Mix Mup x Resident Advisor Podcast

Mix Mup beschert uns einen tollen Wochenstart – mit einem Mix auf Resident Advisor.

Der Resident Advisor-Podcast begleitet mich schon seit vielen Jahren, einige Mixe davon sind fest mit bestimmten Lebensphasen verknüpft. Und er war immer auch Inspiration, um neue Musiker zu entdecken.

Umso größer ist die Freude, nun auch Mix Mup dort zu sehen und zu hören – einem „Under-the-radar favourite“. Für Resident Advisor hat er einen entspannt-triftenden Mix eingespielt, mit verschlungenem Funk und analog angerauter Deepness aus eher eigenwilligen House- und Techno-Gefilden.

In einem kurzen Interview erklärt Mix Mup, wie der gut einstündige Mix entstand. Nämlich aus alten und neuen Tracks, mit denen er zeigen wollte, was ihn an Clubmusik interessiert – funky, mit Jack-Momenten und doch auch minimalistisch.

Auch seine Sendung für das Berliner Online-Radio Berlin Community Radio kommt zu Wort. Ein Archiv der Sendungen gibt es hier.

Alfred Quest „Midlife Wellness“ (Analogsoul)

Entspannung und Entschleunigung – das Erfurter Quartett Alfred Quest nimmt sich aus der urbanen und digitalen Hektik heraus und schafft ein Kleinod der Ruhe.

Es ist nicht so, dass es nicht schon genug musikalische Rückzugspunkte gäbe, aber bei Alfred Quest ist irgendwas anders. Die konsequente Langsamkeit, die Wärme des Basses, die subtil eingeflochtene Elektronik, das Knistern, die elegischen Streicher und Gitarren – alles klingt so natürlich und unmittelbar. Als würden sich hier auf selbstverständlichste Weise Dinge zum Guten fügen.

„Midlife Wellness“ heißt das erste Album von Alfred Quest, einer Band, die eigentlich mit einem Rapper zusammenarbeiten wollte, dann aber instrumental der Midlife Crisis entging und in einer wahrscheinlich besseren Welt wieder auftauchte. Patrick Föllmer von Lilabungalow spielt den Bass, Tilmann Jarmer kümmert sich um die Beats und Samples, Sascha Friedrich übernimmt Keyboard und Sorin Paul Stanciu die Gitarre. Heraus kommt eine Zwischenwelt, die nach Slow-Post-Rock oder live gespielter Electronica klingt.

An ein paar wenigen Stellen mag das etwas kitschig werden, doch bei Stücken wie „Neun Über Vier“, „Langsame Liebe“, „Villenviertel“, „Tatra T.“ oder „Praliné“ passt einfach alles perfekt zusammen: die Reduktion, das Wechselspiel aus Harmonie und Vertracktheit und eine herrliche Beseeltheit, wie sie eben nicht aus Maschinen kommen kann. Alles verschwimmt und doch bekommt jedes Element durch die Langsamkeit viel Raum zum Wirken. „Midlife Wellness“ lief daher ziemlich oft bei mir in letzter Zeit. Ein unglaublich gutes Abtauch-Album.

Parallel dazu haben Alfred Quest auch ein Beat Tape mit Skizzen und weiteren kurzen Songs veröffentlicht. Da erweitert sich der stilistische Rahmen noch einmal immens, bis hin zu House, HipHop und schnelleren Stücken.

Lesetipp: Groove 162

Ab heute liegt die neue Groove im Kiosk. Mit dabei ein spannendes Club-Special, das vier Jobs hinter den Kulissen beleuchtet.

„Work it – Arbeiten, wo andere feiern“ heißt das neunseitige Special und porträtiert Booker, Nightmanager, Türsteher und Geschäftsführer verschiedener Clubs. Den Geschäftsführertext durfte ich mit dem Institut fuer Zukunft übernehmen.

Xavi und Alex gaben mir dafür fast zwei Stunden Input in ihre fast durchweg administrative Arbeit. Wer also gern mehr erfahren möchte, was die Leute hinter den Clubkulissen antreibt und bewegt, sollte diese Ausgabe nicht verpassen.

Hier ist sie direkt zu bestellen. 

Ranko „Hypersensitivity“ (O*RS)

Oh, schon zwei Jahre ist es her, dass Rankos Debüt-EP herauskam. Zeit für die Nummer 2.

Und die ist letzte Woche bei O*RS digital herausgekommen. Den Sommer 2016 soll die EP vertonen bzw. musikalisch begleiten, schrieb Ranko neulich selbst über den Ansatz von „Hypersensitivity“. Nun klangen Rankos Stücke immer schon nach sommerlicher Leichtigkeit, doch scheinbar ließ sich da noch mehr Smoothness herausholen.

Die fünf neuen Stücke zelebrieren im gedrosseltem und nickenden, sehr musikalischen Beatmaker-Sound ein großes Abhängen – in der Hängematte, am Strand, im Garten. Dazu umarmende, lang schwingende Synth-Chords und ein dezenter Pop-Appeal. „Hypersensitivity“ ist mehr in den HipHop-Roots Rankos geerdet, die für „Unchained“ ebenso prägenden wie erfrischenden Switches zu House lässt er dieses Mal – abgesehen von „Glittering Beach“ aus. Was nicht unbedingt stört, der EP aber insgesamt ein wenig die Spannung nimmt. Aber 14 Minuten Entspannung sind hier sicher.

The Moon With Teeth „Rhoda Tapes“ (VE-302)

Wie eine Dampfwalze macht mich die EP von Niklas Kraft alias Talski platt, welche unter seinem Alias The Moon With Teeth auf dem Berliner Net-Label VE-302 bereits im Juni herauskam. Was war denn das?

Irgendwo in den Mühlen der frohfroh-Redaktion wurde „Rhoda Tapes“ als Ambient-EP von Niklas Kraft bezeichnet. Nun ja, das trifft die Sache nicht ganz. Um es genauer zu nehmen: Ambient ist hier eher ein Köder für hypnotische, verstörende Sound-Forschung auf acht Tracks. Und wer unter Ambient beschauliches Lounge-Geplucker versteht, ist gleich verkehrt.

