mit gebrochener Musik auf den Trichter gekommen. Zur Peaktime doller, aber auf dem Ambient-Floor gechillter. Also will mich da gar nicht so festlegen.

Und wo?

Ich liebe das ://about blank in Berlin. Da ist meist gutes Monitoring, guter Sound in der Booth, da geh ich mit einem guten Gefühl raus. Seitdem ich im IFZ die „Drive“-Veranstaltungsreihe mitorganisiere und im Island die Weekender, sind die Clubs eigentlich schon meine Base. Da fühl ich mich zu Hause und da bin ich super gern.

Und zu welcher Zeit?

Uff, das kann ich gar nicht sagen. Ich mag die Herausforderung, das Opening zu spielen. Da muss man sich dann echt was für überlegen und das Ganze schön aufbauen. Aber Peak Time macht auch extrem Spaß. Letztens habe ich auf dem Nachti-Festival von 2 bis 4 Uhr im Ravecave gespielt, das war schon echt witzig. Mein letztes Closing ist schon über fünf Jahre her. Vielleicht wird es bald mal wieder Zeit dafür. Kann mich aber echt nicht entscheiden.

Hast du irgendwelche Auflege-Rituale?

Ganz ehrlich, nein. Einfach nur unglaublich viel Rauchen vor Aufregung, das wars.

Schonmal was Witziges vom Pult aus beobachtet?

Ja, ich hab mal einen „Nur Show, kein Techno“ Gig gehabt, eher aus Spaß. Da haben wir die ganzen Hits und Oldies gezockt. Und bei „Time of My Life“ durfte ich bei einer Hebefigur zuschauen. Die hat nicht zu 100 Prozent geklappt, aber war extrem witzig.

Wie geht es jetzt weiter bei dir?

Der Umzug steht kurz bevor, ich freu mich auf jeden Fall schon auf die Hamburger Szene. Ich will unbedingt mal im „Pudel“ spielen (Update: Gesagt, getan, am 26.10. ist es soweit). Werde aber sicherlich auch noch viele Male nach Leipzig und Berlin zum Spielen kommen, fühlt sich einfach nach zu Hause an. Selbst produzieren wollte ich auch schon lange mal, aber das ist momentan eins meiner vielen kleinen Hobbies, die ich gerne mal vertiefen würde, aber bis jetzt noch nie die Zeit dafür gefunden habe. Momentan leb ich ja so ein bisschen vom Auflegen, das möchte ich in Zukunft eigentlich nicht. Dafür lieb ich es zu sehr und ich will den Spaß daran nicht verlieren. Das Auflegen soll etwas sein, wovon ich mir nice Platten kaufen kann und nicht etwas, wovon ich meine Miete bezahlen muss.


Party-Tipp

50PHIE’s vorerst letzter Drive-Rave vor dem Umzug nach Hamburg:

14.10.23
Drive @ IfZ // 23:59 Uhr
w/ Sol Ortega, Lydia Eisenblätter, Febi, Antr, 50PHIE


Spot on – der Mix

Zum Reinhören gibt es einen Spot-on-Mix von 50PHIE – und zwar ein Mitschnitt ihres Sets bei der ungesund-Party im about blank.

__Fotos

Und hier noch ein herzliches Danke an Iona Dutz. Von ihr kommen die Bilder dieser Spot-on-Ausgabe. Wie sie dieses Shooting erlebt hat, erzählt sie hier:

„Das Treffen mit Sophie findet mittags an einem heißen August-Tag statt. Die Klamotten kleben förmlich an den Körpern. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten für unsere kleine Fotosession: Den kühlen Schatten unter den Plagwitzer Industriebauten suchen oder die Füße im Karl-Heine-Kanal versinken lassen. Sophie machte beides mit.“

Hey Hey – leku 2023

Am 14. Oktober 2023 findet die zweite Ausgabe der Leipziger Kulturmesse – kurz leku – statt. Was es mit diesem Event auf sich hat, wollte Hey Hey-Podcast-Host Sebastian wissen.

