Sunday Groove – frohfroh-Edition

Letzten Sonntag durfte ich beim „Sunday Groove“ auf Radio Blau das Wochenende musikalisch ausklingen lassen. Hier der Mitschnitt der frohfroh-Edition.

Eigentlich sollte es nur um entspannte elektronische Musik gehen, doch irgendwie wollte ich es dann doch an thematischen Rahmen von frohfroh knüpfen. Und so gab es eine Stunde lang Musik aus Leipzig oder veröffentlicht von lokalen Labels. Danke sehr an Anja für die Einladung, es hat viel Spaß gemacht.

Hier der Mitschnitt:

Und hier die Tracklist:

DJ bwin „Cash Out“ (First Second Label)
Steppin‘ Wolf „Try It (Drei)“ (Mana-All-Nite)
Mod.Civil „Aphex Dreams“
Kator „Connor“ (Defrostatica)
Timoka „Sundowner“ (Holger Records)
Lake People „They’re Singing“ (Permanent Vacation)
Throwing Shade „Mystic Places“ (Ominira)
Things From The Basement „View From The Window“ (Kann Records)
Robyrt Hecht „A Gust Of Phosphor“
Crooks + Lovers „Close“ (O*RS)
Perm „Untitled“ (Shtum)
Mix Mup „Bungalow“ (Hinge Finger)

Close to …
Musik aus Field Recordings

Im Artikel zum Relaunch hatten wir noch eine weitere Neuigkeit angekündigt. Heute ist es soweit: Unser erster frohfroh-Film ist fertig. Premiere!

Zugegeben, es hat etwas länger gedauert, als wir uns das vorgestellt haben. Themen wurden gesucht und angegangen, manche davon sind tatsächlich am Entstehen, andere wurden wieder verworfen oder abgesagt. Zum Schluss war es der Anspruch, Relaunch und Start der Filmreihe zu verbinden, der einiges an Zeit gekostet hat – und plötzlich war das Jahr fast herum.

Doch: Wir sind dran und motiviert, mit bewegten Bildern neue Facetten der Leipziger Elektronik-Szene zu beleuchten, näher an bisher weniger fokussierte Akteure zu rücken. Close to, eben.

Für die erste Folge wollten wir wissen, wie Musik aus Field Recordings entsteht.

Mit Stefkovic van Interesse hat sich in den letzten Jahren ein sehr spannender Musiker in diesem Bereich einen Namen gemacht. Im Frühjahr begleitete ihn das Relativ Kollektiv bei Aufnahmen zum Programm „Maschinenhören“, das vom Kunstverein gegenwart e.V. kuratiert wurde. Dabei entstanden nicht nur extrem beeindruckende Bilder aus einer leer stehenden Industriehalle, in der Stefkoviv van Interesse nach interessanten Sounds sucht. Es gibt ebenso gute Einblicke in die Arbeit mit Field Recordings. Hier ist es:

Es gibt übrigens noch zwei ergänzende Artikel zum Thema Field Recordings: Eine praktische Einführung in Equipment-Anforderungen und einen trippigen App-Tipp.


An dieser Stelle noch einmal ein großes Danke an die 320 Menschen, die uns vor einem Jahr finanziell unterstützt haben, damit wir die „Close to …“-Reihe tatsächlich realisieren können. Besonders seien hier die LiveKomm Leipzig, Robert Seidel und Franziska Hoppe von Spannkraft erwähnt.

Aber eben auch: Steffen Friedrich, Arian Micheel, Falk Wacker, Robert Handrow, Clemens Ruh, Hans Wilde, Marcel Aue, Leandro Olvech, Stefan Streck, Frederik Sander, Henry Franke, Götz Fabian, Max Öyvind Wiesner, Georg Bigalke, Jan-Philipp Sacher, Stanley Baldauf, Walter Freund, Jan Stern, Stefanie Wittrisch, Thomas Pätz, Ronny Turich, Ronny Turich, Benedikt von Hearthis.at, Thomas Goldacker, Ronny Gerber, Rouven Faust, Andreas Stephan, Paul Reimann, Friederike Bernhardt, Gerit Hofmann, Thomas Scholz, Saskia Lina Steszewski, Christoph Linke, Sascha Philipp, Ernst-Moritz Mitzscherling, Constantin Rein, Matteo Koch, Richard Laqua, Tino Michalak, Jonathan Skorupa, Stefanie Höfer, Stefan Schubarth, Jana Fischer, Alexander Gaudl, Chris Schreiber, Tim Woytczak, Steffen Thieme, Falko Haak, Sebastian Wolter, Ines Steinmetzger, Mathias Dragon, Elias Bouldjediane, Christian Kaspar, Stefan Schaible, Julian Baur, Tom Gärtig, Micha Hübel, Anne Zischka, Vincent Neumann, Martin Berthold, Florian Seidel, Christian Lowcut, Tina Gleichmann, André Knappe, Henrik Fischer, Annett Grundke, Christoph Schirmer, Matthias Speck, Sebastian Richter, Adem Zor, Til von Liftboi, Andy Rimkute, Katharina Groll, Anne Haupt, Fabian Russ, Martin Rieger, Rose Records, Julian Walther, Nicholas Mockridge, Sebastian Mendel, Manuel Emmelmann, Marcus Dahms, Aaron Vargas Rüger, Tim Krause, Marcus Engert, Ray Kajioka, Julius Koch, Jens Otto, Philipp Klein, Mathias Ache, Dominic Sattler, Thomas Jurk, Sebastian Vogt, Martina Müller, Steffen Woyth, Herr Noland, Sophia Wagner, Juliane Streich, Zacharias Bähring, Christian Simchen, Astrid Tuchen, Thomas Grabsch, Martin Ränker, Oliver Walter, Thomas Neumann, Oliver Krause, Stephanie Wilfert, Mario Linke, Fabelwesen Berlin, Udo Kaufhold, Benjamin Dohmann, Johannes Amm, Sebastian Ganze, Karin Scherpe, Conrad Kaden, Nicole Brachvogel, Daniel Gläser, Anna Hübner, Florian Sturm, Markus Krasselt, Laura Eisfeld, David Uhlitzsch, Philipp Dietzsch, Lorenz Wolff, Rene Pölzing, Susann Redlich, Christian Pohle, Lars Kosubek, Robert Willi Hornig, Christof Stricker, Philipp Romeike, Stefanie Knabe, Yvonne Strüwing,
Geri Hofmann, Marc Silva, Mandy Engel, David Herrmann, Ilja Iwlew, Tim Hartlep, Matthias Wolf, Claudia Heldt, Christiane Kornhaß, Helene Thiem, Michael Politz, Stefan Schneider, Christian Zoch, Sophie Esders, Sophie Esders, Klausi Nicolausi, Martin Günther, Martin Günther, Stephan Riebe, Anne Peuker, Christoph Funke, Dustin Krah, Tino Friedenstein, Stefanie Schweiger,
Stefan Winter, Arved Clute-Simon, Dirk Ehrlich, Steve Nadzeika, Anne-Katrin Liebmann, Thomas Rümmler, Christian Bender, Mechi Plum, Marko Knaack, Roman Tittmann, Sascha Uhlig, Ilka Richter, Rocco Berndt, Ronny Vogel, Monique Salzmann, Nicolas Kölmel, Michael Wallies, Sandra Hader, Thomas Jurk, Christoph Krämer, Johannes Beck, Willi Thomas, Charlott Bodenschatz, Sebastian Riehm, Sebastian Fischer, Lars Schlüter, Nils Neubauer, Sara Recknagel, Jakob Wulfert, Christoph Mengel, Patrick Kozma, Nici Palm, Maria Ruhe, Julia Dencker, David Auer, Alina Kiesow, Karsten Weyh, Sebastian Sickel, Matthias Zich, Benedikt Fitzke, Peter Kaatzsch, Wiebke Menzel, Thomas Reiche, Jörg Krüger, Hr. Schmirler, Jonathan Schwarze, Daniel Döhler, Aniko Bartfai, Matthias Groß und Natalie Noack. Sowie all die anonymen Unterstützer/-innen.

