Hart voten – Die Goldene Yvonne 2013

2013 ist zu Ende, hat jeder gemerkt. Nun kommen die Fragen. Zusammen mit It’s Yours gibt es auch in diesem Jahr wieder den gemeinsamen Leserpoll. Ihr seid dran.

Die Goldene Yvonne findet wieder in zwei Phasen statt – erst freie Nennungen. Aus denen sammeln wir dann eure Favoriten heraus und stellen sie anschließend noch einmal zur finalen Abstimmung .

Bis zum 7. Februar ist Zeit, am 12. werden die Ergebnisse dann über Radio Blau bekanntgegeben.  Wir sind gespannt auf eure Antworten. Zu gewinnen gibt es natürlich auch etwas – auf der Abstimmungsseite ist alles notiert.

Danke an dieser Stelle an Resistant Mindz, O*RS, Kapitaldruck, 45Seven, Holger Records, Riotvan, die Distillery, Mottt.fm und It’s Yours für die Geschenke.

Falls jemand vergessen hat, was alles im Jahr 2013 an elektronischer Musik aus Leipzig kam, findet hier noch einmal alle Platten-, Label- und Artistvorstellungen vom letzten frohfroh-Jahr.

Lootbeg „Don’t Hold Back“ (All Over It Records)

2013 ist das Jahr, in dem ich – zugegeben etwas spät – Lootbeg entdeckt habe. Da passt es, wenn er es auch beschließt.

Mit der letzten Plattenvorstellung für dieses Jahr. Vor wenigen Tagen erschien nämlich auf dem britischen Label All Over It Records seine „Don’t Hold Back“-EP. Lootbeg mag es classic – egal ob House- oder Techno-geerdet. Das war auf seiner Esoulate-EP ebenso zu hören wie bei seinem Nebenprojekt dwntmpo.

Mit den beiden neuen Tracks hier legt er mit arm-hoch-werfenden Piano-Chords und trockenen Bassdrums nach. Neunziger-House, wenn man es böse meint. Ein versierter Blick zurück, wenn man es beim Blick auf die Sounds belässt. Das Vocal-dominierte „Take Me Gurl“ könnte mit seinem lässigen Disco-Einschlag auch gut zu Rose Records passen.

„The Mood“ klingt dagegen etwas verschlungener, weniger offensiv und mit runter gedimmten Phasen. Zwei No-Name-Remixe gibt es noch oben drauf – von Dom Samba und Jack Light.

Letzterer bringt dabei die spannendere Bearbeitung von „Take Me Gurl“ hervor, weil er den Classic-House-Anstrich dunkler einfärbt. Es schillert danach weiterhin, jedoch etwas treibender. Gute Jahresrausschmeißer.

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Tomika „The Picture EP“

Im Sommer war hier erstmals von Tomika die Rede. Bevor im kommenden Frühjahr sein Debüt-Album kommt, gibt es noch eine Fan-EP.

In Eigenregie veröffentlicht, 99 handnummerierte CD-Exemplare. Auf dem US-Label Organik soll dann im Frühjahr 2014 das Album folgen. Noch einmal zur Erinnerung. Tom Streller ist Tomika, Indie-Folk mit Electronica-Erdung und einer gewissen Offenheit für Pathos – das ist sein Sound.

Auf der “The Picture“-EP wird der weiter ausgearbeitet. Ein Styrofoam-Cover ist als digitaler Bonus auch dabei. Es offenbart den musikalischen Referenzrahmen für Tomika, der auch klassische Rock-Elemente kennt und sich nicht vor Gitarren-Soli scheut.

Bei „Everything“ merke ich aber zum Schluss hin doch, wie sehr ich raus bin, wenn es zu rock-rührselig wird. Wird es dagegen klanglich aufgeräumter, wie z.B. bei „Good Night, Lilly“ oder „The Perfect Circle Sonata“ komme ich auch wieder näher heran an Tomika.

Übrigens noch einmal dabei: „Fall In Springtime“, ein kleiner Hit, der über die letzten Monate noch etwas Zeit zum Wachsen hatte.

