Film-Tipp: „Freiheit, Freiheit, Wirklichkeit“

Wie ist das Leben als Independent-Musiker in der Gegenwart? Der Dokumentarfilm „Freiheit, Freiheit, Wirklichkeit“ gibt Einblicke.

Vor über einem Jahr feierte die erste große Relativ Kollektiv-Produktion Premiere im Neuen Schauspiel Leipzig. Anschließend ging der 37-minütige Film auf Tour mit Bands und war auf einzelnen Festivals zu sehen. Nun gibt es „Freiheit, Freiheit, Wirklichkeit“ auch auf Youtube in voller Länge.

André und Benjamin vom Relativ Kollektiv wollten herausfinden, was das Leben als unabhängiger Musiker abseits der großen Stadien und Hallen prägt. Lässt es sich davon leben? Was bedeutet Erfolg überhaupt? Was kann ein Indie-Label dafür tun? „Freiheit, Freiheit, Wirklichkeit“ fokussiert in poetisch gefilmter und unaufgeregter Weise die Analogsoul-Musiker A Forest, Arpen, Wooden Peak, Earnest And Without You, Klinke Auf Cinch und Lilabungalow. Und der Film zeigt das Dilemma zwischen unbeirrbarer künstlerischer Leidenschaft und prekären Strukturen auf, die Nebenjobs und ein ständiges Engagement nötig machen.

„Unabhängiger Musiker zu sein, ist eigentlich ein ständiger Kampf. Du bist ständig damit beschäftigt, Freiräume für deine künstlerische Arbeit zu schaffen, in dem du Sachen machst, die damit nichts zu haben“ – so desillusionierend „Freiheit, Freiheit, Wirklichkeit“ beginnen mag, so sehr machen die verschiedenen Akteure die künstlerische Unbedingtkeit deutlich. Musik als Lebensdefinition. Als Selbstzweck. Auch wenn es nur 100 Leute interessiert und der Weg mühsam ist, mehr zu begeistern. Natürlich ist bei allen vorgestellten Musikern der Wunsch groß, davon leben zu können. Aber nicht um jeden Preis. Es sind reife, wenig naive Perspektiven auf die Realitäten und Möglichkeiten, die hier aufgezeigt werden.

Nebenbei entstand übrigens auch die sehr sehenswerte „Landgang“-Reihe, die „Freiheit, Freiheit, Wirklichkeit“ mit Band-Porträts gut ergänzt. Außerdem interessant: ein Kurz-Interview mit André und Benjamin über die Hintergründe des Filme im Analogsoul-Blog.

A Friend In Need-Ambivalenzen

Abgefahren, wie unterschiedlich die letzten drei A Friend In Need-EPs ausfallen. Bei uns finden sie zusammen.

Zwei davon sind schon ein paar Wochen draußen und gehen sehr konträr auseinander: Einmal eine neue House-Compilation namens „Back On Track“, außerdem eine Techno-EP von Tsorn. „Back On Track“ setzt den super klassischen, leicht Oldschool-überzogenen Deep House-Sound der ersten beiden AFIN-Label-Jahre mit vier Tracks nahtlos fort.

Es ist der Perlentaucher-Ansatz: Immer neue Acts steuern einen überaus soliden Track bei. Nur Gregory Dub ist dieses Mal die Ausnahme – vor einem Jahr hatte der Schweizer bei AFIN eine eigene EP. Neu dabei sind Thomas Stieler, Circo De Gais und Toefflinger.

Bei aller Classic-Versiertheit schwingt aber auch eine gewisse Langeweile bei allen vier Tracks mit. Irgendwie sind mir die Strings, warmen Chords und Soul-Samples einen Tick zu perfekt. Nur Thomas Stieler löst sich mit einer dunklen Dub-Schwere davon ab und driftet auf gute Weise ab.

Tsorn „Technoafin Vol. 1“

Ganz anders dagegen „Technoafin Vol. 1“ von Tsorn, einem neuen Alias von Elisa Rost, die wir eine zeitlang als Frau Rost auf Soundcloud verfolgten. Damals klangen ihre Stücke nicht so auf bleiernen Techno konzentriert wie heute. Aber es ist ein Gewinn – auch für A Friend In Need. Denn die drei Tsorn-Tracks öffnen einen weiten Techno-Rahmen zwischen interstellaren Synth-Flächen, extrem drückenden und roughen Bassdrums und maschineller Kühle.

