Im Februar erschien die neue EP von Pony Pracht. Für einen Song hat die Leipziger Musikerin ein Mini-Videogame dazu programmiert – für einen ganz besonderen Zugang zu ihrer Musik und den Texten. Wir sind eingetaucht in die EP und 3D-Welt.
Immer mal wieder begegnen mir auf Social Media Fotos und Videos von Leuten, die ihren alten Game Boy oder Nintendo DS wieder rausgekramt haben. Dabei spielen sie nostalgisch Spiele wie Mario Kart, Animal Crossing oder Nintendogs. Ich hatte als Kind und Jugendliche keinen Game Boy und erinnere mich daran zurück, wie mein einziger Videospiel-Zugang in den 2000/2010er Jahren Browser-Games waren. Lisa Zwinzscher aka Pony Pracht hat ein Browser-Game zu ihrer Single „Aics“ entwickelt, das mich genau an diese Zeiten zurückerinnert. Die Single erschien im Februar diesen Jahres auf ihrer EP „Lomb“.
Das Design des Spiels strotzt in seinem Vaporwave-Look nur so vor 3D-Retro-Vibes. Auf die Idee eines Videogames zu ihrem Song ist Pony Pracht 2021 gekommen, als sie bei einer Musikvideoproduktion mitgewirkt hat. Dort beschäftigte sie sich erstmals mit der Software Unity, die sie auch für das Programmieren ihres Videogames benutzt hat.
Mit dem Videospiel zum Song ermöglicht Pony Pracht nicht nur Hörende:rihres Songs zu werden, sondern auch aktive:r Teilnehmende:r.
„Ich fand den Gedanken cool, dass man es im Gegensatz zu einem Musikvideo gestalten kann und dass es jede und jeder irgendwie auf seine eigene Weise spielen wird.“ – Pony Pracht
Dabei greift das Videogame die Ästhetik und visuellen Elemente des dazugehörigen Musikvideos auf, das bereits Februar diesen Jahres erschienen ist.
Im Spiel schwebt ein Kopf durch eine rosarote Pastell-Welt auf der Suche nach Samples aus dem Song. Die Aics-3D-Welt, durch die der Kopf fliegt, symbolisiert eine spannende unbekannte Welt, die wir erkunden dürfen. Hat man alle Samples gefunden, kann man im letzten Schritt eine Hardware einsammeln. Was man mit dieser am Ende machen kann, solltet ihr euch am besten selbst hier ansehen und anhören.
Im Song „Aics“ geht es um das Loslassen einer langen Beziehung und das daraus resultierende Freiheitsgefühl. Dieses Gefühl spiegelt sich sowohl im Song selbst als auch im Spiel wider. Passend zur Ästhetik des Videogames und des Musikvideos rollt Pony Pracht vor uns einen Ambient-Vaporwave-Soundteppich aus, geprägt durch repetitive Synths mit sanfter Sogwirkung, welche durch deren Dynamik erzeugt wird. Darüber liegen die Vocals, die im Vergleich zum Instrumental viel bestimmter wirken. Dies bricht aber keinesfalls die Atmosphäre, sondern gibt dieser einen angenehmen, dezenten Drive.
Das Videogame selbst sieht Pony Pracht als „Geschenk“ an ihre Hörer:innen und auch ich bedanke mich für diese schöne, erholsame Spielerei durch die kleine Welt des Songs „Aics“. Und dazu empfehle ich, gleich noch in die ganze EP reinzuhören:
Die Vaertism-Label-Crew ist mal wieder im Westen zu erleben. Das heißt: Eine smoothe Nacht mit House von dem Halle-Rostock-Duo Tillydin und Minimal mit Submod aus Leipzig. Dazu legen auch die Vaertism-Hosts Mbius und Jewelry ihre House-, Disco- und Breaks-Tracks auf.