Zunächst bewegt sich die EP mit „Requiem X“ in ähnlichen Gefilden. Der Track könnte ein perfekt passender Opener für einen alten Gruselfilm sein, leicht mysteriös, aber nur subtil Unheil verkündend. „Yours Anyhow“ kommt mit spukig verfremdeten Stimmen und Glocken-ähnlichen Klängen direkt zur Sache und leitet mit seiner hypernervösen Geschwindigkeit zu den trockenen Drums von „Feinstoff of Life“ über. Dann: Abgrundtief düsterer, repititiver Sprechgesang mit „Whatever is, is right“ und „Killing Constriction“, verstörend übereinandergeschichtetes Insekten-Geschnattere auf „Lebensrinde“ und Voodoo-Atmosphäre mit „Bronx“. Zum Ende schließt sich der Kreis mit „Illusive“, das den Ambient-Sound des ersten Tracks aufgreift und mit Vocals verschmilzt.

Zugegeben: Die Verwendung von Trommeln und Voodoo-artigen Sprechgesang kann schnell in Gruselfilm-Klischees abgleiten, was man an meinen Beschreibungen ja auch merkt. Vielleicht tut das der Sache auch unrecht. Die Faszination der EP rührt zu großen Teilen auch vom spannend collagierten Sound-Kosmos von The Moon With Teeth her, der vermutlich aus rohen Field-Recordings besteht.

Stellt sich nur noch eine Frage: Wenn dies – wie auf Bandcamp beschrieben – das Resultat einer Auszeit in der ostdeutschen Pampa ist – was zur Hölle erlebt der Mann in seinem Urlaub?

Neues aus der Wolke – Drunkenstein

Drunkenstein fiel uns in letzter Zeit immer wieder durch seine Partys auf. Doch er produziert auch Tracks – er ist unser „Neuer aus der Wolke“.

Zwei selbst veröffentlichte EPs lassen sich aktuell auf Drunkensteins Soundcloud-Profil finden. Und beide sprühen über vor analog klingender House-Spielfreude, bei der Acid und Disco eine ähnlich große Rolle spielen. Das hat einerseits etwas offenherziges, unbeschwertes, leicht naives. Andererseits schwingt immer auch die Wehmut des klassischen Oldschool-Electro-Futurismus mit. Wir mögen die Stücke sehr und wollten wissen, wer hinter Drunkenstein steckt. Unser Interview klärt auf:

Woher kommst du – lokal und künstlerisch?

Ich wurde 1984 in Leipzig geboren. Mit 14 waren in meiner Parallelklasse Graffiti-Sprüher, die mir gezeigt haben, wie das geht. Von da an habe ich gesprüht, Hip Hop gehört und angefangen, Platten zu sammeln. Meine Vorliebe galt vor allem den Eastcoast-Rappern. Mich hat der Sound damals so geflasht und ich habe praktisch jeden Euro in Vinyl oder Sprühdosen investiert. Als ich 20 war habe ich angefangen auch die „Originale“, also die gesampleten Tracks zu hören – nachdem ich gemerkt habe, dass die manchmal noch viel cooler waren, als die HipHop-Tracks davon.

Seitdem wuchs die Bandbreite: Funk, Soul, Jazz, Disco. Da sich das HipHop-Publikum stark vom Electronic-Publikum unterscheidet und ich es liebe, wenn sich Menschen zu Musik bewegen – was bei HipHop leider oft nicht der Fall ist – habe ich angefangen, auch Disco Sets zu spielen. Der wirkliche Sprung zu House kam durch Baltimore Club Music. Das ist praktisch ein Mix aus HipHop, House und Electro und geht echt ziemlich nach vorne. Ich habe gemerkt, wie mich diese Art von Musik auf eine ganz andere Art und Weise verzaubert. Seitdem möchte ich mich musikalisch nicht mehr einschränken.

Was flasht dich musikalisch – von bestimmten Sounds oder Artists her?

Momentan arbeite ich die ganze US House-Geschichte auf. Die alten Acid-House Trax sind echt der Hammer. Leider sind die aber in unseren Breitengraden, abgesehen vom Internet, schwer zu bekommen. Mein Lieblingsartist im elektronischen Bereich ist Mr. Oizo. Viele wissen gar nicht, dass er nach „Flat Beat“ immer weiter Musik gemacht hat. Und dass, wie ich finde, so einzigartig wie ein Aphex Twin. Außerdem ist er Regisseur und seine Filme sind der totale Brainfuck. Im Rap-Bereich bin ich gerade auf Cult Mountain aus London hängen geblieben.

Prägen deine HipHop-Roots deine heutigen Tracks noch irgendwie?

Nach wie vor sample ich gerne in meinen Tracks. Ich glaube außerdem, dass die Drums oft eine hiphop-ähnliche Struktur besitzen. Aber ich versuche natürlich auch zum Teil so zu klingen, wie House-Musik klingen muss oder soll.

Wo willst du mit deiner Musik hin – Lieblingshobby oder Stadion?

Ich mache in erster Linie Musik für mich selbst und Freunde, die auch Musik machen und lieben. Wenn ich damit Erfolg haben sollte, wäre das super. Aber da ich das jetzt seit 17 Jahren mache, weiß ich, dass Geldverdienen mit auflegen und produzieren nicht gerade der einfache Weg ist.

Dein größter Soundcloud/Youtube-Hit?

Ich hab mich lange Target genannt. Auf Soundcloud habe ich einen Erick Sermon-Remix, der knappe 3500mal gespielt wurde. Der Track ist okay. Aber wie das so mit alten Produktionen ist – einem selber gefallen im Grunde nur die letzten zehn produzierten Lieder.

Dein persönlich größter Hit – und warum?

Einen einzelnen Track kann ich leider nicht nennen. Allerdings zählt das Album „Back On Plastic“, welches ich mit meinem jetzt in der USA lebenden Kollegen Roksn aufgenommen habe, zu den besten Produktionen meiner HipHop-Zeit. Von meiner EP ist „Path To Phusion“ mein Lieblings-Track. Er hat, wie ich finde, diese perfekte Symbiose aus analogem und digitalem Sound. Vielleicht erkennt man an diesem Track auch am meisten meine HipHop-Roots.

Du bist auch als Party-Veranstalter sehr aktiv gerade – ein Spaß nebenbei oder ist da mehr geplant?