Besonders „Lithium“ und „Divide“ spielen mit einem verschlungenen, klaustrophobischen Drive, der mich schon bei Paula Temple enorm angezogen hat. Sehr fokussiert und kraftvoll und dark. Da sollte unbedingt noch mehr kommen.

Jens Porath und Oliver Rosemann – wir hatten ihn neulich erst verspätet entdeckt – ergänzen die EP noch um Remixe von „Lithium“. Rosemann ist hier mein Held: kalt, verschachtelt und rauschend bekommt seine Version durch ein diffuses Vocal eine extra beängstigende Note. Was für ein Kontrastprogramm zur „Back On Track“-Compilation. Es gab übrigens schon einmal einen derartigen Sidekick: „Acidafin Vol. 1“ hieß der aber.

Roberta „Fatty Cutz“

Ganz frisch sind außerdem gerade Tracks aus Brooklyn bei A Friend in Need herausgekommen. Wer Roberta ist, lässt sich nicht weiter herausfinden – ein perfekter Name, um unerkannt zu bleiben.

Die drei Tracks der „Fatty Cutz“-EP mäandern ebenfalls in der ultra-warmen und weichen Classic House-Deepness umher. Im Gegensatz zu den „Back On Track“-Stücken jedoch rauer und trockener. Das macht sie nicht unbedingt spannender, aber sie entgleiten nicht ganz so leicht meiner Aufmerksamkeit. Trotzdem kommt mir das wie ein nie endender House-Historizismus-Loop vor. Wenn auch ein brilliant authentisch produzierter.

Chino „Hiss“ (Holger Records)

Holger Records hat mit seiner aktuellen EP die Fühler in Richtung Osten ausgestreckt. Mit Chino wird einer von Polens aktivsten Live-Acts gefeatured.

Er spielte auch schon in Leipzig und war vor kurzem auf der Shtum-Compilation zu hören – mit seinem sehr angenehm emotional aufgeladenen „Motor City Racers“. Allerdings hatte ich da nur Ohren für Leibniz und Perm. Jetzt bekommt Chino durch Holger Records hier die Aufmerksamkeit, die ihm gebührt.

In Krakau lebt er und ist currently in „Polish Brutalist architecture, poster art, 80’s drum machines, FM synthesis, tape hiss, obscure eastern electronics and Tatra mountains.“ Und er sucht die – durchaus schwierige – Balance zwischen „Hi-Tech dreams and lo-fi reality“. Beste Voraussetzungen also für eine waghalsige musikalische Reise durch feuchte, unterkühlte Zeittunnel mit kurzen, intensiven Lichtschimmern.

Auf “Hiss“ wird sie groß inszeniert, die Freude an der analogen Session-Freiheit und der aufgenommenen Übersteuerung, dem Rauschen, Knistern, Imperfekten und Querschlagenden. Da passt Acid gut rein wie bei „Paper Rider“ und „Worker“, aber auch spartanische Avantgarde-Intros für das episch lange „31.08.“, das später doch noch auf einen tief im Keller eingemauerten Dancefloor findet. Und natürlich liegt auch ein Abzweig zum schillernden Oldschool-Electro nahe – „Shifter“ liefert ihn in klassischer und fröhlicher Vertracktheit.

Man hört den vier Tracks an, dass bei Chino viel aus Live-Situationen heraus zu entstehen scheint. Sie entziehen sich immer irgendwelchen Berechenbarkeiten, holen bei aller Kühle und Kantigkeit plötzlich Analog-Synth-Funk hervor. Alles atmet den Moment und spiegelt dessen Beiläufigkeit wider. Ob da jemals ein Track haargenau identisch wiedergegeben wird? „Hiss“ passt perfekt in die aktuell nicht zu stoppende Dancefloor-Kraut-Avantgarde. Holger forever!

Five Favs – Juni 2016

Welche fünf Tracks haben uns im Juni am meisten geflasht? Wir sagen es euch.