Im vergangenen Jahr hatte die leku für ein erfrischendes Debüt gesorgt. Die Messe möchte einerseits die verschiedenen Akteur:innen der Leipziger Kultur- und Kollektivszene zusammenbringen, andererseits zum Entdecken einladen. Und zu entdecken gibt es auch dieses Jahr wieder einiges.

Neben der Messe im Werk 2, bei der sich Leipziger Kulturschaffende aus unterschiedlichsten Bereichen mit ihren Werken präsentieren, gibt es auch Workshops und Netzwerktreffen sowie Konzerte, Podiumsdiskussionen und eine After-Show-Party im Mjut.

Was hinter leku konzeptionell steckt, wie die Idee dazu kam und was euch erwartet, erfahrt ihr in unserem neuen Hey Hey-Podcast. Hierfür traf ich mich mit Victoria und Michael vom Orga-Team.

Weitere Infos gibt es auf der leku-Website und Instagram.

Stell die Verbindung her – 47. Leipziger Jazztage

Jazz und frohfroh? Why not. Es gibt immer wieder spannende Connections zwischen elektronischer und improvisierter Musik. Ein paar davon sind bei den diesjährigen Leipziger Jazztagen zu erleben. Wir verlosen Tickets.

Zum 47. Mal gibt es dieses Jahr die Leipziger Jazztage – das Festival ist durchaus eine Instanz im internationalen Jazz-Kalender. Es ist nicht das erste Mal, dass die Programm-Kurator:innen ihre Fühler in Richtung Elektronik ausgestreckt haben. Ich erinnere mich u. a. an Kollaborationen mit dem Conne Island.

2023 stehen die Leipziger Jazztage unter dem Thema „Stell die Verbindung her – und handle with care“. Es ist ein Plädoyer für die Neugier an Unbekanntem, Ungewohntem und für mehr Empathie gegenüber anderen. Im Begleittext heißt es:

„Mit der diesjährigen Festivalausgabe haben wir Musiker*innen eingeladen, die sich trauen in ihren zwischenmenschlichen Begegnungen Grenzen zu überschreiten und große Distanzen zurückzulegen: stilistisch, disziplinär, kulturell, politisch, geographisch. Musiker*innen, die sich empathisch ihrem Umfeld zuwenden, sich mit Vergangenheit und Tradition verbinden, die Ursprünge ihrer Identität erkunden, gleichermaßen aber auch in der Gegenwart verortet sind und Zukunftsvisionen entwickeln, die ihre jeweils ganz eigene Geschichte zu erzählen haben.“

Vom 14. bis 21. Oktober 2023 spielen mehr als 100 Musiker:innen in verschiedenen Clubs und Locations – internationale Stars, aber auch innovative Geheimtipps. Drei Konzertabende der Leipziger Jazztage möchten wir euch besonders ans Herz legen – weil es hier eben auch Verbindungen zur Elektronik gibt.

17. Oktober // UT Connewitz // 21 Uhr

Doppelkonzert mit dem Joana Duda Trio und Roher/Loderbauer/Westerhus/Freund.

Während die polnische Pianistin akustische Instrumente mit eigenen elektronischen Samples und Sounds frei bewegen lässt, geht das andere Quartett um die Berliner Legenden Max Loderbauer und Tobias Freund auf eine dunkel-repetitiv-perkussive Reise.

Yes Yeah? Wir verlosen 2×2 Tickets für diesen Abend. Bitte schickt bis 14.10.2023 an dance @ frohfroh.de eine Mail mit dem Betreff „Jazztage 17.10.“


19. Oktober // Schaubühne Lindenfels // 21:30 Uhr

Doppelkonzert mit STAX und SUM.

