DŌMU „Lucid Themes“

Gerade haben wir sie im Interview, denn DŌMU veröffentlichen heute ein sehr spannendes Debütalbum, das auf das erste Hören sehr düster wirkt – aber eigentlich überall Licht reinlässt.

Zugegeben: Der Auftakt von „Lucid Themes“ ist ordentlich verstörend: Zu einem schroffen, holzschnittartigen Sound drischt Drummer Zar Monta Cola in infernalischer Weise auf das Schlagzeug ein. Fast zwei Minuten lang. Doch Aushalten lohnt sich. Es folgt eine Reise in verschiedene Sphären des Träumens. Dark und kontemplativ, trippy und erleuchtend.

Musikalisch ist das Aufeinandertreffen von Ambient- und Field Recordings-Musiker Stefkovic van Interesse und Warm Graves-Drummer ein echter Glücksfall. Denn Zar Monta Colas offener Drumming-Ansatz ist fern vom klassischen Rock- und Elektronik-Repertoire. Er bringt in das diffuse Sound-Dickicht von Stefkovic van Interesse – sehr treffend selbst mit „Aura“ beschrieben – eine neue einnehmende Dynamik. Aus Dark Ambient wird so eine schwer greifbare Zwischenwelt von Ambient, Post Rock und Avantgarde.

Fünf längere Stücke bilden den Kern, drumherum reihen sich mehrere kürzere, intensive Tracks. Mit „E.M.S.“ zieht sich eine Interlude-Serie durch das ganze Album, die teilweise nahtlos an das nächste Stück anschließen. Dadurch entsteht quasi ein Mix mit unterschiedlichen Stimmungen. Neurotisch marschiert „Hypnagogia“, kontemplativ windet sich das wunderbare „Bardo“, dystopisch kreischt „Gestalt“. Mit „False Awakenings“ gibt es ein groß aufblühendes Finale, das sich nach einem hell leuchtenden Ambient-Intro zum reduzierten Techno-Trip mutiert. Ab hier könnte es noch stundenlang weitergehen. Doch „Lucid Themes“ endet so schroff wie es angefangen hat.

Dramaturgisch gibt es in den Stücken kein Anfang, kein Ende. Alles ist irgendwie im jeweiligen Moment präsent und wirkt direkt. Was eben war, verliert sich sofort. Auch das gehört zum Träumen, das Flüchtige und Vergängliche. Insofern gelingt es DŌMU sehr gut, Konzept und Musik in Einklang zu bringen. Wäre spannend, „Lucid Themes“ tatsächlich mal nachts zum Schlafen anzumachen.

Bei DŌMU wird der DIY-Ansatz voll ausgelebt: Musik und Visuals aus einer Hand, nun auch das erste Album in Eigenregie auf Vinyl veröffentlicht. Wer mehr zu dem Trio erfahren möchte, sollte unser Interview mit DŌMU lesen.

Dyze „New View“ (Resistant Mindz / Pattern // Select)

Verrauschter Sound, verrauschte Bilder: Seit Dezember gibt es eine tolle EP von Dyze. Digital, als Tape und als VHS.

Mit The Brothers Nylon und My Trippin‘ Mojo gab es auf Resistant Mindz zuletzt zwei Ausflüge in Richtung Funk. Passend zum Winter zeigt sich das Label mit „New View“ von seiner dunkleren und atmosphärischeren Seite.

Und die hat es in sich, denn Dyze entwickelt seine Beatmaker-Roots sehr spannend weiter. Verrauschte Synthesizer türmen sich in zehn Tracks dramatisch auf, verhallte Vocal-Samples erzeugen Gänsehaut-Atmosphären. Es sind die dreckigen Drums, die noch an Hip Hop erinnern, und dabei „New View“ vor der Synthesizer-Retro-Falle bewahren. Fast scheint es, als hätte Dyze eine verschollene Science-Fiction-Dystopie vertont. Aber es ist viel besser: Obwohl die EP digital und in Zusammenarbeit mit Pattern // Select logischerweise als Tape erschienen ist, gibt es auch eine super-limitierte VHS-Kassette, bei der der Sound von Dyze wahrscheinlich mit ebenso wunderbar verrauschten Video-Aufnahmen unterlegt ist. PAL only, versteht sich. Wird also Zeit, den alten Video-Recorder aus dem Keller der (Groß-)Eltern hervorzukramen.

Two Play To Play – 1. Probe – Januar 2018

Die erste öffentliche Probe der „Two Play To Play“-Reihe liegt schon schon ein paar Wochen zurück. Doch sie hallt nach – als spannender Moment, in dem wir für 90 Minuten bei der Entstehung eines unberechenbaren Projekts dabei sein konnten. Hier nun unser Rückblick.