Noisy Answer „Präsenz“

Allzu viel wurde von KC bislang noch nicht veröffentlicht. Doch der selbst veröffentlichte Ambient-Track „Präsenz“ ihres neues Alias Noisy Answer hat uns mächtig bewegt. „Mit wenigen Elementen schafft KC hier eine raumgreifende, kontempalative Atmosphäre, die sich für einen kurzen Moment episch aufbäumt und genauso plötzlich wieder in ihre ursprüngliche Ruhe zurückkehrt.“

Gymgym „Bocke (Radio Edit) (XANN)

Für eine Überraschung sorgte im Juni auch Kann Records. Sie haben eine neue One-Hit-Reihe bei Bandcamp gestartet. Spontan entstandene Hits sollen auf diese Weise schnell veröffentlicht werden.

Der Start verlief bestens, „weil ‚Bocke‘ auf super lässige Weise den Bogen zwischen Jungle, House und New Age-angehauchtem Ambient spannt. Kein klassisches Kann Records-Programm also.“

Jaja „El Ritmo“ (YNFND)

Eine gänzliche Neuentdeckung war im Juni das in Leipzig lebende Duo Jaja, das mit „Tropical Bird Club“ ein exotisch-folkloristisches Debüt-Album rausbrachte. Da war nicht alles ohne Schunkelei.

Aber es bracht immer dann gute Momente hervor, wenn „sich herrlich unprätentiös Folklore-Emotionalität und Slow-House-Weite zu stillen Hits überlagern“ – „El Ritmo“ gehört zu diesen großen Momenten. Ab Minute 1:15 ist es kurz in dem Album-Snippet zu hören.

Pumamontana „Moving Or Not“ (Tetmusik)

Ende Juni kam ein neuer Tetmusik-Sampler heraus. Und neben all der musikalishchen Vielseitigkeit ist es immer auch ein Garant für einen neuen Song von Pumamontana und seinem emotionalen Electronica-Vocoder-Pop.

Auch dieses Mal waren wir wieder entzückt von „Moving Or Not“. „Schade, dass es immer nur auf einem Tetsampler ein Wiederhören mit Pumamontana gibt.“

Alex Kaminski „Nesabudka Remake“

Außerdem gab es im Juni ein längst überfälliges Comeback unserer Newcomer-Reihe „Neues aus der Wolke“. Alex Kaminski stellten wir vor, der ursprünglich in Metal- und Hardcore-Bands spielte und irgendwann in elektronische Musik eintauchte.

„In Abständen ließ er uns an seiner Entwicklung teilhaben. Bis neben dem anfangs aufgepumpten Tech-Deep-House-Grundtenor auch ruhigere und experimentellere Stücke dabei waren. Allen voran das wunderbare ‚Nesabudka Remake’“. Im Blick behalten!

Arpen x Bernhardt x Defence

Arpen und Bernhardt im Duett – Wahnsinn. Aber wahr. „Defence“ heißt der gemeinsame Song.

Bei Arpen passiert viel über Kollaborationen. Auch wenn seine ursprüngliche Band Mud Muhaka neulich ihre Auflösung bekannt gab, bleibt das Zusammenarbeiten für ihn ein wichtiger Punkt. Zuletzt setzte sich Arpen mit Friederike Bernhardt zusammen.

„Defence“ gilt quasi also Bonus-Track für das im Herbst erscheinende Arpen-Album – veröffentlicht ausschließlich als Live-Video. Zugleich ist es der erste Song, der nach den Arbeiten am kommenden Album entstand, wie Arpen im Analogsoul-Blog erzählt.

Beide treten bei „Defence“ in einen melancholisch eingehüllten Dialog, spartanisch mit zwei Klavieren begleitet. Anziehung und Wegstoßen klingen hier durch, Stille und lauter Ausbruch.

Es ist nicht die erste Zusammenarbeit von beiden. Für das im Herbst angekündigte Arpen-Album entstand ein weiteres Stück auf dem Friederike Bernhardt zu hören sein wird. Und auf Arpens Tour wird sie als Support bei einigen Konzerten dabei sein.

Neues aus der Wolke – Alex Kaminski

Okay, da wäre sie beinahe ins Vergessen geraten, unsere Reihe für lokale Newcomer, die noch ohne Label sind, aber bereits auf Soundcloud überzeugen – doch wir haben eine Neuentdeckung.

Mit Alex Kaminski lief es anders ab als sonst. Sind wir bisher meist durch Zufall oder Querverweise auf Newcomer bei Soundcloud gestoßen, so schickte uns Alex Kaminski bereits vor über einem Jahr selbst erste Tracks zu. Nur fehlte uns da noch der dramaturgische und klangliche Feinschliff.