Nächstes Jahr möchte ich unbedingt eine neue Art von Outdoor-Partys veranstalten. Dazu brauche ich allerdings noch etwas Zeit für eine gute Planung und ein festes Team von Leuten, die mit mir an einem Strang ziehen wollen. Die „Discolution“-Party im Schnellbuffet Süd war echt der Hammer und wird im Winter wiederholt.
Trotzdem werde ich mehr Zeit ins Auflegen, Produzieren und in meinen Job als Grafiker investieren, da dies meine Standbeine sind.

Du hast mit 6Step auch ein eigenes Mode-Label – was hat es damit auf sich?

Ende 2010 hatte ich Lust, einer Handvoll Kumpels ein schönes Siebdruck-Shirt zu Weihnachten zu schenken. Mein Kollege Tonie107 und ich haben uns damals gedacht, dass das auch professioneller geht. 2011 wurde dann 6Step geboren. Unter diesem Namen habe ich außer Kleidung aber auch Plattencover designt und Grafiken für Plakate und Flyer gestaltet. Vor zwei Wochen habe ich seit längerer Zeit wieder eine Mini-Kollektion mit neuen T-Shirts veröffentlicht.

Leider hat mir im letzten Jahr etwas die Zeit gefehlt. Momentan habe ich aber wieder Lust, etwas mehr ins „Klamottengeschäft“ einzusteigen. Hoffentlich bekomme ich das mit den vielen anderen Sachen an denen ich arbeite unter einen Hut.

Lupo „Farbenfroh und Hell“ (Lebensfreude Records)

Zugegeben: Wir sind etwas ratlos, was Chris Manura da geritten hat. Als Lupo verirrt er sich in den House-Pop.

Es kommt nicht oft vor, dass wir innerhalb der frohfroh-Redaktion so lange darüber nachdenken, ob wir eine EP besprechen sollten oder nicht. Meist ist es klar, wenn es nicht passt, weil es musikalisch zu weit entfernt ist von dem, was uns hier bewegt. Über die „Farbenfroh & Hell“-EP von Lupo reden wir jedoch seit Wochen. Immer mal wieder, dann aber durchweg mit großer Verwunderung und einer gewissen Fremdscham.

Was ist passiert: Zusammen mit dem Sänger Alexander Boedewig von den Bands Boe Van Berg und Westbalkonia hat Chris Manura scheinbar ein Pop-House-Projekt namens Lupo gestartet. Mit deutschen Texten und eindeutiger Hit-Eingängigkeit. Nun ist die Mischung von deutschen Texten mit House und Techno eh schon ein Wagnis mit immens großer Fallhöhe – ganz unten lauern entweder Schlager- oder Befindlichkeits-House.

Doch warum es neben Westbalkonia ein nahezu identisch klingendes Projekt gibt, das sehr offensichtlich mit dem betont lasziv-schluffigen Durchi-Appeal von Boedewigs Gesang so etwas wie „Seele“ und „Emotion“ auf den Dancefloor bringen will, ist für uns wenig nachvollziehbar. Alexander Boedewigs Stimme hält nicht allzu viele Nuancen bereit, um Lupo eindeutig von Westbalkonia abzugrenzen. Und auch Chris Manuras Feel Good-House nicht, obwohl er im Vergleich zum von Marc DePulse effizient konstruierten Westbalkonia-Tech House das geringere Übel ist.

Warum wir noch heiß über Lupo diskutieren? Weil der Track nach großem Kalkül klingt. „Farbenfroh & Hell“ schlägt musikalisch in eine Kerbe, die ziemlich unangenehm nach größtmöglichem Konsens riecht. Einmal die Pop- und Open Air-House-Baukästen aufgemacht, verschiedene Elemente rausgeholt, alles für das unkomplizierte Hören zusammengefügt und fertig ist der Dancefloor-Filler – eben wie bei Westbalkonia, Alle Farben, Klangkarussell etc.. Deren Tracks sind ähnlich glattgebügelt, erzwungen tanzbar und schön zum Mitsingen einladend. Lupo klingen, als möchten sie mit der ersten EP diesen einen Hit landen, der im Radio läuft. Oder wenigstens auf Open Airs als leichtgängiger Floorfiller laufen. Doch: „Farbenfroh & Hell“ fehlt der Tiefgang.

Zensor Tot. Leben Geht Weiter. „Selbstgefährdung“

Kilian Krings bringt gerade mit seinen Partys und dem Label Sign Bit Zero viel Post Punk- und Wave-Appeal in die Stadt. Sein neues Solo-Projekt treibt es auf die Spitze.

Zensor Tot. Leben Geht Weiter. heißt es und referiert auf die Freudsche Theorie des Selbstregulierungs-Automatismus zwischen Unterbewusstem und Bewusstem. In diesem Spannungsfeld zwischen ungezügeltem Aktionismus und streng-minimalistischen Arrangements bewegen sich die Stücke seines ersten Albums „Selbstgefährdung“ auch. Und sie passen genau in die Entwicklung, die Kilian Krings kürzlich in unserem Interview beschrieb: „Über die elektronische Musik [kam ich] wieder zu dem Sound, der mich in meiner Jugend geprägt hatte, zurückgefunden – dem Punkrock und Postpunk.“

In fünf eigenen Stücken und drei Edits alter Post Punk-Songs erzeugt er eine atmosphärische Kühle und Kargheit, die sich jeder Eingängigkeit entzieht. Super lo-fi produziert, mit viel Rauschen, Pathos und Dissonanz sowie dark zerfilterten, dreckig verhallten Gesängen und neurotischen Texten. Meist zieht sich dabei ein scheppernder gerader Beat durch, der trotz der harschen Sounds eine gewisse Dancefloor-Anziehung mit sich bringt.

Kein leichter Stuff, aber die Konsequenz und die unmittelbar einwirkende Punk-Attitüde grätschen dem aktuellen House-Historizismus sehr schroff in die Beine. Und selbst die derzeit gern betonte analoge Rauheit wirkt gegen diese Stücke wie ein warmer Windstoß. Sehr sehr eigenwillig gut.

25 Tapes  gibt es von „Selbstgefährdung“ – auch eine Hommage an die frühe Post-Punk-Zeit, als eine rege Underground-Tape-Szene existierte, auf der sich lauter obskure Musik finden ließ.

Apollo Static x Flowers Of Despair x Video

Im nächsten Januar kommt mit „Flowers Of Despair“ das erste Apollo Static-Album heraus. Für das Vorab-Video ging es ins Seniorenheim.

