Urban Force „The Outer Space Connections“ (Ornaments)

Nach seinem Album „Genesis“ im Dezember und seinem Beitrag zur Softeis-Compilation gibt es nun eine neue EP von Daniel Stefanik. Genauer gesagt handelt es sich um das Nebenprojekt Urban Force, das er zusammen mit Chet betreibt. Ich bin ganz erstaunt, wie schön die beiden eine kleine Weltraum-Oper über vier Tracks hinweg inszenieren.

Zwischen Dub-Techno und Ambient bewegt sich „The Outer Space Connections“. Mit viel Liebe zum Sound träumen sich die beiden in den Weltall, behalten aber auch einen Fuß auf der Tanzfläche.

Letzteres zeigt gleich zu Beginn „Metal Sunrise“: Wie ein Countdown baut sich der Track über sieben Minuten hypnotisch auf, bis die Chords in sich zusammenfallen und in der Stratosphäre verglühen. Beginnend mit einem trockenen Beat steuert der Track entschlossen auf die Synth-Spielereien am Ende zu.

Dagegen knarzt und knirscht „Rippling Waves“ auf einer pulsierenden Bass-Drum vor sich hin, als würde man versuchen, die Echos Lichtjahre entfernter Signale zu entschlüsseln. Eine irgendwie charmant-entrückte Tiefe hat das Ganze. Vielleicht, weil die sonst so prominenten Elemente wie die Hi-Hat nur im Hintergrund ab und an durchschimmern.

Deutlichere Dub-Anleihen stehen bei „Time Regression Study“ im Mittelpunkt. Nach einem langen, schwerelosen Intro setzt unvermittelt der Beat ein, als hätte jemand den Antrieb aktiviert. Gemächlich, aber auch zielstrebig befördert der Track uns durch die Galaxie.

Als würde man mit einem Jetpack durch die Schwerelosigkeit gleiten – nicht zuletzt das Rauschen in „Interruptions“ vermittelt mir diese Bild. Ganz behutsam schaffen Urban Force es, hier Raum und Zeit vergessen zu lassen. Wunderschön, für mich das Highlight der EP.

Daniel Stefanik Website
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Sven Tasnadi „All In“ + Remixes (Moon Harbour Recordings)

Es ist hier untergegangen – das zweite Album von Sven Tasnadi. Mit den Remixen lässt es sich aber noch einmal hervorholen.

Ende Mai kam „All In“ bei Moon Harbour heraus. Während Sven Tasnadis Debüt „Slow“ mit experimentelleren Stücken eine völlig neue Seite des Vielproducers offenbarte, knüpft „All In“ an den Sound der vergangenen EPs und seiner DJ-Sets an. In all den diversen Nuancen, die die House- und Tech House-Gegenwart bestimmt. Mit dubbigen und sehr deepen, dann wieder ironischen und pumpenden Phasen. Die verschiedenen Stimmungen des Dancefloors waren hier eindeutig die Referenz für „All In“.

Wie so oft bei Sven Tasnadi klingen die Tracks fein ausjustiert. Aber so richtig will sich nichts festsetzen. Konsolidierter und satter House, der sich selbst genügt und verwirrende Überraschungen meidet. Andererseits kann „All In“ aber auch als ein weiteres Manifest gegen den schlimmer werdenden Pop-House-Overkill gesehen werden. Das Album hält sich unbeirrt davon fern und hangelt sich an den klassischen House-Strängen entlang – nur „Eighteen“ verirrt sich leicht in diese Richtung. Aber das reicht insgesamt leider nicht für einen eigenen Klassiker.


Vor kurzem kamen dann die Remixe zum Album. Um es abzukürzen: Langeweile mit Nick Curly, Kaiserdisco und Cristian Viviano. Aufhorchen bei Simon Baker und Map.ache.

Der Brite Baker scheint sich mit dem BKR Project gerade der Oldschool zu widmen, was „Rest“ zu einem roughen Acid-Schliff verhilft. Und zugleich einen guten Ausbruch aus der Tech House-Stromlinienförmigkeit von Curly & Co mit sich bringt.