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Various Artists „Polyrhythmic Series 3“ (SVS Records)

Im Sommer startete die Polyrhythmic-Serie um die Selbstversorgersound-Crew. Die Trilogie ist nun vollständig.

Im Gegensatz zum zwischenzeitlich erschienen zweiten Teil auch wieder mit zwei Leipziger Beiträgen. Zaquoir und Lukas Rabe gehören ja mit zu einer Gruppe von Producern, die sich ab und an zusammen auf irgendeiner Alm treffen und gemeinsam produzieren.

Bei dieser Reihe steht die Club-Dynamik im Mittelpunkt, in einem polyrhythmischen Sinne. Die beiden Leipziger Zaquoir und Lukas Rabe gehen dieses Mal jedoch weitaus geradliniger heran – ganz anders als bei der ersten Ausgabe. Geradlinig ist natürlich auch relativ zu sehen.

Beide verfolgten bisher einen experimentellen bis jazzigen Ansatz und der schwingt weiterhin mit. Nur wird er von den stärker betonten Bassdrums und den aufgeräumten Arrangements überdeckt. Lukas Rabe gefällt mir mit seinem „Piano a queue“ im Remix von Maxim Wolzyn etwas besser.

Wahrscheinlich, weil die Bassdrum ganz leicht schlingert und die Sounds klarer ausfallen. Zaquoir shuffled sich langsam und voller Rauschen hoch, bleibt hinten raus dann aber im Loop hängen. Interessant, wie sehr beide den offenporigen Minimal-Sound bespielen. Ein wenig frühnostalgisch fühlt sich das an. Zaquoir ist übrigens auch gerade mit einem Podcast-Mix zu hören.

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10 Jahre Bassanarchie – It’s Yours

2003 ging It’s Yours online, als offene Blog-Plattform mit der die Leipziger Breakbeat-Szene gepusht werden sollte. Zehn Jahre später nun Bassanarchie.

Keine Frage, It’s Yours ist mit dem Blog und der Radio-Sendung eine mediale Institution in der Stadt und strukturell das genaue Gegenteil von frohfroh. Basisdemokratie mit verschiedenen in der Szene aktiven Akteuren – egal ob Veranstalter, Label-Betreiber, DJs oder Producer. Dass bei der geballten Personal-Power nicht mehr Leipzig-Inhalte abseits der Termine hervorkommen, ist der einzige Stich in das Herz der Jubiläumseuphorie.

Kompensiert wird er zum 10. Geburtstag durch eine beeindruckende, 14-Stücke starke Compilation. Die Idee dahinter gab es wohl schon einmal in einem anderen Kontext. Hier passt sie natürlich bestens – vereint sie doch Selbstinszenierung und Förderung all der Genres, die oft von der Leipziger House-Gemütlichkeit überdeckt werden.

Von Drum’n’Bass, Dubstep, HipHop, Electronica bis zu Trap spannt die „10 Jahre Bassanarchie“-Compilation den Bogen. Booga und LXC sind dabei – letzterer mit dem herrlich selbstbewusst entgleitenden „Tomakin’s Revenge“.

Die Verweise reichen auch hin zu dem lässig nickenden Sound von Resistant Mindz und dem Institut für Zukunft. XVII gab neulich erst sein Vinyl-Debüt auf dem Berliner Label Code Is Law. Sein Stück „Siblings“ sorgt hier nun für einen schroff-neurotischen Ausklang.

Das Dubstep-Newcomer-Duo ZabDub schwebt mit „Patna“ mittendrin. Tighter und dunkler Mr. Greatbeat, weiterer Geheimtipp, der mit dieser Compilation eine erste Plattform bekommt. Die Hits? Meine Hits sind „Get This“ von Royal Society und Boogas umarmende Hymne „One More Time“.

Beppo S. & Peter B. fallen mit ihrem klassischen HipHop derb aus dem Rahmen. Aber nach dem Beppo S.-Album vom Frühjahr ist es nur konsequent, dass er hier noch einmal zu hören sind. Eine überfällige Werkschau, plus großer Party am kommenden Donnerstag und Freitag. Da wird die Compilation als CD erstmals erhältlich sein. Herzlichen Glückwunsch.