 

Auf einem App-Trip

Ok, die große Hear-App-Welle ging schon in diesem Frühjahr durchs Netz, doch sie passt einfach perfekt zu unserem aktuellen „Close to …“-Film.

Mittlerweile darf sich die App nicht mehr Hear nennen, irgendwer hat den Begriff schützen lassen. Im Appstore ist sie daher nur noch als „App formely known as H**r“ zu finden. Der Effekt bleibt aber natürlich erhalten. In verschiedenen Modi, die jeweils auch noch in der Intensität angepasst werden können, filtert diese App aktuelle Umgebungsgeräusche und verfremdet sie in eine eigene Soundatmosphäre.

Das kann entspannend oder aufwühlend sein. In jedem Fall ist es extrem trippy.

Und es gibt der unmittelbaren Umwelt mit den Delays, Verschiebungen und Verzerrungen eine äußerst surreale Anmutung. Wenn alles ruhig, passiert natürlich nicht viel. Es braucht also eine gewisse Dynamik. Die kann aber auch schon durch das Tippen aufs Smartphone entstehen bzw. selbst gesteuert werden. Doch draußen auf der Straße gibt es das volle Programm und jeder macht seine eigene Field Recordings-Tracks.

Was ich nicht verstehe: Eigentlich soll die App eine vorwiegend entspannende Wirkung erzielen – egal ob im Zug oder beim Arbeiten. Doch in allen Modi ist so viel dichte, ätherische und strange einwirkende Soundmaterie, das ich eher darauf fokussiert bin. Vielleicht braucht es aber noch längere Hear-Phasen, um richtig tief abtauchen zu können.

Selbst mit Field Recordings anfangen

In unserer ersten „Close to …“-Folge geht es ja um Musik aus Field Recordings. Für alle, die es das selbst ausprobieren wollen, gibt unser Tonmann André hier ein paar Tipps zum richtigen Einstieg.

Ihr habt schon öfter von Field Recordings gehört und hegt Interesse, eigene Geräusche für eure Produktionen aufzunehmen? Egal ob für Musik, Hörspiele oder Filme, die Aufnahme von Umgebungsgeräuschen, Tier- und Natursounds ist eine spannende Erweiterung des akustischen Horizonts und bringt eigenen Aufnahmen auf ein extrem individuelles Level, das komplett losgelöst ist von Konservensounds.

Für den Einstieg in das Thema, sind hier die wichtigsten Fakten zusammengetragen. Dieses Fragen solltet ihr euch vor dem Kauf stellen:

1. Ist das Field Recording als Hobby gedacht, oder soll es später professionell ausgebaut werden?
2. Was sind die gewünschten Aufnahmeziele?
3. Was ist die gewünschte Aufnahmequalität?
4. Wie hoch ist das Budget?

Der Anfang ist bekanntlich der schwierigste Teil. Ich empfehle jedem, der noch nie Sounds aufgenommen hat, dieses zuerst mit einem Handheld-Recorder auszuprobieren. Nichts wäre unnützer als sich teures Equipment zu kaufen und dann nach zwei Monaten zu merken, dass es einem keinen Spaß macht. Zudem bekommt man zum Anfang auch erst mal ein gutes Gefühl, wie man mit Naturklängen umgeht und diese am besten isoliert einfangen kann.In der Anfangszeit bilden sich auch persönliche Präferenzklänge heraus, die man seinen späteren Equipment-Einkäufen anpassen kann. Stellt euch nur vor, wie großartig ihr auf einmal Wasserklänge findet, doch dann besitzt ihr ein teures Mikrofon, das nicht für Unterwasseraufnahmen geeignet ist. Viel lieber hättet ihr euch für das Geld ein Hydrophone gekauft.

Im Laufe der Zeit wird man merken, dass man um einen portablen Recorder nicht herumkommt, da man diesen immer dabei haben kann und damit auch ordentliche Ergebnisse erzielen kann. Aktuell gibt es zudem mehrere Anbieter, die sehr gute Stereo-Aufsteckmikrofone für Smartphones im Katalog haben. Diese besitzen die Möglichkeit mit 24Bit und 96kHz in professioneller Qualität aufzunehmen.

Absolute Pflicht beim Kauf eines portablen Recorders ist es, einen extra Windschutz zu kaufen.

Zwar werden eigentlich alle Geräte mit einem Schaumstoff-Windschutz geliefert, jedoch ist dieser bei Außenaufnahmen nicht zu empfehlen. Hier sollte man lieber auf ein professionelles Windschutzfell zurückgreifen.

Hat man die Möglichkeit auf AB-Vergleiche, sollte man diese nutzen und umsetzen. Der Windschutzvergleich ist ein schöner Anfang in einer langen Reihe von Versuchen und Fehlschlägen. Man sollte sich jedoch nie von Fehlern aufhalten oder unterkriegen lassen, sondern als nächsten Schritt die Fehleranalyse und die Problemlösung angehen.

Beim Recorder-Kauf sollte man sich bewusst sein, in welchen Bereichen er vorrangig eingesetzt wird. Werden lediglich die eingebauten Mikrofone gebraucht oder möchte man später auch externe anschließen? Besitzt der Mikrofonanschluss eine Phantomspeisung für Kondensatormikrofone? Was sind die Formate, die der Recorder ausgibt und welche benötige ich? Wie sollte die Auflösung der Dateien sein? Wo und wofür wird das Material verwendet? Wie groß und schwer sollte der Recorder höchstens sein, damit er mich nicht stört, wenn ich ihn bei mir führe?

Nach Beantwortung all dieser Fragen sollte man den Recorder vor dem Kauf unbedingt testen. Heutzutage ist das nicht mehr unbedingt ein Problem. Entweder hat man einen Laden in seiner Näher der portable Field Recorder anbietet und zum Testen zur Verfügung stellt oder man bestellt ihn sich im Internet und nimmt die zweiwöchige Rücksendezeit in Anspruch. Hierbei lassen sich alle Ansprüche und Wünsche testen und schauen, wie man mit dem Gerät zurecht kommt.Wenn man nun Spaß und Freude am Field Recording findet und seine Technik ausbauen möchte, sollte man wohl zuerst in ein paar gute Mikrofone investieren. Es gibt allgemein zwei Mikrofontypen, die selten fehlen dürfen. Zum einen ist das ein ordentliches Kondensator-Richtmikrofon, das zum Einfangen von Einzelgeräuschen geeignet ist.

Zum anderen kommt ein gutes Stereo-Kondensator-Mikrofon hinzu, mit dem man Atmo-Aufnahmen einfängt. In beiden Kategorien sind die Preisspannen sehr groß und man muss beim Kauf auf eine Menge kleiner Details achten. Dies wird an dieser Stelle zu komplex. Was ich euch hier aber als unbedingten Tipp nahelegen möchte, ist, die Mikros vor dem Kauf anzuhören.

Am Ende ist es egal, ob das Mikrofon 400 oder 1400 Euro gekostet hat, wenn die Ergebnisse überzeugen.

Vor dem Kauf sollte man unbedingt den Gebrauchtmarkt beobachten, denn Mikrofone verlieren nach dem Kauf schnell an Wert und so sind oft gute Mikros auch second hand zu finden.

Auch bei externen Mikrofonen ist der Windschutz unumgänglich. Die Mikros sind sehr empfindlich und stark anfällig für Trittschall, Körperschall und den einfallenden Wind. Daher werden externe Mikrofone beim Field Recording nicht nur mit einem Fell zum Windschutz versehen, sondern in eine komplette Vorrichtung namens Windschutzkorb eingelassen.

Ein Windschutzkorb besitzt mehrere Vorteile: Zuerst ist das Mikrofon stoßsicher aufgehängt und Griffgeräusche durch die Hand oder Trittgeräusche beim Laufen bilden keine akustischen Probleme bei der Aufnahme. Zudem halten Windkörbe starken Wind am effektivsten ab. Bei leichtem Wind reicht die umspannte Membran des Korbs selbst für eine störfreie Aufnahme. Bei stärkerem Wind wird ein zusätzliches Fell über den Korb gezogen.