Außerdem heute //
IfZ x Veselka – Institut fuer Zukunft, 23:59 Uhr – Techno, Progressive, House mit dem ukrainischen Queer-Club-Kollektiv Veselka mit Tweeman, Vani Vachi, Cleo Snk, Julian Muller, Gili, Janthe – VORAB um 18:30 Uhr: Panel-Diskussion zum Thema „Queering The Rave – How queer club culture can be built, kept and nurtured“ mit Vani Vachi, Serj, Gloriya und Rasheed
Electrolyt – Neue Welle, 23:00 Uhr – Electro, Breaks, Rave und Techno mit Flax, Goody b2b Varum, Jetson G, Toni Pfad
Westhafen Klub – Westhafen, 20:00 Uhr – House, Techno und Tech House mit Radio Slave, Mathias Kaden, Isabeau Fort, Divilius Lenni, Markus Welby, Anahi, Sledge
Saturday Rave – Distillery, 23:00 Uhr – House, Techno, Breaks, Tech House mit Schwarzmann, Lars Christian Müller, Dahmar, Coco Cobra, Solaris, DJ Yumyum
& with Brotfabrik – Elipamanoke, 23:59 Uhr – Tech House, House und Techno mit Blank Vision, Emel White, Jakomo, Lady Lynzki, Langnikel, Nøvae, Riod, Rn86, Simon Phil.ther, Tante Emma
Unsere Party-Tipps für diesen Freitag beginnen mit einem besonderen Konzertabend. Und die Nacht ist erstaunlich divers.
frohfroh-Tagestipp //
Graveyard Records x Rituals // Conne Island // 20:00 Uhr w/ David Novell, Alehlokapi & Band, nspktklr, Jivee
Ein spannendes, nicht klassisch-frohfroh-typisches Team-up gibt es heute im Island: Das Leipziger Label Graveyard Records und die Party-Crew Rituals kuratieren einen gemeinsamen Abend mit Avant-Soul, Wavy Rap, Electronic Pop sowie ebenso radikal-romantischen wie auch kritischen Stimmen. Live im Konzert sind David Novell, Alehlokapi und nspktklr dabei – zwischendurch und im Anschluss legt Jivee auf.
Außerdem heute //
Italo Fundamentalo – Distillery, 23:00 Uhr – Italo Disco, Cosmic und Milano-Vibes mit Italoconnection, Shimanski, Rascheljacke, Corrado DJ
Vertigo – Institut fuer Zukunft, 23:59 Uhr – Techno, Darkroom, Redroom, Extravaganz und Fetisch mit Illousion, Krusie_Kontrol, Wellengenerator, Ezuri
Mechatronica – Neue Welle, 23:00 Uhr – Electro, Acid, Techno mit Credit 00, Lazercat, Mejle, Milan Hermess, ElectroDon
Klubnacht – Mjut, 23:55 Uhr – Jungle, Breaks und UK Bass mit Yeahlena, Atrice, Translucid
Liminal Love – Ilses Erika, 23:00 Uhr – Progressive, Downtempo, Techno, House und Disco mit Ador:yes, Kellartrax, Kluges Kind, Saalamander, Fanny Fresh, Gudrun Unlimited, Herbert Marcusio
Remember Nothing – Elipamanoke, 23:59 Uhr – Techno und House mit Baugruppe90, Keta Perry, Lars Goldammer, Noxsonos, Siggi Petrol, Siggi Sauer
„Extracted Soil“ ist die vierte EP, die über das von Marie Montexier kuratierte Leipziger Label Paryìa erschien. Auf dieser EP ist das Debüt des Dortmunder DJ-Duo A2iCE & BO3 zu hören.
Lex Rütten und Jana Kerima Stolzer sind A2iCE & BO3. Und die Tracks ihrer ersten EP beinhalten Field Recordings, welche die Künstler:innen für eine multimediale Ausstellung für den Hartware MedienKunstVerein in Dortmund aufgenommen haben. Die vier Tracks wirken angenehm chaotisch und aufgeräumt zugleich und zeichnen sich durch eine Mischung aus breakigen Drums, wabernden Acid-Basslines und – passend zum Namen der EP – organischen, experimentellen Sounds aus. Zusätzlich zu den vier Tracks von A2iCE & BO3 bereichert ein Remix der Berliner DJ und Produzentin Mor Elian die EP.
Der erste Track „Pacific Nickel“ überzeugt durch eine überraschende Verzahnung eines Breakbeats mit raumeinnehmender Kick und Ambient-Synths, die den Track sanft und trotzdem selbstbewusst umhüllen. Bei „Mineral Treasure“ ist eine Acid-Bassline im Fokus, die alles andere als versteift wirkt. Dies sorgt für eine trippy-fluide Atmosphäre, die auch hier wieder durch flächige Synths aufgefangen wird.
