Sachen packen, zum Open Air an den See fahren und tanzen, ist ja eher Teil des easy life. Das Open Air zu organisieren und durchzuführen, dagegen ein richtiger Act. Eine kurze Behind the scenes-Doku über das Think-Festival zeigt es.
Es ist wahrlich keine Neuigkeit, dass größere Festivals oder kleine Open Airs viel Arbeit machen. Programm planen, Behördenauflagen erfüllen, Technik ankarren, Deko bauen und so weiter. Bei Tages-Open Airs mit großem Headliner-Line-up, wie dem Think-Festival, ist es eine besondere Herausforderung, die Balance zwischen Aufwand und Spaßzeit gerade zu halten.
Denn am Ende ist der Hustle ebenso groß wie bei einem Wochenend-Festival, der Spaß geht aber nur zwölf Stunden. Die Kurz-Doku von Arvid Wünsch macht es deutlich, indem sie beim Art Director Martin sowie beim Deko-Team vorbeischaut. Mathias Kaden & Daniel Stefanik sowie Filburt erzählen schließlich aus ihrer Bühnenperspektive. Schöne Einblicke. Dieses Jahr feiert das Think übrigens die zehnte Ausgabe.
In Clubs wird getanzt, logisch. Doch gerade auf den House- und Techno-Floors scheint sich eine gewisse Monotonie breit gemacht zu haben. Dass es auch anders geht, ist bei den Style Wild Battles zu erleben.
Style Wild hat sich in den vergangenen rund sechs Jahren nicht nur als spannende Plattform für die Oldschool- und Future-Tendenzen der Beatmaker-HipHop-Bass-Szene etabliert. Die Reihe im Freitagsprogramm der Distillery ist zugleich eng verzahnt mit dem OverDubClub und brachte so wahrscheinlich eine Menge lokale Akteure zusammen.
Was dabei manchmal vielleicht etwas untergeht: Sie pushed auf vielfältige Weise die Urban Dance-Szene. In Battles treten seit 2012 Tänzerinnen und Tänzer in den Kategorien HipHop, Popping, Experimental, Dancehall und House in 1-zu-1- oder 2-zu-2-Battles gegeneinander an. Eine Jury kürt die besten Moves, die spontan zu den Tracks der DJs entstehen. Dazu gibt es immer wieder begleitende Workshops oder Filmvorführungen.
Bei House sind wir hellhörig geworden. Um 1980 formte sich in Chicago und New York zu den damals neuen House-Sounds ein eigener Tanzstil heraus, bei dem im schnellen Wechsel große und kleine Schrittkombinationen auf den Beat abgestimmt werden – das Jacking. Leichtfüßige, grazile Moves, die heute weitgehend von den House-Floors verschwunden sind.
Doch ist heute heute wirklich monotoner auf den Dancefloors? Das haben wir Kathleen und Susi von der Troop23-Crew gefragt:
Kathleen: Ich würde nicht sagen, dass heute das Tanzen zu House und Techno sehr viel monotoner und uniformer ist. In der Mehrheit gesehen war es das schon immer und hat durchaus mit der Motivation zu tun, mit der man in einen Club geht. Viele Leute wollen dort abschalten, etwas trinken und Leute kennenlernen. Da spielt Tanzen nicht immer die vorrangige Rolle und wenn getanzt wird, will man das dann auch gut machen. Bevor man sich blamiert, lässt man es vielleicht lieber.
„An Kreativität fehlt es bestimmt nicht, eher an der Sozialisation.“
Meiner Meinung nach hat dies mit dem kulturellen Hintergrund und den eigenen Tanzerfahrungen im Laufe des eigenen Lebens zu tun. Auch die Art des Musikhörens und der Hörgewohnheiten spielen eine Rolle. Ich höre sehr gern House-Musik. Das war nicht immer so. Bevor ich House-Dance begegnet bin, war für mich House etwas zum Chillen. Erst durch den Tanz habe ich gelernt, was alles zu hören ist und worauf man sich so bewegen kann.
Susi: Stimmt, es ist nicht monoton. Das Tanzen zu House hat sich entwickelt und ist ungemein vielfältig geworden. Eine zunehmende Differenzierung hat es nicht nur auf musikalischer, sondern auch auf tänzerischer Ebene gegeben. Und das gibt es weiterhin. Es hat sich ein eigener Tanzstil etabliert – wenn auch nicht als Massenphänomen. Sowohl Einflüsse aus anderen Tanzrichtungen, wie zum Beispiel aus dem Salsa oder Elemente aus dem Capoeira sorgten für Inspiration als auch einzelne Tänzer und deren besondere Art zu Tanzen. Es muss einfach unterschieden werden: Einerseits gibt es Menschen, die gern House hören und sich dazu auf Partys vielleicht etwas monoton bewegen. Eventuell noch mit einem Drink in der Hand. Andererseits gibt es Menschen, die es lieben, sich zu dieser Art von Musik mit ihrem Körper auszudrücken, zu tanzen und zu trainieren.