Ein Windschutzkorbsystem schützt eure Aufnahmen mit externen Mikrofonen dementsprechend am besten. Für schwierig zu erreichende Stellen kann auch eine Tonangel von nutzen sein, wie man sie aus Filmproduktionen kennt. Diese erlaubt einen geringeren Abstand zu den Geräuschquellen, die manchmal nicht erreichbar sind oder durch die körperliche Nähe beispielsweise ein Tier verschrecken würden.

Inhaltlich ist das Thema Field Recording sehr komplex und wird vor allem durch das Ausprobieren erschlossen. Die Technik ist wie so oft nur ein Werkzeug, mit dem man umgehen können sollte. Viel Spaß also bei euren Weihnachtseinkäufen und den ersten Aufnahmen in den schönen Wintermonaten.

In eigener Sache – Neu Neu

Wir hatten Lust auf ein neues Design. Also haben wir uns im Sommer hingesetzt, Dinge hinterfragt und alles noch minimalistischer gestaltet. Jetzt ist alles neu. Eines war besonders wichtig.

In den vergangenen Jahren hat sich unser Medienkonsum enorm verändert. Mit einem ordentlichen Shift hin zur mobilen Nutzung. Wir wollten, dass auch frohfroh endlich auf Smartphones gut zu lesen ist. Mit dem responsiven Design und der Serifenschrift sollte dies nun weitaus angenehmer klappen. Das war eigentlich auch schon für das vorherige Design geplant, aber leider ist es damals nicht zu Ende programmiert worden. Und es drei Jahre später mit „veraltetem“ Design nachzuholen, erschien uns auch wenig befriedigend. Also Relaunch.

Es ist ein optischer Relaunch, neue Schriften, neue Grundfarbe. Strukturell bleibt alles wie gehabt, nur unsere neue Talk Talk-Podcast-Reihe hat eine eigene Kategorie erhalten.

Und nicht wundern: Das Logo und Menü-Icon sind in der mobilen Version nicht aus Versehen nach unten gerutscht. Es ist als Entspannung für den Daumen gedacht. Gegen das Strecken über die ganze Diagonale des Touchscreens. Wir hoffen, es gefällt euch. Ein großer Dank geht an Stefan und Alexander von Frohe Zukunft Export für das Webdesign und die Programmierung. Ohne sie wäre hier alles schwarz.

In dieser Woche kommt übrigens noch etwas neues – wir sind sehr aufgeregt.

Nicht ganz neu, aber definitiv entdeckt: Minor Label

Seit 15 Jahren gibt es das Minor Label aus Leipzig. Nur war bei uns davon wenig zu lesen. LXC holt es nach und war für ein langes Interview in Anger-Crottendorf.

Wir kehren zurück ins triste Grau des spätherbstlichen Leipzigs, sehen ein wenig genauer hinter die Mauern und beleuchten einmal mehr einen jener Charaktere, die unserem kleinen widerständigen Dorf seine ganz spezielle Patina verleihen. Ein Hauch von Keller, viel Herzblut und jede Menge Vinyl gibt es bei Minor Label zu entdecken. Der liebevoll selbstgemachte kleine Verlag treibt sich zwischen Krach, Experimenten und auch manch basslastiger Elektronik im rauen Osten Anger-Crottendorfs herum.

2016 waren Minor und Minor Label sehr fleißig und hiermit seien folgende Tonträger wärmstens empfohlen:

Wer abstrakten Techno mag und keinerlei Berührungsängste mit Ausflügen hat, sollte in die „Kill Dry“ 12“ von Koichi Kimbara mit der Katalognummer 34 reinschnuppern. Selten gibt es so vertrackte und verspulte Dubtechno-Neuinterpretationen. Angenehm weit draußen von allem lässt’s sich so ruhig auf dem Soundmeer triben. Irgendwo muss doch eine der 100 Kopien auftauchen.

Die Folgenummer 35 wird eine Kollaboration mit dem Label Moniker Eggplant und ihrer Hausband Meier & Erdmann. „Howler Monkey“ ist quasi als Mini-LP erdacht und konsumierbar. Vier Tracks pro Seite erfreuen mit einem bunten Strauß von Tönen und Stilen zwischen diversen Bassmusiken, Electronica, IDM, Acid, Elektroakustik und einem Hauch Brostep (nicht wirklich). Sorry für den Spoiler, Minor.

Auf dem Album „Streetlight“ der Tobacconists toben sich alte Drone-Hasen in schrägen dystopischen Elektronik- und Bassgitarren-Sessions aus – teils durchaus mit Kopfnickfaktor, mit Beastie-Boys-Bässen auf LSD.

Auch auf dem Nebengleis Flop Beat Disk gibt es Neuzugänge: die Split-12″ von Memero und Tlic, deren B-Seite auf flop0008 hört und auf der sich Gameboy- und Tracker-Core ein Stelldichein geben, die flop0009 7″ mit rhytmischem Loopnoise aus Augsburg (Insider) und die schon vor Veröffentlichung quasi legendäre Bloodsport Soundclash EP mit der aus der Reihe tanzenden Katalognummer FLOP0ZFE, die von dem Breakcore-Ur-Fan und -macher Zombieflesheater kommt, via seines Labels Kritik Am Leben mitproduziert wird und so ziemlich die Essenz seines Schaffens darstellen dürfte.

For those who know – und in bestimmten Kreisen sicher eine der wichtigsten Breakcore-Platten der 2010er. Falls das hier noch wen juckt.

Mit dem neuen Sublabel minoRobscuRa werden harsche Krach- und Grind-Untiefen in wilden Punkrock-Split-7″-Verbünden ausgelotet. Das dürfte auch für manche spannend werden. Weitere Arbeiten und Vinyls mit befreundeten internationalen Labels und Musikern folgen. Minor und sein Label freuen sich weiterhin auf neues Material und Interesse an unkonventionellen Geräuschkulissen. Nun aber auf zum Interview.

Wie kam es zu dem Namen? Was ist richtig: Minor oder Minorlabel oder Minor Label? Findet sich das in Konzept, Auflagestärken oder gar Tonarten wieder?

Ursprünglich, also mit dem Entwurf der ersten Platte im Jahr 2000, war es Minor Label, erdacht als kleiner Bruder des Major Label (Anm.: das gerade die Anthologiebox von AG Geige veröffentlicht). Dieses wird von Freunden aus der Zeit davor mitbetrieben. Die Sache nahm ihren Lauf und mit der Zeit tauchten verschiedene Schreibungen, Auslegungen und Interpretationen auf: „klein“, „nebensächlich“ und „Moll“. Ich hoffe, nichts davon hatte Auswirkungen darauf, welche Sachen herauskamen, welche Aufmachung sie hatten und wie sie letztendlich ankamen. Natürlich hoffe ich auch, dass niemand daraufhin denkt: Etwas, das sich so nennt, interessiert mich nicht.

Ansonsten gibt es keinen Bezug zwischen Output und Label-Namen. Ich habe mir immer gewünscht, dass ich größere Auflagen herausbringen kann und sich somit mehr Menschen über die Musik freuen können. Der momentane Stand spiegelt die Situation der Nischenszene, in der ich mich befinde, und auch die aktuelle Nachfrage wider.

Minor steht seit einigen Jahren dann als Projekt für mich als Person und alles was, womit ich mich beschäftige: also auch die Musik-Projekte, in denen ich als Person involviert war und bin.

Als Label für hype-freie Elektronik und Selbermach-Subkultur aus Leipzig ist Minor bei Discogs zu finden. Ist das Definition oder eher Abgrenzung? Wohin soll es gehen – auch musikalisch gesehen?

Momentan handelt es sich vorrangig um eine Zusammenfassung der zurückliegenden aktiven Jahre – mit Augenzwinkern, Erfahrungen und Konsequenzen. Quasi eine kurze Profil-Umschreibung. Ich mag es, mit Symbolen zu spielen, diese zu verschieben und neu anzuordnen. Ich hoffe, demjenigen der sich damit befasst, ein paar anregende Gedankenausflüge zu bereiten. Wenn es im Zusammenspiel mit der Musik geschieht – also während der entsprechende Tonträger läuft – dann ist das genau das, was ich mir wünsche.

