Update – Karl Marx Stadt

Im letzten Jahr gab es ein großes Interview mit Karl Marx Stadt – was seitdem passiert ist, fasst Christoph treffend zusammen.

Karl Marx Stadt meldet sich mal wieder mit einem Beitrag für die Compilation „Rubber Beats Vol​. ​V“ auf dem belgischen Label Caoutchou. Quietschebunt ist diese: Über 25 Tracks werden hier alle möglichen Styles – ob Acid, HipHop oder Jazz – in eine absurde Comicwelt überführt.

Gleichermaßen fresh und humorvoll lassen sich hier kaum Highlights herauspicken. Karl Marx Stadt steuert mit seinem Alias Coco Lowres das letzte Stück der Compilation bei. „Loco In The Coco“ klingt dann auch so wie heißt. Zunächst wird ernster Electro antäuscht, dann aber in Richtung fröhlichen Mit-Pfeif-Reggae abgebogen.

Könnte gut als Soundtrack eines 90er-Jahre-Videogames durchgehen, was vermutlich am Einsatz der Selbstbau-Synthesizer-Kiste PreenFM2 liegt. Der Track ist dadurch auch offizielles Soundbeispiel auf der Preenfm2-Website.

In eine ähnliche Kerbe haut auch „Born A Ninja, Die A Ninja“, ein Beitrag zur „Rhythmus Records presents …“-Compilation für das gleichnamige Label. Dahinter steckt Scott Buchanan aus Boston, der sich als Radio Skotvoid in der Skweee-Szene einen Namen gemacht hat.

Auch sehr bunt, aber mit einem stärkeren Fokus auf LoFi-, Chiptune- und 8Bit-Sounds als die Rubber Beats. Für alle Gameboy-Fans baut Coco Lowres grob gesagt eine Brücke zwischen Tetris und Dubstep. Alle 15 Tracks wurden digital und auf Kassette im Dezember 2014 veröffentlicht.

Bereits im letzten Herbst ist außerdem ein Remix zu „Kleider machen Leute“ der Berliner Kiez-Rapper Pilskills erschienen. Wirklich spannend zu hören, wie anschlussfähig der große Skweee-Spaß auch im HipHop sein kann.

Während dem Original eher ein lässiges Funk-Sample als Grundlage dient, baut Karl Marx Stadt um die Raps amtlichen Electrofunk inklusive nervösem Acid-Gezwitscher und hübscher Synthie-Melodien zum Ende hin. Das Instrumental davon gibt’s bei der EP obendrauf.

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Neu entdeckt – Shishigami

Seit Anfang Januar schlummert hier ein Thema, das eigentlich längst hätte bearbeitet werden sollen: Shishigami.

No Label, no fame – eigentlich ist Shishigami ein Thema für die Neues aus der Wolke-Reihe. Doch seine Bandcamp-EP „Sea Green“ vom letzten Dezember klingt so ausgereift und stimmig und anders, dass Shishigami nun endlich so rein reinkommen soll.

Sechsmal große, mit Hall beladene Ambient-Elegie, die durchaus Avant-Pop, viel Pathos, Subbass und Shoegaze-Doomness mit aufsaugt – so klingen die Stücke von Shishigamis selbst veröffentlichter EP. Bei „Atlia“ schwingt ein wenig von der Micronaut-Opulenz mit durch, sonst verlaufen sich die Referenzen im Nirgendwo. Ganz aus dem Nichts kommt er jedoch nicht: für A Forest und Wooden Peak steuerte er Remixe bei.

Auf Stimmen gehen viele Sounds zurück, so der gebürtige Rostocker, der seit dem Sommer 2013 in Leipzig lebt. Zuvor spielte er in einer Band, die für sich im Stillen herumjammte – erst mit Funk-Rock, später mit Post- und Math-Rock.

Insbesondere letztere Genres seien bis heute große Einflüsse für die sehr eigenwillige und introvertierte Musik von Shishigami. „Ich mag so größer werdende Klangflächen, aber auch starke Umbrüche, die es öfter im Math-Rock gibt“, beschreibt Shishigami selbst seinen Inspirationsradius. Die Solo-Arbeiten abseits der klassischen Band-Besetzung hätten dabei etwas therapeutisches für ihn.