Das internationale Quartett STAX um den Leipziger Drummer Max Stadtfeld erzeugt einen kontemplativen Strom aus organischen und dezent elektronischen Sounds. SUM dagegen ist ein Performance-Duo mit Verbindungen zur Film- und Medienkunst, bei dem mächtige Beats auf intensive Improvationsmomente und eine experimentell gespielte Trompete treffen.

Interessiert? Wir verlosen 2×2 Tickets für diesen Abend. Bitte schickt bis 14.10.2023 an dance @ frohfroh.de eine Mail mit dem Betreff „Jazztage 19.10.“


21. Oktober // Werk 2 // 23 Uhr

Triplekonzert mit Gorz, Hjirok und Marie Tjong-Ayong.

Zum Abschluss der 47. Leipziger Jazztage wird es nochmals clubbig mit einem breakigen DJ-Set von Marie Tjong-Ayong. Davor begeben sich Gorz voll in die Welten der Free Jazz-Improvisation. Und Hjirok geht zusammen mit Andi Toma von Mouse On Mars auf die Spurensuche nach transzendenten kurdischen Sounds. Aber leider ist er krank, so dass mit Siamand Mohammadi  an den Synths auftreten wird.

Ihr wollt dabei sein? Wir verlosen 2×2 Tickets für diesen Abend. Bitte schickt bis 14.10.2023 an dance @ frohfroh.de eine Mail mit dem Betreff „Jazztage 21.10.“


Tickets und mehr

Mehr Informationen zum gesamten Programm der 47. Leipziger Jazztage findet ihr auf www.jazzclub-leipzig.de/leipziger-jazztage. Tickets gibt es an den bekannten Vorverkaufsstellen in Leipzig oder online.

Artwork von Stefan Ibrahim.

New In – September 2023

Der September ist rum – und mit ihm ein Monat mit einigen guten Leipzig-Releases. Hier sind unsere Top 6.

George John – „Remote Island EP“ (Blaq Numbers)

George John ist zurück! Mit seiner zweiten EP auf Blaq Numbers und die sieht aus wie sie klingt und anders herum. Wunderschön und smooth. Die Illustratorin Nänni Pää hat bereits einige der letzten Releases auf Blaq Numbers gestalterisch begleitet und was soll man sagen? Du willst das Tape sofort auflegen.

Der Musiker holt alles raus aus seinem Instrumenten-Fuhrpark. Cheesy Analog-Synths, (E-)Piano Chords und Funky Basslines fliegen und flirren umher. Fünf Tracks stammen vom Artist selbst und bewegen sich in der Schnittmenge aus E-Funk, Downbeat, (Hip-)House und instrumentaler Pop Music. Das Paket wird abgerundet mit drei Remixes, die ein wenig mehr auf den Dancefloor schielen.

Eine runde und funky Sache, aber ich hatte hier nichts anderes erwartet als Qualität. Keine Ahnung, wo das Label all diese guten Artists herzaubert, aber ich bin und bleibe Fan vom Label der schwarzen Zahlen.

Nils‘ Hit: „I´ll be gone“. Why: Weil hier alles so wunderschön gleichzeitig passiert.


Malo Moray & His Inflatable Knee – „Atolls“ (self-released)

Weisst du noch, was du 2020 getan hast? Und 2021? Was du gefühlt hast? Jahre der Isolation, des Rückzugs, vielleicht auch der Besinnung. Zeugnisse in Schrift- oder Musikform aus dieser Zeit gibt es viele. Und manchmal wirkt diese Zeit wahnsinnig weit weg und unwirklich.

Der Leipziger Musiker und Bassist Malo Moray hat in diesen beiden Jahren ein episches Album mit befreundeten Mitmusiker*innen aufgenommen, welches soeben auf Doppel-Vinyl/MC und digital erschienen ist. Gemeinsam und doch isoliert. Basierend auf den Improvisationen von Malo sollten die Mitstreiter*innen nur ihrer Intuition folgend einen Take einspielen.