Wie ist die lokale Szene für House-Dance? Gibt es Crews, regelmäßige Events oder Szene-Heroes?
Kathleen: Die Housedance-Szene in Leipzig ist sehr klein, etwa 10 bis 15 Leute. Aber sie wächst, vor allem in den letzten drei bis vier Jahren. Style Wild hat seinen Teil dazu beigetragen, weil es auch House-Dance als Battleform integriert hat, obwohl dies in seinem Ursprung nich dabei war. Es gab aber immer einen Austausch zwischen den Tänzern im Club. Auch durch Tanzworkshops von externen Tänzern versuchen wir die Leute auf diesen Tanzstil aufmerksam zu machen. Was noch viel zu kurz kommt, ist der Austausch beim Clubbesuch. Es gibt ein wöchentliches Training, wo man sich austauschen kann. Die Szene in Paris ist im Vergleich groß. Nicht weil die Stadt größer ist, man hätte auch Berlin in den Vergleich nehmen können. Doch durch einige Besuche von House-Tänzern aus New York kamen auch viele Tänzer in Frankreich mit dem Tanzstil in Berührung und entwickelten ihn weiter. Dies ist meine Erfahrung aus Gesprächen mit Tänzern aus Frankreich. In Europa gibt es derzeit zwei mir bekannte große Events, die sich ausschließlich mit House-Dance als Tanzstil beschäftigen: Housedanceforever in Amsterdam und das Housedance Europe in Italien. In Deutschland bzw. in Sachsen gibt es bisher ein paar kleine Battles & Trainingssessions. Was vermutlich daran liegt, dass die Szene nicht so groß ist.
Susi: Es gibt lokal ein paar Tänzer, die House tanzen. Ich würde sie als Teil der ‚urbanen Tanzszene‘ sehen. Neben Leuten, die eher HipHop, Popping oder Breakdance tanzen.
„Die Szene ist überschaubar, mittlerweile gut vernetzt und sehr herzlich.“
Man kennt sich untereinander, trainiert gemeinsam, fährt zusammen auf Tanzevents oder Partys. Ich selbst habe zunächst viel HipHop getanzt, dann eher Locking. Auf einem Tanzevent bin ich dann über House gestolpert und habe seitdem den Fokus eher darauf gelegt, weil es sich für mich am besten anfühlt.
Worauf wird bei den Style Wild Battles im House-Dance besonders Wert gelegt?
Kathleen: Am wichtigsten ist die Verbindung zur Musik. Die hohe Schule ist es, wenn du die Musik im Tanz sehen kannst. House hat seinen eigenen Groove, so wie HipHop seinen eigenen Groove hat. Das Jacking als Basicmove ist hier wichtig. Wenn du einem Tänzer zusiehst ohne die Musik zu hören, könntest du daran erkennen, dass er House tanzt.
„Im Battle ist es natürlich wichtig, dass du auf dein Gegenüber reagierst und wie generell dein Level ist.“
Susi: Es gibt eine Menge Aspekte. Die Judges bei einem Battle bewerten bspw. Vielfalt, Musikalität, Präsenz, Style, und so weiter. Mir ist es wichtig, dass der Tänzer den House-Groove oder das House-Feeling hat und seine Verbindung zur Musik spürbar und sichtbar macht.
Die 10. Ausgabe der Style Wild Battles erstreckt sich übrigens über ein ganzes Wochenende. Kick Off ist am Freitag, den 10.2. mit einer Clubnacht in der Distillery, bei der sich die Tänzer, DJs und Musiker in einer offene Runde austauschen können. Auch, um die verschiedenen Perspektiven besser zu verstehen
Am Samstag, den 11.2. finden verschiedene Workshops in der Baumwollspinnerei sowie in den Break Art Studios statt. Am Sonntag schließlich dann der Höhepunkt: die Style Wild Battles im Werk 2. Die Jury besteht aus Leuten aus Schweden, Frankfurt, Berlin, Hildesheim und Leipzig.