„A Rubbels Lament“ kommt etwas düsterer daher. An Struktur gewinnt der Track durch seine Hi-Hat, die mit ihrem Jungle-Sound Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dies schafft einen schlüssigen Übergang zum vierten Track – ein Remix von „Pacific Nickel“ ist. Der konsistente, perkussive Groove mit seinem Dembow Vibe macht den Track clubtauglicher als die anderen.
Als digitalen Bonus-Track gibt es noch „Mother, why are there so many machines in our place“. Er ist wieder etwas freier im Beat und schafft es, einen guten Abschluss zu bilden, indem er mit seinen vielseitigen Sounds und gut verknüpften Drops die Spannung bis Ende aufrechterhält.
Und hier noch ein Saison-Opening und ein Nachmittags-Techno-Ausflug.
frohfroh-Tagestipp //
Opening // Westhafen // 12:00 Uhr w/ Township Rebellion, Super Flu, Bebetta, Jamiie, Dominik Stefan
Die Westhafen-Saison beginnt wieder – zum Opening gar nicht mal mit so spannendem Programm. Aber in der Preview gibt es einige Highlights. Heute gibt es tagsüber Big-Room-Techno, Melodic Techno und Tech House.
Volles Programm an diesem KW 17-Samstag – mit dabei der IfZ-Birthday und eine Gästelisteverlosung.
frohfroh-Tagestipp //
9 I N E // Institut fuer Zukunft // 23:59 Uhr w/ fr.Jpla, Justine Perry, Kaiser, Ostbam, Karete Bu b2b Eves120, Mor Elian, ttyfal, DJ Luiser, Facci OG, Angelconda, Yung FSK18
Happy birthday, IfZ! Zum neunten Geburtstag gibt es ein extra volles Programm mit drei Floors voller Techno, House und Breaks sowie HipHip und Bass. Außerdem dabei: ein Bällebad im Darkroom, spontane Bierspiele mit dem Nebula-Kollektiv und neuer Merch mit Can’t Decide und Lion Sauterleute.
Musikalische Highlights sind auf jeden Fall Mor Elian und Justine Perry, neben den IfZ-Residents natürlich.
Wir verlosen 2 x 2 Gästelistenplätze für die Party: Einfach eine Mail an dance @ frohfroh.de schicken und sagen, worauf ihr euch am meisten freut.
Außerdem heute //
Heatwave – Neue Welle, 23:00 Uhr – Special Club-Sounds, Breaks, Prog Bass, Electro und Wave mit Lena Willikens, Miss Take, F.R. Fels
Opening Rave – Wuest (Pittlerwerke), 22:30 Uhr – Techno, Minimal, Fäncy-House mit André Galluzzi und Bonbons
24 h Wohnzimmer – Distillery, 23:00 Uhr – Techno, House mit Trikk, Ed Davenport, Aurora Halal, Meggy, Estella Boersma, Panthera Krause, Peter Invasion, Thomas Stieler, Qnete, Baby Mango, Preller, Napoleon Dynamite, DJ HDGDL, Paul Koski, Vincent Neumann, Ninette, Atalanta, Miami Müller
Ritmo Spumante – Kulturlounge, 23:00 Uhr – Italo, Disco, House mit Anka, Cremant Ultras, Robin E. Rubecula, Mensch Hans
Dieser Club-Freitag zur Buchmesse bietet eine Preview für ein neues Festival, ein xxx und viel Techno.
frohfroh-Tagestipp //
Chimaera x Waldbrand Teaserparty // Mjut // 23:55 Uhr w/ 503, Nthng, SQF2000, Carlo Caracho, Kaya Karacho, 3LNA, DJ Uludag, Acima, Kim Shine, Action Bronko, DJ DVB
Vom 23. bis 25. Juni 2023 findet im brandenburgischen Friedland das erste Chimaera Festival statt. Entstanden aus einer Idee von Dresdner Raver:innen soll hier Rave und Urlaub verbunden werden – unter anderem werden DJ Mell G und Lux im Sommer dabei sein.
Zur Teaserparty heute gibt es ein Team-up mit der Waldbrand-Crew. Es erwartet euch also eine gute Mischung aus Techno, Electro, Trance und Breaks – und mit Nthng sogar einen deepen Delsin-Act.