In Abständen ließ er uns aber an seiner Entwicklung teilhaben. Bis neben dem anfangs aufgepumpten Tech-Deep-House-Grundtenor auch ruhigere und experimentellere Stücke dabei waren. Allen voran das wunderbare „Nesabudka Remake“ oder das leicht folkloristische Slow House-Stück „Periskop“.

Es schien Zeit für eine „Neues aus der Wolke“-Ausgabe mit Alex Kaminski. Um ihn näher kennenzulernen und vorzustellen. Und endlich erfahren wir auch, woher die abstrakten Bilder für seine Track-Cover stammen.

Woher kommst du – lokal und künstlerisch?

Gute Frage, geografisch kann ich das nicht so richtig beantworten. Kasachstan, wo ich meine ersten Lebensjahre verbracht habe oder vielleicht Wolfsburg, wo ich aufgewachsen bin oder dann doch Leipzig, wo ich gerade lebe und mich am wohlsten fühle?

Musikalisch komme ich aus der Welt der tiefen, derben Gitarren – also Metal und Hardcore. Damit habe ich vor 12 Jahren als Gitarrist und Schreihals/Sänger angefangen – zusammen mit Freunden aus dem Dorf. Wir sind recht schnell im In- und Ausland unterwegs gewesen und ich habe da schon einige elektronische Interludes gebastelt. Das hat immer mehr zugenommen und mittlerweile experimentiere ich nur noch auf dem Gebiet.

Was flasht dich musikalisch – von bestimmten Sounds oder Artists her?

Es sind nicht unbedingt Sounds, die mich flashen, sondern das Gesamtbild eines Tracks. Wenn ich das Gefühl habe, dass der Künstler das tatsächlich so empfindet, was er da im Song verpackt hat, dann flasht mich das. Vom Gesamtsound her finde ich die Jungs von Modeselektor eindrucksvoll. Die Musik ist mitunter ziemlich weird, komplex und trotzdem so eingängig, dass man sie gleichzeitig aus Genuss und Nerdigkeit hören kann.

Generell flashen mich aber eher Artists, die ich beim Musikmachen erleben durfte und die in dem, was sie tun authentisch sind. Mein alter Mitbewohner beispielsweise macht ziemlich abgefahrene Sachen und das nicht, um irgendwie hip zu sein oder zur Avantgarde der elektronischen Musik zu gehören, sondern einfach weil er verrückt ist. Ein Künstler eben, der das mit seinem ganzen Dasein lebt. Bei großen Artists kann ich das nicht einschätzen und halte auch von Personenkult nicht viel.

Kannst du irgendwas aus deiner Hardcore-/Metal-Zeit mit in deine neuen Stücke nehmen?

Ja, definitiv. Die düsteren, tiefen Klänge haben immer noch eine Wirkung auf mich. Auch das ganze Arrangement baue ich noch ziemlich Metal-/Hardcore-orientiert auf – so seltsam das auch klingen mag. Ab und zu kommt auch mal die Kritik, dass ich ja eigentlich keine elektronische Musik mache, da zu viel Auf-und-Ab in den Songs vorhanden ist. Aber ist ja auch Geschmackssache.

Wo willst du mit deiner Musik hin – Lieblingshobby oder Stadion?

Einen Fünf-Jahres-Plan habe ich jetzt nicht in petto. Für mich ist das Musikmachen in erster Linie emotionaler Ausdruck. Daher freue ich mich über die Freiheit, nicht dem Druck von Plattenfirmen oder Fangemeinde ausgesetzt zu sein, sondern die Musik so frei zu gestalten, wie es sich richtig anfühlt. Andererseits wäre es schön, die Zeit und finanzielle Freiheit zu haben, sich wirklich intensiv mit der Musik zu beschäftigen und alles drumherum erledigen zu können. So Social Media und Promotion-Stuff.

Dein größter eigener Soundcloud/Youtube-Hit?

Bei meinen Plays von Hit zu sprechen, ist vielleicht ein bisschen großzügig, aber schaut man sich die Klick- und Like-Zahlen an, dann war das der Track „Dyshat, den ich für „Musik? Das kann ich“ produziert habe. Vom Gefühl her würde ich aber sagen, dass der Track „Krull“ der erfolgreichste ist. Für den bekomme ich sehr gutes Feedback und eine überraschend große Menge Anfragen von DJs, die den Song gerne zum Auflegen hätten.