Nach dem Künstlergespräch zwischen Martin Kohlstedt und dem GewandhausChor-Leiter – das es übrigens hier komplett nachzuhören gibt – wurde es Ende Januar ernst. Denn die erste öffentliche Probe fand statt. Friederike hat sie für uns besucht und beschrieben:

Ein nostalgischer Hauch der Masur-Ära weht in den verborgenen Backstage-Gängen hinter dem Foyer des Gewandhauses Leipzig. Nur eine graue Tür mit der Aufschrift „Chorprobensaal“ trennt die Besucher von der ersten öffentlichen Chorprobe des Projektes „Two Play to Play“ – ein Projekt Martin Kohlstedts und des GewandhausChors unter der Leitung Gregor Meyers. Ein Projekt, das die Struktur eines klassischen Chores mit der Intuition eines musikalischen Freigeistes vereinen will. Der eine Teil hat Angst vor Freiheit, der andere Teil hat Angst vor Struktur. Existiert ein Raum dazwischen? Hinter der graufarbenen Tür öffnet sich dieser Raum für einen Abend.Siebzig Sänger warten auf den Stühlen des Chorpodests, welches in U-Form angeordnet ist und mit zwei Pianos abschließt. Auf den noch freien Plätzen der stufenförmigen Erhöhung reihen sich die vierzig Zuhörer ein. Die Grenzen zwischen Chor und Publikum verschwinden. „Das ist der Chor – das Abbild der Gesellschaft“, stellt ihn der jungenhaft wirkende Leiter in orangefarbenen Cargohose schmunzelnd vor.

Unter seinem gestreiften Shirt blitzen bunte Tattoos hervor. Gregor Meyer hält bereits seit der Spielzeit 2007/2008 die Leitung des Gewandhauschores inne. Während Martin Kohlstedt im schwarzen Rollkragenpullover am zweiten Piano abtaucht, treibt Gregor Meyer die Stimmen dominierend durch das erste Lied. Nur seine scherzhafte Sprache lässt hinter der Strenge einen junggebliebenen Zeitgeist vermuten, wenn er über die Oper witzelt oder Martin Kohlstedt mit den Worten „Kannst du mal vorspielen, was du dann tust?“ auffordert.Die emotionalen Töne des Weimarer Musikers füllen den Raum mit Bewunderung – die Struktur schaut zu und wird nun das erste Mal durch ihren Koordinator mit der freiheitsliebenden Intuition zusammengeführt. Ein Spiel der Gegensätze, das entweder scheitert oder sich zum Unikat entwickelt. Es scheint, als laufen Blake Baxter- und Jeff Mills-EPs synchron, doch ohne dass sich die Impulse ineinander verzahnen oder der eine Sound vom anderen befruchtet wird, vielmehr als wenn der eine genauso gut ohne den anderen existieren kann.

„Spielst du dann für dich ein bisschen?“, fordert Gregor Meyer den experimentellen Pianist auf, das zu tun, was er immer tut. Er taucht hinter seinem Klavier in eine Blase ein, in der nur er und seine, in Emotionen getränkten Töne existieren. Gregor Meyer zieht sich aus seiner Übersetzer-Rolle zurück und bittet die Singenden intuitiv einzusteigen.

So schnell einzelne verlegene Chorstimmen zu hören sind, so schnell verstummen sie wieder in ihrer Schüchternheit.

Ein neuer Versuch in umgekehrter Reihenfolge lässt den Chor mit Sprechgesang beginnen – eine für die Sänger ungewohnte Situation, die Unruhe erzeugt. Martin Kohlstedt begleitet auf dem Klavier, passt sich an, versucht die Emotionen aus dem Chor einzufangen. Der Chor agiert, Martin reagiert. Es entsteht Harmonie, die das erste Mal einen Kompromiss zwischen der Perfektion eines klassischen Chores und der Freiheit eines Martin Kohlstedts erahnen lässt.

Von einem klassischen Chorgesang ist mittlerweile nichts mehr zu hören. Die Stimmen summen auf unterschiedlichen Tonhöhen, intuitiv, teilweise asynchron und sollen in der nächsten Probe mit Synthesizern zusammengeführt werden. Der Chor wird zum elektronischen Instrument – nichts erinnert an Gesang. Die Töne werden nun durch Stampfen, Schlagen und Rufe erzeugt, die das klassische, gewohnte Gerüst vehement durchbrechen und einen neuen Raum eröffnen – einen Raum zwischen Struktur und Freiheit hinter einer grauen Tür mit der Aufschrift „Chorprobensaal“.

Die zweite öffentliche Probe findet am 14. März statt – leider ist sie aber schon ausverkauft. Wir sind aber dabei und berichten wieder.

Fotos und Video von Markus Postrach und Christian Rothe

RM Vinyl

Etwas verspätet, aber wir wollen nicht unerwähnt lassen. Denn: R.A.N.D. Muzik, das Leipziger Plattenpresswerk, beglückte uns vor Kurzem wieder mit eigenen Releases. Was im Januar 2017 bei uns noch als Ausnahme gewertet wurde, scheint zur Regel zu werden.

Various Artists „RM12001“

Eine sehr facettenreiche Electro-Platte Leipziger Produzenten ist dies geworden. Mit Stücken der Clear Memory-Crew-Mitglieder Robyrt Hecht, XY0815 und Varum sowie dem Tausendsassa Credit 00 und Perm.

Dunkelelektrisch groovy wabert „The Left Lane“ von Robyrt Hecht und XY0815 durch die Speaker. Wer die auf brokntoys erschienene Platte „Exahertz“ von XY0815 kennt, weiß was gemeint ist. Varums „Das Bruch“ beginnt als melodisch-verträumte Tanznummer, die trotz des Einsatzes einer brachialen Bassdrum und Industrial-Elementen nicht an Wärme verliert.

Die B-Seite eröffnet Perm mit „All“, einem herrlich treibenden Ungetüm, das im letzten Drittel durch die einsetzende 4/4-Bassline zum Techno avanciert. Abgerundet wird das ganze von Credit 00’s langsamerer Nummer „On Hold“, einem verspielt-melancholischen Track zum Kopfnicken und Runterkommen.