Platten direkt beim Label zu kaufen, ist ja wie die Gemüsekiste vom Bauern liefern. Fühlt sich irgendwie gut an und manchmal wird sogar noch mehr von Freunden mitgeliefert.
Ok ok, ob das letztere bei Gemüsekisten auch so ist, weiß ich nicht. Aber einige Leipziger Labels haben ihre Online-Shops nicht nur mit dem eigenen Katalog bestückt, sondern ergänzen das Angebot um Veröffentlichungen von befreundeten Labels. Nicht in vollem Umfang, dafür ausgesucht und quasi passend zum eigenen Katalog kuratiert.
Alphacut Records und Jahtari machen dies bereits seit Jahren. Auch im Kann Records-Store gibt es nebenbei Platten von Giegling, Lack, Bau und Holger. Neu dazu ist Sign Bit Zero gekommen. Im letzten Jahr sehr überzeugend von Kilian Krings gegründet, ist der letzte Woche erweiterte Online-Shop nun auch eine Fundgrube für experimentelle und obskure Elektronik mit Post Punk- und Industrial-Zitaten.
Und so finden sich dort nun u.a. die Kassetten von Amok Tapes und Sama Recordings. Durch den direkten Kontakt zu befreundeten Labels wie Unknown Precept, Knekelhuis und Mannequin sollen im Sign Bit Zero-Shop künftig auch Platten und Tapes erhältlich sein, die woanders bereits ausverkauft sind. Nebenbei wird mir der Kontext noch einmal deutlicher, in dem sich Sign Bit Zero bewegt. Hier ein paar Highlights aus dem SBZ-Shop:
Mehr als zwei Jahre nach der letzten Platte gab es kürzlich ein neues Lebenszeichen von Connwax. Mit einem Link ins Berliner ://about blank.
In diesem Jahr kann Connwax auf fünf Jahre zurückschauen. Mit dem Spanier Eduardo De La Calle ging es im Frühjahr 2012 los. Großen Release-Stress haben sich die Macher aber nicht gemacht. Stattdessen entstanden in der Zeit gerade einmal vier Vinyl-only-EPs, die die feinen Unterschiede im Techno dokumentierten. Was sich bei Connwax aber immer irgendwie durchzieht – egal wie deep oder straight sich ein Track entfaltet – ist eine atmosphärische Weite und warme Innerlichkeit.
Selbst bei der Nummer 4, die auf dem ersten Hören noch einmal packender und zugleich breakiger und spannungsgeladener daherkommt.
„Elements“ und „Concealing“ stechen hier besonders heraus.
Der://about blank-Resident Akmê steckt hinter diesen drei sehr einnehmenden Tracks und Connwax beschert dem Berliner mit dieser EP sein Vinyl-Debüt. Und was für eins. Ja, Krausi, da reichen sogar Snippets, um das festzustellen.
Antoinette Blume schlägt ein neues Kapitel ihrer Afterhour-Begegnungen mit interessanten Menschen des hiesigen Nachtlebens auf. Solaris kreuzte dieses Mal ihren Weg.
Hier sollte eigentlich eine preiswürdige Einleitung meiner lieben Freundin Ronya Othmann stehen. So beginnt zwar keine Einleitung von ihr, aber notfalls eben von mir. Ich verzeihe meinen Freunden zu oft und zu gerne diese gewisse künstlerische Unzurechnungsfähigkeit, Unzuverlässigkeit und Unberechenbarkeit. Auch heute. Ja, auch heute. Die Einleitung wird nachgeliefert, I promise!
Dafür gibt es in dieser Februar-Ausgabe ein A4-Portrait einer Frau, die jegliche Freifläche zum Ausbrennen bringt: Solaris. Wie die Sonne. Nur in schwarz.
Steckbrief
Musik oder Rausch?
Rausch durch Musik
Clubnest?
Institut fuer Zukunft
Zuhause-Musik?
Punk und Ambient
Chiaroscuro: hell-dunkel
Solaris ist nicht nur Resident DJ in einem der Technoclubs in Leipzig, dem Institut für Zukunft, sondern auch Philosophin (B.A.), Bookerin und die Verantwortliche für eine meiner liebsten Veranstaltungen in eben diesem Club, dem Sunday Service. Spätestens, eher allerspätestens seit ihrem Set beim Boiler Room und ihrem Auftritt zur 12-Jahres-Feier im Berghain kennt man ihren Namen, ihr Gesicht, ihre musikalische Handschrift. Man müsste annehmen, der starken Resonanz zu urteilen, die Boiler-Room-Berghain-Bookings wären die markantesten Stellen in ihrer vierjährigen DJ-Vita.