Dein persönlich größter eigener Hit – und warum?

Mein persönlich größter Hit war „Bosja“. Für mich ist der Track eigentlich hässlich, da er eine Situation der Ohnmacht widerspiegelt. Dadurch ist er aber auch der authentischste und ehrlichste Track, den ich bis jetzt produziert habe. Mittlerweile gibt’s den Track auch bei Beatport, was ich schön finde.

Du hast sehr schöne Cover für deine Tracks. Wo kommen die her?

Vielen Dank. Die Cover sind alles Gemälde von Paul Kaminski, meinem Papa. In echt sind die noch schöner, weil Kameras die Kontraste irgendwie nicht so gut erfassen können. Ich finde es passend, seine Bilder zu verwenden, da vor allem die abstrakten Werke für ihn Produkte seiner Philosophie und Ausdruck seiner Emotionen sind. Das ist bei mir und der Musik ähnlich.

Various Artists „Tetsampler 2016 bntspecht (b/w)-Edition“ (Tetmusik)

Es ist gibt ihn noch, den Tetsampler mit einem heimischen Tier auf dem Cover. 2016 steht im Zeichen des Buntspechts.

Ein Jahr Pause gab es aber. Seit 2012 brachte das Netlabel Tetmusik einmal im Jahr lokale Akteure aus verschiedenen Ecken und Genres zusammen – nun mussten wir etwas länger auf die nächste Ausgabe warten. Es hat sich aber gelohnt. Denn gefühlt geht es 2016 noch einen Schritt weiter weg vom Dancefloor.

Selbst Filburts „First Step“ ist mehr ein beherzt flimmernder Breaks-Track und M.ono von Rose Records bindet seine Disco-Leichtigkeit in einen verschachtelteren Rhythmus. Ansonsten gibt es slow schleppenden Wave mit The Aftercalm, gedämpft hymnischen Pop mit The Chi Chi BBC, unberechenbare Analog-Synth-Sessions mit Fox Pet und der obligatorisch eigenwillige Pumamontana-Beitrag. Schade, dass es immer nur auf einem Tetsampler ein Wiederhören mit Pumamontana gibt.

Doch es darf auch getanzt werden: zu Iami beispielsweise und seinem mit bestem Rave-Gewissen ausholenden und doch gedimmten „Oodal“. Kaubl geht da schroffer und zugleich poppiger heran. Und das Duo Klangbild holt ein Acid-Classic aus der „Insolvenzmasse“ – damit kann selten was schief gehen.

Es ist ein sehr vielseitiger Soundtrack für der Buntspecht, der aber erstaunlich geschlossen klingt. Ein Mix-Tape zum Entdecken, wie man es gern geschenkt bekommen würde. Zum „Name your price“ gibt es es via Bandcamp.

KC x Noisy Answer

Da gibt es zwei sehr verschiedene Tracks von Noisy Answer, einem neuen Alias von KC. Einer davon ein Ambient-Überhit.

Vor drei Jahren hatten wir KC im großen Interview. „Ich kann eigentlich nicht bei einem Genre bleiben“, antwortete sie damals auf die Frage, wo sie sich musikalisch sehen würde.

Die selbstbetitelte EP unter dem neuen Pseudonym Noisy Answer spiegelt diese Einstellung eindrucksvoll wider. Größer könnte der Gegensatz zwischen dem dissonant-breakigen „Start“ sowie dem still schwebenden „Präsenz“ kaum sein: Ein harscher Industrial-Sound trifft auf ein super hell aufleuchtendes Ambient-Stück.

Besonders „Präsenz“ hat es mir sehr angetan. Mit wenigen Elementen schafft KC hier eine raumgreifende, kontemplative Atmosphäre, die sich für einen kurzen Moment episch aufbäumt und genauso plötzlich wieder in ihre ursprüngliche Ruhe zurückkehrt. Was für ein Flash. Ein ebenso stilles Video gibt es dazu.

Update Update

Lootbeg hat „Präsenz“ noch einmal für den Dancefloor fit gemacht. In trocken-scheppender Lofi-House-Manier. Und plötzlich wird aus dem kontemplativen Gleiten eine rastlose, ruppige House-Wehmut. Sehr gut.