It’s Yours Website

Good Guy Mikesh „From Another World EP“ (Ellum Audio)

Good Guy Mikesh auf dem Label von Maceo Plex – ein guter Wochenstart.

Seit „Spare“ gab es keine Solo-EP mehr von Good Guy Mikesh – dafür war er in der dreijährigen Zwischenzeit öfter zusammen mit Filburt und seiner Band Here Is Why zu hören. Die neue EP beginnt mit einer Wiederentdeckung.

„Place Of Love“ versteckte sich ursprünglich auf der Compilation eines britischen Labels. Versteckt ist aber der falsche Ausdruck: denn schon damals fiel der „feudale Überschwang“ des Stücks auf, das gemeinsam mit Filburt entstand.

Maceo Plex belässt es in seinem Edit dabei, pitcht aber alles einen Tick höher und schiebt die Beats deutlicher nach vorn. Interessanter wird es bei den anderen beiden Stücken, zeigen sie doch, wie viel entschlackter und introvertierter Good Guy Mikesh solo klingt.

Angenehm analog-kosmisch eingefärbte Schwelgerei, Kraut-Disco im besten Sinne. Bei „Holy Day“ ist seine Stimme beiläufig eingefädelt, ansonsten bleiben der Pop-Appeal und die weit ausholenden Streicher-Gesten komplett außen vor. „On Patrol“ ist schließlich der weltentrückte B-Seiten-Hit.

Einen DJ-Mix vom Amsterdamer Subfix Podcast gibt es noch dazu.

Good Guy Mikesh Website
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Kunst und Digital – O*RS

Filburts Label O*RS auf neuen Pfaden. Weg vom Vinyl only-Ansatz, dafür gibt es eine Erweiterung in die Kunst.

Bislang herrschte bei O*RS ja der Vinyl-Purismus. Alle EPs kamen nur auf Platte heraus. Nun gibt es mit der Compilation „Working Title One“ einen Rückblick auf die vergangenen zwei Jahre – in rein digitaler Form. Sehr schlüssig, immerhin dürften die meisten keinen Plattenspieler bei sich stehen haben. Trotz der nicht enden wollenden Renaissance.

Neun Stücke hat Filburt aus dem gut doppelt so großem Katalog ausgewählt. Gleich zu Beginn „It Happend“ von Lake Peoples klassischer ausgelegtem Nebenprojekt Llewellyn. Und über die ganze Länge wird noch einmal deutlich, wie sehr O*RS mit der Leipziger Szene verzahnt ist.

Metasound & Lucius14, M.ono & Luvless, RDF, Panthera Krause und Krink haben hier im Boutique-Stil mit einzelnen Tracks ihre Spuren hinterlassen. Dabei schien O*RS anfangs eher wie eine fixe Idee, um das vorher nur digital veröffentlichte Good Guy Mikesh & Filburt-Stück „Ours“ noch einmal auf Vinyl zu pressen. Heute gehört O*RS fest zur Label-Infrastruktur der Stadt, mit einem etwas weiter ausgelegtem House-Sound – maßgeblich geprägt von einer analogen, sehr musikalischen Synth-Ästhetik.Der Sidekick hin zur Kunst kommt dennoch überraschend. Plötzlich liegt eine auf 100 Stück limitierte Box mit 7″-Vinyl, Poster und Begleittext da. Felix Schneeweiß thematisiert mit „Bitte“ den Umgang mit Erinnerungen. Sie halten Vergangenes fest, ändern sich in ihrer Fixierung aber auch, indem Kontexte neu bewertet  oder Erwartungen hinein projiziert werden.

Und es geht um Enttäuschung. So spielt der in Leipzig geborene und heute in Berlin lebende Künstler mit dem Rauschen der Auslaufrille einer Platte. Aus dem Knacken schält sich ein Beat heraus, tief unten lässt sich ein Bass erahnen. Auf der A-Seite poltert Schneeweiß dann unvermittelt mit dem Satz „Bitte erinnere dich an mich, bitte“ dazwischen. Fordernd und lethargisch zugleich.