Für Solaris selbst ist die bisher wichtigste Station der Anfang: Die IfZ-Eröffnung. Was sich seit dem in Leipzigs Zirkuszelt gedreht und entwickelt hat, ist zu so etwas wie dem Party-Dialysegang für Technoerkrankte geworden. Weitestgehend perfektioniert und geradezu (über)lebenswichtig für einen Teil der Nach(t)welt.
Gegenwärtig, vergangen, zukünftig
Clubnest ist unweigerlich und für immer das IfZ, hier wird kuratiert und der eigenen Kreativarbeit nachgegangen. Und dass ein Booker nie schläft, ist wohlweislich wahr. Entweder Solaris organisiert, legt in Clubs oder bei Festivals (wo sie einst die Clubfamilie des IfZ kennenlernte) auf. Früher war sie selbst oft Sonntags im Berghain anzutreffen, bevor das mystifizierte „Non-Plus-Ultra“ Berlins ausdiente und Solaris selbst die Möglichkeit bekam, das Nachtleben mit eigenem Anspruch und Zutun zu verschönern. Dazu gehört beispielhaft das ausgewogene Verhältnis von queeren, weiblichen und männlichen Künstlern, die eine Party gestalten.
Und was geht so in puncto Zukunft? Zukünftig (welch omnipräsenter Ausspruch!) möchte sie sich der eigenen Produktion von Musik verschreiben – das Vorher-nie-dagewesene entfaltet mit der Zeit mehr und mehr seine unbekannten Reize und löst vielleicht, irgendwann, aber nie absolut, das Auflegen fremder Musik ab.
Sci-Fi-Butterfahrt
Damit ihr, nein wir, zum Ende hin noch etwas Handfestes mitnehmen können, nicht nur einen Einblick und ein paar Lesezeilen (ich kenne ja meine gierige, ähh wissbegierige Leserschaft mittlerweile), hier noch das gelüftete Geheimnis hinter dem Künstlernamen Solaris: Es ist ein Sci-Fi Filmtitel – puff, platsch.
Ja, denn auch ich dachte für 2-3 Sekündchen, es könnte sich um eine busfahrgetränkte Geschichte handeln – nein, den Namen gab es schon vor dem Umzug von Dresden nach Leipzig. Trotzdem schön, in einem LVB-Gefährt zwischendurch den Namen Solaris zu lesen – und damit an die ein oder anderen Nächte und Tage des Sunday Service zu denken.
Wieder geht ein herzlicher Dank an Henry W. Laurisch für das Porträt-Foto sowie an Manuel Schmieder für das Afterhour-Artwork.
Hypress heißt ein neues Label, das vor wenigen Tagen seine erste Platte veröffentlichte. Wir haben mit René von Mod.Civil darüber gesprochen. Er steckt nämlich dahinter.
Um Mod.Civil ist es leider etwas ruhiger geworden in den letzten Jahren. René, ein Teil des Duos und als Templeton auch solo unterwegs, hat die Zeit jedoch genutzt und mit Hypress ein viel versprechendes neues Label gestartet.
Durchaus vielseitig scheint es zu werden, zumindest öffnet die Nummer 1 als Split-EP mit DJ Overdose aus Rotterdam und dem Leipziger Varum aus dem Modern Trips- und Mørklys-Umfeld ein weites Spektrum zwischen klassischem Electro, industrial-inspiriertem Techno und leuchtenden Electro-Funk-Anleihen. Was René genau vorhat, erzählt er uns im Mini-Interview zum Label-Start. Und drüben in der Review zur ersten EP gibt es auch einen Smalltalk zwischen Varum und DJ Overdose.
Wie kam die Idee zu Hypress?
Die Idee und einige Anstrengungen für ein eigenes Projekt gab es schon länger. Ich habe in der Vergangenheit inhaltlich und administrativ sehr viel Energie in verschiedene gemeinsam Projekte investiert. Leider hatte ich dabei öfter das Gefühl, an Grenzen zu stoßen oder ich stand nicht immer vollends hinter allen Entscheidungen, die ein gemeinsames Projekt oder Label so mit sich bringen.
Dadurch verpuffte aus meiner Sicht mitunter die Energie für die Sachen und ich verlor den Fokus für die Musik, die ich eigentlich machen wollte. Das löste häufiger eine gewisse Frustration aus, der ich entfliehen wollte.
