Various Artists „Murray Cy Edits Part 1“ (Sign Bit Zero)

Im Dezember brachte sich Sign Bit Zero noch einmal in Erinnerung – mit schroffen und darken Edits von Murray Cy.

Da ist Sign Bit Zero im letzten Jahr ein sehr überzeugender Start geglückt. Drei faszinierend-verstörende EPs, dazu ein Tape nebenher, das bereits zum Sammlerstück avancierte. Zuletzt kam Murray Cy mit sechs Edits zum Zuge. Aus Glasgow ist er und scheint bestens verdrahtet zum New Yorker L.I.E.S.-Label, bei dem im letzten September die Debüt-EP herauskam. Mit Contort Yourself betreibt er auch selbst ein DIY-Label.

Musikalisch ist die neue Platte erneut eine Reise in die frühen 1980er, hin zum Post Punk, frühen Industrial und Wave-Pop. Die Band-Namen hinter den Original-Tracks sagen mir alle nichts, ein paar Discogs-Klicks verraten aber, dass es sich um Kassettenalben um 1983 handelt, aus denen mehr als 30 Jahre später einzelne Tracks ausgegraben wurden.

Auch wenn sich bei Youtube die Original-Tapes in voller Länge hören lassen, werden in den Sounds die Underground-Assoziationen sofort wachgerüttelt.

Der Russ alter Kohlenkeller, das Rauschen und Leiern verschollener Tapes.

Die Radikalität, der Aktionismus, alles scheint tief in der DNA dieser Stücke verankert. Und dies macht auch die Edits von Murray Cy so anziehend. Sicher auch, weil er behutsam entschlackt, nicht per se einen neuen Vibe entstehen lässt.

Was bei Sign Bit Zero ebenfalls immer wieder großartig ist: Der Mut zum Experiment, zum Schroffen, zum Obskuren, zum Imperfekten. Natürlich wird hier auch eine gehörige Koketterie im Spiel sein, eine Wehmut des Zuspätgeborenseins, doch bisher agiert Sign Bit Zero mit seinen Platten und Artworks extrem selbstbewusst in seiner Nische.

Afterhour #1 Liebe, Techno, Leipzig – Kurt Cocain

Neues Jahr, neue Kolumne – wir freuen uns auf Antoinette Blumes Afterhour-Begegnungen mit interessanten Leuten des Leipziger Nachtlebens. Los geht es mit Kurt Cocain.

Jacke, Schlüssel, Kekskrümel in fimschig-kleinen Tütchen vergraben, (wieder) ausgraben. Denn: Irgendwie sind wir noch nicht fertig. Ein bisschen geht noch. Ein bisschen Ausklang braucht es noch. Stiller, langsamer, wer geht wo hin, „aftern“? Kann ich mitkommen?

Bei tausendundeiner Zigarette, Bier, Kaffee oder Wasser wird das Tanzen im Club vom Zuhören und Reden verdrängt, man sinniert über das Sein oder Nicht-Sein der Nacht, Nachtmenschen und Musik. Berauscht sich noch ein letztes Mal, oder auch nicht, oder auch doch, findet die Hand eines anderen. Mancher möchte vielleicht den Punkt sportliche Ertüchtigung mit evolutionserprobten Bewegungsabläufen einvernehmlich als Partnermodul belegen, ein anderer möchte reden, das Licht meiden, sich verausgaben oder vergraben.

Bei der ein oder anderen Afterhour kann man so die ein oder andere nette, interessante, exzeptionelle Gestalt aus Leipzigs Nachtleben antreffen. Beispielsweise Kurt Cocain.

Steckbrief
Musik oder Rausch?Musik und Rausch
Clubnest?Wolke (emeritiert), Conne Island
Lieblingsdroge?Marihuana

Bisschen ADHS, Kokain und Jena

Eisbrecherfrage: Hast du Kokain dabei? Ein 1a-Kennenlern-Spruch. Hut ab. So war es bei Kurt und mir glücklicherweise nicht. Meine Äuglein trafen sich regelmäßig mit ihm, so ca. drei Monate, jedes Wochenende, bis wir es eines IfZ-Abends doch über uns brachten, zu fragen, wer der andere sei und warum er immer dort auftauche, wo man selbst gerade vorhatte kurz bis lang unterzutauchen. So war das also.