Mit diesem Background, überraschend fein geschichteten Arrangements und einem diffusen Gefühl zwischen Euphorie und Schwermut ist Shishigami eine der spannendsten EPs des Leipziger Frühjahrs gelungen. Ende der Überwältigung.

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Micronaut „Parallax“

Vor fast genau einem Jahr ist das letzte Micronaut-Album „Panorama“ erschienen. Nun wird mit „Parallax“ einer der Hits ausgekoppelt – mit Video und Remixen.

Allein das Video ist dem Hit-Potential des Tracks mehr als würdig – wieder von Regisseur Hannes Wichmann, der bereits den Dokumentarfilm über Micronaut drehte. Erst begleitet die Kamera Tänzerin Julia Nickel durch das nächtliche Leipzig, dann überflutet sie mit ihrem Tanz in einer leeren Halle vor riesigen Spots alles mit unglaublicher Dynamik.

Für die Single wurden neben dem Video auch drei Remixe in Auftrag gegeben. Filburt taucht den Gesang von Friederike Bernhardt auf „Parallax“ in einen lässig gleitenden House-Track – die Opulenz des Originals zugunsten einer geradlinigen Deepness weit abfedernd.

Ranko spielt mit allen Elementen, zerschneidet und pitcht und wirft einiges um. Ein tolles Spiel mit gegensätzlichen Stimmungen. Überschnell, dann wieder elegisch, die spannendste Neuinterpretation von „Parallax“.

Wobei der warm pumpende Dub Techno von Stereoscopes Remix in seiner Ausgewogenheit die Hyperaktivität Rankos sehr gut kontert.

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Geschafft: OverDubClub auf Vinyl

Der OverDubClub kann die Sektkorken knallen lassen: Das Crowdfunding für eine auf Vinyl erscheinende Bestandsaufnahme des Leipziger Producer-Stammtischs wurde erfolgreich abgeschlossen.

Wir erinnern uns: 4.500 Euro wollten Initiator Filburt dafür zusammenkratzen. Optimistischerweise wurde die Record-Release-Party schon vor Ende des Crowdfundings angekündigt, aber nun sollte es am Freitag in der Distillery keine langen Gesichter geben.

Das Zittern hat sich gelohnt: Zwölf größtenteils entspannte Instrumentals erwarten uns auf den ersten beiden Seiten, zwei Live-Jam-Sessions auf der dritten und vierten. Neben einigen bereits aus dem Resistant Mindz-Umfeld bekannten Namen wie Duktus spült der OverDubClub auch weniger präsente Talente an die Oberfläche. Das ist angesichts der Masse an House- und Techno-Releases in Leipzig sehr erfreulich.

Vielleicht gar nicht so erstaunlich ist, wie gut die zwölf Tracks miteinander harmonieren. Die Nähe der Produzenten trägt da sicherlich seinen Teil bei. Offensichtlichste Grundlage ist bei allen dabei HipHop, das Ergebnis ist entsprechend unverkopft, lässig und aus dem Bauch heraus.

Erfrischend, dass man sich auf Höhe der Zeit bewegt statt nostalgisch 90er-Jahre-Boom-Bap-Beats nachzubauen. Stattdessen sind gerade die ersten Tracks leichtfüßige Updates. Gleichzeitig biedert man sich trotz aktueller Einflüsse nicht einfach erfolgreichen Trends an: Tracks wie „Du bist nur ein Local“ und „Drive“ spielen mit housigen Grooves ohne sie zur bestimmenden Zutat zu machen.

Aus „Scudici“ hätte in anderen Händen vielleicht auch platterer Trap werden können und „A Good Thing„ ist für die echte Gangsta-Pose zum Glück zu quirlig. Kleine Höhepunkte sind für mich „When Yoyu„ mit seinen von Hyperspeed-HiHats begleiteten Streicher-Samples und das funkige, trockene „Myschkin“.

Die beiden Live-Jam-Sessions sind dann noch das Schlagsahnehäubchen auf der Stammtischtorte – mitsamt „Wo sind die Kekse“-Samples! – und bereiten mir ein schlechtes Gewissen, tatsächlich jede dieser Sessions bisher verpasst zu haben.

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Various Artists „Familybiz“ (NoSYS Productions)

Hier kommt ein weiteres Drum & Bass-Überbleibsel aus 2014: Der „Familybiz“-Sampler von NoSYS Productions.