Ich habe natürlich auch schon Gespräche geführt, in denen mir gesagt wurde, dass man solche Formulierungen nicht bringen kann, wenn man sich als produktives Label betrachtet. Oder ganz banal, dass mancher das als „Underdog“-Gehabe empfindet, was keinerlei weitere Beachtung verdient. Damit kann ich leben. Man kann gerne mit mir ins Gespräch kommen, um mehr darüber zu erfahren. Von mir heraus gehe ich ungern auf andere zu, um ihnen zu erklären, was ich mit bestimmten Wortgruppen oder Überschriften auf meinen Flyern meine.

„Wohin die Reise geht, wird sich daran orientieren, wie meine Veröffentlichungen in der nächsten Zeit angenommen werden.“

Die Musiklandschaft verändert sich. Mittlerweile geschieht das bis an den Punkt, an dem ich mir die Frage stellen muss, inwieweit ich Mühen und Kosten auf mich nehme, tatsächlich einen weiteren anfassbaren Tonträger herzustellen.

So sehr ich das Do-It-Yourself-Konzept liebe, als Label bin ich natürlich darauf angewiesen, dass sich Interessierte finden, die auch bereit sind, Scheiben aus meinem Programm zu erwerben. Bisher habe ich versucht, mit den üblichen Risiken zu leben. Freunde und unbekannte Schreiberlinge gleichermaßen erzählen einem, dass sie neuerdings mehr auf DoomMetal abfahren oder dass sie ihre Sammelleidenschaft gerade einschränken oder einstellen werden. Die Vertriebe stellen fest, dass sich davon keine 50 Stück in drei bis vier Wochen verkaufen lassen und nehmen gar keine.Bestimmte Sachen verkaufen sich besser, andere schlechter. Soweit so gut. Du kannst bisher keine Tendenz ausmachen? Irgendwas, bei dem du denkst, das könnte noch mal gehen? Oder meinst du das generell?

Wohin es musikalisch geht, hängt eigentlich nur von zwei Dingen ab: welches Material den Weg zu mir findet und ob ich es mag. Elektronisch sollte es sein, denn damit kenne ich mich einigermaßen aus. Musikalisch ließe sich einiges unterbringen – dazu gibt es die Sublabels und diverse labelähnliche Projekte, die ich unterstützte und bei denen ich mich beteilige, ohne mich groß zu erkennen zu geben.

Was die Tendenzen angeht, die es in der Musiklandschaft gibt, bin ich überfragt. Als Hörer betrachte ich mich eigentlich als flexibel und habe auch das Bild von mir, dass ich aufgeschlossen bin. Als Label will ich jedoch interessant und eigenständig bleiben, so dass ich mich weigere, die x-te Platte von einer „neuen“ Spielart herauszubringen, die angeblich „in“, gleichzeitig in der Hauptstadt oder in London aber doch schon wieder „out“ und die nun auch in der Provinz angekommen ist.

Raggacore und Dubstep sind die besten Beispiele, die ich hautnah mitverfolgen konnte. Ich versuche zu vermeiden, dass Minor als Label für all diejenigen verstanden wird, die von den genre-definierenden Labels abgelehnt werden und es mit ihrem Aufguss oder Versuchen, auf solche Züge aufzuspringen, nun bei jenen versuchen, die in den einschlägigen Linklisten und Netzwerken zu finden sind.

Wie klingt Minor? Gibt es da einen speziellen Sound?

Ich finde: ja. Andere sagen: nein und haben mir gegenüber auch schon angedeutet, dass sich für jede Veröffentlichung ein eigenes Profil schreiben ließe. Ich finde das zunächst erst einmal gut. Ich halte nichts davon, wenn Labels eine einzige homogene Reihe sind, von der man alle kaufen kann, ohne sich damit beschäftigen zu müssen oder zu wollen.

Wenn ich die Musik beschreiben soll, dann würde ich sagen, dass ihr als wichtigstes Merkmal zunächst das Vorhandensein von klassischer Liedstruktur fehlt. Ich halte nichts von diesen Schemata, von vorgeschriebenen Mustern, was Aufbau, Klang oder auch Länge und Tempo eines Tracks betrifft, um in ein bestimmtes Genre zu passen oder um von der Allgemeinheit das Prädikat „wirkliche Musik“ zu bekommen. Wer Drum & Bass will, der bekommt ihn bei Minor höchstwahrscheinlich nicht – vielleicht noch im Minor Mailorder.

Ansonsten befindet sich auf meinen Platten experimentelle elektronische Musik, deren Schwerpunkt mal auf vertrackter Rhythmik, mal auf Analog-Homage oder Loop-Monotonie liegt.

„Manchmal sickern Techno-Ästhetiken durch, manchmal auch eher ungemütliche improvisierte Lofi-Noise-Attitüden.“

Ob eine Platte im Regal unter Ambient oder IDM einsortiert werden kann, überlasse ich anderen. Mehr kann ich zum Sound nicht sagen, da ich selbst Musik vor allem nach zwei Kriterien wahrnehme: gefällt mir oder gefällt mir nicht.

Was hat Minor nach Leipzig geführt, gibt es da auch lokale Synergien oder ist das Netzwerk eher international verwurzelt?

Zunächst führte mich nicht die Musik nach Leipzig, sondern meine Immatrikulation an der Uni anno 2000. Die Idee eine Platte zu machen brachten wir mit – damals im Team mit Ixtab. In Leipzig bot sich dann die Möglichkeit, Zeit und Motivation, sie zu realisieren. Allerdings nicht bei R.A.N.D. Muzik, das kannten wir zu dem Zeitpunkt nicht, sondern in Tschechien.

Als die Scheibe dann fertig war, habe ich mich mit ihr auch in Leipzig vorstellen wollen und dabei einen interessanten Einblick in ein paar Szenen der Stadt und die darin aktiven Leute und Crews erhalten. Ich habe mich über die unerwarteten Verknüpfungspunkte gefreut, die ich gefunden habe. Aus manchen Kontakten zu Musikern und szene-aktiven Leuten sind Freundschaften entstanden, die noch heute bestehen.

Davon habe ich sehr profitiert und dieser Austausch hat erheblich dazu beigetragen, dass es Minor heute so gibt. Ohne die Ermutigungen, unsere gemeinsamen Projekte und auch etwas angespornten Ehrgeiz wäre das Label heute ein anderes.

Etwas allgemeiner gesehen hat sich die Stadt, wenn ich sie als Wohnort von vielen aufgeschlossenen Menschen verstehe, die an Austausch und Miteinander interessiert sind, jedoch eher von der sprichwörtlich uninteressierten Seite gezeigt und ich habe mich auch manches Mal gewundert: Die Industrial-Szene von Leipzig hat sich mir gegenüber eher überheblich und arrogant präsentiert.

Ich musste feststellen, dass man von der Mehrzahl der ach so weltoffenen jungen Menschen sogar dafür belächelt wird, sich noch aktiv um soetwas wie Plattenmachen zu kümmern, kein Geld damit zu verdienen oder gar so unerwachsen zu sein, sich für den Fortbestand von Szene(n) einzusetzen. Sie strömen ins Zoro oder UT, beschweren sich über das, was sie dort (nicht) vorfinden oder machen sich über die lustig, die szenetechnisch dorthin gehören und sind dann ebenso schnell wieder verschwunden.