Auf der B-Seite geht das Rauschen dann einfach weiter. Aus Label-Sicht kann die Platte daher nur enttäuschen, logisch. Im Box-Zusammenhang und der ausführlichen Kontextualisierung wird es jedoch nachvollziehbar, wobei ich mich frage, ob der Begleittext den Deutungsspielraum nicht zu sehr einengt. Eine spannende Erweiterung für O*RS aber, keine Frage. Am kommenden Wochenende wird es zwei Abende geben – zur „Working Title One“ und zu „Bitte“. In den Tipps finden sich dann die Details.

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Nostalgie und Aufbruch – DJ Booga

Action bei DJ Booga. Seit er sich bei It’s Yours zurückgezogen hat, kommen immer mehr Tracks von ihm hervor. Ein kleiner Überblick.

Die Wiederbelebung seines Techno-Alter Egos Square7 war bereits auf Basic Unit Productions zu hören. Nun haute er letzte Woche via Bandcamp fünf Drum’n’Bass-Stücke aus der Zeit von 2000 – 2003 heraus.

Nicht nur Nostalgie schwingt da mit. Vielmehr eine Aufbruchstimmung, denn es ist mehr geplant. Auf der demnächst erscheinenden Compilation zum 10. Jubiläum von It’s Yours. Mein Lieblingsprojekt von Booga ist aber Robert Redford. Süßliche UK-Ausflüge mit tollen DJ-Mixen.

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Falke „Algebra“ (Kann Records)

Kann Records beschließt das Jubiläumsjahr mit einer neuen EP des Eigenbrötlers Falke.

„Stell dir vor, wie House klingen würde, wenn es die DDR noch gäbe“, notierte Sevensol neulich, als er den aktuellen Kann-Podcast mit Falke anteaste. Ein Gedanke, der mir doch länger im Kopf hängen blieb.

Zum Sound von Falke passt das Bild insofern, als dass seine Tracks stets so weltentrückt und abseits der Trends klingen, dass man sich fragen muss, ob in Gohlis von der Außenwelt abgeschnitten ist. Die Faszination für Falkes maßgeblich von Detroit inspirierte und eher roh belassene Wehmut kam bereits bei seinen ersten Net-Releases auf.

Auf Kann Records gewinnt sie noch einmal an Würde – ein ähnlicher Effekt, wie neulich bei Headnoaks. Und nebenbei hat es der scheue Producer in den Artist-Stamm von Kann Records geschafft. Noch immer im Geheimtipp-Status, keine Frage. Aber das dürfte ganz in seinem Sinne sein.

Auf der neuen EP schichten sich erneut mehrere Synth-Harmoniebögen ineinander, angetrieben von übersteuerten oder trocken schlagenden Bassdrums. Noch etwas introvertierter und auch schlüssiger arrangiert als auf Falkes erster Kann-Platte fällt sie insgesamt aus.

Herzstück der EP ist „Algebra“. Ganz klar durch seine Leichtfüßigkeit, die trotz einer gewissen Naivität nicht ins Ironische abgleitet. Scheppernde Bassdrums und sogar einige leiernde Chords – sechs Minuten Kindheit. Was für eine musikalische Unbefangenheit.

Natürlich könnte man auch Hinterwäldlerei raunen, aber mit dieser unverblümten Emotionalität kriegt mich Falke einfach immer.

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Detlef „Daxx EP“ (Moon Harbour Recordings)

Wer ist Detlef? Ein Grieche mit einigen EPs auf Material Series und Trapez. Nun auch bei Moon Harbour.

Ich kannte nichts vorher von ihm, insofern kann es keine Vergleiche geben. Die drei Tracks hier passen aber zu Moon Harbour, wobei mit „Cold Romance“ doch ein unangenehm hohes Schunkel-Niveau erreicht wird. Oder versteckt sich dahinter ein Hauch griechischer Folklore? Es kommt dem gebügelten, mit seichten Instrumenten orchestriertem House sehr nahe, wie er von Labels wie Kallias gepusht wird. Das ist schon neues Terrain für Moon Harbour.

Bei „Daxx“ und „Symphony“ ist der Sound wieder näher an der Label-Linie, wobei letzteres mit seinem überaus smarten Vocal wirklich gefällt. Keine Ahnung, warum. Vielleicht, weil es so unverfälscht nach Pop klingt, zumal der musikalische Rahmen hier auch von einer gut ausbalancierten Deepness geprägt ist. Das Vocal wirkt darin nicht wie irgendein beiläufig eingestreuter Schnipsel.