Klinke Auf Cinch „Four Remixed“ (Analogsoul)

Ja, die Vier wird in diesem Jahr von Klinke auf Cinch groß zelebriert. Nach der Vinyl-EP folgen nun 4 x 4 Remixe.

Zum Release der „Four“-EP vor wenigen Monaten gab es bereits vier Remixe von Jacob Korn, Marbert Rocel, Dude26 und Reed Flavor dazu. Doch Klinke Auf Cinch wollten noch mehr. Sie quadrierten die Vier und haben eine unglaubliche Fülle an Remixen der vier EP-Tracks erhalten.

Mit der Auswahl der Remixer ist dem Leipzig-Jena-Duo zugleich ein Rundumblick durch die östlichen Elektronik-Szenen gelungen. Aus Berlin, Dresden, Leipzig und Halle kommen die neuen Versionen. Und sie zeigen einmal mehr die gleichermaßen stark ausgeprägte Liebe von Klinke Auf Cinch für House und HipHop – mit besten Verbindungen in die Leipziger Beatmaker-Szene um Ranko, Duktus und Reed Flavor.

Unsere Hits: Die sanft schwebende Ambient-Version von FDF, Prismics episch-dubbiger „Broken 808 Mix“, der vaporisierend-schleichende und trippige Hofuku Sochi-Remix sowie Rankos trockener Broken-House-Remix von „Clsr“.

Die Remixe gibt es als pinkes 80-Minuten-Tape oder digital. Am kommenden Sonntag wird das auch lässig im Garten der Blauen Perle gefeiert.

Radio Hommage x Knackless x Halle

Ein Blick rüber nach Halle lohnt immer mal wieder. Mit Knackless gibt es beispielsweise ein neues Tape-Label, bei dem auch Philipp Matalla zu hören ist.

Und bei Philipp Matalla werde ich schnell weich. Ich hoffe, niemand hat die „Kiba“-EP neulich verpasst. Wirklich niemand! Zwar spielt er beim Label-Debüt von Knackless nur auf einem Track den Synth („Session 1“ von 24 Hour Security), aber was soll’s. Dieses Tape hier sollte nicht unerhört bleiben. Gerade auch, weil es für Halle etwas ungewohnt klingt – von außen betrachtet scheint es dort ja eher einen gewissen Hang für pumpenden bis ironisierten Tech House zu geben.

Knackless ist da mehr von Rohheit und analog sononischen Spielereien geprägt. Ausprobieren und Imperfektion als Ziel, vielleicht auch daher der Name „knackless“, der als sehr freie Übersetzung von talentfrei zu verstehen ist. Tim Rosenbaum hat das Label kürzlich gegründet und im April ein erstes Tape mit fünf Tracks von Freunden veröffentlicht.

Stilistisch möchte Knackless weit ausholen und so schimmern House, Electronic und Obskures durch. Ästhetisch sollte es aber zum Rauschen des Tapes passen. Den fünf Tracks der „Knackless 1“ ist denn auch eine jene Rohheit und unbeirrbare Experimentierfreude anzuhören, die in den letzten Jahren für viele tolle weirde Momente sorgte. Als Digital-Version gibt es die Tracks übrigens auch for free.

Die Offenherzigkeit der Knackless-Crew hat auch einen sehr schönen Mix hervorgebracht, der heute bei Monkey Safaris Label-Podcast-Reihe „Radio Hommage“ online gegangen ist. Tim Rosenbaum, Philipp Matalla und MIXTC teilen sich gut eine Stunde in ein liebevoll zusammengestelltes Mix-Tape, das zum Entdecken und Hören einlädt. Kein Dancefloor-Stuff. Nur Lieblingstracks und -songs.

Die ersten zwei Drittel fallen ätherischer, folkloristischer, breakiger und ruhiger aus – Matallas Teil begeistert mich da besonders. Tim Rosenbaum zelebriert dann noch einmal die sommerliche Leichtigkeit.