„Für die Musik, die ich gut finde und machen will, möchte ich ab jetzt ohne Kompromisse arbeiten.“
Es wird immer Split-EPs geben?
Die ersten drei EPs sind als Split-EPs konzipiert. Das soll prinzipiell auch der Fahrplan sein. Es gibt jedoch auch schon eine Anfrage von einem Künstler, der gern eine Artist-EP machen möchte. Das liegt aber noch etwas in der Zukunft und es muss noch etwas reifen. Deswegen möchte ich darüber nicht so viel erzählen.
Wo soll es vom Sound her hingehen?
Es gibt zwei entscheidende Eckpfeiler: Electro und Techno. Ich habe gar nicht vor, auf Krampf neue Pfade zu beschreiten. Da läuft man Gefahr, sich zu verrennen. Außerdem gibt es auf bestehenden Pfaden noch vieles zu entdecken, das anders und in seiner Art irgendwie neu erscheint. Die beiden Genres sind auch sehr dehnbare Begriffe und da muss ich gar nicht mit neuen Kontexten oder Verhältnismäßigkeiten anfangen.
Und wenn es am Ende die Soundästetik ist, die für mich interessant klingt, reicht das ja manchmal auch schon. Ich denke durch eine gewisse Limitierung ergibt sich im Umkehrschluss auch wieder vielmehr Freiraum in diesem Prozess. Natürlich lasse ich mich gern von anderen Musikarten inspirieren. Das passiert zwangsläufig. Und vielleicht lasse ich mich auch zu anderen Spielarten hinreisen.
Im Bass- und Breaks- oder Indie-(Electronic)-Bereich gibt es beispielsweise auch immer wieder interessante Künstler die tolle Sachen machen. Umsonst hatte ich damals nicht auch das Pneuma-dor-Label mit gestartet. Für mich stehen vorerst die nächsten zwei Releases im Fokus und dafür muss noch einiges tun.
Die erste Hypress-EP ist draußen und sie baut eine direkte Verbindung zwischen Rotterdam und Leipzig auf. Sogar ganz konkret: Unsere Review bringt DJ Overdose und Varum zusammen.
Techno und Electro sind die entscheidenden Eckpfeiler für Hypress, erzählt Label-Gründer Templeton in unserem Mini-Interview. Die erste EP „Orphra Clipz“ lässt keinen Zweifel daran. Sowohl DJ Overdose als auch Varum bespielen mit ihren Tracks diesen musikalischen Rahmen.
Während die Electro-Tracks durchaus klassisch ausfallen und gleichermaßen die harschen und harmonischen Seiten des Genres anklingen lassen, gibt es im Techno der beiden eine maximalere, vom Industrial beeinflusste Version zu hören. Bei DJ Overdose passiert dies mit einer gewissen Leichtigkeit, bei Varum hingegen brutaler und breakiger. Das bringt über die gesamten fünf Tracks eine vielfältige Spannung rein, die mit Varums „Floatation Vérsion“ am Schluss in einen euphorischen, weltumarmenden Electro-Techno-Hybriden mündet. Mein Hit auf dieser durchweg gelungenen ersten EP.
Als ich mit René von Hypress über die Labelpläne sprach, kam uns der Gedanke, dass es interessant wäre, beide Musiker miteinander ins Gespräch zu bringen. Denn oft ist es bei Split-EPs wohl eher so, dass sich zwei Acts eine Platte teilen und nichts voneinander wissen. René hat seinen ersten beiden Label-Acts also Fragen geschickt und wir durften daraus einen virtuellen Smalltalk basteln. Hier ist er:
Varum: Hey DJ Overdose. Ich arbeite bei der Telekom als telefonischer Kundenberater. Das klingt lächerlich, ist es auch – wie ist es bei dir?
DJ Overdose: Ich arbeite in einem Kino. Mit der Musik und dem Auflegen kommt aber auch etwas herum. Warum der Name Varum?
Varum: Das hat einen ziemlich lächerlichen Hintergrund. Ich wollte einen Namen, der meinen Musikstil beschreibt. Also habe ich angefangen, das Wort „antreibend“ per Google-Übersetzer in andere Sprachen zu übersetzen. Dabei kam dann Varum heraus. Hat es bei dir eine Bedeutung? DJ Overdose: Ja, weil die Leute wegen der vielen Musik, die ich ihnen hinterherwerfe, mein Haus immer müde verlassen. Ich gebe ihnen eine Überdosis Musik. Was ist dein musikalischer Background?