Es beginnt mit einer Fläche. Man kann die Klangquelle nicht richtig ausmachen. Eine Orgel vielleicht oder ein Synth? Es geht Schicht um Schicht. Ein Bass, Streicher, das ganz große Zusammenspiel. Kammermusik, die sich orchestral aufbäumt, sich aber auch keinem Genre verschließt. Einfach Emotionen transkribiert in Musik. Eine Platte, wie sie vielleicht früher auf Constellation erschienen wäre (Godspeed You Black Emperor! usw.). Mit Stücklängen bis zu einer halben Stunde braucht es hier auf jeden Fall Aufmerksamkeit. Schenkst du sie diesem Album, wirst du belohnt. Sortiert sich irgendwo ein zwischen Ambient, Postrock, Jazz und Experimental. Groß!

Nils` Hit: „Replying to Unadressed Letters“. Why: Bin einfach in love mit dem Drone-Synth am Anfang.


Mbius – „FREE005“ (Breakfree Records)

Mittlerweile auch schon bei Nummer 005 angekommen ist das „R.A.N.D. Muzik“-Sublabel „Breakfree Records“, betrieben von Salomo und Reece Walker. Wo jetzt genau die musikalische Abgrenzung zu „R.A.N.D.“ liegt, wird zwar auch bei dieser Veröffentlichung nicht klar, wohl aber, dass der Release für mich positiv heraussticht.

Vier ziemlich straighte, aber durchaus melodiöse Tech House-Nummern mit kosmischen Synths über perkussiver Schwerstarbeit im Bereich von 130 bpm. Klingt nicht neu, aber trotzdem frisch. Was es für mich allerdings hier rausholt ist der Track „Mittelsachsen Sundowner“ auf der B1. Zwei Akkorde reichen hier schon um glücklich zu sein. Die 303-artigen Sounds und das Voice Sample tun ihr Übriges. Absolut magischer Track!

Nils` Hit: „Mittelsachsen Sundowner“. Why: sh. oben 🙂


M-pha – „Tollwut Synapses“ (GLYK)

Und auch GLYK, das Label von DJ Balduin hat was Neues raus. Unter dem experimentierfreudigen Pseudonym M-Pha veröffentlicht Balduin ein Mixtape mit Fremdmaterial und eingestreuter eigener Musik. Ein Mix, der zum genauen Hinhören einlädt und somit nur als Kassette und Stream via Bandcamp erhältlich ist. Entstanden ist der Mix als Teil eines Projektes während der Pandemie. Künstler*innen waren angehalten sich mit einem bestimmten, per Zufall ausgewähltem Thema auseinanderzusetzen und in Musik zu übersetzen. Die Ergebnisse wurden dann in gemeinsamen Online-Listening-Sessions geteilt.

Wir befinden uns hier auf jeden Fall irgendwo im Wald und irgendwas beisst. Alles andere als gemütlich. Field Recordings neben Ambient im weitesten Sinne und Perkussives. Mal atmosphärisch, mal noisy überdreht. Es bleibt düster und irgendwie bedrohlich. Vielleicht nicht unpassend für die Zeit, in der der Mix entstand. Ein Mixtape, der etwas anderen Art und das spiegelt sich auch in der aufwendigen Gestaltung der Kassette wieder. Balduin war auf jeden Fall mit dem Schleifpapier zu Gange.

Nils` Hit: Schick mal Track-ID bei 39.02 min!