Wir freuen uns, dass wir exklusiv einen Blick in die Tracklist werfen dürfen:

MIXTC
01 – Geino Yamashirogumi – Doll’s polyphony
02 – Hirasawa Susumu – Ou Mono
03 – Kenji Kawai – Making Of A Cyborg
04 – Masahiro Ikumi – Baachiya Mima
05 – Geino Yamashirogumi – Kaneda

Philipp Matalla
06 – Hosono & Yokoo – Hotel Malabar Ground Floor (Triangle Circuit On The Sea-Forest)
07 – Joel Vandroogenbroeck – Fairy Tale
08 – Lukid – USSR
09 – Beyoncé – Pray You Catch Me
10 – Istishhad – Motivational Prayer 5: At The Gates Of Paradise (Edit)
11 – Florian Fricke / Popol Vuh – The Garden Morya
12 – Gymgym – Bocke (Radio Rip)

Tim Rosenbaum
13 – Clä-Sick – Morning in China
14 – Japanese Genius – Pikah o Papikah
15 – Agata Morio – 連続香水瓶
16 – Front 242 – Principles (Instrumental)
17 – Antena – Noelle A Hawai
18 – We Be Echo – Bogeyman
19 – Stereolab – Parsec
20 – Blancmange – Just Another Spectre

Yannick Labbé „SuperSingle“ (O*RS)

Und noch einmal O*RS an diesem Tag – es gibt nämlich auch eine neue SuperSingle. Aus Hamburg.

Mit dem Slow-House-Duo Trickski war Yannick Labbé bis vor sechs Jahren ziemlich präsent. Dann schien es eine Pause zu geben bis der Hamburger im letzten Jahr solo bei O*RS wieder auftauchte. Dass Yannick O*RS-Fan ist, sagte Filburt bereits im frohfroh-Interview. Dass nun eine ganze EP von ihm herauskommt, vertieft die Verbindung nach Leipzig noch einmal mehr.

Und er bekommt gleich das „SuperSingle“-Format, zwei Hits auf 10″. Schimmerte bei Labbés O*RS-Debüt noch die deepe Trickski-Leichtigkeit durch, so klingen „Arpeggiate“ und „Fornicate“ weitaus analoger und kantiger, mit leicht augenzwinkernder Note – wie bei „Arpeggiate“, wenn dudelsackähnliche Synth-Fanfaren vor den tänzelnden Oldschool-Electro-Beats auffahren. Auch „Fornicate“ hat etwas von einem alten Roadmovie-Soundtrack. Durchweg in einem sehr rastlosen und konzentrierten Drive, leicht staubig in den Sounds und mit scharfen Electro-Claps.

Mit „Agitate“ gibt es außerdem noch einen Digital-Bonus auf Bandcamp. Auch dort entwaffnend leichtfüßiger Electro-Appeal. Aber mit einem Hauch Acid-Kratzigkeit. Meine liebste „SuperSingle“ bisher.

Various Artists „Ourselves – Imagination“ (Ourselves)

Filburt hat es im großen frohfroh-Interview bereits angedeutet, nun ist es soweit: Mit Ourselves startet ein neues O*RS-Sublabel.

„Wir haben festgestellt, dass wir einen recht großen Künstlerstamm haben. Und Ourselves ist dann eher eine Plattform für den Inner Circle von O*RS,“ so teaste Filburt im Frühjahr das zweite O*RS-Sublabel neben RDF Music an. Kuratiert wird Ourselves von dem Görlitzer Producer und DJ Jan Ketel.

Und zum Labelstart passt natürlich eine Compilation. Braunbeck, Perel und Jan Ketel himself sind darauf als O*RS-Bekannte mit je einem neuen Track zu hören. Siggatunez und Sello scheinen als Label-Freunde mit dabei zu sein. Auf jeden Fall ist die „Imagination“-Compilation fast durchweg eine Berlin-EP, ein Großteil der Acts kommt aus der Hauptstadt.

Überraschungen sollten von Ourselves nicht erwartet werden. House steckt auf der Nummer 1 den groben Rahmen ab. Sehr klassisch und warm und deep schimmernd gehen Jan Ketel & Siggatunez als Doppel sowie Sello allein heran. Braunbeck ist dagegen wesentlich dunkler und schlüpfriger unterwegs. Immer noch etwas aufgeladen und breitbeinig, aber in der Reduktion anziehender als bei seinem O*RS-Debüt im letzten Jahr.

Perels Track kickt mich am Ende am meisten – nicht nur wegen des Track-Titels. Es ist wohl auch die sehr direkte Art von „Felene Hischer“ – auch wenn dramaturgisch nicht so viel passiert, doch die rasend-knallende Bassdrum mit den cheesy Scratches sorgt für eine sehr tighte Oldschool-Dynamik. Ein solider Start für Ourselves.