Various Artists „RM241217“

Pünktlich zum letzten Heiligabend legte uns R.A.N.D Muzik diese schöne House-Platte unter den Tonarm. Der Australier Guy Contact eröffnet das Spektakel mit chilligem Sunrise-Appeal. „Mood Swing“ ist ein herzerwärmender Track, dessen Vocals eingangs ein buddhistisches Prinzip erklären. Der noch unbekannte Produzent Le Marc debütiert hier mit einem zunächst gedämpften, stampfig-perkussiven Sound, der gegen Ende etwas heiterer wird.

Falkes „At The House“ schiebt mit hymnenhaften Chords dunkle Wolken beiseite. Ob das als Hommage oder als etwas aus der Zeit Gefallenes zu betrachten ist, ist offen. EBS (aka Carmel und Salomo) beschließen den Sampler mit trippigem Bongo-House. Super, dass es doch nicht bei der Ausnahmeplatte vom 24.12.2016 blieb.

Wer sich fragt, wie bei R.A.N.D. Muzik Platten gepresst werden, kann übrigens hier gleich noch den Beitrag aus der Sendung mit der Maus anschauen – der wurde nämlich bei R.A.N.D. gedreht.

PS Stamps Back „Beyond Lies The Wub“ / Dyl & Paragon „Unstable“ (False Move Rec.)

Das Minor Label startet 2018 mit einer neuen 7″ und einem neuen Sub-Label.

2017 war ein gutes Jahr für Freunde des Minor Label und auch 2018 geht es gleich weiter: Eine neue 7″ bringt das kleine Label aus Anger-Crottendorf im Februar heraus. Genauer gesagt passiert dies in Zusammenarbeit mit Tilt Recordings aus Athen und beide Labels arbeiten unter den Namen False Move Rec. zusammen … gar nicht so einfach, hier den Überblick zu behalten!

Auffällig ist, dass auf dem Etikett der Single dieselbe Schriftart wie bei Alphacut verwendet wurde – passenderweise, denn die beiden Tracks erinnern durchaus an den dort beheimateten Sound: „Beyond Lies The Wub“ greift die dubtechnoide Alpha Cutauri-Atmosphäre auf, ist dabei aber dank spooky Klimpermelodien eine Spur psychedelischer. Da scheint auch eine rohe DIY-Ästhetik durch, mit der PS Stamps Back vor allem auf zahlreichen Kleinst-Labels zuhause zu sein scheint.

„Unstable“ geht mehr nach vorne. Hier setzt nach einem bleepigen Intro ein prägnanter Groove mit verhallter Snare ein, der ganz gut zu den aktuell dubbigen Drum & Bass-Spielarten passt. Dyl & Paragon sind dann auch – kurzer Discogs-Check – mit Tracks auf Labels wie sYncoPathic und 31 Recordings stärker im Drum & Bass zuhause.

The Kann Backstock

Nach Manamana im letzten Jahr folgt Kann Records 2018 mit seinem 10. Jubiläumsjahr. Keine Ahnung, was dazu geplant ist, wir haben uns erstmal durch die letzten Platten des Labels gehört.

Falke „O.N.G. Versions“

Im Februar 2017 releaste Falke sein Album „O.N.G“ bei Kann. Einige Monate später haute das Label eine Remix-Platte raus, die mich wundern lässt. Ich kenne mich bei Remixen nicht so aus. Was ist der Anspruch, gibt es überhaupt einen, was soll das Ganze überhaupt?

Gleich zwei Künstler nahmen sich Falkes „Live In A Bubble“ an: Ergin Erteber (aka Things From The Basement) machte daraus eine Engtanz-Vokalschnipsel-Brummi-Nummer, die absolut nichts mit dem Original gemein hat. Ebenso Perm, der das andere Extrem der Skala anvisiert mit seiner Version des Stücks. Pumpender Deep House mit Techno-Schlagseite, jedoch ohne irgendeinen erkennbaren Zusammenhang zum Ursprung.

Warum nicht gleich eine stinknormale Various-EP releasen bzw. – aus Musikersicht – sich die Produktionen für Soloplatten sichern? Unter dem Gesichtspunkt des Remixens betrachte ich die beiden Stücke als disqualifiziert. Davon abgesehen geht mir beides aber gut in den Helm.

Der Ukrainer Vakula lässt „Partical World“ in seinem Genre und Tempo. Er zaubert lediglich ein paar verträumte Synthie-Chords dazu. Beendet wird die Platte mit einem Remix des Schweden Samo. „Stream“ bekommt von ihm gegen die Kühle des Tracks einen Wave-Mantel umgelegt. Funktioniert!

Polo „Leisure Time“

Die zweite EP von Polo auf Kann beschreibt einen modernen sphärisch-treibenden Dub-Techno. Ein großes Plus gibt es für das Arrangement. Die Tracks haben einen sehr schönen Aufbau und die jeweiligen Parts wirken sehr stimmig und stark.