Das ist in jeder anderen Stadt wahrscheinlich genauso. Was Leipzig betrifft, so kann ich es bestätigen, weil ich es selbst erlebt habe und auch noch immer beobachte. Meine Bezugspunkte für den Austausch von Musik, Gedanken, Schwatz und auch den Verkehr von meinen Veröffentlichungen befinden sich tatsächlich eher im Ausland. Das hat wiederum weniger mit Leipzig zu tun, sondern liegt im Anspruch, ein Musik-Label zu sein, das Veröffentlichungen herausbringt, die auch über die Stadtgrenzen hinaus verteilt werden wollen. Das ist jedoch meiner Beobachtung nach kein Einzelphänomen, es geht den erwähnten befreundeten Musikern meines Erachtens größtenteils ähnlich.Die Vernetzung scheint ja doch sehr holprig zu laufen – fehlt da ein Bindeglied? Woran liegt diese Versprengung der Szene deiner Meinung nach?

Das kann ich nicht sagen. Es existiert zumindest das Bild in mir, dass eine Szene eine Vernetzung von aktiven Menschen zu sein hätte, denn sonst hört sie ja auf zu existieren. Wenn ich nun wüsste, woran es im Fall von Leipzig liegt, dass es eben nicht so ist oder wenn andere bis jetzt dahinter gekommen wären, dann ließe sich da vielleicht etwas machen. Es könnten beispielsweise Partys, die für die Organisatoren im finanziellen Desaster enden, vermieden werden.

Mögliche Gründe für die Zersplitterung sind zum einen Neid und zum anderen Trotz, um es mal mit zwei Klischees zu sagen. Die Generation der Aktiven, in der ich mich befinde, weiß nach Jahren des Ausprobierens, der Rückschläge, Erfolge und Erfahrungen recht genau, was sie möchte, wie etwas abzulaufen oder zu klingen hat und ist nur teilweise bereit, sich auf Kompromisse einzulassen.

Die jüngeren Generationen haben von sich das Bild, dass sie etwas neues machen müssten, haben aber einfach noch nicht genügend Erfahrung gesammelt und präsentieren dann oft etwas, dass in den Augen der anderen nicht passt. Ich schließe mich da mit ein: Auf bestimmten Partys fühle ich mich wie Falschgeld und höre daher lieber Zuhause die Platten, die mir gefallen.

Nach einer ersten LP in 2001 wurden auf Minor Label etliche Jahre hauptsächlich CD-Rs veröffentlicht, seit 2013 kamen fast nur noch Schallplatten heraus. Wie kam es zu diesem Umlenken, welche Medien stehen in Zukunft im Visier und warum?

Die mehrjährige CD-R-Phase erklärt sich recht leicht: Ich habe versucht, nebenbei die Uni sinnvoll abzuschließen und hatte zwar die üblichen Jobs, jedoch für große finanzielle Reinfälle wie Plattenproduktionen kein Geld. Als die Durststrecke dann abgeschlossen war und sich die eher kurzlebige Ära der CD-R dem Ende neigte, habe ich mich wieder auf das konzentriert, was ich von Anfang machen wollte: Schallplatten.

Zwischenzeitlich gab es den Versuch mit mehreren CD-Veröffentlichungen, die jedoch leider nicht die gewünschte Resonanz erhielten und denen wohl das Schicksal als kostenlose Beigabe bei Bestellungen in meinem Shop bevorsteht.

Digital-Releases wird es von Minor niemals geben. Das Konzept des Digital-Labels halte ich für albern. Es besteht tatsächlich kein Grund, sich etwas ausschließlich Digitales zu kaufen, wenn so viel vergleichbares und auch gutes verfügbar ist. Das ist schlecht für diejenigen, die ein Label betreiben möchten, aber nicht zu ändern.

„Solange es Minor gibt, wird es Schallplatten geben.“

Eine Umorientierung ist nicht vorgesehen – und würde mir keinen Spaß machen. Die Zukunft ist ungewiss, denn auch das Interesse und die Begeisterung an kleinen elektronischen Nischen-Labels ist am Absterben. Bequemlichkeit hat Einzug gehalten, die einstige Platten-Generation ist in die Normalität verschwunden und hat ihre Sammlungen bei Discogs verschachert. Musik und ihre Verfügbarkeit hat für die Nachkommenden einen komplett anderen Stellenwert, so dass ich momentan nicht genau weiß, wie viele ich von meinen Scheiben eigentlich machen soll.

Vom Vinyl-Hype des letzten Sommers ist also bei Minor nichts angekommen?

Falls es ihn gibt oder gab, egal ob er künstlich, virtuell oder einfach nur von der Musikindustrie geschaffen wurde, so ist er an sich erstmal nur die Beschreibung einer Begeisterung, die noch nichts darüber sagt, auf welche Weise und wo er sich abspielt. Medien haben vermehrt berichtet, dass das Medium Vinyl wieder auflebt.

Für mein Empfinden spielt sich dieser Hype hauptsächlich in der Re-Edition von Rolling-Stones- und Genesis-Best-of-Boxen und Wiederveröffentlichungen vergriffener Lofi-/Minimal-Tapes aus den 80ern in den überflüssigen Like/Dislike-Ketten sozialer Netzwerke und in lebhaft formulierten Berichten der Hipster-Blogs ab.

Dass die Produktion von Platten angestiegen ist, lässt sich auch in den Musikabteilungen von Saturn und Media-Markt entdecken. Mit den kleinen Labels hat das jedoch nichts zu tun. Was ich konkret zu dieser Sache erlebt habe, ist, dass die kleinen Produktionsaufträge von den Labels, mit denen ich in Kontakt stehe, nach wie vor sehr lange dauern, sich ab und an der Verdacht aufdrängt, als ob sie verschoben werden, und es gibt Fälle, in denen Record-Release-Partys und Konzis trotz großzügiger zeitlicher Planung ohne die entsprechende Record stattfinden. Und damit endet das Erlebbare dieses sogenannten Hypes eigentlich bereits für mich.

Mag sein, dass er außerhalb meines musikalischen Freundes- und Bekanntenkreises stattfindet, doch beobachte ich dabei in meinem Rahmen nichts, was Minor, mir und meinen Label-Freunden in irgendeiner Weise nützt. Angestiegene Verkäufe bei kleinen Labels und nicht im Mainstream anzusiedelnder Musik sind damit auf keinen Fall gemeint.

Wenn es den Mainstream wieder auf Platte gibt, dann verliert sich der Indie- und Nischenwert noch weiter und wird letztendlich von der anderen Seite, hinter der eindeutig kapitalistische Interessen und demnach eine viel effizientere, vor allem aber erbarmungslosere Vermarktungsmaschinerien stehen, ausgelöscht werden. Public Enemy wussten es vor 20 Jahren schon und ich wiederhole es gerne: Don’t believe the hype!

Woher kommt der Drang, gerade elektronische digital erzeugte Musik so gezielt auf eben ein analoges Medium zu bannen? Einigen mag das anachronistisch erscheinen. Physikalische und somit haptische Präsenz ließe sich beispielsweise auch mit einem bespielten USB-Stick im Verbund mit Booklets, Postern, Stickern, Merch usw. erzeugen.

Das lässt sich mit Blick auf Minor nur ungenügend beantworten. Ich muss abwägen, wie viel Zeit ich in etwas investieren kann und wie viele Mitarbeiter ich habe, um solche durchaus spannenden Dinge umzusetzen und zu betreuen. Da ich allein bin und weder nachts beim Arbeitgeber den Plotter für Projekte nutzen kann, noch mich mit Programmierung und grafischer Gestaltung über die Basics hinaus auskenne, bleibt mir nur das, was möglich ist und womit ich mich nun nach all den Jahren des Lernens, Ausprobierens und Verwerfens einigermaßen klarkomme. Durch die bereits angedeutete schwierige Lage kann ich es mir nicht leisten, professionellere Unterstützung zu holen.

Ich hoffe natürlich trotzdem, dass das Endprodukt dann doch irgendwie überzeugt. Ich möchte meine Releases so herausbringen, dass ich mich, wenn ich als unbedarfter, neugieriger Musikinteressierter mit 16 über so etwas gestolpert wäre, gefreut hätte und begeistert gewesen wäre.

Welche Kriterien spielen bei der Auswahl der vertretenen MusikerInnen eine Rolle? Operiert Minor in einem eigenen kleinen verschworenen Netzwerk oder entsteht alles eher spontan? Aus welchen Kanälen kommen neue Ideen ins Spiel?