Wie bei Steve Lawlers Edit zu „What Id Duz“ etwa, der sich auch auf der „Daxx EP“ findet. Auch wenn das Sample so klassisch nach House klingt, dass es schon wieder in den aufgeräumt deepen Rahmen passt.

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Neues aus der Wolke – PeterPaasch

Kumpel-Business to the fullest – das erste Mal steckt eine persönliche Freundschaft hinter einem frohfroh-Artikel. Und so gehen die Wolke-Fragen an PeterPaasch.

Seit rund sechs Jahren kennen und mögen wir uns. Mit PeterPaasch berührte mich Benjamin, der Mensch dahinter, jedoch noch einmal wesentlich mehr als mit seinen vorherigen Projekten. Weil es elektronischer ist, und weil es auf subtil-ironische und collagierte Weise gesellschaftliche Gräben und Kuriositäten thematisiert.

„Keep it sample“, so der Ansatz für PeterPaaschs Hörspiel-Electronica zum Tanzen, die er auf dem Hamburger Dockville und als Support von The/Das auch schon live auf die Bühne brachte. Den Rest erklärt er selbst.

Woher kommst du – lokal und künstlerisch?

In beiden Fällen aus der Pampa. Aufgewachsen bin ich im brandenburgischen Hinterland. Für meine musikalische Sozialisation wäre der Begriff „künstlerisch“ auch reichlich übertrieben. Da waren zunächst mal Punk und Pogo King – Drums und Distortion im Kinderzimmer.

Mit weiteren Bands wuchs dann das Interesse für Sound und Struktur. Also kaufte ich mir irgendwann einen 4-Spur-Rekorder und später dann einen Rechner, mit dem ich mir das Fummeln beibrachte.

Was flasht dich musikalisch?

Die treffendste und zugleich unbefriedigendste Antwort wäre wohl „alles Mögliche“. Das sind ja immer die schlimmsten, die Querbeet- und Alleshörer. Aber ein bisschen stimmt es in meinem Fall tatsächlich.

Simple Hooks können mich genauso flashen wie verschachtelte Beats. Ich halte auch nichts von so albernen Grabenkämpfen und Indie-Muckertum. Wenn‘s flasht, flasht‘s – scheißegal, ob da Rihanna trällert oder Björk.

Wo willst du mit deiner Musik hin – Lieblingshobby oder Stadion?

Stadion wäre mir viel zu ungemütlich. Da zieht‘s doch. Und man sieht so lächerlich aus auf der Bühne und muss so blöde Rockgesten machen, damit die ganz hinten nicht einschlafen. Es kann ruhig noch bisschen was gehen, aber diese ganze Bier- und Bratwurst-Parade gern ohne mich.

Dein größter Soundcloud/Youtube-Hit?

Ich habe ja grad erst angefangen, mit PeterPaasch aktiv zu werden, also wäre Hit jetzt ein bisschen viel verlangt. Am meisten Klicks hat „Fernsehngucken“. Es ist auch live einer der Favoriten.

Dein persönlich größter Hit – und warum?

Ach, ich habe die natürlich alle lieb. Mal den einen mehr, mal den anderen. Oft auch den jeweils aktuellsten. Grad ist das „Punkist“. Weil der so schön einfach ist und das perfekt zum Sample passt – dieses stumpfe, einlullende, repetitive, stumpfe, einlullende, repetitive …

Was kommt demnächst von dir?

Ich habe grad eine EP gemacht, die kann man ab jetzt kaufen. Und es kommen immer mehr neue Tracks fürs Live-spielen dazu, sodass ich mittlerweile ganz gut zwischen clubbigen, tanzbaren und lauschigen, sitzbaren Sets variieren kann.

Im Dezember spiele ich noch mal einen Wohnzimmergig für Sofar Hamburg, von dem es dann später auch ein kleines Video geben wird, und am 17. Januar im Hamburger Fundbureau. Und dann will ich endlich mal in Leipzig spielen, da hat schließlich alles angefangen. Also nur zu, Booker diesseits der weißen Elster!Bei deinem früheren Projekt hast du selbst gesungen – sind die Samples nun deine neue Stimme?