Leider ist das abrupte Enden jedes Tracks nicht nur ein unbeliebtes Stilmittel unter DJs, sondern lässt die Stücke auch noch unfertig wirken. „Ticket“ hat eine coole subtile Trance-Attitüde, ansonsten bleibt leider nicht viel hängen. Trotzdem eine starke Platte

Sevensol & Bender „Das ideale Geschenk“

Ganz frisch kommt nach langer Pause gerade eine neue Sevensol & Bender-EP heraus. Die A-Seite klingt so dermaßen schön wattig-weich und sollte meinetwegen niemals aufhören. Mit ihren gut acht Minuten Länge ist dieses Kriterium auch beinahe erfüllt und hüllt den Hörer in vollste Zufriedenheit. Der Beat stampft zwar munter vor sich hin, schafft es dabei aber, die vielen organischen und opulenten Melodien nicht zu unterdrücken. „Mythen Center Korfu“ ist außerdem ein Top-Name. Dreamy House im besten Sinne.

Die B-Seite beginnt mit „Driftwood“, einem Downtempo-Electrostück. Anfangs sehr seicht, dann ein Versuch von düsterer Acid-Note, die sich in meinen Ohren nicht ganz an den zunächst vorherrschenden Sonnenaufgangs-Chor anpassen möchte. Gegen Ende fällt der Chor weg und bevor das Stück zu einem langweiligen Gedudel wird, dreht die Acid-Line noch einmal eine Ehrenrunde. Der Versuch, zwei gegensätzliche Stimmungen unter einen Hut zu bringen, scheitert hier leider am Aufbau.
B 2 ist das, was der Name vorausahnen lässt. Ein „Rhythmus Tool“, das alleine noch keine Geschichte erzählt, aber als Gerüst ziemlich hilfreich sein kann. Eine ambivalente Scheibe mit Ecken und Kanten.

Various Artists „All Nite Bangers #01“

Schließlich noch etwas Neues vom Kann-Sublabel Mana All Nite. Dies servierte bei Bandcamp eine Art Best-of der ersten vier Vinyl-EPs. Rausgepickt wurden fünf Tracks von Spirituals, Perm, Steppin‘ Wolf, Jascha Hagen und U.S. Coin Map. Als Bonus gibt es einen Edit vom aus Köln stammenden und zur Cómeme Crew gehörenden Christian S.

Herausgekommen ist so eine wilde Mixtur sehr guter Musik. Christian S überzeugt mit seinem Opener, einem Edit des 1983er Discotracks „Do I Do“ von Maurice McGee. Sprituals feiert das Leben mit einer melancholisch-frickeligen, aber herzerwärmenden Tech House-Nummer.

Darauf folgt Tribal-Acid-House vom immerguten Perm (jeder Gag ’n Lacher!) sowie ein sehr mutiges Ding von Steppin‘ Wolf. Wahnsinn, was er da gemacht hat: ein Mädchen namens Monique beschreibt ihre Sozialphobie, begleitet von einem Ambient-Pianostück. Jascha Hagen läutet mit seinem lässigen Nu-Disco-Slow-House-Hybriden das Finale ein, das Duo U.S. Coin Map beschließt das Gesamtkunstwerk mit verträumtem, synthiegeschwängertem House.

Insgesamt eine wirklich gelungene Mischung aus sowohl aktuell relevanten Künstlern als auch zeitgenössischen Hörgewohnheiten und ein Bekenntnis zur musikalischen Diversität.

Alle Zeichen auf „On“ – Seelen Records

Leipzig hat ein neues Label. Die zwei hier geborenen Leipziger – mehr Leipzig geht also gar nicht – Stigmatique und Janein haben vor sechs Monaten gemeinsam das Label Seelen gegründet. Und feiern diesen Freitag schon die erste große Release-Party.

Techno x 2 x 4
Seelen startet gleich mit einem Doppel-Vinyl mit acht Künstlern und damit acht Tracks – darunter auch zwei Produktionen der Gründer selbst. Neben Marcus aka Stigmatique und Jan aka Janein sind Escape to Mars, SLV, Narciss, Mørbeck, Marla Singer und Inhalt der Nacht mit von der Partie.

Die Platte, die offiziell erst am 5.2. veröffentlicht wird, erfreut sich jetzt schon großem Anklang – im wahrsten Sinne. Sogar im Berghain lief der Seelen-Sound dank namhafter Supporter (wie beispielsweise the one and only Freddy K) schon des Öfteren; Promo-Einsendungen und Künstlerbewerbungen häufen sich seitdem. Und das alles noch vor dem offiziellen Release. Wohin es mit dem Label noch gehen soll, erzählen Marcus (Bild oben) und Jan im Interview. Soma Records als Vorbild
Ein „bisschen unreal“ sei das Ganze ja schon, innerhalb von nur einem halben Jahr ein Label zu gründen, solch enormen Zuspruch und Support zu erfahren und als erste Veröffentlichung gleich ein Doppel-Vinyl rauszubringen. Na ja, die zwei Jungs sind ehrgeizig und folgen dem Motto „Think big“: Die zweite und dritte Vinyl sind schon im Kasten, denn geplant sind vierteljährliche Neuerscheinungen. „Die nächste Platte von uns wird noch fetter“, lacht Jan, der nicht nur als DJ, sondern auch als Booker und Resident in der Station Endlos in Halle bekannt ist.

Musikalisch soll es auf dem Label abseits von Acid- und Industrial-Techno auch Raum für sphärische, experimentelle elektronische Musik geben. Ziel der beiden ist, mit ihrem Label eine Plattform mit großer Reichweite zu (er)schaffen und dabei den Generationswechsel im Produzent/innen-Business weiter anzuschieben. Hoffentlich dann auch mit weiblichen und queeren Künstlern/innen – auf der ersten Platte fehlen die noch.