Kurt Cocain ist DJ, Mitglied der Electric Island Crew, macht Visuals, bringt auch mal den Müll im Conne Island raus und studiert so nebenher Producing und Management. Der Herr mit dem Wortspiel im Namen legt erst seit einem Jahr vor Publikum auf und ist doch schon im Nachtleben Leipzigs angekommen. Podcast hier, Westwerktresen da, damals (aka die-vor-Leipzig-Zeit) auch mal DJ-Workshops im Kassablanca in der früheren Heimat Jena (erst genossen, dann) gegeben.

Die unendlichen Kombinationsmöglichkeiten der elektronisch produzierten Musik ließe für ihn die meiste Kreativität zu – die hyper(aktiv)-kreative Ader verbietet zwar das große Treiben tagsüber, aber Nachtaktive bevorzugen nun mal künstliche oder bestenfalls ausgeschaltete, sparsame Lichtquellen. Ein Nachtmensch eben.

Disko zum Entspannen
Nachts und vorzugsweise am Wochenende stellt sich die belebende Euphorie durch (fremde oder eigene) Musik ein, die Wahlfamilie findet zueinander – Rausch und Musik sind hierbei fast untrennbar geworden. Was uns da neben der elektronischen Musik so durch den Kopf spaziert, ist individuell so unterschiedlich wie das nüchterne Musikerleben. Potenziert und unendlich, am Ende natürlich geschmacklich differenziert.

Wobei man als DJ ausgewählt(er) und (vielleicht?) ohne die lieb-naive Begeisterungsfähigkeit und den unbefleckten Genuss des dankbaren Publikums feiert.

Man zersetzt die Musik, sieht die Fehler im (Kon)Text, feiert anders.

Nicht unbedingt besser oder schlechter, schlicht anders. Wir schnacken noch so über dies und das und jenes, kommen vom einen ins andere, können zwar keine Antwort darauf finden, wann es Zeit ist zu gehen, aber es braucht auch nicht auf alles eine Antwort.

Schnaps schließt den Kopf
Wer mich kennt, weiss, dass ich nichts mehr liebe als Geschenke. Ein non-materielles Geschenk darf ich noch feierlichst mit euch (ergo denen, die bis zum Ende gelesen haben, ha!) teilen: Einen Mix von Kurt Cocain, extra für frohfroh.

Großen Dank an Henry W. Laurisch für das Porträt-Foto sowie an Manuel Schmieder für das Artwork der Reihe.

Neues aus der Wolke – Matthias‘ Soundworld

Kurz vorm Jahresende haben wir noch einmal einen schönen Tipp für unsere „Neues aus der Wolke“-Reihe bekommen, den wir euch nicht vorenthalten möchten: Matthias‘ Soundworld.

Manchmal geht der Newcomer-Ansatz der „Neues aus der Wolke“-Reihe nicht ganz auf. BeiMatthias‘ Soundworld beispielsweise. Denn Matthias ist schon seit über 15 Jahren musikalisch und organisatorisch aktiv. Der musikalische Output blieb mir jedoch bisher verborgen. Bisher kannte ich ihn als Teil der bis 2011 stattfindenden (Pop up-Messe sowie als Online-Redakteur.

Doch nebenbei entstand zu Hause immer mal wieder Musik. Anfangs verspielt-melancholischer Electro-Pop mit flockigen Melodien, verhuschtem Gesang und ein paar Edits. Zuletzt ging es mehr in Richtung House, wobei auch hier eher ein mehr melodiös-spielerischer als funktionaler Umgang mit den Sounds herauszuhören ist. Schwelgen statt ballern. Gedimmt statt effektvoll erleuchtet. „Schneemann“ und „Poch Poch“ gefallen mir dabei am besten.

Woher kommst du – lokal und künstlerisch?

Ich lebe seit 20 Jahren in Leipzig, habe bis Anfang der 2000er Jahre mit Freunden in einer Pop-Band intensiver Musik gemacht. Danach wurden andere Dinge in meinem Leben wichtiger und die Zeit fürs Musikmachen eher knapp. Inzwischen geht es wieder etwas besser – inklusive Umstieg von der alten Produktions-Technik auf Zeitgemäßeres.