Absolut. Wird ja auch genug geredet auf der Welt. Ich baue mir aus dem, was mir gefällt, dann meine eigene Stimme, ohne mir dabei den Hals verrenken zu müssen. Außerdem kann ich so Sachen „sagen“ und nebeneinander stellen, die mit handelsüblichem Gesang einfach nicht funktionieren würden oder irgendwie jämmerlich klängen.

So ergeben sich dann oft schöne Mehr- und Uneindeutigkeiten, hinter denen ich als Person zurücktreten kann. Mach ich auch live so. Wenn es so was wie Ansagen gibt, kommen die von einem extra Keyboard, auf das ich so Stefan-Raab-mäßig eine bunte Tüte Sprachschnipsel gepackt habe.

Hängst du mehr vorm Fernseher bzw. bei Youtube auf Sample-Suche oder an deinen Instrumenten?

Beides gleichermaßen, ist ja heutzutage oft und in meinem Fall auch ein und dasselbe Gerät, da sind die Wege kurz. Bewusste Sample-Suche betreibe ich eher selten, die besten Sachen laufen einem meist einfach so über den Weg – so ist das Ganze auch entstanden.

Aber ich habe schon immer gern so alten Kram geguckt und inzwischen denke ich die Verwertbarkeit natürlich öfter mal mit und merk mir die Sachen dann für später.

PeterPaasch Facebook / Soundcloud
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Tod und Steuern – Dead Fish Audio

Oh, dieser Facebook-Link war wertvoller als viele andere. Er sorgte wir das Wiederentdecken eines vergessenen Duos – Dead Fish Audio.

Es war ein unscheinbarer Link auf dem Dead Fish Audio-Profil: „Neues Album ‚Death And Taxes’ hier zum Anhören“. Ehrlich gesagt war mir gar nicht bewusst, dass es das Duo noch gab. Vor zehn Jahren gewannen sie den damals noch prominenten Großen Preis von Leipzig.Und ein paar Jahre danach tourten sie durch die Stadt und waren Teil des Label-Kollektivs East German International, aus dem mehr oder weniger direkt Tetmusik entstand und dem auch das Brockdorff Klang Labor angehörte. Über Leipzig hinaus kamen Dead Fish Audio jedoch nicht. Eine gewisse Tragik schwingt dabei schon mit, denn Stefan Hochmuth und Kai Kauerhof setzten mit dem Schub des Preisgewinnes eine gewisse Euphorie in der Stadt frei.

Vielleicht lag das Ausbleiben des nächsten Schrittes an dem großen Dazwischen, in dem sich die Musik der beiden bewegte. Offene, live improvisierte Strukturen, die weder konsequent Avantgarde noch ernsthaft genug für den Dancefloor waren – oder damals einfach anders geschätzt werden konnten.Nun also „Death And Taxes“ – ein Album, das so losgelöst von allen Erwartungen klingt, dass es nur gewinnen kann. Auch wenn es vorerst nur als Stream zu hören ist, weil sich kein Label fand. Schaut man die Bilder auf der Website an, lässt sich ahnen, was für ein bemerkenswertes Instrumentarium Dead Fish Audio über die Jahre angehäuft haben.

Es ist der Ausgangspunkt für angenehm antiquiert klingende, sich lang entfaltende und weithin forschende Stücke, die gut in das untergründig schwelende Kraut-Rock-Revival passen. Der Dancefloor ist dieses Mal komplett außen vor, „Death And Taxes“ widmet sich den Verspulungen und versteckten Ambient-Flächen.

Mit „Stand By Your Man“, „I Love Your Soul Honey“ und „Nina’a Blues“ kommt auch ein wenig Pop mit dazu. Doch die wirklich großen Tracks sind für mich „Preussen Dropout“, „Death And Taxes“, „Open Priel Seattle“ oder „Yoga“. Ein überaus freudiges Wiedersehen – nun im scheinbar richtigen Moment.

UPDATE: Mittlerweile gibt es das Album auch zum kostenlosen Download auf der Website.

Dead Fish Audio Website