Varum: Ich war von 2004 bis 2011 im Thomanerchor, habe also nur klassische Kirchenmusik gesungen und Klavier gespielt. Damals wollte ich mich durch die Musik, die ich höre, soweit wie möglich von der Musik abgrenzen, die ich singen musste. Dadurch bin ich zu sehr brachialen Genres gekommen, vor allem Death-Core und alles andere mit -Core am Ende. Gereizt haben mich damals vor allem die Brutalität und die bösen, schnellen Rhythmen. Das hat mich später auch zu Experimental und Industrial gebracht. Anfangs mehr Noise, später dann der industrielle Techno – vor allem durch Ancient Methods, dessen Sound mich bis heute noch reizt. Hast du ein Instrument gelernt?
DJ Overdose: Leider nicht. Obwohl meine Mutter klassische Musik und Klavier gespielt hat. Alles was ich gelernt habe, ist mit Plattenspielern aufzulegen. Ich bin früh, als es mit HipHop losging, mit Electro in Berührung gekommen. Mit Afrika Bambaataa und frühen Sachen aus New York, Detroit und Los Angeles fing das an. Wie war es bei dir?
Varum: Mein erster Kontakt zu Electro kam in Berlin. Damals habe ich mit Gregor alias Milium zusammengewohnt. Er hat die ersten Technasia-Platten gekauft, so kamen auch die ersten Electro-Platten ins Haus. Bei mir hat es allerdings noch eine ganze Weile gedauert bis ich selbst angefangen habe, Electro zu spielen – ungefähr 2014 war das. Wie entsteht Musik bei dir?
DJ Overdose: Ich bin das, was man einen Schlafzimmerproducer nennt – außer, dass es bei mir das Wohnzimmer ist. Denn alles was ich habe, ist Musikstuff, eine Couch und das wars. Ich habe Unmengen unfertiger Skizzen. Manchmal lösche ich einige davon, weil ich sie nach ein paar Anhören doch nicht mehr mag. Bei dir ist es anders? Varum: Mein Workflow ist meist gleich. Ich nehme mir ein altes Projekt und versuche darin weiterzuarbeiten. Meist klappt das nicht, dann suche ich mir die Sounds heraus, mit denen man etwas anfangen kann und baue darauf auf. Selten fange ich bei Null an. Ich habe meist wenigstens ein bis zwei Sounds, die die Grundlage bilden. Oft höre ich Musik, egal welchen Genres und habe dann Melodien im Kopf, die ich versuche umzusetzen. Bei mir hängt viel von meiner Stimmung und Emotion ab, wodurch sich mein Sound oft verändert. Ich habe viele Sachen, die so halb fertig sind, mit denen ich aber nicht hundertprozentig zufrieden bin. Ich lasse sie dann so lange liegen, bis mir etwas neues einfällt und versuche dann, sie zu Ende zu bringen. Ich höre noch immer viel Musik aus den 80ern und heutige Folk-Rock-Sachen – geprägt durch den Geschmack meiner Eltern. Ich brauche oft einen Kontrast zu der ganzen elektronischen Musik, so dass ich zu Hause viel Instrumentelles höre. Es gibt aber auch noch immer Experimentelles, das mich reizt, vor allem Sachen wie Esplendor Geometrico. Hast du ein komisches Genre, das du magst?
DJ Overdose: Ich wüsste nicht, welche Musik man komisch nennen könnte. In jedem Genre gibt es wahrscheinlich Tracks, die ich mag.
Varum: Irgendwelche Pläne? Ich würde gern irgendwann ein Album veröffentlichen.
DJ Overdose. Viel Geld machen und vielleicht ein großes Boot kaufen, um darauf zu leben.
In diesem Frühjahr erscheinen gleich zwei Alben von Leipziger Producern auf Uncanny Valley. CVBox macht den Anfang.
In den letzten fünf Jahren hat sich CVBox mit einer ganzen Reihe an EPs auf Uncanny Valley, Lunatic, Ortloff und Blackred in den Herzen vieler Analog-Synth-Fans verewigt. Aus Roland TR-808, TR-707, MC-202, TB-303, Roland SH-7, Roland Juno-60, Korg Monopoly und Akai MPC entstanden mal rauere mal deepere Stücke zwischen Electro, Techno und Ambient.
Dies ist auch der musikalische Rahmen für das Debütalbum „So ist es im Nadelwald“. Allerdings fällt im direkten Vergleich mit den älteren EPs ein viel fokussierterer Sound auf. Viele scharfe Kanten sind geschliffen, auch wenn der analoge Charakter der Maschinen weiterhin zu jedem Zeitpunkt herauszuhören bleibt. Doch es ist insgesamt aufgeräumter und sauberer.