Was flasht dich musikalisch – von bestimmten Sounds oder Artists her?

So platt das auch klingen mag: Das ist schwer einzugrenzen, ganz abhängig von Phasen und Stimmungen. Ich bin in den 1990ern mit No Wave und Post Hardcore sozialisiert worden. Gleichsam haben bzw. hatten Talking Heads, Pet Shop Boys und New Order immer einen großen Stellenwert.

Ich verehre Marvin Gaye und Stevie Wonder, stehe auf den roughen Disco-Sound der Mid-1970er und den Übergang zum HipHop mit Funky4+1, Sugarhill und Co. – 808 forever! Und natürlich höre ich viel elektronische Musik – je nach Stimmung mal hedonistischer, mal filigraner.

Die neuen Sachen klingen deutlich geradliniger, weniger poppig – wie kam es zu der Verschiebung?

Zwischen den einzelnen Stücken auf meinem Soundcloud-Account liegen ja zum Teil 15 Jahre. In der Band-Phase und auch noch kurz danach ging es um Popmusik mit elektronischem Anteil sowie um die Verbindung von herkömmlichen Instrumenten mit Loops und Beats. Was man eben so Ende der 1990er auch gemacht hat.

„Irgendwann hab ich dann den elektrischen Bass und die Gitarren in den Schrank gestellt und nur noch synthetische Sounds verwendet.“

Und weil ich selbst einfach Bock auf Techno und durchtanzte Nächte habe, ging irgendwann auch die Struktur der Stücke zunehmend in diese Richtung.

Wo willst du mit deiner Musik hin – Lieblingshobby oder Stadion?

Das ist absolut just for fun – vielleicht auch ein Ventil, um Dinge, die mir an Musik von Anderen fehlen, für mich prägnanter herauszuarbeiten. Ich freue mich, wenn meine Familie und Freunde dann meine Sachen mögen – oder sie zumindest nicht peinlich finden. Und natürlich freue ich mich, wenn auch außerhalb meines persönlichen Dunstkreises mal jemand dazu die Hüften schwingt.

Was genau fehlt dir an anderer Musik, was du prägnanter herausarbeiten möchtest?

Ach so konkret lässt sich das gar nicht herausstellen. Manchmal fehlt mir im Techno vielleicht ein wenig der Funk in den tiefen Frequenzen, quasi die dunkle, dreckige Seite der Disco-Ära. Andererseits stehe ich eben auch auf Harmonien, und die müssen nicht zwingend positiv sein. Mir ist klar, dass sich Melancholie und hedonistische Tanzmusik irgendwie ausschließen – aber das interessiert mich trotzdem.

Dein größter Soundcloud/Youtube-Hit?

Ich veröffentliche meine Sachen inzwischen nur noch auf Soundcloud – mit bisher bescheidener Resonanz. Bisher liefen die Neubearbeitungen von Morrisseys „Ouija Board“ und Michael Jacksons „Girlfriend“, die mit Lucis entstand, am besten, die ich vor zehn Jahren jeweils mal für Cover-Abende im Ilses Erika gebastelt hatte.

Entstehen heute auch noch Edits bei dir?

Nein, überhaupt nicht. Das Umdenken von The Smiths, Michael Jackson und Depeche Mode war den zugehörigen Cover-Abenden im Ilses Erika geschuldet. Ich habe dazu jeweils etwa ein halbes Jahr vorher angefangen, drei Songs der festgelegten Künstler irgendwie am Sampler dekonstruiert und mit eigenen Sounds wieder neu zusammengesetzt.

Weil das abgesehen von ein paar zum Teil sehr persönlichen Tracks für Freunde und zwei Remixen jahrelang die einzigen Sachen waren, die ich gemacht habe, stehen sie exemplarisch im Soundcloud-Stream.

Dein persönlich größter Hit – und warum?