Manasyt „The Genetic Lottery“ (Lunatic)

Nach einer längeren Pause gab es im September auch mal wieder ein Lebenszeichen des Leipziger Electro-Labels Lunatic – immerhin im zehnten Jahr des Label-Bestehens. Und auch die Katalognummer ist ein kleines Jubiläum, es ist nämlich das zehnte Release. Manasyt hatte die Ehre, es mit einem Mini-Album zu feiern. Bisher hatte ich den bulgarischen Producer, der mittlerweile in China lebt, noch nicht auf dem Schirm. Sehr schade, denn die sieben Tracks des Albums schaffen es für mich, dem recht auserzählten Electro-Genre doch ein paar neue Nuancen hinzuzufügen. Rhythmisch ist hier ein anderer Drive drin. Vielleicht ist es das höhere Tempo, vielleicht der Minimalismus. Aber auch in den Harmonien und Sounds stecken einige Sci-Fi-Soundtrack- und Rave-Anleihen sowie eine andere musikalische Epik. So entsteht ein spannender Mix aus Dystopie und Utopie. Super Album, das es auch als limitiertes Vinyl mit einem Siebdruck-Cover gibt.

Jens‘ Hit: „Treatment #8“. Why? Weil gerade im zweiten Teil der filigrane Beat und die cineastischen Sounds eine ganz eigene Spannung erzeugen.


Finn Klein & Pal_unknown „Dorothea“ (110100100.global)

Zum Abschluss noch eine interessante Jazz-Folk-Electronica-EP vom Leipziger Label 110100100.global. Mit Finn Klein & Pal_unknown sind hier zwei Nürnberger Musiker zu hören, die sich in einem sanft angerauten Terrain mit Field Recordings, Gitarre und elektronischen Geräten unterwegs sind. Die vier Stücke der EP lassen einerseits der süßen Melancholie und warmen Kontemplation viel Raum, andererseits sind da immer wieder auch Reibungen in den Sounds. Eine gute Balance zwischen Abtauchen und Entdecken, organischen Klängen und elektronischen Experimenten. Die zwei Remixe bringen dann mittendrin etwas Hektik in die EP – musikalisch durchaus filigran und gut, aber in der Dramaturgie dieser EP etwas too much.

Jens‘ Hit: „I“. Why: Weil die Spielplatzsounds mit den elegisch verzerrten Gitarren unglaublich gut passen.

Spot on – Madda Chantal

Pink, Pastell, Barbie aesthetics – dazu ein schneller, harter, gebrochener Sound und viel Experimentierfreude, ohne dabei abzuheben: Das ist Eiji alias Madda Chantal. Wie Eiji mit seinem Sound und seinem Style die allzu übliche Vorstellung von Techno-Couture herausfordert und warum der Berliner die Leipziger Szene schätzt, erzählt er im Interview.

__Leipzig und Berlin

Eiji De Luca nennt sich Madda Chantal, arbeitete als DJ und Selektor unter anderem im Aeden in Berlin und kam vor rund drei Jahren nach Leipzig. Der Grund: Er musste aus seiner Berliner Wohnung ausziehen – ein guter Anlass, „um mal rauszukommen“, erzählt er. Leipzig kannte er von Feier-Ausflügen und war schnell angetan von der Technoszene, den Clubs und den Möglichkeiten der Stadt. 

Geradezu antizyklisch, denn der Fluss nach Berlin ist ungebrochen; kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein:e DJ ein Zimmer in Berlin via Instagram sucht… Aber Leipzig und die Leipziger Art zu Feien gefiel Eiji. Die Ausflugsstadt wurde zu seinem Hauptwohnsitz.

__Psytrance und Peak-Time

Die Faszination fürs Feiern und für elektronische Musik liegen bei Eiji zehn Jahre zurück: „Mit 13 war meine große Liebe Psytrance und Darkpsy“, sagt er und erinnert sich an seine ersten Male in Berliner Clubs. Die hat er recht jung kennengelernt, ausgiebig. Damals kam bei ihm schon nach den ersten Nächten der Wunsch auf, Leute zu seinen Beats tanzen zu sehen, sagt er. 