Map.ache fällt da mit seinem spielerischen Ansatz ebenfalls aus dem Rahmen. Doppelt, denn er pusht das ursprünglich still dahin schwingende Dub-Stück „Until The End“ zu einer eigenständigen Hymne mit Acid-Ausklang.

Sven Tasnadi Facebook
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Überfällig

Die Anmerkung „Überfällig“ häuft sich gerade in der kleinen frohfroh-Redaktionsliste – hier der Versuch, ein paar Releases der letzten Wochen nachträglich vorzustellen.

Es ist nicht vollständig. Ein paar Nachzügler kommen noch auf andere Weise mit rein. Zum Anfang gleich viel Pathos mit Micronaut. Er hat nämlich auf der dritten Zwischenwelten-Platte – Anlass ist übrigens das 9-jährige Bestehen der Crew – ein neues Stück hinterlassen, das sein Wechselspiel zwischen brüchigem Pop und eigensinniger Dancefloor-Electronica um eine weitere Geschichte ergänzt. Wieder durchaus barock und weich gefederten Beats.

Label-Kopf Chris Manura folgt nicht weniger emotional – sein „Television“ holpert anfangs sehr charmant umher, bevor sich langsam ein angenehm entschlacktes und weiterhin breakiges House-Stück herausschält. Wobei, hinten raus wird es dann doch ganz schön voll und fanfarenhaft.

Bei Mathias Ache & muLe bleibe ich das erste Mal überhaupt länger hängen. Obwohl das Rave-Break sich so berechenbar hochschaukelt und da auch eine dieser kitschige Gitarren mitschwingt. Doch die – ja, teilweise sogar trance-artigen – Synth-Schleifen, die sich durch „Avoi“ durchziehen, kriegen mich irgendwie. Der massive, bassüberladene Preacher-House-Aufguss von Mac-Kee dagegen ist mir zu konstruiert oldschool.

Damit rüber zu Rose Records. Nach der M.ono & Luvless-EP folgte vor kurzem die 10″ „Running From Whatever“ des Niederländers Junktion. Das ist – soweit ich gerade im Bilde bin – die erste EP von jemanden, der nicht direkt zum Inner-Circle des Labels gehört.

Sie fügt sich mit ihrer umarmenden House-Glückseligkeit aber nahtlos ein in den Rose Records-Sound. Piano-Tänzeln, Cosmic-Ausflüge, alles dabei bei „Pale Blue Dot“. Der Titel-Track ist mir dann aber zu schunkelig. Zu viel Happiness auf einmal.

Im Juli kam auch eine neue Kann Records-Platte heraus – eigentlich sogar eine sehr besondere. Nämlich das Debüt von Polo, der bisher durch seine sich unglaublich emotional entfaltenden und hypnotischen DJ-Sets für einige tolle Momente auf dem Dancefloor sorgte.

Die vier ersten eigenen Tracks auf der „Route“-EP greifen dieses Ausdehnen der Stimmungen auch auf. Sehr smooth und schwerelos, aber bei „Robin’s Friend“ auch schon in Richtung Techno. Höhepunkte sind „Route De Nice“ und „To Loosen“ – der Rauheit und rotzigen Einfachheit wegen, klar.

Da ist sie wieder, die Wehmut, das interstellare Fernweh. Ein schönes und unaufgeregtes Debüt.

Rohdiamanten auch bei Ortloff. Das Duo QY erweitert ja mit jeder neuen EP sein Soundspektrum. Auf dieser neuen EP prallen drei Welten aufeinander: Lässig-straighter Acid-House bei „Quatro“, ultra entschleunigter Deep-House mit „Zord“ und zum Schluss eine umwerfend umher flirrende Break-Hymne namens „Skynet“.

Definitiv meine Lieblingsplatte in dieser überfälligen Liste hier. Da braucht es gar nicht viel mehr Worte.