Anfang der 2000er Jahre war „Love me Sophia“ von unserer zweiten Platte mal ein kleiner Pophit in Leipzig. Das passte wohl ganz gut in die damalige „best of both worlds“-Phase. Meine Bearbeitung von Jacksons „Girlfriend“ zusammen mit Lucis lief in den vergangenen Jahren ein paar Mal im freien Radio. Und ich persönlich denke, mein aktuellstes Stück „Schneemann“ ist ein kleiner Winterdisco-Hit.

The Micronaut „Forms“ (Acker Records)

Anfang Dezember kam das neue, nunmehr dritte Album von Micronaut heraus. Und obwohl die musikalischen Ansätze gleich bleiben, ist dieses Mal etwas anders.

Wahrscheinlich ist es aber genau das: die musikalischen Ansätze bleiben gleich. Aus der anfänglichen Euphorie um Micronaut als jemanden, der sich mit viel Drama, ständigen, unvermittelten Wendungen und dicht getakteten Details jeglichen Genrekonventionen entzieht, ist eine gewisse Müdigkeit geworden.

Der Micronaut-Rahmen ist ästhetisch abgesteckt, die uniquen Pop-Electronica-Raffinessen mit den effektvollen Laut-Leise-Spannungsbögen mehrfach ausgespielt. Schon bei der „Happy Family“-EP auf Analogsoul fiel die „Konsolidierung auf hohem und wohlklingendem Niveau“ auf. Mehr als ein Jahr später kann aus dem weitgehend unberührtem Setup nur Ernüchterung entstehen – da helfen auch kein Theremin und neue Gastsänger.

Etwas hat sich aber doch verschoben: Die Tracks auf „Forms“ steigern den bei Micronaut bereits vorher ausgeprägten Maximalismus nochmals. Mit lauter mehr oder weniger druckvollen Drops.

Es gibt nun einen spürbaren Dreh zum komprimierten Power-Pop.

Vielleicht hallten die Live-Erfahrungen mit dem hohen Energie-Level im Studio stärker nach als bei den vorherigen Alben. Denn auf der Bühne treibt Micronaut die energiegeladene Dramatik musikalisch und lichttechnisch nochmals anders auf die Spitze.

Wie angenehm filigran dagegen „Friedfisch“ klingt, ist mir beim Gegenhören erst richtig bewusst geworden.

From Halle With Love – Various Artists

Dass Halle musikalisch mehr ist als nur Monaberry-Schunkel haben wir schon das ein und andere Mal erwähnt. Nun zeigt auch eine eigene Tape-Compilation die Vielfalt unserer charmanten Nachbarstadt.

Kuratiert wurde sie von den Blog-Kollegen From Halle With Love, die seit Jahren mit Podcasts und zeitgenössischem Design die Clubkultur ihrer Heimatstadt liebevoll featuren.

Liebevoll zusammengestellt wurde auch die erste Compilation mit „electronic music from here and our neighborhood“. Nicht nur musikalisch, sondern auch optisch. Das Tape mit den acht Tracks ist ein Teil eines ganzen „From Halle With Love“-Bundles, bestehend aus einem Turnbeutel mit Siebdruck sowie einem verwunschenen Foto als Riso-Druck. Alles hoch ästhetisiert, wie wir es schon von der Covergestaltung der Podcast-Reihe kannten. Nur 50-mal gibt es diese Bundles.

Und die Tracks? Die bewegen sich in sehr versierter und unprätentiöser Weise zwischen House und Techno, sowohl in Dub-Tiefen hinabtauchend oder raviger aufgeladen als auch experimenteller forschend.

Meine Helden hier sind definitiv Tim Rosenbaum und John Horton.

Wobei: ist Horton nicht mittlerweile in Leipzig? Auf jeden Fall erliege ich den eigenwilligen, lässig zusammengeschusterten House-Tracks der beiden. Wahrscheinlich sind es nur Skizzen oder Skits, doch in der Kürze entfaltet sich viel Substanz.Prismic, Sub.made und Paul Rewind bringen ein leichtes, aber sehr angenehmes Dub-Techno-Übergewicht auf die Compilation – Paul Rewind sogar mit einer großen Huldigung an Detroit. Etwas düsterer und pumpender wird es bei Janein, eher fad dann der allzu klassische House-mit-Pianochords-und-Strings-Track von Christoph Linke. Und Philipp Harms schlägt den Bogen rüber zum Monaberry-Tech House.