NoSYS Productions aus Leipzig. Hm, nie gehört. Spärlich die Informationen auf der Soundcloud-Seite: Sowohl ein Label als auch eine Crew verbirgt sich dahinter, besonders aktiv scheint zumindest ersteres nicht zu sein. Aber vielleicht ist der vor zwei Monaten erschienene Sampler auch erst der Startschuss.

Halt, stopp: Vor fünf Jahren wurde das Label bei frohfroh erwähnt, damals war es aber anscheinend noch in Dresden beheimatet. Da brachte die Leipzig-Connection wohl einige Umzüge ins Rollen.

Dass hier alte Bekannte am Werk sind, zeigt ein Blick auf die Tracklist: Dreadmaul und Wright & Bastard haben erst kürzlich von sich reden lassen, Epidemic war bereits auf der ersten EP vertreten und Cues taucht öfter mal auf Plakaten örtlicher Drum & Bass-Events auf. Die Namen lassen vermuten, dass hier die Tanzfläche anvisiert wird und introvertierte Deepness-Feingeister eher auf die Zwölf bekommen.

Oder zumindest ein wenig verängstigt werden. Schon „Grave“ von Dreadmaul versucht, uns direkt in jenes mittels fiesem Bass-Gegrummel und steppender Bass-Drums hinabzuziehen. Oja, das macht schon Spaß und wird einigen DJs ein diabolisches Grinsen aufs Gesicht zaubern.

Nachdem wir uns aus dem Klammergriff der Skeletthand befreit haben, suchen wir leicht paranoid zu „Nomad“ den Friedhofsausgang und erschrecken uns am Anfang etwas zum Geknarze des Tracks. Da dieser aber nicht allzu aufgeregt vor sich hin marschiert, beruhigt sich unser Puls ein wenig.

Irgendwo falsch abgebogen und schon direkt zu „Xnarf“ in einer Gruft gelandet – da jagt uns der Beat natürlich gleich etwas straighter die Gänge hinab. Spooky Vocals und Pads mit ein wenig Reverb drauf erschrecken uns hinter einigen Ecken.

Vorsichtig erkunden wir zu „1 in 1000“, ob die Luft am Ausgang wirklich rein ist und rennen zu den slammenden Breaks aus der Geisterbahn weg. Mit seinen Grusel-Piano-Geklimper ist das letzte Stück für mich das atmosphärische Highlight des Albums.

Im Fazit ist der Sampler dann wie ein Horror-Film: Irgendwie schon tausend mal gesehen, bewährte Muster und Effekte, aber in Maßen genossen doch unterhaltsam.

Übrigens gibt es die EP als Free Download auf der Label-Website.

NoSYS Productions Website

70 x schlechtes Gewissen – Insectorama

Es bleibt ein Dilemma mit den Netlabels – sie kommen aus ihrem Schattendasein nicht heraus. Nichtsdestotrotz kann Insectorama nun auf 70 Veröffentlichungen zurückschauen.

Die Erkenntnis ist nicht neu. Bereits vor fünf Jahren gab es einen ähnlichen Satz bei frohfroh zu lesen. Ein Jahr später erklärte Label-Betreiber Markus Masuhr, warum er an dem Konzept festhält, Musik kostenlos über das Internet zur Verfügung zu stellen.

Doch obwohl Insectorama seit fast zehn Jahren zu einem der produktivsten Leipziger Labels gehört, fällt es selbst in solch einem Nischenblog wie diesem hier meist unter dem Radar durch. Besonders absurd: Masuhrs Vinyl- und Tape-Label Pragmat findet mit jeder neuen Veröffentlichung bei frohfroh Erwähnung. Und es zeigt, was für eine vielfach gesteigerte Aufmerksamkeit ein physischer Tonträger nach wie vor genießt, wenn es um das Aussortieren von Themen geht.

Trotzdem komme ich bei Insectorama einfach nicht mit. Dass dort im vergangenen Jahr eine mehrteilige Compilation-Reihe mit Leipziger Beteiligung herauskam – darunter mit Dsant, Simon Sunset und Dwntmpo –, ging spurlos an mir vorbei.