Außerdem heute //
PACE – Leipzig-West, 23:00 Uhr – Techno mit Houdafk, Konkarve, Dari And The Beast, DJ Tudor b2b Good Guy Roman
Breakfree, das recht junge Sub-Label von R.A.N.D. Muzik, hat in diesem Frühjahr zwei neue EP rausgebracht – hier sind beide in einer Review.
Grundlegend bin ich vor Tech House immer ein wenig geflüchtet. Seitdem Hard Techno und Trance ihren Platz in kommerziellen Clubs Leipzigs gefunden haben, ist das Genre auch nur noch wenig präsent. Um mich eines Besseren zu belehren, releasten Breakfree Records im Februar und März gleich zweimal. Breakfree ist das Sub-Label von Leipzig-Label-Größe R.A.N.D. Muzik und veröffentlicht seit Sommer letzten Jahres. Der Sound des Labels verschreibt sich einem progressiven House-Sound – verspielt und groovy.
Mtty „Shtüm“
Die 003 bildet da mit dem ersten Vinyl-Release des canberra-based Artists Mtty keine Ausnahme. First Track „Shtüm“ leitet die EP mit einem Sog aus Basslines und spielerischen Percussions ein. Die hintergründigen Synths wirken dabei schon fast ambient-artig und schaffen Kontrast; beruhigen gegen die aufgeregten kleinen Sounds und Elemente. Spätestens beim zweiten Track wird deutlich, dass sich die Befürchtung von einer Hommage an klassischen 2000er-Tech-House nicht bestätigt.
„Oma the Wailmer“ bleibt bassig und groovelastig, kommt aber vom typischen Four on the Floor ab und findet sich auf sehr sauberem Breakbeat wieder. Die hauptsächlich ausgelassene Stimmung des ersten Tracks schwindet: „Oma the Wailmers“ Pads wirken zwar recht ruhig, beginnen jedoch langsam aggressiver zu werden, sich weiter in den Vordergrund zu drängen.
Besonders atmosphärisch wird’s auf Track Nummer 3 „That’s Nonsensical“. Mit verschiedenen kleinen Voice-Samples, verträumten Synths und wabernden Acid-Basslines wird hier futuristischer Sound erzeugt. Erinnert sehr an die Reflex Blue-EP auf R.A.N.D. Muzik vom Januar 2022.
“Wonki“ wiederum ist schon fast trancig. Auf jeden Fall hält der Track, was er verspricht und bringt ganz viel Wonkiness ins Rennen. Groovy Bass, Percussions, luftige Voice-Samples sind mit am Start, dieses Mal halt nur ein wenig schneller.
Kepler “Sense“
Ein Monat später folgt die „Sense EP“ vom wiederkehrenden Artist Kepler. Dieser hat schon letztes Jahr einmal bei R.A.N.D. Muzik veröffentlicht. Was direkt auffällt: Keplers Sound geht ohne zu Zögern in eine klare Richtung. Drums, Basslines und Synths sind gezielt und präzise, laden zum tanzen ein. “Sense“ und “Confusion“ zeigen sich minimalistisch. Die einzelnen Elemente wirken ausgewählt, perfektionistisch. Dass Kepler sonst auch viel UK Garage produziert, lässt sich unweigerlich raushören und zeigt sich stetig bei den snappy Drums. Seine „Sense EP“ ist sauber und nüchtern, kriegt es dabei aber hin, abwechslungsreich zu bleiben. Dass liegt auch den wenigen Elementen, die hier exakt gesetzt wurden.
Im Vergleich klingen beide EPs zwar in der Wahl der glitchigen Sounds, kreativen Basslines und gelegentlichen Voice-Samples recht ähnlich, unterscheiden sich jedoch in ihrer Herangehensweise. Während sich Mtty einem atmosphärischeren Tech House verspricht, konzentriert sich Kepler auf weniger Sounds, die dafür aber umso aufgeräumter klingen.
Also: FREE003 & FREE004 machen sehr neugierig, was aus dem Hause Breakfree Records noch kommen mag. Dabei sind beide EPs garantiert etwas für Leute die Tech House mögen und so gut, dass sie auch was für Leute sind, die prinzipiell mit Tech House nichts anfangen können. Unbedingt mal reinhören!
All My Ghosts ist alles andere als ein Newcomer – in diesem Jahr feiert das Leipziger Label sein fünf-jähriges Bestehen. Wer dahinter steckt und wo es musikalisch hinmöchte, erfahrt ihr hier.