Zwischenwelten Website
Rose Records Facebook
Kann Records Website
Ortloff Facebook
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A Beef Story

Oh, da ist einiges schief gelaufen am vergangenen Wochenende bei einer Party in der Alten Damenhandschuhfabrik.

Richtig beschissene Erfahrungen gibt es ja selten zu lesen auf den Facebook-Profilen von DJs und Artists. Alfred Heinrichs und Bebetta haben ihren Unmut über geprellte Gagen und gewaltandrohende Security-Leute aber nicht verbergen wollen.„Lass uns Freunde sein“, hieß die Party, deren Line-up uns nicht so überzeugt hat, um sie in die Tipps reinzunehmen. Nichtsdestotrotz sickerten aus den Kommentaren unter den Postings der beiden einige ungute Details heraus, die sofort einen der mittlerweile typischen Shitstorms nach sich zogen.

Was ist passiert: Ein Worst Case-Klassiker für jeden DJ. DJs werden eingeladen, reisen an, werden aber nicht bezahlt und auf eigene Kosten in Hallenser Hotels einquartiert sowie zum Schluss auch noch von der Security bedrängt. Die Informationen waren jedoch nicht immer sehr eindeutig. Fremdveranstaltung und Eigenveranstaltung war eine der großen Fragen?

Michael Mahne, Betreiber der Alten Damenhandschuhfabrik betont auf unsere Anfrage hin, dass er „den Club am letzten Wochenende komplett an einen Fremdveranstalter vermietet und nichts mit der Party zu tun hat.“ Generell hätte er sich selbst aus dem Veranstaltergeschäft zurückgezogen und würde die Location nur noch vermieten. Der Vorwurf gegen den Laden an sich scheint sich hier also aufzulösen – auch wenn das Qualitätsmanagement bei der Auswahl der Fremdveranstalter auch verbesserungswürdig ist.

Und die Fremdveranstalterin? Sie ist untergetaucht, Kaffee trinken, reingehauen. Was bleibt: eine miese, wenn auch kurzweilige Beef Story aus dem Leipziger Nachtleben.

NACHTRAG 1: Und noch ein Interview mit Alfred Heinrichs.

NACHTRAG 2: Mittlerweile hat sich auch die Veranstalterin bei uns gemeldet und darum gebeten, ihre Sicht auf den Abend äußern zu können.

„Ich hatte niemals die Absicht irgendjemandem Schaden zuzufügen. Es lag auch nicht in meinem Interesse jemanden sein Geld nicht auszuzahlen. Was der Unwahrheit entspricht ist, dass niemand angeblich an dem Abend Geld bekommen hat. Es wurden DJs bezahlt. Ich habe mich auch nie mit irgendwelchem Geld aus dem Staub gemacht oder war Kaffee trinken, so wie dargestellt. Ich habe lediglich den Versuch unternommen noch irgendwo Geld aufzutreiben.

Zu erwähnen wäre auch das zwei Veranstaltungstechnikfirmen geschädigt wurden. Sie hatten mit der Veranstaltung nichts zutun und müssen jetzt darunter leiden. Ihnen wurden zwei Allen & Heath xone:2 entwendet. Gäste hatten zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit diese zu stehlen, da diese von der Größe her viel zu groß sind, um sie ungesehen vom Gelände zu tragen.

Ich möchte niemanden irgendwas unterstellen – an dem Abend hatten aber nur DJs die Möglichkeit diese zu entwenden. Auch möchte ich nicht das die Alte Damenhandschuhfabrik, insbesondere Michael Mahne, weiterhin mit als Beschuldigte dastehen. Zu dem Verhalten der Security, so wie dargestellt, kann ich nichts sagen, da ich zu keiner Zeit mitbekommen habe, dass sie irgendwem Gewalt angedroht haben.