Sicherlich liegt das mangelnde Interesse auch an meiner nachlassenden Faszination für Dub Techno, dem Genre für das Insectorama seit nunmehr 70 Veröffentlichungen steht. Und vielleicht auch daran, dass Markus Masuhr durchaus Pressearbeit für Pragmat betreibt, für Insectorama jedoch offensichtlich nicht. Als Entschuldigungen kann beides nicht herhalten. Nur als Nebenargumente in einer schwammigen Wahrnehmung für alles, was mit Netlabels zu tun hat.

Die Katalognummer 70 ist ebenfalls eine Compilation – „The Dub Moon Man“ heißt sie. Mit sehr verschiedenen Interpretationen des Dub Techno-Sounds. „Manthe Hunthen“ von Markus Masuhr und „Anna“ von Iiney sind mir mit ihrer langsamen Ambient-Tiefe besonders in Erinnerung geblieben.

Auch, weil sie dem klassischen, teils sehr glatten Dub Techno von 7mirror und Mar’yan Kitsenko etwas sperriges entgegensetzen. Auch Simon Sunset ist mit dabei. Klassisch und treibend, poetisch mit Piano-Chords nach hinten heraus.

Diese und alle 69 weiteren EPs und Compilations gibt es zum freien Download auf der Label-Website.

Insectorama Website
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The_Empath „Trackology“ (Hymen Records)

Neues von The_Empath: Seit Februar ist das neue Album „Trackology“ auf Hymen Records erhältlich – Christoph hat für frohfroh reingehört.

Mit der „Growing Unrest“-EP gab es ja letztes Jahr bereits einen Teaser, an dem The_Empath nun nahtlos anknüpft. Auch diesmal legen sich die Stücke nicht eindeutig auf Genres fest – von Dubstep und Drum & Bass über Industrial und Noise hin zu Breakcore reichen die Einflüsse. Eine eher düstere, dramatische Grundstimmung hält die zehn Tracks dennoch zusammen.

Der Opener „Into The“ beginnt mit maschinellem Dubstep und biegt nach der Hälfte Richtung bedeutungsvoller Glöckchenatmosphäre ab. Regelrecht beklemmend durch seine Samples wirkt „Arab Spring“ und leitet – unterbrochen von „trackology“ – die Drum & Bass-Phase des Albums ein.

Mit „Realign Power Geometries“ und „Unknown Subject“ finden sich hier die vielleicht DJ-kompatibelsten Stücke, sofern diese die härtere Gangart zu schätzen wissen. “Growing Unrest“ verweist auf die breakigere Seite von Dubstep – sowas hieß irgendwann mal sinnigerweise Breakstep und genießt wohl im Genre-Gehege derzeit Artenschutz-Status.

Krachig wird’s dann bei „Below & Above Zero“ und „nwo_hindsight“ zerlegt anschließend den Dubstep-Moshpit. Das Ende markieren das ruhigere, dennoch finstere „Vigil Coma“ und das wie von Fabrik-Robotern erdachte Ambient-Stück „Synus“.

Sehr aufgeräumt und trotz der Noise-Einflüsse klar produziert ist das Ganze. Faszinierend sind der Ideenreichtum und die Detailverliebtheit, mit der The_Empath seine Tracks ausstattet.

Allerdings ist die doch recht schwere, maschinelle Sound-Ästhetik für mich auch der Schwachpunkt des Albums: Angesichts des sich immer weiter entwickelnden Bass-Irgendwas-Music-Kosmos wirkt sie auf mich leider etwas überholt und auch zu ernst. Vielleicht ist daran aber auch schlichtweg der nahende Frühling schuld.

The_Empath Website
Hymen Records Website
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Matthias Tanzmann „Revisted“ (Moon Harbour Recordings)

Zwei Jubiläen kann Moon Harbour in diesem Jahr feiern – das 15-jährige Bestehen und kürzlich die 75. veröffentlichte EP.

Zählt man die Alben, Compilations und die digitalen EPs hinzu, kommt Moon Harbour mittlerweile aber sogar auf über 100 Veröffentlichungen. Jubiläen werden ja gern für Rückblicke genutzt – so auch hier. Drei Tracks aus dem Moon Harbour-Katalog wurden herausgefiltert und klanglich in die Gegenwart des Labels gerückt.

Ein Stück ragt besonders heraus: Shonkys Edit von „Basic Needs“, dem gemeinsamen Track von Matthias Tanzmann und Daniel Stefanik. 2006 wurde es veröffentlicht, verrückt. Shonky bringt etwas mehr trockenen Funk in die reduzierten Arrangements des Originals hinein. Kein Stück, dass groß zünden möchte, eher ein tänzelnder Groove mit filigranen Sounds.