Aber vorher geht’s ins Tapetenwerk. Dort sitzt mir Julian nämlich ab und zu gegenüber. Julian ist Apollo Static und zugleich maßgebender Kopf des Ketzerpop Kollektivs. Er sprach schon länger von einem Video, das mit Benjamin vom Relativ Kollektiv in einem Connewitzer Seniorenheim gedreht werden sollte. In der Hauptrolle: der ehemalige Theater- und Tatort-Schauspieler Dieter Jaßlauk.

Nun ist es fertig und eine überaus gelungene Visualisierung von Apollo Statics wehmütig-augenzwinkerndem Wave-Elektronik-Funk. Denn sowohl die Texte als auch die Musik, seien immer gleichermaßen von einer Dualität geprägt, meint Julian.

Die großen Ambivalenzen des Lebens scheinen ihn immer wieder besonders anzuziehen.

Bei „Flowers Of Despair“ – übrigens auch der Titel des Albums – sucht er nach den hellen Momenten, die ebenso in Gefühlen wie Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit oder totaler Angst innewohnen können. Denn: „Der point of no return, der dunkelste Punkt, ermöglicht einen neuen Aufbruch. Hier ist das Leben auf das Absolute reduziert, die Hoffnung – dieses völlig sinnlose, irrationale Produkt des tierischen Überlebensinstinkts – entfaltet seine ganze Kraft, weil es sich als das vollständig Gleiche wie die Hoffnungslosigkeit herausstellt. Es ist die Dialektik der Verzweiflung, oder viel platter: jedem Ende wohnt ein Anfang inne.“

Und so entschied sich Julian für ein Seniorenheim als Ort für das „Flowers Of Despair“-Video-Setting. Ziemlich passend, sind das Altern an sich und Seniorenheime im Speziellen oft mit Tristesse, Vereinsamung und Resignation konnotiert. Die ersten Sequenzen des Videos greifen genau jene Klischees in überzeichneter Weise auf: Nach dem Zähneputzen und Anziehen läuft Dieter Jaßlauk allein durch einen tristen Gang zum Speisesaal mit mehreren Einzeltischen. Niemand sitzt hier zusammen beim Essen des wenig ansprechenden Heimfrühstücks. Später spaziert er allein durch den Park und muss beim Friseur  resigniert feststellen, dass das eigene Haarvolumen keine vermeintlichen Haartrends mehr mitmacht. Dass Dieter Jaßlauk zum Schluss im Bewegungsraum mit einer analogen Orgel den „Flowers Of Despair“-Refrain übernimmt und damit eine Seniorentanzrunde animiert, dreht die Tristesse-Medaille dann mit einem simplen Move.

Trostlose Umgebung lebt plötzlich und weird auf – neu ist das nicht, aber in diesem Fall passen Song- und Video-Atmosphäre einfach sehr treffend zusammen. Im Herbst soll es ein weiteres Video geben, Ende Januar 2017 dann das Album.

Annuluk „B*A*M Beautiful & Massive“ (Kick the Flame)

Ein neues Album von Annuluk ist erschienen. Wer bitte? Natürlich, auf frohfroh wurde die vierköpfige Band um Sängerin Miša nur im Rahmen der Remix-EP „Metamorphosis“ vorgestellt. Im Juni ist nun das dritte Studio-Album erschienen und auch hier trifft der abstrakte Gesang auf eine Mischung von World-Music beeinflusster Instrumentierung und elektronischer Musik.

Ich gebe es offen zu: Gemeinhein stellen sich mir bei World-Beat und verwandten Genre-Beschreibungen schnell die Nackenhaare auf. Nicht, dass es in dem Bereich keine interessante Musik gäbe, aber zu häufig driftet es schlichtweg in gruselige Ethno-Folklore-Kitsch-Sphären ab. Das machen dann auch mehrere Kannen indischer Gewürz-Tee nicht erträglicher.

Keine gute Voraussetzung, um das neue Album von Annuluk zu besprechen. Es bedarf dann auch mehrmaliges Hören, um sich auf die Qualität des Albums fernab aller Vorurteile einzulassen. Annuluk verweben durchaus exotische Instrumente mit sphärischen Beats irgendwo zwischen Dubstep und Trip Hop und setzen sie gekonnt ein. Damit umschiffen sie arge Klischees. Gleichzeitig sind Tracks wie „Persephone“ so hochdramatisch und basslastig inszeniert, dass sie den Pendants der britischen Bass-Musik in nichts nachstehen.

Im Zentrum steht dabei immer der Gesang von Miša, die sich einer Art Fantasie-Sprache bedient. Zunächst wirkt das sehr befremdlich, zeigt aber auch schnell, wie unwichtig Sprache in der Musik sein kann. Leider ist der Gesang der Hauptgrund, warum ich an das Album schwer herankomme. Zwar wird er auf Tracks wie „Des – Tracktion“ durchaus interessant eingesetzt, aber die meisten Stücke würde ich mir dann doch ganz gern in einer Dub-Version anhören. Eine entschlacktere, auf das Wesentliche reduzierte Form könnte dem Album sehr gut stehen.

V.A. „Various Four“ (Rose Records)

Rose Records wird 5 und lädt mit einer Compilation zum Birthday-Tanz – mit der zehnten Platte im Katalog, wie passend.

Und der ist natürlich voller House mit großer Disco- und Soul-Leichtigkeit. Auch wenn ich in den vergangenen fünf Jahren musikalisch nicht immer mitfiebern konnte, so ist die Freude über die kontinuierlich gewachsene Aufmerksamkeit für Rose Records mit M.ono, Luvless und Martin Hayes enorm groß.

Sie haben in uneitler und unaufgeregter Weise ihre Nische gefunden und sich eine internationale Fanbase aufgebaut, die für schnell vergriffene Vinyl-Auflagen und DJ-Auftritte in Großbritannien und Frankreich sorgen.

Die „Various Four“ zum Jubiläum holt neben den drei Betreibern auch zwei befreundete Duos mit an Bord. Die Münchner Rhode & Brown sowie Jan Ketel & Siggatunez aus Görlitz und Berlin. Zusammen zelebrieren sie das, wofür Rose Records steht: House mit entwaffnend positivem Drive, tief in alte Soul- und Disco-Vibes eingebettet. Große Eleganz, große Leichtigkeit für den stilvollen Exzess. Und immer einen Tick zu oldschool und zu ehrlich, um in die plumpe Deep House-Pop-Schiene der letzten Jahre zu geraten.