Seelen will in der anstehenden Zukunft Newcomer und neue Sounds auf den Weg bringen und vor allem „keine Eintagsfliege“ sein. Als Vorbild hierfür nennt Stigmatique das schottische Label Soma Records, das seit 27 Jahren besteht und über 600 Releases hervorgebracht hat. Deshalb vielleicht der bedeutungsschwangere Labelname? Jan erklärt es:

„Der Name spielt darauf an, dass jeder Techno-Track eine eigene Seele besitzt. Seele ist für uns als Ausdruck musikalischer Wertigkeit zu verstehen.“

001 x IfZ
Die Feier zu Ehren des ersten Vinyls findet am 26.1. mit Fiedel, Inhalt der Nacht, Verschwender, s.ra, Narciss, Janein und Stigmatique im Institut fuer Zukunft statt. Stigmatique wird diese erste eigene Labelnight gleich dazu nutzen, neue Wege auszutesten: „Ich werde definitiv nicht das spielen, was ich die letzten Jahre aufgelegt habe“ – es wird also auch für Kenner und Liebhaber seines Sounds ein spannender Abend.

Vorschlag: Hingehen!

PS:ssst: Wer nicht bis zum offiziellen Release am 5.2. warten will, kann bereits am 26.1. das erste Doppel-Vinyl von Seelen im Institut fuer Zukunft abstauben. Falls nach der Lektüre also nicht nur Ausgeh- sondern auch Kauflaune bei euch aufkeimt, nehmt am Freitag genug Scheine mit.

Close to … Musik und Neurologie

Musik und Tanzen können glücklich machen – das ist klar. Wenn man aber selbst Musik undzugleich Sport macht, ergibt sich ein echter Euphorieschub. Dies hat Prof. Tom Fritz herausgefunden – und wir haben ihn mit der Kamera begleitet.

Durch eine Podiumsdiskussion im Rahmen des Pop-Kultur-Festivals in Berlin sind wir auf Prof. Tom Fritz aufmerksam geworden.

Er forscht am Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften zum neurologischen Einfluss von Musik auf den Menschen. Das wollten wir genauer wissen und haben ihn in seinem Institut und seiner Plagwitzer Werkstatt besucht. Hier ist unser Video-Beitrag zu ihm – realisiert vom relativ kollektiv.


An dieser Stelle noch einmal ein großes Danke an die 320 Menschen, die uns finanziell unterstützt haben, damit wir die „Close to …“-Reihe tatsächlich realisieren können. Besonders seien hier die LiveKomm Leipzig, Robert Seidel und Franziska Hoppe von Spannkraft erwähnt.

Aber eben auch: Steffen Friedrich, Arian Micheel, Falk Wacker, Robert Handrow, Clemens Ruh, Hans Wilde, Marcel Aue, Leandro Olvech, Stefan Streck, Frederik Sander, Henry Franke, Götz Fabian, Max Öyvind Wiesner, Georg Bigalke, Jan-Philipp Sacher, Stanley Baldauf, Walter Freund, Jan Stern, Stefanie Wittrisch, Thomas Pätz, Ronny Turich, Ronny Turich, Benedikt von Hearthis.at, Thomas Goldacker, Ronny Gerber, Rouven Faust, Andreas Stephan, Paul Reimann, Friederike Bernhardt, Gerit Hofmann, Thomas Scholz, Saskia Lina Steszewski, Christoph Linke, Sascha Philipp, Ernst-Moritz Mitzscherling, Constantin Rein, Matteo Koch, Richard Laqua, Tino Michalak, Jonathan Skorupa, Stefanie Höfer, Stefan Schubarth, Jana Fischer, Alexander Gaudl, Chris Schreiber, Tim Woytczak, Steffen Thieme, Falko Haak, Sebastian Wolter, Ines Steinmetzger, Mathias Dragon, Elias Bouldjediane, Christian Kaspar, Stefan Schaible, Julian Baur, Tom Gärtig, Micha Hübel, Anne Zischka, Vincent Neumann, Martin Berthold, Florian Seidel, Christian Lowcut, Tina Gleichmann, André Knappe, Henrik Fischer, Annett Grundke, Christoph Schirmer, Matthias Speck, Sebastian Richter, Adem Zor, Til von Liftboi, Andy Rimkute, Katharina Groll, Anne Haupt, Fabian Russ, Martin Rieger, Rose Records, Julian Walther, Nicholas Mockridge, Sebastian Mendel, Manuel Emmelmann, Marcus Dahms, Aaron Vargas Rüger, Tim Krause, Marcus Engert, Ray Kajioka, Julius Koch, Jens Otto, Philipp Klein, Mathias Ache, Dominic Sattler, Thomas Jurk, Sebastian Vogt, Martina Müller, Steffen Woyth, Herr Noland, Sophia Wagner, Juliane Streich, Zacharias Bähring, Christian Simchen, Astrid Tuchen, Thomas Grabsch, Martin Ränker, Oliver Walter, Thomas Neumann, Oliver Krause, Stephanie Wilfert, Mario Linke, Fabelwesen Berlin, Udo Kaufhold, Benjamin Dohmann, Johannes Amm, Sebastian Ganze, Karin Scherpe, Conrad Kaden, Nicole Brachvogel, Daniel Gläser, Anna Hübner, Florian Sturm, Markus Krasselt, Laura Eisfeld, David Uhlitzsch, Philipp Dietzsch, Lorenz Wolff, Rene Pölzing, Susann Redlich, Christian Pohle, Lars Kosubek, Robert Willi Hornig, Christof Stricker, Philipp Romeike, Stefanie Knabe, Yvonne Strüwing,
Geri Hofmann, Marc Silva, Mandy Engel, David Herrmann, Ilja Iwlew, Tim Hartlep, Matthias Wolf, Claudia Heldt, Christiane Kornhaß, Helene Thiem, Michael Politz, Stefan Schneider, Christian Zoch, Sophie Esders, Sophie Esders, Klausi Nicolausi, Martin Günther, Martin Günther, Stephan Riebe, Anne Peuker, Christoph Funke, Dustin Krah, Tino Friedenstein, Stefanie Schweiger,
Stefan Winter, Arved Clute-Simon, Dirk Ehrlich, Steve Nadzeika, Anne-Katrin Liebmann, Thomas Rümmler, Christian Bender, Mechi Plum, Marko Knaack, Roman Tittmann, Sascha Uhlig, Ilka Richter, Rocco Berndt, Ronny Vogel, Monique Salzmann, Nicolas Kölmel, Michael Wallies, Sandra Hader, Thomas Jurk, Christoph Krämer, Johannes Beck, Willi Thomas, Charlott Bodenschatz, Sebastian Riehm, Sebastian Fischer, Lars Schlüter, Nils Neubauer, Sara Recknagel, Jakob Wulfert, Christoph Mengel, Patrick Kozma, Nici Palm, Maria Ruhe, Julia Dencker, David Auer, Alina Kiesow, Karsten Weyh, Sebastian Sickel, Matthias Zich, Benedikt Fitzke, Peter Kaatzsch, Wiebke Menzel, Thomas Reiche, Jörg Krüger, Hr. Schmirler, Jonathan Schwarze, Daniel Döhler, Aniko Bartfai, Matthias Groß und Natalie Noack. Sowie all die anonymen Unterstützer/-innen.