Doch in seiner Unaufgeregtheit ragt solch ein Stück eben auch heraus neben dem langatmig dahin marschierenden Tech House-Remix von Nic & Mark Fanciulli.

Interessant noch Matthias Tanzmanns Neuauflage seines eigenen Tracks „Keep On“. Auf seinem ersten Album „Restless“ im Jahr 2008 herausgekommen, deutete es Nachhinein betrachtet an, wo Tanzmann mit seinem Sound hin mag.

Zu super slimmen Arrangements, zur Aufsplitterung der Deepness hin zu den kleinsten noch möglichen Elementen. Insofern klingt sein Remix gar nicht so viel anders. Pointierter und glitchiger, ja durchaus zeitgenössischer.

Moon Harbour Website
Matthias Tanzmann
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Nikolas Noam „Camilla Rhodes“ (Union Jack Records)

Da passiert offensichtlich gerade einiges bei Nikolas Noam – nach „Celeste“ im Januar folgte kürzlich eine neue EP.

„Camilla Rhodes“ setzt nahtlos dort an, wo „Celeste“ aufhörte – bei sphärisch aufgeladenem, unaufgeregtem Deep House. Allerdings klingt „U Got Me“ doch ein wenig offensiver als alle Tracks zuvor.

Auf gute Weise von den eingängig und tight produzierten UK-House-Hypes um Disclosure & Co inspiriert. Dabei aber auch fern von allzu groß ausholenden Dancefloor-Effekten.

„Camilla Rhodes“ kann da vom Spannungslevel her nicht mithalten. Und auch die Remixe zu „U Got Me“ kommen nicht an den Charme des Originals heran. Jacob Phono poltert mit Tech House entlang weniger Track-Elemente.

Krink – nach seinem Ausflug in Leipzig übrigens nach Berlin übergesiedelt – schafft mit dem schleichend-reduziertem Beginn und dem Switch zu einer gedimmten Atmosphäre von „U Got Me“ eine nicht unanziehende Spannung, die dann aber doch zu sehr ins Ravige abtriftet.

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Dub-News mit 45Seven und Jahtari

Welches Format repräsentiert wohl am besten die verschiedenen Styles jamaikanischer Soundsystem-Kultur von Dub bis Dancehall? Richtig, die gute alte 7″. Nicht nur auf Tradition bedachte Reggae-Liebhaber stellen sich kiloweise die kleinen Scheiben ins Regal (oder bauen sich jene Regale gleich daraus), auch die Freunde aktuellerer Offbeat-Mutationen dürften ihre Freude an den handlichen Singles haben.

Mit 45Seven und Jahtari gibt es immerhin zwei Labels in Leipzig, die ihre ganz eigenen Vorstellungen von Dub umsetzen. Dabei überraschen Jahtari neuerdings mit dem neuen Sub-Label Colonel Mustard’s, auf dem bereits zwei Singles veröffentlicht wurden und dass zusammen mit Naram gehosted wird – letztes Jahr kam sein Album bei Jahtari heraus.

Die Trennung macht Sinn: Die Riddims auf Colonel Mustard’s sind eher vom digitalen Dancehall der 80er und 90er beeinflusst als vom 8-Bit-Computerspiele-Soundtrack. Ebenso stehen auch die Vocals diverser Deejays stärker im Vordergrund. Auf der CM-01 ist dies Daddy Freddy – mit einer Reibeisen-Stimme, bei der man unwillkürlich nach Husten-Bonbons sucht.

Die CM-02 featuret Face & Sheenyboo, die als Duo natürlich etwas abwechslungsreicher klingen. Hm, wenn ich jetzt noch den Text verstehen würde … Prägnante Basslines, eingängige Melodien und typische Soundeffekt-Späßchen gibt’s natürlich zuhauf. In den richtigen Händen geht das prima nach vorne. Die Riddims gibt’s ohne Vocals nochmal auf der jeweiligen B-Seite und wurden allesamt von Naram produziert, der bereits mit der March Of The Gremlins LP in Erscheinung trat.