Es gibt nicht mehr viele Labels, die uns noch klassisch mit physischen Promos bemustern – wenn überhaupt. Meist suchen wir selbst bei Bandcamp oder Soundcloud nach neuen Leipzig-Releases. Bei All My Ghosts ist das anders. Im Dezember 2022 lag ein liebevoll verpackter Brief in unserem Briefkasten. Darin die damals parallel veröffentlichten neuen Album von Gregor Dys sowie Flowers & Fabini. Ein paar Monate davor waren wir über die Split-EP von Discount Furniture und 5AA5 erstmals auf das Label gestoßen und sehr fasziniert von dem diversen Label-Katalog.
Höchste Zeit also für ein Porträt. Kurz zu den Hard Facts: All My Ghosts ging Anfang 2018 an den Start, mittlerweile sind 20 Releases herausgekommen – oftmals auf Tape, teilweise auch auf Vinyl. Stilistisch bewegt sich All My Ghosts zwischen Indie-Rock und Postpunk, Ambient und Downbeat, Dream-Pop und experimenteller Electronica, House und Wave – ein beachtliches Spektrum also. Gegründet wurde das Label von Nils Schäfer. Als Nils Panda produziert er auch selbst elektronisch-poppig-indieske Tracks und schreibt seit Neuestem auch Reviews für frohfroh. Warum er das Label gegründet hat, erklärt er am besten selbst.
__Interview
Wie kam die Idee zu All My Ghosts?
Die Idee kam nach meinem Umzug von Berlin nach Leipzig. Ich hatte in Berlin gesehen, dass man im Kleinen schon eine Menge Dinge auf die Beine stellen kann. Damals hatte ich noch eine Band, die bei bei dem kleinen Berliner Label Späti Palace veröffentlicht hat. Die und ein paar andere Leute haben in Berlin Konzerte veranstaltet und die lokale Szene gepusht. Das hat mich fasziniert und inspiriert.
Ich wollte mit All My Ghosts dann auch eine Plattform haben, um selbst Dinge entstehen zu lassen. Und eine Base für eigene Releases und all die Leute um mich herum haben. Anschluss an die „Szene“ in Leipzig habe ich schnell gefunden, ich habe die Leute einfach immer angequatscht, wenn ich mitgekriegt habe, dass die Musik machen.
Wer steckt noch alles hinter dem Label und aus welchem musikalischen Kontext kommt ihr?
Hinter dem Label stecke ich, wobei ich aber mega unterstützt werde von Freund:innen, die immer mal aushelfen – vor allem von der Grafikerin Iska Kaek, mit der ich auch zusammen die Mixtape-Reihe „Ghost Tapes“ auf Soundcloud mache. Iska hat sehr viele Releases auf All My Ghosts gestaltet und steht auch immer tatkräftig zur Seite bei der Umsetzung der physischen Tonträger – also wenn es um Verpackung, Siebdruck usw. geht.
Ich habe mich immer für die lokalen Szenen der Städte interessiert, in denen ich lebe. In diesem Sinne ist mein jetziger Kontext in Leipzig die elektronische Musikszene und die junge Jazzszene. Aber auch in der Bandszene hänge ich mit drin. In Berlin und in München war es immer die Indie-/Postrockszene in der ich unterwegs war, ganz früher Techno und elektronische Musik. Jetzt ist das irgendwie alles zusammen. Ich denke das Konzept von DIY hat auch immer eine Rolle gespielt, egal in welcher Szene ich grad so unterwegs war.
Fotos: Iona Dutz
Dein Katalog ist recht divers – was ist aus deiner Sicht der musikalisch-künstlerisch rote Faden bei All My Ghosts?
Ich stehe hinter allem, was ich veröffentliche – das ist der rote Faden. Alle Menschen, die Musik auf All My Ghosts veröffentlichen, sind Freund:innen gewesen oder durch die Zusammenarbeit geworden. Ich möchte nur Musik veröffentlichen, für die ich 100 Prozent brenne. Da die Label-Arbeit quasi neben dem Job läuft, kann ich auch nur so arbeiten. Durch Events wie das Ghost Fest habe ich auch versucht, Dinge zusammenzubringen, die auf den ersten Blick vielleicht erstmal nicht zusammen passen. Ambient, Dreampop, Postrock. Am Ende ist es aber einfach alles Musik, die mir gefällt. Natürlich habe ich auch mal drüber nachgedacht, dem Label einen „Style“ zu verpassen, bin dann aber schnell gescheitert beim Nachdenken darüber, weil mir das zu gewollt erschien.