Nichtsdestotrotz ist dies eine wunderbare Möglichkeit, einen Einblick in die Hallenser House- und Techno-Szene zu erhalten. Laut des Titels dürfte es nicht die letzte Option sein.

Various Artists „VARY 01“ (Vary)

Bereits im frohfroh-Interview Anfang des Jahres wurde angedeutet, dass ein hauseigenes Label denkbar ist. Nun erscheint die erste EP auf Vinyl.

Nach dem Possblthings ist das Vary damit der zweite bestehende Plattenladen in Leipzig, der dieses Jahr sein Angebot um ein eigenes Release erweitert. Und wie bei den Kollegen in Connewitz spiegelt sich auch hier der Sound des Ladens in den Tracks wider. Nicht nur musikalisch, auch die Artists des ersten Samplers werden bestimmt mit der einen oder anderen Platte im Vary erhältlich sein.

Auch wenn es vielleicht beiden Labels Unrecht tut und Äpfel und Birnen besser gegessen statt verglichen werden sollten: Die beiden EPs – deren Veröffentlichungstermine auch nicht so weit auseinanderliegen – zeigen zwei auch in der Clublandschaft ziemlich gut ausgeprägte Richtungen: Einerseits der doch eher trockene Electro-Sound von Robyrt Hecht und Kollaborateuren, der sowohl funkige als auch düstere Wendungen nehmen kann, andererseits der meist sehr warme, entspannte Beatmaker-Sound, bei dem aufgrund der Samples viel Funk-, Soul- und Jazz-Geschichte mitschwingt.

Entsprechend entspannt und soulig steigt die EP mit „Best Wishes“ von Al Dobson Jr und „Brothers“ von Tito Wun auf der A-Seite ein. Hier ein Beat zum Kopfnicken, da schon fluffige House-Ansätze. Salomo erweitert das mit „Priut„ um die Jazz-Komponente. Dazu lässt sich prima Kaffee trinken, aber erst das leicht verrauscht-leiernde „Uncle“ von Repeat Pattern verleitet mich zum wiederholten Hinhören.

Die drei Tracks der B-Seite hinterlassen einen stärkeren Eindruck. Hubert Daviz packt einige Video-Game-Sounds in „Space Journey“ aus und mit „Zombies“ von Strange U gibt es dann spaßigen Gruselfilm-Rap auf die Ohren. Zum Schluss präsentiert uns die Vary-Crew mit „Yo!“ von Esgar eine unerwartet basslastige Rave-Hop-Nummer samt Alarm-Sirene, die am ehesten Dancefloor-Brodel-Qualitäten aufweist und eine Menge Spaß verspricht. Gleichzeitig ist das Stück das Finale einer Platte, deren Spannungskurve sich stetig erhöht.

Georg Bigalke „THRD EP“ (Hypnotic Groove)

Ist das karg. Es gibt wohl kaum jemanden in der Stadt, der Techno so konsequent reduziert wie Georg Bigalke. Beim schottischen Label Hypnotic Groove gibt es zwei neue Beweise.

Klar, Reduktion ist ja ein prägender Ansatz im Techno. Und doch gibt es enorme Unterschiede. Bei Georg Bigalke bleiben sowohl die klanglichen Zwischenräume als auch die dramaturgischen Ambitionen weitgehend frei von Ballast.

Das mag sehr karg und unwirtlich erscheinen, doch in Bigalkes Tracks schwingt immer ein originär experimenteller Impetus mit. Wie die Suche nach dem Kern einer hypnotischen Energie. Ohne den funktionalen Aspekt komplett über Bord zu werfen.

„Froeddz“ und „Tixerc“ klingen dieses Mal in ihrer Nacktheit und den wenigen sich überlagernden organischen und abstrakten Sounds und Field Recordings sogar eher intim als unterkühlt. Immer aber auf die spezielle Bigalke-Art.

Rik Elmont „The Ugly EP“ (Mancha Recordings)

Der Nachtdigital-Barchef hat nach einigen Jahren Pause wieder die analogen Geräte angeschmissen und eine entwaffnend gut gelaunte House-Platte produziert. Die Gedanken an den Sommer sind hellwach.