Ich kann nur nochmals betonen, dass ich niemanden schaden wollte. Jeder soll für seine Arbeit belohnt werden und ich bemühe mich, dass jeder zu seinem Geld kommt. Ich habe lediglich versucht, etwas Abwechslung ins Leipziger Nachtleben zu bringen. An diesem Versuch bin ich gescheitert, dessen bin ich mir durchaus bewusst. Ich habe daraus gelernt und werde in Zukunft keinen neuen Versuch unternehmen.“

Mehr Atonal, bitte

Gestern mein erster Besuch beim Berlin Atonal-Festival – nun frage ich mich, warum so etwas nicht auch in Leipzig geht.

Was für eine Kathedrale – das Kraftwerk in der Berliner Köpenicker Straße beherbergt eigentlich die Clubs Tresor und Ohm. Doch das Herzstück des Berlin Atonal ist eine riesige karge Halle, die über fünf Tage hinweg mit mächtigen Soundwänden bespielt wird. Dissonant, verstörend, faszinierend – im Hintergrund der Bühne eine vertikal in die Höhe ragende Leinwand für Visuals. Das Zusammenspiel aus dystopischer Kulisse und experimenteller Musik scheint hier in Vollendung aufzugehen.

Noch beeindruckender aber: Es sind super viele Menschen anwesend und hören gebannt zu, wie Lustmord in elegischem Ambient abtaucht und Ben Frost das große Finale spielt. Manche liegen auf dem Betonboden mit geschlossenen Augen. Obwohl das Programm in der Halle alles andere als eingängig ist. Es gibt es, das Publikum für Experimente. In Berlin natürlich der Stadtgröße und der touristischen Anziehungskraft wegen eher als in kleineren Städten.Und trotzdem muss so etwas doch auch in der Peripherie möglich sein. In Leipzig etwa. Leicht ist es nicht, wie es in den Interviews mit Fabian Russ und dem Institut für Zukunft angesprochen wurde.

Kaum jemand nimmt das Geld in die Hand, zapft die Fördertöpfe an. Und natürlich ist das Risiko nur wenige Besucher anzuziehen schwer kalkulierbar. Einerseits ließe sich fragen, warum beispielsweise das Gewandhaus sein Audio Invasion-Format nicht stärker dafür nutzt oder gleich ein neues Format etabliert. Andererseits stellt sich auch die Frage, ob dem Leipziger Publikum die Neugier und Offenheit für experimentelle Musik fehlt.

Es geht hier weder um Publikums- oder Veranstalter-Bashing. Allerdings hat die Berlin Atonal-Erfahrung gezeigt, dass es nicht allein am mangelnden Interesse für sperrige und herausfordernde Musik liegen kann. Und insofern ist es nur ein naiver Wunsch, so etwas künftig auch hier regelmäßig zu haben.

Fotos: Camille Blake

Zwei neue EPs von Alphacut: „Fundamentals“ und „Late Boomers“

Alphacut setzt nach seinem etwas in die Länge gezogenen Jubiläum also die reguläre 12″-Reihe fort. Zwei EPS sind nun in kurzer Zeit erschienen, deren Fokus natürlich weiterhin auf Drum & Bass für Fortgeschrittene liegt.Die „Fundamentals“-EP beginnt mit dem leichtfüßigen Track „Foundation 11“ von Theory, der bereits digital auf dem mittlerweile beerdigten Label Syncopathic-Recordings herauskam. Eine wahnsinnig tanzbare, aber entspannte Jungle-Nummer, die genauso gut zum Schwester-Label 45Seven passen könnte. Kein Wunder, dass das Stück nochmal für ein Vinyl-Release ausgewählt wurde. Danach zieht Kodamas atmosphärisches „Ritualz“ die Spannungskurve stetig an und zeigt, dass der Amen-Break zum Glück nicht tot zu kriegen ist.

Auf der zweiten Seite wird es mit „Reload, Replay“ von Hidden Element für Alphacut-Verhältnisse ungewöhnlich versöhnlich, sogar einige Jazz-artige Samples glaube ich zu hören. Nun ja, die gechoppten Drums verhindern, dass die Harmonien in den Vordergrund treten. Abstract Elements beschließen die EP dann mit der rohen Dancefloor-Bombe „Mindcrusher“. Hier dürften auch Breakcore-Freunde ihre helle Freude an verzerrten Beats haben.