Happy Birthday, Rose Records!

Verpasst nicht unser großes Interview mit M.ono, Luvless, Martin Hayes und Eva Rose.

„Wir mögen es ein bisschen wärmer“ – Interview mit Rose Records

Noch ein Label-Geburtstag in diesem Jahr: Rose Records wird 5 – Zeit für ein großes Gespräch über die positive Entwicklung, traurige Tracks und limitierte Vinyl-Auflagen.

2011 war offensichtlich ein gutes Jahr für die Leipziger Elektronik-Szene: Filburt startete O*RS, Resistant Mindz brachte seine erste Vinyl-Compilation heraus und fünf Freunde gründeten Rose Records. Fünf Jahre später, an einem lauen Juli-Abend treffe ich vier davon im Ilses Erika-Biergarten: M.ono, Luvless, Martin Hayes und Eva Rose. Die vier überschlagen sich mit Geschichten und Gedanken zu ihrem Label, dem insbesondere in Großbritannien enorm viel Zuneigung entgegengebracht wird.

Sofort kommt das Gefühl auf, an einem Tisch voller Freunde zu sitzen. Es wird durcheinander geredet, sich auch mal ins Wort gefallen. Aber in einer Art, wie es unter Freunden völlig okay ist. Rose Records steht für eine besondere Form vom Musikveröffentlichen.

Weniger Kalkül, eher authentischer Spaß mit autodidaktischer Lernkurve, der doch mehr den Nerv der Zeit getroffen hat, als es alle Beteiligten anfangs zu wünschen wagten. Das brachte einige Herausforderungen mit sich, um die es auch in unserem frohfroh-Interview gehen soll. Zum Jubiläum ist auch eine Vinyl-Compilation herausgekommen, die wir hier extra vorstellen.

Fünf Jahre Rose Records – was geht euch in diesen Tagen durch den Kopf?

Eva: Dass die Zeit übelst schnell vergangen ist.

Martin: Man zieht schon Resümee – was war, wo es mal hingehen soll, Probleme.

Und was ist euer Resümee?

M.ono: Wir hatten auf jeden Fall viel Glück.

Martin: Wir haben ja nicht geplant, dass wir ein Label machen und unsere Platten auch gespielt werden. Es hat sich entwickelt, wir sind den Leuten nicht auf den Sack gegangen. Unser Credo war: es sollte sich natürlich entwickeln.

M.ono: Es ging ja damit los, das wir unsere Ideen einfach auf Platte haben wollten, ohne Leuten hinterher zu rennen und zu fragen, ob ihnen unsere Stücke vielleicht gefallen und ob sie die auf Platte pressen wollen.

Luvless: Gar nicht mal wegen des Hinterherrennens: Ich hatte vorher mega Respekt davor, total bekannte DJs und Labels anzuschreiben – wer bin ich, dass ich die mit meinem Zeug penetrieren darf.

Eva: Wir kannten uns auch nicht alle vorher. Martin habe ich erst durch das Label kennengelernt, M.ono kannte ich gut, Luvless ein wenig, Martin und Luvless hatten bereits Kontakt, weil sie zusammen Tracks auf Mancha Recordings veröffentlicht hatten.

Luvless: Die Idee kam uns irgendwann früh beim Labern nach einer langen Partynacht. Da hatten wir uns darüber unterhalten, weil die Infrastruktur in Leipzig dafür gut war – ein Schallplattenpresswerk ist da, M.ono kannte außerdem LXC zum Mastern und für den Schnitt.

Eva: Es ging damals auch viel los – Kann Records waren da, Filburt startete O*RS und Uncanny Valley.

Luvless: Das hat uns bestärkt, weil wir wussten, dass da Leute sind, die wir fragen können, wie sie es gemacht haben – ein paar Tipps haben wir uns da auch geholt als es konkreter wurde.

M.ono: Es war aber auch etwas abenteuerlich am Anfang. Wir haben viel ausprobiert, mit verschiedenen Presswerken und Masterings. Aber im Endeffekt sind wir jetzt wieder bei der Wahl, die wir ganz am Anfang hatten.

Dafür, dass ihr als Anfänger gestartet seid, ist die erste Platte gleich erstaunlich durchgestartet: Woran lag das?

Luvless: Wir hatten für den Vertrieb Diamonds & Pearls in Berlin angefragt, aber die hatten nicht so recht Interesse, weil die Auflage zu klein war. Da dachten wir, dass wir die 250 Stück auch selbst verschicken können: Martin hatte schon Connections zu Juno, Eva rief einfach bei Decks an und die fanden es gut.

Martin: Juno macht sonst eigentlich nichts ohne Vertrieb, aber sie mochten die Platte wohl. Für uns war das gut, weil wir dadurch einen Fuß in UK reinbekamen, was wirklich was wert war.

Luvless: Auch an einige DJs haben wir eine Promo-Platte geschickt – mit Aufklebern und einem schönen Promo-Text. Wir haben selbst daran gedacht, dass es schön wäre, wenn die Post klingelt und eine unerwartete Platte vorbeibringt.

Martin: Das waren aber nur DJs, die wir selbst gut fanden, Ooft! zum Beispiel, und nicht solche, die gerade bekannt sind.Gab es da gleich Feedback von denen?

M.ono: Ja, schon. Move D und Session Victim hatten die erste Platte mit gespielt. Es passte wohl auch gerade in die Zeit hinein, weil wir uns für diese Sparte interessiert hatten. Und dann kamen die zweite und dritte Platte recht schnell hintereinander – drei Various-Platten mit jeweils einem Track von uns dreien. Jeder durfte mal auf die A-Seite. Es sollte alles fair sein.

Zwei von euch sind als Musiker gar nicht dabei – wie fühlt man sich da involviert?

M.ono: Eva hat beim Label einen besonderen Status.

Eva: Ich durfte den Namen vergeben.

Luvless: Ich hatte irgendwann Tracks bei Soundcloud hochgeladen und natürlich haben wir uns über die Plays gefreut – und dann hatte es Rose Records geliked. Irgendwann kam dann raus, dass Eva dahinter steckt, weil ich es bei einem Treffen erzählt habe und Eva schmunzeln musste.