Wie schätzt du die Leipziger Musikszene ein – wo sind spannende Entwicklungen, woran hapert es noch?
Es ist schwierig, das als Zugezogener zu bewerten. Was ich aber sagen kann ist, dass ich in Leipzig eine sehr breit aufgestellte Musikszene vorgefunden habe, in die ich schnell eintauchen konnte. Es gibt so viele Leute, die coole Sachen machen und immer wieder neue Locations. Auch glaube ich, dass die Leute nicht so die Scheuklappen aufhaben, was Überschneidungen in den Szenen angeht. Ich bewege mich sehr gerne in den verschiedenen Szenen und genieße es. Natürlich versuche ich auch, einen Teil dazu beizutragen.
Vielleicht ein bisschen konkreter wäre es auf die Arbeit von den eingesessenen Institutionen wie UT Connewitz, Conne Island, Noch Besser Leben oder Ilses Erika hinzuweisen oder die Plattenläden zu nennen wie Inch By Inch und Vary. Oder die Labels, die schon ewig ihr Ding machen wie Altin Village & Mine, Kann etc. Auch spannend finde ich den Jazzclub, der die Jazztage organisiert und da neue Wege geht. Neue Locations ploppen auch immer wieder auf, im Westen wie im Osten. Die (Tape-)Labelszene ist auch so ein Ding, das komplett flashig ist. Es gibt sehr viele kleine Labels, die einfach machen, auf was sie Lust haben, sich dabei aber auch immer wieder miteinander verbünden. Prepaid Records und Cassettendienst fallen mir da spontan ein. Die Leute haben Bock, was zu machen und das inspiriert.
Was sind deine nächsten großen Pläne und Ziele mit dem Label?
Vor Kurzem ist die Vinyl-EP von Twins in Colour erschienen, einer Dream-Pop-Band aus Leipzig. Und dann kam eben ein IDM-Release von Discount Furniture auf Tape an.
Im Mai findet der „Fachmarkt für Kulturgut“ im Rahmen des Busy Hands Festivals – ein Festival für Konzertposter Festival – statt, wo diverse (Tape-)Labels am Start sind und ihr Zeug anbieten können. Ich möchte im Sommer unbedingt wieder ein Event auf die Beine stellen mit Bands und Acts. Auch sehr gerne will ich das „Ghost Tapes“-Mixtape-Konzept zu einer kleinen Partyreihe machen, die so durch die Bars tourt. Leute legen einfach ihre Lieblingsmusik auf. Dafür suche ich noch die passenden Locations.
Foto: Iona Dutz
__Label-Katalog
Zum Reinschnuppern in den All My Ghosts-Katalog gibt es ein paar unserer Highlights:
Discount Furniture „Envelope“
Eine rau und niedlich pulsierende Electronica-EP, die mit der Game Boy-Software Nanoloop entstand. Mit hölzernen Oldschool-Beats, kantigen Melodien und einer herrlich-kindlichen Neugier. Aber alles mit feinem Gespür für Pop.
Twins In Colour „In Event Of Moon Disaster“
Retrofuturistisch klingende Synth-Pop-EP mit zwei unterschiedlichen Gesangsstimmen und einer nächtlich-unterkühlten Atmosphäre. Und zwischendurch sehr amtlich-hitverdächtige Dream-Pop-Songs.
Gregor Dys „Verwoben“
Eine traumeinladende Reise durch modular erzeugte Synth-Sounds, einer Gitarre sowie anderen akustischen Instrumenten. Sehr kontemplativ und irgendwie auch trippy mit recht freien Arrangements.
Flowers & Fabini „Digitally Assisted Music Vol. 1“
Hier treffen Trompete und elektronische Experimente aufeinander. Erinnert mich direkt an Nils Petter Molvaer, mit kantigeren und kitschigeren Phasen. Auch hier: Ein tolles Album zum Abtauchen und angeregten Entspannen.
Elme „Shimmer“
Noch ein Duo – hier werden Samples und Synths, Loops und Cuts zu deep-crispen Downbeat- und House-Tracks. Sehr laidback und harmonisch.