Es gab ein solches internationales Netzwerk und auch regen Austausch, doch mit dem Abtauchen einiger wichtiger Kontaktstellen im In- und Ausland ist dieses seit einigen Jahren deutlich am Einschlafen. Noise und Improvisationskrach spielte da eine wichtige Rolle und hatte somit einen starken Einfluss auf die CD-R-Veröffentlichungen von Minor. Falls man diese Richtung als Genre bezeichnen kann, so ist das definitiv eines, mit dem ich im Persönlichen noch das ein oder andere Versöhnungsbier zu trinken hätte.

Ich freue mich, wenn mich Musiker von sich aus kontaktieren. Ich frage manchmal bei befreundeten Labels an, was sich bei ihnen für Material einfindet. Und mancher Track wird dann an mich weitergeleitet, weil er in deren Programm oder Philosophie nur bedingt passt.Welche Philosophien schweben im Hintergrund mit, was sollen die Tonträger transportieren?

Elektronische Musik. Als Ausdruck von Kreativität, Schaffenskraft und Freude am Klang. Als Teil von subkultureller Bewegung, Interaktion und Reflektion. Als anfassbarer Tonträger für alle, die gerne schubladenübergreifende Musik hören, ohne griesgrämig zu murren, dass man das alles schonmal irgendwo gehört hätte. Für Musikinteressierte, die sich darüber freuen, dass es sie auf diese Weise noch gibt. Die das Auflegen als kleines Ritual handhaben, die sich dann auch das Booklet anschauen oder über Sticker freuen, die aus dem Sleeve herausfallen.

Das, was mich begeisterte, als ich 16 war, versuche ich weiterzuführen, um Menschen, die ähnliche Neugier und Begeisterung haben, eine Freude zu machen. Das waren und sind für mich Platten, mit denen man sich beschäftigen kann. Die nicht nur Musik, sondern auch ein paar Infos beinhalten: mit Booklets, Greetings, Splits etwas über Umfeld und Szene erzählen und mir mit Stickern, Postern und Geschichten die Möglichkeit geben, ein Teil davon zu werden. Da gehörte für mich auch immer dazu, bei kleinen Mailordern zu bestellen, mit Kumpels gemeinsam zu hören und nachzuforschen, Spuren zu entdecken und selbst welche zu hinterlassen.

Stellenweise herrscht im Programm gepflegte Konsistenz, hier und da aber auch Mut zur Lücke, zu fehlenden Katalognummern, verschobenen Veröffentlichungen, chronologischen Inkonsequenzen – all das macht den Katalog angenehm persönlich und sympathisch – kämpft da der Drauflos-Punk mit dem wohlsortierten Kunstliebhaber?

Ich bin kein Kategorisierungsfetischist, doch ich bevorzuge diverse Sortierungen. Mir haben verständliche Nummerierungen immer geholfen. Manche Musik passt aus bestimmten Gründen nicht zum Sound, den ich für Minor Label geeignet halte, soll jedoch trotzdem herausgebracht werden. Dafür gibt es dann neue Nummerierungsreihen oder Sublabels. Da ich keinen Zeitdruck habe, gönne ich einigen dieser Ideen auch eine Pause, um sie vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt fortzusetzen. Oder auch nicht, falls es sich nicht ergibt.

Die minor010 fehlt, weil das eigentlich dafür geplante Release nach viel Wirbel und großen Worten aus mehreren Gründen nicht das Licht der Welt erblickte.
In welche der beiden Kategorien mich diese Arbeitsweise nun schiebt, überlasse ich zufrieden nickend den anderen.

Wer entwickelt die Konzepte und Erscheinungsbilder der Veröffentlichungen, gibt es z.B. hausinterne Künstler hinter der Gestaltung?

Ja und nein – ich versuche immer, ein Release in Zusammenarbeit mit dem Musiker zu erstellen. Je nachdem stammt Artwork und Layout dann von diesen, oder wird, sofern das erwünscht ist, von mir gemacht. Die Bastelarbeit – Schneiden, Falten, Eintüten – übernehme aus logistischen Gründen meist ich, denn bei mir landen die Kisten mit den frischgepressten Scheiben. Als einzigen kontinuierlichen Helfer oder vielleicht auch Sachbearbeiter kann ich dich, LXC, nennen, der den Klang veredelt und bisher tapfer auch aus hoffnungslosem Brei noch das Beste herausgezaubert hat.

Advent Advent – R.A.N.D. Muzik

Wahrscheinlich werden wir jetzt wieder mit lauter virtuellen Adventskalendern überschwemmt. Über den von R.A.N.D. Muzik freue ich mich aber sehr.

Adventskalender sind zu einem gern genutzten Marketingtool geworden. Jeden Tag Klicks und so. Das wird auch R.A.N.D. Muzik verinnerlicht haben, doch wenn dabei neue Tracks von Leuten wie Lowtec, LXC und Rising Sun sowie Vinyl-Verlosungen herauskommen, kann ich das nur begrüßen.

Gleich das erste Türchen, besser gesagt der erste Drehknopf des virtuellen Geräts (wofür ist das eigentlich?), ist entspannt-dubbiger, tief gehender Track von Senate. Die nächsten 24 Tage werden großartig.

Hier geht es zum Kalender.

MZE „Space Ride EP“ (Break The Surface)

2016 scheint ein gutes Jahr für Break The Surface zu sein. Mit der „Space Ride EP“ erscheint dieses Jahr die dritte EP auf dem Label. Natürlich kann das auch mit der Produktivität von MZE zusammenhängen, der scheinbar eine Menge Tracks in letzter Zeit gebastelt hat.

Der Titel beschreibt den Sound der EP passend: Ein abenteuerlicher Ritt durch den Weltraum wird mit den vier Tracks zelebriert. Natürlich ist das ein naheliegendes, manchmal aber auch abgegriffen wirkendes Thema im Drum & Bass. Aber das macht den Sound von MZE nicht weniger interessant. Und dieser ist wieder sehr technoid, ohne dabei in plumpe Rave-Ansagen zu versinken.

Wie MZE hier typische Drum & Bass-Beats verdreht, ohne dabei überfordernd komplex zu werden, ist nicht nur spannend anzuhören, sondern macht auch jede Menge Spaß. Der Opener „Far Beyond“ kommt beispielsweise ohne die typischen Drums aus und ist allein durch seine Percussions ein enorm treibender Track.

„Balls“ überrascht mit bleepigen Techno, der sich dann aber in cleveren Drum-Programming auflöst. Mit „Take Hold“ packt MZE ein schwergewichtigeres Halfstep-Kaliber aus, in dem auch ein paar Jungle-Drums herumhüpfen. Beim „Frog King“-Remix wird es dann doch noch etwas raviger und kann für mich mit den ersten drei Tracks der EP nicht ganz mithalten. Liegt vielleicht an den Melodien, womöglich aber auch an den namensgebenden Sounds.

SubMarine „Nitro“ (Boundless Beatz)

Oh, ein neuer Name auf Boundless Beatz: SubMarine aus Köln wird auf der mittlerweile fünften EP vorgestellt. Und hat zwei Hymnen im Gepäck.

Ich gebe ja zu, ein leichtes Faible für epische Drum & Bass-Tracks nicht abstreiten zu können. SubMarine scheint ebenfalls Gefallen daran zu finden und hat außerdem ein Händchen dafür, genau diese Art von Tracks zu produzieren. Es wäre eigentlich erstaunlich, wenn „Nitro“ und „30 Pictures“ nicht auf den Drum & Bass-Floors hoch und runter gespielt werden würde. Zumindest in den deeperen Momenten. Aber auch die ausklingende Herbstmelancholie (und beginnende Winter-Deprimiertheit) lässt sich gut mit beiden Stücken untermalen.

Hier hat sich Boundless Beatz zwei Hits geangelt. Da vergisst man glatt, dass es noch einen Remix von Wintermute obendrauf gibt, der „Nitro“ etwas stärker auf den Dancefloor konzentriert.