Eva: Das ist aus einem Spaß entstanden: Ich stand mit M.ono und Sevensol an der Bar im Conne Island. Kann Records war da gerade ein Jahr alt und dann haben wir gescherzt, wie wir ein weiteres neues Label nennen würden. Neuschulz Records klingt scheiße, dachten wir uns, aber Rose Records ging irgendwie – ich heiße ja wirklich Eva Rose. Kurz danach habe ich mir das Profil bei Soundcloud gesichert, weil das sogar noch frei war.

Luvless: Der Name ist schön offen. Da kann alles drauf passieren. Wer weiß, was in zehn Jahren ist. Früher habe ich Techno gehört, dann House, jetzt wird es wieder etwas schneller – es verändert sich ja auch.

Eva: Aber auch sonst: Wir treffen alle Entscheidungen zusammen und es gibt ja bei einem Label auch noch andere Aufgaben, die erledigt werden müssen. Gerade am Anfang habe ich viel Vertriebe angeschrieben und mich um Rechnungen gekümmert.

Gibt es eine feste Arbeitsteilung bei euch?

Eva: Es hat immer mal gewechselt, so wie bei jedem Zeit war.

Luvless: Wir haben ja alle einen Job, teilweise auch Familie.

M.ono: Deshalb lässt sich bei uns auch kein höherer Output generieren. Allein einen Termin zu fünft hinzubekommen, ist nicht immer leicht.

Luvless: Selbst wenn wir das wollten, würde es schwer gehen: die Presswerke sind gerade so voll und haben enorme Wartezeiten. Man müsste wahrscheinlich gleich drei Platten auf einmal in Pressung geben. Aber ich finde drei bis vier Platten im Jahr völlig ausreichend.Am Anfang war es eine Plattform nur für euch, dann habt ihr aber doch geöffnet – warum?

Luvless: Das hat sich auch so ergeben. Als Martin und ich in Amsterdam gespielt haben, haben wir Hans alias Junktion von Fouk kennengelernt. Ich hatte mal nach Demos gefragt, weil wir die Sachen sehr mochten und wir auch eine 10“-Reihe im Hinterkopf hatten. Was sich herauskristallisiert hat: Die Stücke auf Rose Records hatten immer noch einen etwas anderen Touch als die, die bei anderen Labels herauskamen.

Martin: Er hat uns aber auch mehrere Tracks geschickt und wir haben vielleicht unbewusst die heraus gewählt, die am besten zu uns passen. Und die sind da wohl noch einmal anders als sonst.

M.ono: Bei Laurence Guy war es so, dass er gefragt hat, ob er uns Demos schicken kann.

Das verändert eure Label-Arbeit auch noch einmal: Vorher ging es nur um eure Tracks, jetzt geht es um Befindlichkeiten und Eitelkeiten von anderen.

M.ono: Ja, aber bisher lief das sehr entspannt. Es ist ja so, wie man es selbst gern hätte. Sie freuen sich, dass wir die Stücke herausbringen und fragen nicht zu erst nach einem Vorschuss.

Martin: Das wäre auch anders, wenn jemand mit anderen Erwartungen zu uns käme.

Luvless: Das haben wir aber auch: Manche schreiben dann, dass sie hier Tracks haben, es wäre schön, wenn wir die im Juni herausbringen. Teilweise schon mit fest definierter Tracklist. Es ist meist so, dass die Leute, die wir unterwegs bei unseren Auftritten treffen, genauso drauf sind wie wir – wenn es zwischenmenschlich passt und die auch noch geile Musik machen, warum soll man da nicht eine Platte gemeinsam machen.

Martin: Es macht natürlich mehr Arbeit, weil wir schon jedem was zu seinem Demo antworten möchten.

Parallel dazu, dass ihr Künstler von außen reingeholt habt, seid ihr bei anderen Labels angekommen – ein Nebeneffekt von Rose Records sicherlich.

Martin: Das spielt auf jeden Fall eine Rolle, dass wir das Label haben.

Luvless: Ja, wahrscheinlich haben wir mit unserer Musik zufällig den Nerv einiger Leute getroffen, die aber zu dem Zeitpunkt noch nicht von so vielen produziert wurde. Für mich war das zumindest auch ein Grund damit anzufangen: Mir fehlte dieser Sound in den Clubs.

War euer Sound schon länger so oder erst kurz vor dem Beginn von Rose Records?

M.ono: Es ist immer Bewegung. Davor habe ich Drum & Bass produziert, das ging in einen Tech House-Drall über bis ich die langsameren House-Sachen interessanter fand. Jetzt ist es genauso: Es gibt immer neues, was einen inspiriert. Man hört einen Track und probiert es auch mal aus. Vielleicht spielen wir in fünf Jahren wieder 110 bpm. Obwohl wir das jetzt auch manchmal noch machen. Kommt immer auf den Abend an.

Martin: Es spielen schon Sachen von früher rein. Ich habe viel HipHop gehört, aber auch andere elektronische Sachen – das kann man jetzt eigentlich gar nicht sagen – Trance. Da ist man halt mal in die Niederlande zu Tiësto gefahren. Die Zeit gab es auch, aber ich habe dann weiter geschaut, wo die Samples herkommen. Ich höre heute auch alte Disco-, Funk- und Soul-Sachen. Das war nicht von Anfang an so, aber das hat mich nicht mehr losgelassen.

Luvless: Ich hatte, glaube ich, zwei Schlüsselerlebnisse in meiner Kindheit: Mein Vater hatte einen Amiga 500 Plus gekauft und da saß ich viel davor. Man hatte Notenzeilen und konnte Sachen bauen mit Vocal Snippets alá Bumm Chack Boing. Irgendwie wurde es da schon immer sehr geradlinig bei mir. Und ich habe einen großen Bruder, der früher in die Opera gegangen ist und sich Plattenspieler gekauft hat. Er spielte viel elektronische Musik und hatte später auch Musikprogramme wie Fruity Loops und Reason. Über ihn bin ich so zum Techno gekommen. Ich kaufte mir dann wenig später meine ersten eigenen Platten von Jeff Mills, Chris Liebing, Neil Landstrumm und so Zeug. 4/4 war da von Anfang sehr wichtig für mich.

Eva, würden deine Tracks klingen, wenn du mit Produzieren anfangen würdest?

Eva: Piano House, auf jeden Fall wären ganz viele Pianos dabei.

Und Lars legt nur auf?