Oft führt genau dies zur Beliebigkeit und die Langeweile lauert. Bei CVBox ist es aber das beste, was passieren konnte. Viele Stücke klingen so subtil ausformuliert und auf das Wesentliche reduziert, dass „So ist es im Nadelwald“ durchaus Klassikerpotential entfaltet. Wie ein roter Faden zieht sich atmosphärisch eine nächtlich gedimmte Innerlichkeit durch das Album. Es ist ein zeitentbundenes, harmonisch-flächiges Gleiten in ausgeglichener Melancholie, teils auch mit dubbigen Elementen. Nur bei „New Oberla“ und „SH7 SHT“ gelangt das neurotische Electro-Flackern der EPs kurz zurück, doch es ist weich eingebettet.
Im August 2016 gab Apollo Static mit dem Video zu „Flowers of Despair“ einen Ausblick auf das gleichnamige Debüt-Album. Nun ist es da – und es ist Pop im besten Sinne.
Pop ist oft ein schwieriges Thema. Nicht selten bedeutet Pop übertriebenes Pathos, kalkulierte Nostalgie und peinliche Gefühlsduselei. Da hilft es auch nicht, das Kürzel „Indie-“ als Entschuldigung davor zu schreiben.
Andererseits gibt es dann die Momente, in denen alles passt. Vielleicht, weil ein Song mit zeitlichen Abstand erst seine Wirkung entfaltet. Weil bestimmte Ideen beeindrucken, experimentelle Sounds vielleicht pointiert eingesetzt werden und damit auch versponnenere Musik einem größeren Publikum näher gebracht werden.
Disco eignet sich hervorragend als Beispiel dafür, wie Dancefloor-Ideen vom Mainstream aufgesogen wurden und in geglätteter Form dem Publikum verkauft wurde. Aber auch wie dadurch die Club-Kultur eine breitere Akzeptanz erreichte.Apollo Statics „Flowers of Despair“ setzt hier musikalisch an. Der Sound des Ketzerpop-Mitbegründers sehnt sich nach den Dancefloors der 80er und 70er zurück, das Songwriting behandelt eher zeitlose Themen. Das Gefühl, an sich und seiner Umwelt zu (ver-)zweifeln, dabei trotzdem die Momente der Schönheit und Zufriedenheit wahrzunehmen, steht im Zentrum.
Quasi „finding your balance with blood on your knees feet“ wie er in „Evergreen“ zu Klavier-Begleitung singt.
Glücklicherweise wird die vorherrschende Wehmut von Disco-beeinflusster Instrumentierung aufgefangen – mal funky wie in „Falcons Love“, mal balearisch wie in „Symmetry Reduction“. Gleichzeitig nimmt die Melancholie auch so einigen häufig als cheesy empfundenen Stilmitteln ihre Abgeschmacktheit. Das spürt man spätestens, wenn sich zu den 80er-Keyboards in „Sophisticated Heart“ ein Saxophon gesellt.
Und doch wirkt das nicht ironisch oder als Trash gemeint. Hier findet durchaus eine Auseinandersetzung mit der popmusikalischen Vergangenheit statt, die auch die im Nachhinein als albern empfundenen Möglichkeiten ernst nimmt. Auch das fast schon Badesee-taugliche instrumentale Outro „The Dog“ zeugt davon, dessen Konterpart „The Cat“ wiederum verschmitzt über den Dancefloor bolzt.
Apollo Static bringt das Kunststück fertig, zwar eingängige und harmonische, aber immer auch unaufdringliche Songs zu schreiben. Oder anders gesagt: Gut vorstellbar, dass die Stücke im Radio rotieren können, ohne bereits nach wenigen Tagen zu nerven.
Was gibt es am KW 04-Freitag? Es gibt eine große Jahtari-Nacht und Aerger. Das ist aber nicht alles.
Partyname:
Cosmic Geisha From Outer Space
Datum:
27.01.2017 | 23:30 Uhr
Location:
Distillery
Line-up:
Kiki Hitomi, Roger Robinson, LXC, MRN
Yeah, eine würdige Jahtari-Label-Nacht mit Kiki Hitomi im Konzert. Die Wahlleipzigerin hat im letzten Jahr ein unglaublich smartes Album rausgebracht. Zusammen mit Roger Robinson (aktuell auch mit mit einem Tape auf Jahtari) sind sie Zweidrittel von Hyperdubs King Midas Sound.