Irgendwie war mir Rik Elmont ein Begriff, aber wirklich zuordnen konnte ich ihn nicht. Bis mich Matthias Speck vom Gratwanderung-Festival und Mancha Recordings aufklärte: Beim Nachtdigital sorgt er dafür, dass die Bars dem Durst standhalten. Bei den frühen Mancha-Platten – bei denen auch die ersten Tracks der Rose Records-Gang veröffentlicht wurden – war Rik einzelnen Tracks dabei. Nie jedoch mit einer ganzen Artist-EP.

Das ändert die „The Ugly EP“ nun. Mit analogem Equipment und einem alten Tape Recorder entstanden dafür vier unbeschwert pulsierende House-Tracks mit all dem Lofi-Crisp, der trotz seiner Omnipräsenz noch eine große Faszination ausstrahlt. Super verspielt und energiegeladen klingt das, voll gepackt mit kleinen Details und vielen Augenzwinkern, ohne in einer dauerironischen Schleife zu verharren. Dazu Oldschool-Deepness mit Acid-Spurenelementen und eine große Piano-Unbekümmertheit, die ab und zu in einen wilden bis holprigen Funk übergeht.

Eine perfekte Festivalplatte. Wie schön, dass Rik Elmont nach einigen Jahren in München nun nach Leipzig zurückgekehrt ist.

Oliver Rosemann „They Call Them Millions“ (Diffuse Reality Records)

Im Frühjahr haben wir erstmals über Oliver Rosemann berichtet – obwohl er schon einige Jahre zuvor EPs veröffentlichte. Jetzt ist sein erstes Album erschienen und es ist massiv.

Dass Oliver Rosemann nicht unbedingt die klassischen Techno-Pfade einschlägt, wurde schon auf der „Pointing From The Moon“-EP klar. Rosemann steht für die dissonante und sperrige, sich im hypnotischen Loop entfaltende Form von Techno. Auf seinem Debüt-Album beim spanischen Label Diffuse Reality Records widmet er sich diesem Sound ausführlich und treibt es in teilweise schwer verdauliche Phasen.

„Gauntlet“ und „Antibody“ beispielsweise sind hochgradig nervenzerreibender Track mit harschen, sägenden und schraubenden Synth-Sounds. So dicht arrangiert, dass sie sich unmittelbar ins Mark bohren. Auch „Burst Mode“ fährt einiges an unwirtlicher Atmosphäre auf, bewegt sich mit den breakigen Beats und dem Pathos aber mehr im Industrial-Terrain. Und gleich der Album-Opener „Bison“ kommt als mächtiges Bollwerk entgegen.

Doch erst dazwischen wird es richtig interessant: Und zwar bei den Tracks, die filigraner ihren Weg bahnen, so wie „Bronson“, „Breeze“, „Bonus“ und „Track K“. Die Sounds weniger brachial, dafür mehr in einem diffusen, verschlungenen Wahrnehmungsraum. Doch auch hier ist Oliver Rosemann eher am Dissonanten als an kraftvoller Einfachheit interessiert. „They Call Them Millions“ ist ein breit gefächertes und eigensinniges Techno-Album, das sich sehr selbstbewusst vom Dystopian-Berlin-Sound fernhält.

On top gibt es noch drei Remixe zu „Antibody“ dazu. Besonders Jamie Dill und Squaric steigern die brachiale Kraft nochmals enorm.

CVBox & Micha Freier „Untitled“ (Ortloff)

Im November ist die vierzehnte Platte auf Ortloff erschienen – wieder randvoll mit kratzigem Acid für den Keller.

Irgendwie scheinen die Leute von Ortloff derzeit sehr auf rohen, dunklen Electro und Acid zu stehen, gern auch mal mit einer guten Portion Distortion im Gepäck. Nach Leibniz, QY und Fr Fels bekommen wir nun vier Tracks von CVBox und Micha Freier zu hören, welche passend an die vorhergehenden EPs anknüpfen.