Possblthings goes East

Vor knapp einem Dreiviertel Jahr hat sich der Possblthings-Plattenladen aus Connewitz verabschiedet – jetzt poppt er für eine Woche in Schönefeld auf.

Man könnte meinen, da wächst aus der Not heraus ein neues Konzept: Ein nomadischer Plattenladen, der einmal quer durch die Stadt wandert und sich temporär in bestehende Läden und Clubs einnistet.

So interessant der Gedanke ist, es ist doch alles banaler: Noch immer haben die Betreiber keinen geeigneten Ort für den Possblthings-Store 2.0 gefunden. Nach den Ausflügen ins Plagwitzer Fetti Amore und ins Institut fuer Zukunft, werden die Platten deshalb für eine Woche in Reudnitz aufgebaut.

Host ist die die Projektwohnung Krudebude (Stannebeinplatz 13, 1. Stock). Neben altem und neuen Vinyl wird es täglich von 11 bis 20 Uhr auch Secondhand-Klamotten, Patches und temporäre Tattoos geben. Außerdem wird es eine Austellung mit Werken von Jan Wozny, Wera Jane und anderen Künstlern/innen geben.

Eine Platte möchten wir besonders ans Herz legen: die dritte EP von Possblthings selbst. Sie erschien im letzten Dezember und featured Milium. Seine beiden Stücke pendeln in Lofi-Ästhetik zwischen House und Oldschool-Electro, immer auch mit einer roughen Post-Punk-Attitüde, wie sie zuletzt auch vom Leipziger Label Sign Bit Zero gern hervorgeholt wurde.

Bei Milium spielt aber nicht die provokative Rauheit eine Rolle, sondern mehr das Forschen und sich Verlieren in analogen Sounds.

Musik aus Leipzig zur Winterzeit

2017 ist vorbei, der Winter lugt um die Ecke, die Feiertage sind mehr oder weniger gut überstanden – eine guter Zeitpunkt, dem wieder eintretenden Alltagstrott neue Musik entgegenzusetzen. Hier einige Perlen der letzten Zeit:

NUUK „Tungaa / Tunnguit“ (Edition Schulze)

Zu hoffentlich bald möglichen Spaziergängen in verschneiter Landschaft passen die acht Stücke der EP „Tungaa / Tunnguit“ von NUUK. In sehr eisige Drone- und Ambient-Gefilde taucht das gemeinsame Projekt von Walter Schulze und Lorenz Erdmann von Meier und Erdmann ab. Dabei schimmern immer eigentümliche Melodien durch die hypnotisierenden Schwingungen. Sie wirken eher bizarr statt gefällig – klar, findet hier doch das Eigenleben modularer Synthesizer seinen Ausdruck.

Das zweite Release der Edition Schulze nach „Water On Mars“ ist zugleich das erste physische: Neben der digitalen EP gibt es 55 Kassetten von „Tungaa / Tunnguit“, auf denen die Stücke ineinander überblendet werden. Passenderweise, denn wer braucht beim Tape schon Pausen?

Und ein Vogelbeobachtungsvideo gibt es außerdem dazu:

Tinkah’s & Schmeichel „Tinkah’s & Schmeichel’s Herbs“ (Pattern // Select)

Natürlich ebenfalls als limitierte Kassette erscheint auch ein neues Release auf Pattern // Select: Tinkah und Schmeichel präsentieren uns auf jeweils einer Seite eine Auswahl ihrer Beats.