Luvless: Lars ist ein großer Vinyl-Sammler. Von allen kenne ich ihn am längsten, seit über 25 Jahren. Wir haben ihn erst zum Auflegen gepusht, weil wir ihm auch den Spielraum gegeben haben, um sich auszuprobieren. Spiel doch einfach mal, du hast geile Platten, egal ob die Übergänge klappen. Jetzt hat er schon allein auswärts gespielt – das hat sich auch über das Label so ergeben.In eurer Label-Info steht, dass ihr an die Message von Disco glaubt – was ist die für euch?

Eva: Oh, nein, das haben wir irgendwann mal aufgeschrieben und nie wieder geändert.

Martin: Ich sauge es mir aus den Fingern. Aber: Bei Disco ging es ursprünglich ja um Gleichberechtigung – generell und auf dem Dancefloor –, ohne dass das Aussehen und deine Herkunft eine Rolle spielt. Man hat eine gute Zeit und kann vom Alltag loslassen.

Luvless: Es ist weniger das Genre, sondern eher das Gefühl, eine gute Zeit zu verbringen. Bei Techno geht das natürlich auch.

M.ono: Wir mögen es aber ein bisschen wärmer und es geht ums Gefühl.

Es ist auch durchweg positiv bei euch – mit jeder neuen Platte kommt ein Schwall an Glücksgefühlen. Macht ihr eigentlich auch traurige Musik?

M.ono: Ich musste einen Remix für einen Leipziger Künstler machen, aber ich habe den nie abgegeben, weil ich einfach daran zerbrochen bin. Durch Zufall habe ich den neulich wieder gehört und fand ihn gar nicht so schlecht, aber in dem Moment, in dem ich daran gearbeitet habe, war es so zermürbend, weil es so traurig war. Das hat mir irgendwann keinen Spaß gemacht, ich hatte keine Ambitionen mehr daran zu arbeiten.

Luvless: Wir sind aber auch alle sehr positive Menschen, wir haben viel Spaß und das ist uns auch wichtig. Wir sind selten traurig und ich bin das auch ungern. Deshalb mache ich auch solche Musik, die mich glücklich macht.

M.ono: Ich möchte den Leuten auf der Tanzfläche auch eine Freude bereiten. Es ist das schönste, wenn Leute zugleich lachen und tanzen. Für Emo-House, was gerade angesagt ist, bin ich nicht der Typ. Es ist auch gut, dass wir da so gleich ticken.

Eva: Man will ja aber auch ausgehen und Spaß mit seinen Freunden haben.

Ihr geht auch entsprechend fröhlich ins Studio? Oder in welchen Stimmungen produziert ihr?

Eva: Das Krasse ist: Einige von M.onos besten Stücken sind entstanden, als er den größten Liebeskummer hatte. Komplett verrückt. Manche Leute hätten total traurige Songs gemacht.

Luvless: Meist ist nach einem Gig mehr Lust da, weil man viele Eindrücke von der Reise oder der Partynacht mitbringt. Und oft war es so, dass ich mich direkt danach an neue Stücke rangesetzt habe.

Eva, hast du jemals überlegt, selbst mit Produzieren anzufangen?

Eva: Nein, ich bin Konsumentin und das soll auch so bleiben. Ich bin für die erste Reihe gebucht. Ohne die wäre es auch langweilig. Ein kleines DJ-Projekt habe ich mit einer Freundin. Aber das ist nur zum Spaß. Gerade wenn man ausgeht, möchte ich nicht die Anspannung haben, an dem Abend auch noch spielen zu müssen. Man möchte ja auch, dass die Leute genießen, was du spielst.

Ihr habt aktuell Jobs, aber auch richtige Booking-Agenturen – gibt es da Ambitionen, von der Musik leben zu können, oder ist es so optimal für euch?

Luvless: Ein konkreter Traum war es für mich schon – auch wenn es jetzt vielleicht nicht in Erfüllung geht. Ich könnte vielleicht mehr dafür machen, aber ich finde es so okay. Durch unsere Jobs hatten wir auch bei der ersten Platte eine gewisse Lässigkeit – wir probieren es, wenn sie sich nicht verkauft, dann war das unser Problem. Wobei eben der Hauptgedanke war, einfach eine Platte für uns zu machen. Wir hatten ja nichts zu verlieren. Das ist heute noch so. Es ist ein hartes Business. Ich möchte auch irgendwie keinen Druck haben, Musik machen zu müssen. Ich liebe es an den Geräten rumzufummeln, aber der Spaß steht bei mir an vorderster Stelle. Es ist gut so momentan: Ich gehe unter der Woche ein bisschen arbeiten und am Wochenende habe ich das Glück mit M.ono zu reisen, in tollen Clubs zu spielen und eine gute Zeit zu haben. Dafür bin ich sehr dankbar.

M.ono: Wir nehmen es auch hin, wenn es mal weniger ist. Es ist wie ein Abenteuer. Wir freuen uns immer wie kleine Kinder, wenn wir mal nach London oder Paris fliegen. Dieses Business-Ding ist aber nicht dabei.

Luvless: Jetzt ist es ein gutes Zubrot, man bekommt etwas Gage und kann sich neue Technik fürs Studio kaufen.

Die Agenturen machen aber auch keinen Druck?

Luvless: Nein, gar nicht. Es läuft alles sehr easy.

Martin: Mein Booker sitzt in Paris und ist auch sehr entspannt. Da gibt es keine Ansagen von wegen: Es muss mal wieder was rauskommen, damit wir dich wieder verbuchen können. Ich würde es auch nicht wollen, dass das mein Beruf wird. Ich spiele gern Gigs und freue mich über jede Platte, aber etwas machen zu müssen, nur damit es weitergeht, wäre für mich nichts. Es kann schon mehr sein, aber ich möchte nicht meinen Job dafür aufgeben.

M.ono: Es ist wie bei jeder Arbeit: Am Anfang ist alles super und dann geht es in eine Routine über. Und wenn du jedes Wochenende unterwegs bist, geht auch viel eigener Spaß verloren. So kann man auch mal mit seinen Freunden hier weggehen. Andererseits: Wenn man mal länger zu Hause ist, juckt es schnell in den Fingern.Lasst uns noch über eure limitierte Vinyl Only-Label-Politik sprechen. Da gab es ja durchaus Unmut bei den Fans.

Luvless: Die Limitierung am Anfang war kein Kalkül, wir hatten einfach das Geld nicht, um 1.000 Stück pressen zu lassen.