Denn Feiern ist das eine. Auflegen, im Nachtleben aktiv sein und dort arbeiten, das ist das andere. Für ihn war es ein ganz logischer, nächster Schritt: DJ werden. Mit geschenktem Equipment einer Freundin – der er hierfür ewig dankbar sein wird, sagt er – und einer Traktor-Software, fing er an; und legte das erste Mal in Berlin, später auch in Leipzig bei Freund:innen auf. Damals noch „klassischen und härteren“ Techno. 

Leipzig empfing ihn also nicht nur als Gast auf der Tanzfläche, sondern auch als DJ sehr herzlich. Die Szene sei eben eher klein, „süß“ und übersichtlich, findet er. Ein enormer Vorteil, um Anschluss und Gigs zu finden. Das sei in Berlin anders, die Schnelllebigkeit dort könne schnell frustrieren. Er sei deshalb weiterhin froh, in Leipzig zu leben. Auch wenn er in letzter Zeit mit Wien als place to be liebäugelt. Leipzig als Zwischenstation auf der Weiterreise? Auch das ist nicht abwegig, wird aber erst die Zukunft zeigen.

__Pastell und Pink

Auffallend ist nicht nur Eijis pumpiger, vibiger, breakiger, trotzdem immer düster-technoider Sound bis 150 BPM, sondern auch sein Style. Pastell, Pink, Crocs mit Plateauabsätzen, Handtaschen und Uhren an jedem Handgelenk, oft sogar am Fuß, sind sein Markenzeichen:

„In erster Linie ziehe ich das an, weil es ich es geil finde. Es passt zu mir als Person – es ist ein bisschen silly, cute und es versprüht einfach Frische, finde ich“

– sein Stil sei witzig, aber nicht ironisch.

Das typische Bild von Männlichkeit und wie sich Männer „üblicherweise“ kleiden, werde hierbei gebrochen. Und gerade Männer fühlen sich davon durchaus provoziert, sagt er. Auf der Straße fallen die Reaktionen nämlich leider meist anders aus als im Club, wo sein Kleidungsstil eher Anerkennung statt Abwertung erfährt. Seine Persönlichkeit, ob beim Auflegen oder im Alltag, mit Kleidung und Farben auszudrücken, sei ihm aber wichtiger als die Befindlichkeiten rosa-hatender Typen.

„Ich nehme das DJ-sein sehr ernst, weil ich dafür brenne“

– Eiji aka Madda Chantal

Eiji beobachtet die Partyszene als DJ und weiterhin als regelmäßiger Gast in nahezu allen Leipziger Clubs; und fast alles bei ihm hat irgendwie direkt oder indirekt mit Clubkultur zu tun: „Ich nehme das DJ-sein sehr ernst, weil ich dafür brenne“, sagt er sehr bestimmt zum Ende des Interviews. 

Das ist spürbar, wenn er von Nächten erzählt, bei denen er aufgelegt hat. Oder vom Ausgehen und Tanzen mit Freund:innen: „Im Club kann ich mich zeigen, wie ich bin. Und hier lerne ich immer wieder Leute kennen, die mich auch genauso annehmen und mich supporten.“ 

__Lust auf Herbst

Gerade hat er drei neue Partyreihen in Leipzig entdeckt, die für ihn Zeitgeist und einen modernen Sound vereinen: Saft, Morph und Maniac. Sie markieren das Ende einer Durststrecke, in der ihm die Veranstaltungen in Leipzig zu „alt eingesessen“ und nicht mehr wirklich progressiv-interessant vorkamen. 

Das sind gute Vorzeichen für die Zeit nach der Sommerpause. Eiji werden wir in der kommenden Saison sicher wieder in den Leipziger und Berliner Clubs treffen – entweder auf der Tanzfläche oder als Madda Chantal hinter dem DJ-Pult. 

Einstimmen, auf welche Party, Session, Pre- oder Afterhour auch immer, könnt ihr euch mit dem frohfroh-Mix von Madda Chantal. Enjoy!


Alle Fotos von Iona Dutz. Noch mehr Bilder findet ihr auf Ionas Website und bei Instagram.