House News 11/2016

Da sind einige neue und gute House-Platten in den letzten Wochen herausgekommen. Hier gibt es sie alle auf einmal.

Arsy „Rollator House Classics Vol. 2“ (Laubenpiepers Finest)

Da ist zum Beispiel die Katalognummer 5 von Laubenpiepers Finest. Wir hatten das Label von Oliver Bernstein erst kürzlich im Kurzporträt. Damals schon fiel mir auf, dass bei frohfroh über diesen Arsy, der auf Laubenpiepers veröffentlicht, schon vor langer Zeit etwas geschrieben haben. Nur hieß er da noch Arsen1Computerklub und produzierte mikroskopisch dichten und kantigen Minimal.

Danach habe ich den Berliner aus dem Blick verloren und damit zugleich seinen Wandel hin zu sehr speziellem House. Denn die vier Tracks der „Rollator House Classics Vol. 2“-EP sind von einer eigenwilligen Intimität und Vielschichtigkeit geprägt. Vielleicht hat sich an der Arbeitsweise von Arsy gar nicht viel geändert, nur die Ästhetik ist softer, organischer und poetischer geworden. Auf jeden Fall sind seine Tracks hier filigran geschichtet und mit einer entspannten, jazzig freigeistigen Attitüde unterwegs. Keine offensichtlichen Hits, dafür zurückhaltende subtile Listening-Perlen.

Panthera Krause „Solar System“ (Lobster Theremin)

Nach seinem überraschenden Debüt beim Londoner In-Label Lobster Theremin vor zwei Jahren, konnte Panthera Krause vor Kurzem eine weitere EP dort platzieren. Und auch Panthera Krauses Zugang zu House ist eher aus einer tiefsinnigen, wenig funktionalen Sicht geprägt. Mit organischer Wärme und großer spielerisch-musikalischer Reife. Zwar gibt es mit „John Doe“ einen ebenso angerauten wie euphorischen Floor-Hit, doch daneben tastet sich Panthera Krause eher in ruhigere Bereiche.

Besonders „Zombies“ gefällt mir mit seinem reduzierten Arrangement und dem sich später herausschälenden, verspulten Vocal-Bass-Gemenge. „Flourished“ taucht hingegen in einen nicht zu stoppenden Fluss aus sanft schiebenden HiHats, Synth-Chords und einer weit entfernten, unberechenbaren Bassline. Wahnsinn, wie feinsinnig die Tracks von Panthera Krause immer klingen.

Various Artists „Continue“ (Ourselves)

Beim O*RS-Sublabel Ourselves ging es neulich auch weiter mit der zweiten Mini-Compilation. Perel und Braunbeck aus Berlin sind wieder dabei. Und aus Leipzig ergänzen Filburt, Ranko und Lootbeg die Zusammenstellung. Am meisten strahlt für mich die druckvolle Oldschool-House-Reminiszenz von Perel heraus mit ihren derben Bassdrums. Super simpel, aber auch super einnehmend.

Bei Braunbeck schwingt ja oft dieses Tech House-Rave-Rauschen mit, bei „Holy“ ist das ebenfalls so, aber auch hier bewahren die tighteren Bassdrums den Track vor der cleanen Langeweile. Ranko & Lootbeg sind auf dieser Platte erstmals als Duo zu hören und tatsächlich verschmelzen hier die Classic-Skills von Lootbeg mit der melodiösen Beatmaker-Lässigkeit von Ranko. Inklusive eines rhythmischen Switches in der Mitte, der „Girl Vouchers“ extrem gut steht.

Filburt ist mit seinem „The Way“ dann mit fanfarischem Uplift unterwegs, der mir besonders gut in der zweiten Hälfte gefällt, wenn die verschiedenen Chords ineinanderfließen.

Polo „Tent Tracks“ (Holger Records)

Ganz frisch draußen ist die neue Holger-Platte. Und überraschenderweise kommt sie von Polo – überraschend, weil Holger sonst eher abseitiger und forschender unterwegs ist. Und Polo steht doch mehr für hypnotische, aufgeräumt-minimalistische Sets und Tracks. Obwohl als DJ seit vielen Jahren präsent, kam erst im Sommer 2015 seine Debüt-EP auf Kann Records heraus.

Reduziert und sphärisch sind auch die „Tent Tracks“ hier auf Holger. Ziemlich genau an der Schnittkante zwischen House und Techno entfaltet Polo mit seinen dichten, loopigen Sound einen ebenso treibenden wie kontemplativen Sound. Immer mit einer unglaublichen Schwerelosigkeit und fast schon strengen Stromlinienförmigkeit. Bei „Transformation“ bricht es kurzzeitig in neurotisches Flackern und Acid-Schrauben aus, sonst behält Polo seine pushend-deepe Linie bei. Eine sehr schöne Holger-Überraschung.

M.ono & Luvless „Rose Cutz Pt. 2“ (Razor-N-Tape Reserve)

Für M.ono & Luvless war es ja ein sehr erfreuliches Jahr – besonders durch den 5. Geburtstag ihres Labels Rose Records. Beim New Yorker Label Razor-N-Tape krönen sie ihr 2016 nochmals mit einer neuen EP, bei der jeder eine Seite mit losgelösten, disco- und soulbeeinflussten Deep House bespielt. Die Connection nach Brooklyn brachte für Luvless und Rose Records-Mitbetreiber schon zwei EPs in der Vergangenheit hervor.

M.ono und Luvless bleiben ihrem Weg weitgehend neu. Bei M.ono ist noch etwas mehr Glamour dabei und Luvless legt mit „File Save As“ mal einen Gang zurück. Inklusive breakiger Beats, die den hellen Strings und Chords einen ganz anderen Raum zugestehen, als bei den sonst durchrauschenden House-Bassdrums. Tatsächlich mein Hit hier, weil er aus dem Rose-Sound ausbricht.

Riva Starr „It Is True“ / Ninetoes „All Night Long“ (Moon Harbour Recordings)

Bei Moon Harbour kamen gleich zwei neue EPs nach dem Matthias Tanzmann-Album heraus. Von zwei großen Tech House-Acts, die ich bisher jedoch nicht auf dem Schirm hatte: Riva Starr und Ninetoes. Aber eigentlich sind die Namen auch egal. Genauso wie das EP-Artwork.

Leibniz x DJ OK x DJ bwin

Bei Leibniz ist in diesem Herbst wieder einiges los. Darunter die Debüt-EPs zweier Kollaborationen. Wir haben einen Über- und Vorausblick.

DJ OK „It’s fine“ (VFMM)

Da wäre zu einem DJ OK, das sind Leibniz und sein in Düsseldorf lebender Bruder. Und gemeinsam teilen sie scheinbar eine große Liebe für beglückende Synth-Wolken, die gleichermaßen schwerelos und funk-beladen über sowohl über trockene House- als auch über Jungle-Beats schweben.

Es ist alles etwas zurückgelehnter als bei Leibniz‘ Solo-Tracks, mit mehr Raum für balearische Percussions und Vögelgeschnatter, Scratch-Samples. Was aber eindeutig durchschimmert, ist Leibniz‘ wahnsinnige Unbeschwertheit in den Chords. „Mab“ bricht dies zum Schluss etwas auf mit seinem verstockten Beat und dem umherirrenden Funk-Dissonanz-Dialog. Sehr tolle vielseitige EP.

DJ OK / DJ bwin „Untitled“ (First Second Label)

Noch nicht draußen, aber demnächst sind beim irischen First Second Label einerseits nochmals DJ OK zu hören, andererseits gibt es auf der B-Seite das Debüt von DJ bwin, einem zweiten neuen Leibniz-Projekt, das er zusammen mit dem Hamburger Alex Hoppe gestartet hat. Und die beiden Tracks „Mit Bonus ins Casino“ und „Cash Out“ klingen noch einmal runter gestrippter, stärker rhythmisch pointiert und mit mehr angerauten Kanten. Aber auch hier wird mit Jungle-Zitaten und leiernden Synth-Chords jongliert.