Partyname:
Aerger
Datum:
27.01.2017 | 23:00 Uhr
Location:
xxx
Line-up:
Hodge, Gramrcy, DJ bwin, DJ aннеттe
Noch einer weiterer super UK-Besuch mit Hodge und Gramrcy – mit herrlich britischen offenporigen, hybriden Sounds. Hier gibt es einen Video-Flyer.
Partyname:
Laut & Luise
Datum:
27.01.2017 | 23:55 Uhr
Location:
Institut fuer Zukunft
Line-up:
Dwig, Wide Awake, Constanijn Lange, Johannes Ton, Dübl & Nase, Maes, Caleesi
Das Köln-Berliner Label-Event-Kollektiv Laut & Luise schlägt in der Stadt auf. Da spielen neben den Residents auch Wide Awake und Dwig live. Es wird schwelgerisch und deep.
Partyname:
Kashual Plastik Japanese Disco Tour
Datum:
27.01.2017 | 22:00 Uhr
Location:
Dr. Seltsam
Line-up:
Japan Blues, Herc E. Rillen, Philipp Matalla
Das spannende Kashual Plastik-Label ist auf Tour. Mit exotischen Sounds und großem Eklektizismus. Auch Philipp Matalla scheint irgendwie involviert zu sein.
Partyname:
All Night Long
Datum:
27.01.2017 | 22:30 Uhr
Location:
Blaue Perle
Line-up:
Marbert Rocel
Marbert Rocel legen die ganze Nacht auf. Da verschwimmen die Grenzen zwischen House, Pop, HipHop und mehr.
Partyname:
Voltage Musique Showcase
Datum:
27.01.2017 | 23:00 Uhr
Location:
Elipamanoke
Line-up:
The Glitz, Marquez Ill, Beth Lydi, Mind Escape, Fujimi, Lars Goldammer, Nienein
Tech House-Showcase mit Voltage aus Berlin, naja. Gekontert vom lokal besetzten Techno-Floor – unsere Empfehlung.
Aus dem Jahtari-Umfeld gibt es neue Musik. Zwei sehr gute Kassetten erscheinen im Januar.
Jahtari legt nach: Nach dem tollen Dub Poetry-Album „Dis Side Ah Town“ gibt es nun mit „Dog Heart City“ ein weiteres Album von Roger Robinson. Diesmal aber als limitiertes Tape. Im Grunde schließt Robinson hier direkt an das Album an und vertieft die dort aufgegriffenen Themen wie Armut, Rassismus, Gentrifizierung und Arbeitslosigkeit.
Die Riddims stammen von diversen Jahtari-Produzenten wie Bo Marley und John Frum. Das ist diesmal sogar noch eine Spur beklemmender, urbaner, auch trostloser. Auch die Lyrics gehen vom vorher Beschreibenden hin zu deutlicheren Vorschlägen wie in „Bun Bun Bun“. Angesichts des Brexit und des Zustands Großbritanniens anno 2017 auch nicht verwunderlich.
Von Kiki Hitomi gibt es diese Tage ebenfalls ein neues Tape. Dieses Mal im Rahmen des Projekts NoinoNoinoNoino, bei dem außer ihr Dead Fader, DJ Die Soon und DJ Hotel beteiligt sind. Die Aufnahmen stammen aus improvisierten Sessions im Jahr 2014.
Und die haben es in sich: Rauschende Noise-Experimente treffen auf verstörende Beats treffen auf den apokalyptischen Gesang von Kiki Hitomi. Das ist in etwa der finstere, halluzinierende Zwilling zum Debüt-Album „Karma No Kusari“.
Tracks wie „Murderer“ verweisen auch deutlich darauf. „8“ sollte keinesfalls nachts auf dem Nachhauseweg in schlecht beleuchteten Straßen oder Parkanlagen gehört werden. Zu große Paranoia-Gefahr.
Bei manchen Artists schält sich mit der Zeit eine bestimmte Sound-Ästhetik heraus, die irgendwie wiedererkennbar ist. Für unseren neuen Talk Talk-Podcast fragten wir Leibniz, wie es dazu kommt.
Leibniz ist gerade schwer berechenbar. Nach den ersten roughen, rasselnden House-Tracks schlägt er quasi mit jeder neuen EP eine andere Richtung ein. Und doch sind da ästhetische Fäden, die den Leibniz-Sound irgendwie zusammenhalten. Wir wollten wissen, wie das geht. Alles weitere erfahrt ihr in unserem neuen Podcast.
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