Tinkah beginnt dabei sehr zurückhaltend und unterlegt seine Soundscapes mit tiefen Bässen, ab und zu hervorblitzenden Beats und seltener auch mit Soul-Samples. Besonders zum einnehmenden „Skin“ driftet die Aufmerksamkeit in andere Sphären ab. Bei Schmeichel sind die Beats dann etwas prägnanter, mehr von Samples geprägt und spielen bspw. mit Footwork-ähnliche Patterns. Aber auch hier schleichen sich atmosphärische Flächen wie bei „U2“ und „REAL“ ein.

Neben dem entspannten Sound gibt es auch 22 Tapes, denen Teebeutel beigelegt sind – bestehend aus von den Künstlern selbst gesammelten Kräutern. Perfekt für verregnete Januar-Tage.

Peter King „One Shot Of Vodka“ / Monkey Marc „Post Traumatic Dub“ (Jahtari)

Bei Jahtari gibt es neue 7″-Singles: Peter Kings „One Shot Of Vodka“ ist ein großer Kneipen-Hit, der eigentlich durchgängig Bock auf die Kombination – na klar – Bier, Wodka und Tanzfläche macht. Auf der Rückseite gibt es wie üblich den Riddim in dubbiger Aufbereitung, diesmal von Naram produziert.

Ohne Vocals hingegen sind die beiden wunderbar nach Computerspiel-Soundtracks klingenden Tracks von Monkey Marc. Beim „Post Traumatic Dub“ und beim „Deception Dub“ meine ich Melodiefetzen aus Monkey Island herauszuhören und bekomme einen Nostalgie-Flashback. Auch das Cover weist darauf hin, aber Monkey Marc versteckt die offensichtlichen Melodien des legendären Soundtracks gekonnt in seinen Versionen.

Jahtari Reissues

Außerdem hat Jahtari vor einer Weile Roger Robinsons „Dog Heart City“-Album auch auf Vinyl herausgebracht – ein guter Zeitpunkt, Robinsons Storytelling nochmal gebührend zu würdigen. Und wer noch eine größere Summe in Jahtari investieren möchte, kann das Original-Artwork zum Cover (made by Kiki Hitomi) auf der Website des Labels ergattern.

Immer noch nicht genug? Auch die tolle „Jahtarian Dubbers Vol. 2“-Compilation gibt es jetzt auf Vinyl.

Kurt Y. Gödel „Axiomatic System“ (Yuyay)

Bei Yuyay ist die neue Veröffentlichung eigentlich eine alte: Das Album „Axiomatic System“ gibt es jetzt auch auf Vinyl. Wir erinnern uns: „Analoge Weirdness, abgedreht und poetisch zugleich“, schrieb Jens 2015 dazu. Eigentlich ein schönes Zeichen, dass die Nachfrage nach dem älteren, digital veröffentlichten Material von Yuyay Records für eine Vinyl-Pressung reicht.

Enuit „Side Tracks“

Bereits seit September gibt es auch eine neue, selbst veröffentlichte EP von Enuit. Vier Tracks sind auf der „Side Tracks“-EP zu hören, die eine eher dunkle Grundstimmung im Fokus haben. Die abseits der geraden Bassdrum programmierten Beats bleiben dabei stets aufgeräumt und eignen sich daher für DJs auf dem weiten Terrain irgendwo zwischen Techno und Dubstep.

Zusätzlich eingesprochene Vocals geben dem vorletzten Stück „Die Schlange der Liebe“ dazu regelrecht Hörspielcharakter. Am stärksten bleibt bei mir aber „A White Night“ mit seiner eisigen Atmosphäre hängen.

Fast verpasst: Der exLEpäng Adventskalender

In Vorbereitung zum Jahresend-Rave-Marathon Deathemberfezt öffnet exLEpäng jeden Tag ein DJ-Mix-Türchen.

Jaja, da sind wir viel zu spät dran: Nicht nur bei R.A.N.D. Muzik erwarten uns jeden Tag im Advent eine musikalische Überraschung, auch exLEpäng bereiten sich und ihr Publikum auf diese Weise auf das gnadenlose Deathemberfezt vor, welches heute Abend beginnt. Alle Infos dazu findet ihr hier.

Eine ganze Reihe DJs aus dem Umfeld der Crew wurde nicht nur für den Adventskalender zusammengetrommelt, sondern werden selbstredend auch beim Deathemberfezt am Start sein. Kurz gecheckt – ja, hier werden zumeist die härteren Facetten elektronischer Musik zelebriert: Acid, Breakcore, Industrial, natürlich Techno und vieles mehr. Dass dabei immer der Spaß an der Sachen im Vordergrund steht, wird nicht zuletzt auch an den Beschreibungen der einzelnen Mixe deutlich. Aber überzeugt euch selbst:

Behind the nights – Boundless Beatz

Jubiläum, Jubiläum: Zehn Jahre schon feiern die Breakbeat-Heads mit Boundless Beatz. Wir schauen mit audite von der Crew zurück.

Wer in den letzten zehn Jahren gern zu Drum & Bass, Dubstep und ähnlichem tanzen gegangen ist, dürfte früher oder später mit Sicherheit auf Boundless Beatz gestoßen sein. Kein Wunder – der Kopf dahinter, audite, gehört zu den umtriebigsten Akteuren im Bereich der gebrochenen Beats in Leipzig. Neben zahllosen DJ-Gigs und Radio-Shows sind es vor allem seine Aktivitäten im Veranstaltungsbereich, die die Vielfalt der lokalen Breakbeat-Szene fördern.