Eine messerscharfe Snare zerschneidet bei „Run It Rudie“ von Fade die Luft. Theory will der Autorität mit sparsamen Dub-Anleihen in „F The Police“ ans Leder. Alphacut-Debütant Ill_K beschleunigt und bremst seine Breaks in „Posuere“ und drückt in der Mitte ein paar Tasten am Klavier. Zum Schluss stellt Act One in „Masonry“ markante Bass-Sounds in den Mittelpunkt und umrahmt diese mit dramatischen Samples.

Im Vergleich zur „Fundamentals“-EP ist die zweite EP „Late Boomers“ eine ganze Ecke trockener. Alle vier Tracks setzen nur sehr verhalten Samples ein und warten mit bestechendem Drum-Work auf. Das ist weniger abwechslungsreich, knüpft dafür aber nahtlos am Sound des Labels an. Und natürlich werden die vier Tracks ihre Wirkung auf einem Soundsystem besser entfalten als beim Durchhören daheim.

Auf der Website von Alphacut könnt ihr die Tracks übrigens in voller Länge vorhören.

Alphacut Records Website
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Electric Weekender – Win Win

Am kommenden Wochenende wird langsam das Ende der Sommerpause eingeläutet – der Electric Weekender steht an. Wir haben Infos und Karten.

Von Tradition muss ja gar nicht mehr gesprochen werden – der Electric Weekender hat so tiefe Wurzeln im Clubbing-Jahreskalender geschlagen, dass er zu einer der schönsten Selbstverständlichkeit dieser Stadt herangewachsen ist.

Und irgendwie hat sich der 3-Tages-Marathon mit jedem Jahr etwas mehr Eigensinn angeeignet – es zählen nicht die renommierten Standard-Acts, es zählt der Fokus auf die pulsierenden, der Patina des Analogen zugewandten Nebenschauplätze.

In diesem Jahr sind das neben vielen vielen anderen Shanti Celeste, Miles Whittaker von Demdike Stare, Hunee und Palm Trax. Dazu der Beatless-Floor draußen und Dahmar mit einem Live-Set am Sonntag. Das komplette Line-up gibt es hier.

Wir haben 2 x 2 Karten für das ganze Wochenende. Also du plus Begleitung. Bitte schick uns bis Donnerstag (20.8.2015), 18 Uhr eine Mail an dance(at)frohfroh.de und schreibt rein, was ihr wollt. Es wird ausgelost.

Neuigkeiten bei Modern Trips: Avbvrn, Glokkhom und Swisher Sweets

Es ist gar nicht so einfach, die Aktivitäten rund um Modern Trips zu verfolgen. Nicht nur, dass sich das Klamotten- und Mixtape-Label an kryptischen Facebook-Einträgen erfreut, auch die Flyer-Ästhetik zu den eigenen Veranstaltungen spielt gern mit überbordernder Fülle. Ob es sich bei Left 110 und Trade Policy um Sublabels oder eher um eigenständige Projekte handelt, bleibt für mich auch unklar. Aber vielleicht ist das auch gar nicht wichtig.

Ganz frisch sind die beiden EPs „Achromatic“ und „Shoot Them Thangz 2015“ auf Left 110 erschienen. Der Frankfurter Produzent Avbvrn aus Frankfurt hat dabei aktuelle Hip Hop-Ableger wie Trap förmlich aufgesaugt und verpasst diesem eine düstere Grundstimmung. Natürlich rattern die Beats hier ebenso militant wie bei den Vorbildern aus den USA. Passend auch der Einsatz diverser Rap-Samples, die in den meisten Tracks eher im Hintergrund verbleiben.

Das ist gut umgesetzt, allerdings fehlt ein wenig die Abwechslung, wenn man die zwei EPs am Stück hört. Sicherlich geht es dabei eher darum, Beats zeitnah rauszuhauen, aber ich glaube, da könnte noch mehr passieren.