Eva: Es sollte auch fair bleiben bei den ersten drei Platten. Wir hatten mit der A-Seite immer geschaut, dass jeder mal dran ist und dann sollten nicht von der einen 300, von der anderen 500 Platten geben. Deshalb gibt es von 1-3 250 Stück, dann die drei ersten Artist-EPs mit 500 Stück. Die beiden Trios sollten gleichwertig sein.

Martin: Es gab natürlich auch viel negatives Feedback, dass wir vorsätzlich eine Limitierung generieren würden, um die Preise hochzutreiben. Aber wir machen keine Discogs-Preise – es sind ja andere, die sich daran bereichern, wir haben ja nichts davon, wir kriegen die Vertriebspreise.

Luvless: Es war auch leicht dahin gesagt von einigen Leuten: Presst doch noch einmal 500 Stück nach. Klar, gebt uns 2.000 €, dann machen wir das.

Martin: Es war eine Geldfrage, weil uns das Risiko zu groß, dann doch auf einem Backstock sitzen zu bleiben.

Luvless: Wir haben uns auch an anderen Labels orientiert, Sleazy Beats zum Beispiel waren damals schon sehr fett und haben 500 Stück verkauft. Wenn die soviel verkaufen, wie sollen wir dann auch soviel schaffen – das war für uns nicht denkbar.

Bei späteren Platten habt ihr dann nicht die Auflagen erhöht?

Luvless: Doch, von der Junktion gab es insgesamt 1.500 Stück. Das hatte sich alles hingezogen, weil wir ja immer warten mussten bis wir das Geld von der ersten Pressung wieder drin hatten. Durch den Hype haben wir uns aber auch verleiten lassen. Von der „Double You“-EP gab es auch 1.000 Stück.

Jetzt gibt es also keine Limitierung mehr?

M.ono: Doch, intern schon. 500 Stück ist eine optimale Stückzahl, weil R.A.N.D. Muzik immer nur eine bestimmte Anzahl als Covern und Etiketten machen können. Und 750 würde sich für uns nicht rechnen, 1.000 sind aber gleich zu viel.

Luvless: Dann haben wir auch überlegt, ob wir doch den Schritt zum Digitalen gehen wollen, um einfach noch mehr Leute zu erreichen. Unsere anfänglichen Ängste wurden uns aber genommen, weil wir Leute gefragt haben, die das bereits machen und über den langen Zeitraum auch viele Erfahrung gesammelt haben. Ab der Katalognummer 10 wird es offiziell losgehen. Wir sind durch Filburt zu Paradise Distribution gekommen und fühlen uns jetzt schon sehr wohl dort.

Aber gibt es nicht auch eine große Nachfrage für den Back-Katalog? Von Leuten ohne Plattenspieler?

M.ono: Ja, die gibt es. Aber wir haben uns einfach entschieden mit der Nummer 10 den digitalen Schritt zu wagen. Und irgendwie würde es sich unfair den Leuten gegenüber anfühlen, die unsere ersten Platten gekauft haben.

Ihr nehmt dann die digitalen Rips auch in Kauf?

Luvless: Ja, das ist die beste Werbung. Wir haben unsere Platten verkauft, aber wenn es dann auch woanders auftaucht, dann ist das so. Verhindern kann man es eh nicht.

M.ono: Es geht mir genauso: Es gibt noch genug Stücke, die ich gern noch hätte. Die sind auch nur auf Platte herausgekommen und nicht digital erhältlich. Klar, ist das blöd, weil ich zu dem Zeitpunkt nicht da war, aber das ist der Lauf der Dinge – damit muss man leben.

2011 habt ihr Rose Records gegründet – da hättet ihr auch schon digital dabei sein können.

Luvless: Ich glaube der Hauptgrund war, dass sich keiner extra um das Digital-Ding kümmern wollte. Wir wussten auch überhaupt nicht, wie wir das angehen – das war keine böswillige Vinyl-Only-Absicht. Einige haben uns auch Angst damit gemacht – mit all den IRC-Codes und am Ende kommt kaum was bei rum. Der Aufwand schien uns zu groß. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass es auch anders und einfacher geht. Und am Ende tun wir einigen sicherlich auch einen Gefallen.

Eva: Eigentlich waren alle nur heiß auf eine Platte. Wir sind auch in Leipzig. Man kann sich schnell absprechen. Einige haben da schon mehr Erfahrungen, wovon wir auch lernen konnten. Jetzt können wir es machen, weil uns Freunde sagen, dass es leicht geht.

Es war also weniger ein Vinyl-Dogma?

Luvless: Nein, gar nicht. Wir spielen ja selbst auch mit Stick und CDs. Mir ist das egal, wer mit was spielt. Hauptsache es ist gut und kommt authentisch rüber. Ich bin nicht der Vinyl-Verfechter.

Wie war es, als ihr plötzlich in den Discogs-Spekulationswahn geraten seid? Die „Easydance“ steht immer noch für 150 bis 200 € dort.

Martin: Erst haben wir uns gar nicht dazu geäußert. Das war ja auch nicht unser Ziel, sondern geht von Leuten aus, die solche Momente gern auch ausnutzen, um Kohle machen zu wollen. Das ist natürlich ärgerlich, wenn das uns dann vorgeworfen wird von Leuten, die gar nicht unsere Hintergründe dazu kennen. Mit dem Repress sind wir den Leuten dann ein wenig entgegenkommen, aber da gab es auch negative Meinungen.

M.ono: Man muss eine EP auch mal abhaken können. Es gibt zwei Stücke der „Easydance“ auch digital zu kaufen, weil die Tracks für Compilations lizenziert wurden.

Martin: Es ist ein Hype-Ding und man darf es auch nicht überschätzen. Ob wir die Nachpressungen wirklich losbekommen, wäre gar nicht so klar. Man lässt sich da auch zu Dingen verleiten, die man vielleicht gar nicht möchte. Das ist für uns auch wichtiger Part für uns: Wir möchten schon gern die Kontrolle über alles behalten.

Was habt ihr für die nächste Zeit geplant?

Luvless: Auf jeden Fall die Digital-Geschichte. Bleibt spannend, was da noch so auf uns zukommt. Ansonsten kommen in diesem Jahr noch Platten von M.ono und mir, Martin wird auch noch eine machen.