KW 38 – Samstag

Und hier noch zwei interessante Tipps für den KW 38-Samstag.

frohfroh-Tagestipp //

Narciss presents: Language Of Love // Institut fuer Zukunft // 23:55 Uhr
w/ Narcis b2b Malugi, I$A, Bbetriebswirt, Nb}|{MC, J Nuggetz

Nice, Narciss hostet hier eine eigene Party für wunderbare musikalische Grenzüberschreitungen. Da treffen Broken Beats und House auf happy Rave-Sounds und euphorische Chords. Gemeinsam mit Broken Hearts-Resident Maluga wird Narciss ein B2B-Set spielen.


Außerdem heute //

DanceNFriends & Face To Face – Neue Welle, 23:00 Uhr – Hardgroove und Techno mit Leo_Lauch, Polaroidbær b2b Hoffster2000, Lecat, Rove Ranger, David Löhlein

KW 38 – Donnerstag

Das Seanaps ist zurück – heute gibt es das Festival-Opening.

frohfroh-Tagestipp //

Seanaps Festival 2023 // Westflügel, Luru Kino, Techne Sphere Leipzig, Westwerk, Temporrrm, Txpx // 18:30 Uhr
w/ Anna Schimkat, Miki Yui, Hauptmeier|Recker, Yun-Chu Liang, Felicity Mangan, Damsel Elysium, Wild Terrier Orchestra, Selu Herraiz, Wilted Woman, Maurice Louca, Slumberland, Weird Dust, Don The Tiger, CV & JAB, So Sner, Damian Dalla Torre, Lieven Martens, Julia Santoli & Lorenz Lindner, Jane Jin Kaisen, GAŁGAŁ

Heute startet die siebte Ausgabe des Seanaps Festivals – mittlerweile eine feste Event-Reihe, die experimentelle und zeitgenössische Musik, Kunst, Performance und Filme präsentiert – viele Veranstaltungen sind auch for free und damit niederschwellig besuchbar. Dieses Jahr steht das Programm unter dem Motto „Composing Future“. Bis Sonntag gibt es Konzerte, Interventions, Screenings und Workshops.

Das gesamte Programm findet ihr hier.

VA – Disco Orangen (VAYA)

Einen kleinen musikalischen Nachtrag zum scheidenden Sommer liefert uns das Leipziger Label VAYA. Die Macher haben bereits mit der ein oder anderen Soli-Compilation und hübschen Shirts einen blendenden und bleibenden Eindruck hinterlassen. Nun folgt der erste Release auf Tape und man kann es nicht anders sagen: Der Name ist Programm.

VAYA versammeln auf „Disco Orangen“ ein wenig Produzent*innen-Prominenz aus dem erweiterten Umfeld und liefern eine geschmackvolle und vielseitige Compilation. Konservierte Sommer-Vibes auf satten 2 x 40 Minuten für das Kassettendeck am See oder den Walkman unterwegs. Wer es lieber digital hat, findet die Compilation auf Bandcamp als Stream und Download. Es lohnt sich!

Ob Discofunk (Ranko) oder fluffiger Dubstep (Lai Raw), Beastie Boys-Hommage (Varum), House (DJ Balaton; Cimas, Rob de Bank; Siggatunez) oder Synth-Pop (supa KC; Heron). Das Spektrum ist ziemlich breit und macht Freude. Hört sich wie ein schönes Mixtape, das einem jemand aufgenommen hat, der einen mag.
Mit „Insights“ von Jakob Mäder gibt’s dann gleich noch einen super sweeten Disco-House-Kracher (mein geheimer Favorit), der Lust macht rauszugehen, zum See zu radeln oder auf eine Open Air Party zu gehen.

Apropos: Die Vaya-Compilation feiert an diesem Samstag ihren Release im Leipziger Westen.

SA, 16.09.2023

@ MULE

14-22 h


Na, wenn das nicht verlockend klingt? See you around!