Ein doch sehr anderer, wenn auch ebenfalls düsterer Sound dafür auf Trade Policy: Industrial-beeinflusste Beats von Glokkohm erwarten uns auf dem fünfzig Minuten langen „Sweet Candy“. Dass der Titel des Tapes etwas irreführend ist, kann man schon in den ersten Sekunden des Snippets hören. Vielleicht ist es aber auch doppeldeutig gemeint, attackiert der verzerrte Sound unsere Ohren genauso aggressiv wie Zucker unsere Zähne.

Jedenfalls ist das die richtige Medizin für alle, denen lokale Releases in letzter Zeit zu harmonisch waren. Dabei ist das Tape abwechslunsgreich genug, dass es am Stück durchgehört werden kann. Das ist ja bei Noise und davon inspirierter Musik sonst nicht zwingend der Fall. Erst zum Ende testet Glokkhom mit dem höhnisch betitelten „Is It Enough“ nochmal unsere Belastbarkeit.

Aber es kann im Universum von Modern Trips auch deutlich entspannter zugehen: Für die kleine Mix-Serie „Swisher Sweets Display Unboxing Selection“ unternehmen Perm, OneTake und T.I.N. eine Reise in die Welt des Dub.

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Left 110 Website
Trade Policy Facebook
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Hash it bigger

Musik aus Leipzig besser finden – mit einem einheitlichen Hashtag soll dies künftig klappen.

Andreas vom Label Analogsoul sollte für die aktuelle Leipzig-Vorstellung vom The Guardian eine Spotify-Playlist mit spannendem aktuellem Pop aus Leipzig zusammenstellen. Ein paar Gedanken weiter gedacht entstand die Idee, all das popmusikalisches Potential der Stadt künftig mit einem einheitlichen Hashtag präsenter zu machen.

Denn vieles geht in dem Wiederkäuen des Immergleichen schnell unter. Mit #ListentoLeipzig kann nun auf allen möglichen Plattformen Musik aus Leipzig getaggt werden. Auch wenn die ursprüngliche Intention mehr auf einen Push des hiesigen Pop-Bereichs zielt, wollen wir uns mit daran beteiligen und auch elektronische Musik aus der Stadt über den Hashtag sicht- und hörbarer machen.

Eigentlich nicht der Rede wert, immerhin ist es nur ein kleiner zusätzlicher Verweis. Aber irgendwie trotzdem eine gute Idee, finden wir. In diesem Sinne #ListentoLeipzig. Weitere Infos dazu gibt es auch im Analogsoul-Blog.

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Aberglauben, Softeis und Flash Lights

Da sind einige Musikvideos entstanden in letzter Zeit – hier gibt es sie alle auf einen Klick.

Filburts Label O*RS ist ja ziemlich am Durchdrehen gerade, ein Release folgt auf das nächste. Zuletzt die überraschend laid-back nuancierte „Softeis“-Compilation. Zu fünf Tracks wurden auch Videos gedreht – Filburt mit Dreirad und großem Kinderschwarm um sich gibt es da beispielsweise zu sehen.

Verschwommene Texturen dagegen bei Panthera Krauses „Condensed Matter“. Klassisch Pop wiederum wird Rankos Kollaboration mit Helen Fares & Phoenix Muhammad visualisiert.

Mit Super8-USA-Familien-Aufnahmen wird „My Face“ von Perel bebildert. Und bei Matt Flores „Vast Citys“ layern mehrere Videos in verschiedenen Software-Fenstern umher.

Bei Micronaut gehören Videos ebenfalls zu einer wichtigen Ausdrucksform. Über mehrere Monate hinweg kamen so einige der besten Tracks des aktuellen „Panorama“-Albums noch einmal zu visuellen Erweiterungen.

Nun auch „Flashlight“ bei dem Arpen gegen den Pathos ansingt. Der Titel wurde von Lukas Adolphi sehr wörtlich genommen: Er arrangierte lauter Blitzaufnahmen so, als sie eine Dramaturgie für diesen Track einstudiert hätten. Sehr groß.