Erste Assoziation: Dieser Sound passt perfekt zu einem heruntergerockten Keller mit feuchten Backsteinwänden, übersteuerter Anlage und seltsamen Menschen. Hier und da blitzt Strobo durch den Nebel, während sich die 303 (oder deren Nachfolger) in Tracks wie „Work That Cat“ und „Lost“ psychotisch durch die Gehirnwindungen schraubt. Selbst der Chillout ist mit „A Night in the Spacemarket“ und „Sandman’s Dream“ schön paranoid. Beim dramatischen „Sandman’s Dream“ nicht zuletzt auch durch die Vocoder-Stimme.

Und dann gleich die Frage: Woher kommt die Krassheit und auch Härte, die mit dem übersteuerten Sound mitschwingt? Vielleicht eine Art House-Müdigkeit? Gerade bei CVBox ist der Weg von dem cleanen Sound-Design wie auf seinen EPs für Uncanny Valley zu diesem Release höchst interessant. Kann auch gut sein, dass die Faszination dafür schon länger erkennbar ist und ich sie schlichtweg nicht mitbekommen habe.

Leibniz „Rat Life 10“ (Rat Life Records)

Wahnsinn, wie viel Leibniz es in diesem Herbst gab. Erst zwei EPs mit zwei neuen Projekten, dann der Boiler Room-Auftritt und nun eine neue Rat Life-Platte.

Irgendwie gibt es gerade eine Auflösung der geraden Linien bei Leibniz, wobei es die ruppige, hingeschmissene Soundästhetik immer auch zusammenhält. In nur drei Tracks dockt Leibniz auf der neuen Rat Life an sehr verschiedenen Stellen an.

Mit „Bat“ im UK-Rave- und Jungle-Taumel, mit „Uzi“ im derben Grime mit mächtiger, beinahe kollabierender Bassline und fanfarenhaft-wirren Chords, schließlich mit „2simple“ und ultra schnellem, runtergestripptem Big Room-Techno.

„Bat“ und „Uzi“ flashen mich am meisten. Das Scheppern und die rohe Fülle einerseits, die konsequente Street-Gang-Koketterie andererseits. Wahrscheinlich wird „2simple“ der eigentliche Hit dieser EP sein, doch irgendwie ist mir das dieses Mal zu fad, besonders die gedehnte Bassline und die kickenden Vocal-Samples sind mir „2simple“ und zu klar auf Abfahrt getrimmt.

Things From The Basement „Intimacy“ (Kann Records)

Kann Records beschließt das Jahr mit einer ruhigen Ambient-Platte von Things From The Basement. Vor zwei Jahren veröffentlichte der eines meiner Kann-Highlights.

Die Messlatte hängt also hoch, was die zweite EP angeht. Damals hieß es: „Adult-House im besten Sinne, mit feinen Schwingungen und melancholischer Grundstimmung.“ Zwei Jahre später entfernt sich Ergin Erteber alias Things From The Basement atmosphärisch noch weiter weg vom Dancefloor. Zwei Tracks gehen auf einen stillen, kontemplativen Ambient-Gleitflug mit leichtem Rauschen und Übersteuern. Nur bei „View From The Window“ webt sich eine hintergründige Bassdrum zwischen die kreisende Bassline und schwebenden Synth-Sounds.

Brachte „Vol. 1“ in vier Episoden vier neue Geschichten hervor, bleibt „Intimacy“ klanglich sehr viel homogener. Im Sinne der titelgebenden Intimität ist das auch sehr schlüssig, entfaltet diese Ruhe doch auch eine enorme Nähe und Wärme. Im direkten Vergleich waren es aber auch die überraschenden Wendungen und unterschiedlichen Nuancen, die mich bei der vorherigen EP von Things From The Basement begeisterten.

Die kommen erst die über drei Remixe von „No One Belongings Here More Than You“ rein. Durch Polo etwa, der dem hellen Ambient eine dumpf-powernde, stoisch durchrauschende Bassdrum entgegensetzt. Map.ache spielt dagegen mehr mir den ungeschliffenen Stellen der ursprünglichen Sounds und Sevensol kommt mit einer gedimmten, perkussiveren House-Euphorie um die Ecke. Ein schöner Jahresabschluss, aber mein Hit bleibt die „Vol. 1“.