Nils Panda „121212“
Und zum Schluss noch das Album des Label-Betreibers Nils. Auf „121212“ vereint er seine verschiedenen musikalischen Richtungen mit einigen Gästen. Heraus kommen zarte Indie-House-, verträumte Downbeat-Pop-Songs sowie sich freier entfaltende Electronica-Stücke.
__Fotos
Wir freuen uns sehr, dass uns ab sofort auch Iona Dutz beim Bebildern ausgewählter Porträts unterstützen wird – sie hat alle Bilder dieses Artikels aufgenommen. Wie sie arbeitet und was sie bei ihrem ersten frohfroh-Shooting geflasht hat, erzählt sie hier:
“Hey, ich bin Iona. (Licht-) Stimmungen und Menschen sind ein super wichtiger Teil meiner Arbeit als freie Porträt- und Dokumentarfotografin. An meinem Job liebe ich es, immer wieder in neue Situationen und (Lebens-) Geschichten einzutauchen und sie sichtbar zu machen.
Durch die Fotosession mit Nils bin ich auf sein kleines Label All My Ghosts aufmerksam geworden und geflasht von den Musikern, die er vertritt – insbesondere das neue Album von Twins in Color hat mich sofort in den Bann gezogen. Ich denke von All My Ghosts und der Band wird man künftig mehr hören …“
Es ist Zeit für eine Neuentdeckung aus der vitalen Leipziger Tape-Szene: ein neues Release des DIY-Labels Cassettendienst.
Mitte März gab es eine neue Veröffentlichung auf Cassettendienst, einem Leipziger Tape Label, welches zu 100 Prozent im DIY-Modus operiert und das man als Freund:in der lokalen Underground-Bandszene auf jeden Fall auf dem Schirm haben sollte. 2021 gegründet, kommt hier von Produktion bis Gestaltung fast immer alles aus einer Hand. Und zwar aus der von Illustrator, Musiker und Poster-Show-Veranstalter Markus Färber alias Holob.
Die neueste Kreation auf Cassettendienst trägt den schönen Namen Gummer, wobei sich der Labelchef hier wohl selbst hinter die Tasten und das Mischpult geklemmt hat. Zusammen mit seinen zwei Mitstreitern David Hummel und Wilm Beckhoff wurde die Musik mit Synth, E-Drums, Bass und Violine in mehreren Sessions live über einen 4-Spur-Recorder eingespielt.
Und so klingen die sechs vorliegenden Stücke auf „#1“ auch – noisy, hypnotisch, krautig, elektronisch und analog zugleich. Es rauscht, es wird getrommelt, der Filter verdreht, den Instrumenten alles abverlangt. Fans von Experimental, Kraut- und Postrock und solche, die es werden wollen, kommen hier voll und ganz auf ihre Kosten. Abgerundet wird die EP mit sechs Tracks wie immer mit einem stilsicher gestalteten Tape, inklusive Risoprint-Artwork und Poster.
Noch ein Tipp für Tape-Fans – Busy Hands Fest
Übrigens: Wer auf Kassetten und Konzertposter – oder am besten gleich beides – steht, sollte sich auf jeden Fall die Zeit vom 12. bis 14. Mai 2023 dick im Kalender anstreichen. Denn dann findet die nächste Postershow im Neuen Schauspiel Leipzig statt – und zwar im Rahmen vom „Busy Hands Fest“ mit einem Labelmarkt. Dieses und weitere Tapes können hier gehört und erworben werden.
Draußen im Garten #openair // Villa Hasenholz // 12:00 Uhr w/ Modus
Oha, sollte nun also wirklich mal der Frühling losgehen? Wahrscheinlich ist das weiterhin erstmal nur ein Teaser an diesem Wochenende. Anyway. Heute darf draußen etwas getanzt und gechillt werden – Modus bespielen den Hasenholz-Garten, ein gemeinsames House / Tech House-Projekt von Daniel Stefanik, Dilivius Lenni und Norman Hentschel.
Nice, das Elipamanoke und Mjut kuratieren eine gemeinsame Nacht mit ihren eigenen Residents. Das ergibt ein sehr diverses Programm aus Hard Techno, House, Bass, Breaks Trance und Drag.
Außerdem heute //
Saturday Rave – Distillery, 23:00 Uhr – House und Techno mit Maayan Nidam, Edward, Kieran Behan, Yamour, Steffen Bennemann, Polo, Fr. Fels, Premio, Mp.ulle,
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