2005 verschlug es audite nicht nur für das Studium von Mainz nach Leipzig. Durch Metasound, jetziger Label-Chef von Break The Surface, lernte er die hiesige Szene kennen und begann auch recht schnell, mit ihm diverse Projekte anzustoßen bzw. gemeinsam fortzuführen. Im Staubsauger veranstalteten sie die Bassline Surfers Sessions und hosteten abwechselnd die zuvor von Metasound gegründete Radiosendung „3tes Ohr“.

Zwei Jahre später fiel der Startschuss für Boundless Beatz: Die erste Radioshow unter dem neuen Namen lief auf DNB Radio und im Jahr darauf fand die erste größere Party im Westwerk statt, bei der Boundless Beatz zunächst nur als „Crew-Name“ auf dem Flyer auftauchte – ihr wisst schon, das was immer in den Klammern hinter den DJs steht. Dennoch sollte es bis 2013 dauern, bis sich Boundless Beatz mit Dubbalot zur Crew erweiterte, erzählt audite:

„Nach meinen ersten Erfahrungen war es mir lieber, die Fäden erstmal allein zu ziehen, da ich dadurch viel freier in meinen Entscheidungen und auch flexibler in den Line-ups war. Ich musste keine weiteren Crew-DJs bei der Gestaltung des Line-ups einbinden und konnte so immer stärker an einem musikalischen roten Faden arbeiten, dem ich mich selbst entsprechend unterordnete.“In der Zwischenzeit folgten viele Veranstaltungen, die auch mal bestimmte Genres in den Vordergrund stellten: Von Dubstep über Ragga Jungle zu Liquid Funk oder 90ies HipHop wurden die verschiedenen Schubladen im Bereich Breakbeat durchwühlt. Dabei arbeitete audite oft mit anderen Veranstaltern in allen möglichen Locations zusammen und konzipierte z.B. einen Boundless Beatz-Floor auf einer Sehstörung-Party in der G16. Aber auch die Partys im Absturz, die er zusammen mit J.SN veranstaltete, sind in Erinnerung geblieben:

„Die Absturz-Partys sind vom Vibe her bis heute unerreicht geblieben.“

– „Trotz der extrem schwierigen Situation mit dem Besitzer war es ein sehr angenehmes Zusammenarbeiten mit der Crew vor Ort.“

Rückblende: Aufgrund großer Streitigkeiten mit der Feinkost-Genossenschaft war der Absturz eine Zeit lang die wahrscheinlich umstrittenste Location der Stadt, die sich dennoch nicht über einen Mangel an Gästen stören musste.

„Ich konnte relativ unbekannte DJ-Freunde aus ganz Deutschland einladen, da die Bude nicht wegen des Line-ups, sondern wegen der Party voll wurde. Die gute Stimmung unter den Künstlern und der Crew übertrug sich auf das Publikum und somit waren das ganz tolle Nächte“, sagt audite.Die Förderung neuer und junger Acts wurde seitdem bei Boundless Beatz groß geschrieben – auch mit einer im Club-Kontext eher selten aufgegriffenen Idee: Beim „Newcomer Rollout“ können sich aufstrebende DJs und Producer auf einen Slot bei den Partys bewerben. So wurden Talente wie z.B. Cook!, Kator, dreadmaul, BRKN1, Dubbalot und MechxnizeD gefördert.

„Das ist das, worauf ich als Promoter am meisten stolz bin. Es macht mich glücklich zu sehen, dass ich hier meinen Teil zu einer gewissen Nachhaltigkeit der Kultur beitragen konnte und diese Jugendförderung vermisse ich ehrlich gesagt bei den meisten anderen Crews bis heute“, resümiert audite.

dreadmaul ist dann auch der Grund für die Label-Erweiterung bei Boundless Beatz im Jahr 2015. Seitdem wird die Crew zusätzlich von Sophia unterstützt. Gute Sache, bleibt doch immer weniger Zeit für das Wesentliche:

„Was sich natürlich stark geändert hat, ist die Abhängigkeit bzgl. Social Media. Man muss als Label und Promoter eigentlich Soundcloud, Hearthis, Facebook, Youtube, Twitter, Instagram und mindestens noch die eigene Homepage im Blick haben. Wenn man das jeden Tag vernünftig abarbeiten will, ist der Tag rum,“ so audite.

Ebenso auffällig sind für ihn auch die Erwartungen des Publikums, das sich inzwischen viel leichter vorab über die Party, die Künstler und deren Musik sowie über die Locations informieren kann: „Die Bereitschaft sich mit Geduld auf einen Abend einzulassen und zu schauen, was mit einem selbst und den anderen passiert, ist deutlich geringer als früher. Wenn manche Gäste nicht sofort das bekommen, was sie wollen, können sie mitunter anstrengend werden.“

Dass sich audite und die restliche Crew von Boundless Beatz dennoch nicht von ihren Aktivitäten abhalten lassen, sieht man nicht nur an den vielen größeren Bookings in den letzten Jahren: Mit S.P.Y., Chimpo, Skittles, Command Strange, Intelligent Manners, Joe Syntax und Ed:it waren so einige Schwergewichte des Drum & Bass zu Gast – einige absolvierten sogar ihre ersten Auftritte in Deutschland dank Boundless Beatz. Und natürlich, auch das Jubiläum wird am 8.12. in der Distillery ausgiebig gefeiert.