Und noch ein anderes großes Video. Dieses Mal aber kein Musikvideo, sondern ein animierter Kurzfilm, der von Niklas Kraft vertont wurde. Im „Lexikon des Aberglaubens“ gibt es einige abstruse Tipps gegen Heimweh, Cholera und mehr.

Von Elenor Kopka stammen die schwebenden Illustrationen zu denen Niklas Kraft einen passenden Soundtrack produziert hat, der den Clash aus Ironie und Bedrückung aufgreift. Es ist nicht das erste Mal, das die beiden zusammengearbeitet haben.

Achilles „High School Lovers“ und Taask „Levering Repose“ (Sweet Nectar Tapes)

Aufmerksame Leser erinnern sich vielleicht: „High School Lovers“ ist das erste Release des Labels Sweet Nectar Tapes und wurde vom Label-Macher Achilles produziert. Für die sieben reduzierten, ungeschliffenen Tracks wurden ausschließlich Synthesizer und Drum Machines verwendet und ohne Overdubs auf Band aufgenommen. Hört man das Tape mit all dem rotzig-charmanten Rauschen, wird einem schnell bewusst, wie geglättet und sauber im Vergleich dazu die meisten Produktionen klingen.

Dass Achilles für die angekündigte Vinyl-Version des ersten Tapes seinen Ansatz natürlich nur bedingt durchziehen kann, liegt auf der Hand: Ist das Rauschen im Kassetten-Radio Teil der Soundästhetik, würde es im Club eher für Irritation sorgen, ob die Nadel ausgetauscht werden muss oder ein Teil des Mixers kaputt ist. Daher bekommen die fünf Stücke auf der Platte ein zusätzliches Mastering verpasst, dass den Tracks – hört man sie im direkten Vergleich – durchaus gut tut.

Zurück zum Rauschen: Ein zweites Tape – „Levering Repose“ von Taask – ist ebenfalls erschienen. Acht rohe Jam-Sessions sind hier versammelt, allesamt mit einem 4-Spur-Rekorder aufgenommen. Zunächst haben wir es hier ebenfalls mit roughen House zu tun, der sich über mehrere Minuten hinweg entfaltet.

Nach den ersten drei Stücken ändert Taask ein wenig die Richtung. Gerade der angezerrte, funkige Techno bei „Soft Coat“ erweitert angenehm die Sound-Palette. Mit seinen geisterhaften Vocals wirkt der trocken pumpende „Stringer“ wie ein Gegengewicht zu den verträumteren Flächen in „Cavitation“. Genug Abwechslung also, um auch Taask demnächst eine eigene 12″ zu gönnen.

Vorhören könnt ihr die Tracks wieder auf der Seite des Labels.

Sweet Nectar Tapes Website

Perm „Shtum 008“ (Shtum)

Drei Monate kein Text, vier Monate keine Rezension – nun taste ich mich wieder an frohfroh heran. Und Perm hilft mir dabei.

Es ist nicht zu glauben, aber diese EP auf dem Uncanny Valley-Sublabel Shtum ist Perms erste komplette Solo-EP. Längst überfällig nach mehreren überzeugenden Compilationsbeiträgen – u.a. bei Kann Records und Nachtdigital.

Perm steht ja für die große Hypnose im Techno, mit den vier Tracks hier formuliert er sie in unterschiedlichen Facetten aus. Sehr dark und scharfkantig, dann wieder hell und beseelt flirrend, im nächsten Moment mal mehr mal weniger rough und breakig eingebettet in das Acid-Revival.

Was aber immer bleibt bei Perm ist dieser strikte Fokus auf die zeitliche Entgrenzung. Alles wirkt wie ein Moment, dicht verwoben, so dass man sich dem Sound kaum entziehen kann und dran bleiben muss. Besser lässt sich für mich die Rückkehr gerade nicht vertonen.

Perm ist übrigens nicht der erste Leipzig-Act auf Shtum: Die Dresdner hatten im letzten Jahr auch eine tolle Leibniz-EP veröffentlicht.

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