Im Zusammenspiel mit der A-Seite wird auch noch einmal deutlich, wie viel introvertierter DJ bwin wirkt. DJ OK klingen musikalisch dagegen nach Rampensäuen, mit großem Umarmungsappeal und unverstellter Euphorie. Auch hier wieder die spannende House-Jungle-Dichotomie, die aber durch die angematschten Sounds locker überbrückt wird.

Anfang Dezember folgt dann übrigens noch eine neue Solo-EP auf Rat Life Records.

10 yrs Audio Invasion – Interview

Am kommenden Samstag findet die 10. Ausgabe der Audio Invasion im Gewandhaus statt. Wir haben das Booking-Trio interviewt und verlosen zwei Gästelistenplätze.

Ich muss gestehen, dass ich der Audio Invasion oft skeptisch gegenüber stand. Irgendwie hatte ich mir wohl erhofft, dass sich mit solch einer Veranstaltung die Synergie-Potentiale zwischen klassischer bzw. Neuer Musik und elektronischer Musik entfalten könnten. Stattdessen blieben beide Seite meist zeitlich und/oder räumlich weitgehend getrennt.

Blendet man diesen Gedanken jedoch aus, waren die letzten Audio Invasion-Jahre immer sehr ambitioniert und teilweise überraschend experimentell kuratiert. Mit einem breit gefächerten Elektronik-Repertoire und vor allem mit einer erfreulich starken Einbindung von Local Heroes. Dass nun tatsächlich schon zehn Jahre seit dem Debüt vergangen sein sollen, kann ich gar nicht recht glauben. Aus Zeitnot habe ich dem Booking-Trio der Audio Invasion ein paar Fragen per E-Mail geschickt. Es antworten hier also unisono Karen, Markus und Matthias.

Ach ja, vorher noch die Verlosung: Schickt bitte bis Samstag 12 Uhr eine E-Mail an dance@frohfroh.de, Betreff Audio Invasion. Zu gewinnen gibt es 2 x 1 Gästelistenplätze.


Was war euch wichtig beim Kuratieren der Jubiläumsausgabe?

Die Herangehensweise ist Jahr für Jahr gleich und orientiert sich am Startmoment, dem „Großen Concert“, wobei die dramaturgische Umsetzung von Jahr zu Jahr unterschiedlich sein kann. Ziel ist es, KünstlerInnen einzuladen, die Teil einer Musikgeschichte sind und was zu erzählen haben.

Die Jubiläumsausgabe in diesem Jahr kann zum einen mit Brandt Brauer Frick oder Bonaparte – ein Mitglied des Projektes Mule&Man – als eine Art „Best-Of“ gewertet werden. Zum anderen handelt es sich bei John Talabot und den Junior Boys um Acts, die in den letzten zehn Jahren immer wieder eine große Rolle gespielt haben und fast jedes Jahr in Anfrage waren aber erst 2016 bestätigt werden konnten.

Wichtig sind aber auch persönliche Helden wie Alexis Taylor von Hot Chip, der ein sehr intimes musikalisches Porträt am Flügel im Großen Saal abliefern wird. Acts wie Danny Daze, Juicy Gay, Avalon Emerson oder lokale KünstlerInnen geben jedoch die Richtung für die nächsten Jahre vor.

Die Audio Invasion soll jüngeres Publikum für das Gewandhaus begeistern – ist das aus eurer Sicht auch über das jährliche Event hinaus gelungen?

Ob wir den Anteil an jüngerem Publikum durch zehn erfolgreiche Veranstaltungen erhöhen konnten, wagen wir zu bezweifeln bzw. wird dies auch gar nicht durch Umfragen erhoben. Da gibt es so ein Missverständnis was dieses Format in den acht Stunden, einmal im Jahr, erfüllen soll und kann. Vorrangiges Ziel, zu Beginn vor zehn Jahren, war erst einmal unabhängig von „verordneten“ Schülerkonzerten jungen Menschen den Zutritt zum Haus auch inhaltlich zu ermöglichen und Hürden abzubauen.

Grundsätzlich muss man sich immer wieder vor Augen führen, dass das Gewandhaus eine Institution ist, die sich der klassischen und der „neuen“ Musik verschrieben hat. Das ist deren Auftrag und funktioniert mit Blick auf die Auslastung scheinbar sehr gut. Trotzdem, und das ist unsere ganz persönliche Meinung, geht da eindeutig mehr und einiges auch anders.

Da ist zum einen der Kulturort, der sich inhaltlich in Richtung freier Szene öffnen muss aber auch der „Dampfer“ Gewandhaus, der schwerfällig und eingefahren von Saison zu Saison schippert.

„Will man die jüngeren Generationen abseits des bisherigen Abo-Publikums für das Haus und das Programm begeistern, muss sicherlich noch eine Menge passieren.“

Erlebt man jedoch die Gäste, wie sie auf der Audio Invasion mit Standing Ovations das Gewandhaus-Orchester ehrlich und laut hofieren oder den hohen Anteil an jungen Menschen zu Konzerten im Rosental, beweist dies zumindest von Publikumsseite Neugier, Offenheit und den Willen für mehr.

Wie ist eigentlich das Feedback innerhalb des Gewandhauses? Wird das Event von den Orchestermusikern und Mitarbeitern als musikalische Ergänzung und Bereicherung wahrgenommen?

Das muss in einem so großen Apparat wie dem Gewandhaus differenziert betrachtet werden. Da gibt es diejenigen, denen das egal ist, sicherlich auch einige, die unsere Arbeit immer noch mit Skepsis betrachten. Aber es gibt eben auch viele, die sich nicht nur aus einer Notwendigkeit heraus engagieren sondern auch wildeste Ideen innerhalb des Hauses durchboxen und uns damit den Rücken stärken.

Genauso verhält es sich mit den MusikerInnen. Gerade viele junge Angehörige des Gewandhaus-Orchesters unterscheiden für sich nicht mehr zwischen U- und E-Musik. Sie sind ebenso wie das Publikum durch elektronische Musik geprägt, produzieren sogar zum Teil oder tanzen an freien Wochenenden in den Clubs der Stadt.Vor zwei Jahren haben sich Kassem Mosse und Mix Mup öffentlich über das männlich dominierte Line-up beschwert – gibt es mittlerweile eine größere Sensibilität für das Thema?

Zu dem Thema gäbe es eine Menge zu sagen, wir machen es kurz. Wir hatten damals, vier Tage vor der Veranstaltung, weder die Möglichkeit für eine Klarstellung noch stand uns die Plattform dafür zur Verfügung. Ehrlich gesagt waren wir alle ziemlich betroffen, regelrecht gelähmt da unserer Meinung die Audio Invasion für ein Problem herhalten musste, welches vorrangig in den männlich-dominierten Roster der Agenturen begründet liegt.

Gleichzeit waren die Frauen, die hinter den Kulissen arbeiten wegen der Vorwürfe extrem frustriert, zählt deren Input für die Veranstaltung weniger? Warum greift der Kreuzer das Thema auf und zeigt mit dem Finger auf uns und auf der nächsten Doppelseite findet man die Plattenrezensionen, die ebenfalls männlich dominiert sind?

Kurz ja wir sind sensibilisiert und ja wir haben FKA Twigs angefragt – leider oder besser super unbezahlbar, aber das ist nochmal ein anderes Thema.

Was waren eure persönlichen Highlights der letzten Jahre?

Es ist immer das Ereignis an sich, was uns bewegt. Es ist die Farbigkeit des Hauses in dieser Nacht, dieses Generations,- und Musikübergreifende auf der Fläche. Auf einen Künstler über die Jahre bezogen war dies sicherlich persönlich der Auftritt von Sebastien Tellier, mit dem ich mir (Markus) auch einen eigenen Wunsch erfüllt habe.

Für Karen waren es wiederum die Versatile Noise Troopers, die 2013 zum ersten Mal den großen Saal bei der Audio Invasion abseits vom klassischem Konzert bespielt haben – damit wurde das Haus erstmals konsequent geöffnet und die AI damit noch einen Tick spannender für die Gäste.