Derweil veröffentlichten 45seven in den letzten Monaten vier neue Singles und setzen ihren Weg fort, dem Dub eine amtliche Frischzellenkur zu verpassen. Wie auch Jahtari scheint man hier einen Nerv zu treffen – anders lassen sich immer neue Artist-Namen auf dem Label sowie die rasante Veröffentlichunspolitik nicht erklären.

Auf der Nr. 8 fahren Dub Across Borders mit „Dub Over Distance“ das Tempo zunächst zurück, um auf der zweiten Seite mit Marimba-Einflüssen und treibenden Percussions in „Dub Pacifico“ zu überraschen.

Jahdubtahz erinnern uns auf der Nr. 9 mit dem leichtfüßigen Jungle in „Dub Street“ daran, dass es Zeit für einen Jahreszeitwechsel wird – ein richtiger kleiner Sommerhit. Beim „Long Lost Dub“ steht dank schwerer Bässe dafür wieder die Tiefe des Dub im Mittelpunkt.

Mit viel Hall auf den Samples, immer wieder hereinbrechender Breakbeats und einer schiebenden Hi-Hat beginnt die Nr. 10 – „Frankie“ verweist auf verspielte Weise auf die Sound-Historie im Dub. Auf der zweiten Seite zeigt sich Beam Up mit „Helden“ etwas aufgeräumter, aber nicht weniger humorvoll.

Die Nr. 11 kommt von Diphasic und macht mit klassischen Signals eine klare Ansage, für die Jungle-Soundsystems der Welt gedacht zu sein. „Backbone Dub“ ist dabei überbordernder als „Reason“, welches mit seinem Fokus auf die Percussions Verweise zu den Breakbeats von Jazzfunk-Breakbeats a la Incredible Bongo Band zulässt. Funky!

Faszinierend an der Reihe ist die konstanten Freude am Experiment mit verspielten Rhythmen, ohne dabei verkopft die Tanzfläche außer Acht zu lassen.

Jahtari Website
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Pentatones „Ouroboros“ (Lebensfreude Records)

Letzten Freitag ist das neue Album „Ouroboros“ der Teil-Leipziger Pentatones erschienen. Allerdings interessiert sich gerade niemand dafür.

Grund ist ein Video bei Noisey, das Sängerin Delhia de France dabei zeigen soll, wie sie sich angeblich das Key Visual des Albums – ein schwarzer Kreis mitten im Gesicht – tätowieren lässt. Eine durchaus gelungene Idee, um im Internet viral steil zu gehen und es in all die Blogs und Medien zu schaffen, für die ein Thema wie die Pentatones sonst zu wenig Klick-Potential hätte.

Es ist aufgegangen: Einige reichweitenstarke Blogs sind darauf angesprungen, mittlerweile auch große Boulevard-Medien – hinzu kommen all die Kommentargeschwüre bei Facebook. Eine Präsenz, die sich wahrscheinlich jede noch nicht allzu bekannte Band wünscht. Allerdings ist kaum bis gar nicht von dem neuen Album die Rede. Wahrscheinlich reicht es aber, um den Pentatones in den letzten Nestern des Landes etwas Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Spannend ist auf jeden Fall, an einem relativ nahe stehenden Beispiel zu erleben, welche Kraft solch virales Marketing freisetzen kann. Wie sich die Trigger-Welle quer durch den Gossip-Sumpf lostreten lässt. Ob die Pentatones das bloßstellen wollten? Oder es einfach ausnutzen?

Durchaus nachvollziehbar klingt das Statement von Delhia de France im taz-Artikel, dass es „in Deutschland zu wenig Glamour in der Popmusik“ gäbe. Künstlerische Inszenierung über die Musik hinaus gehörte schon immer zu den Pentatones, die Aktion übersteigert sie nun nach den Maßstäben der viralen PR. Man kann das leicht schrecklich doof finden, andererseits grätscht es auch den Bodenständigkeitswahn aus der Spur, dem sich besonders prominente Künstler gern hingeben.

Eigentlich hätte „Ouroboros“ auch ohne dieses Bohei das Zeug für mehr Wahrnehmung gehabt. Denn es ist in seinen Brüchen zwischen Pop, Elektronik, Opulenz, Mystik und ganzheitlicher Inszenierung so überzeugend und selbstbewusst, dass man es nicht einfach links liegen kann.

Blieb das Vorgängeralbum „The Devil’s Hand“ in seiner Vielschichtigkeit stilistisch vage, wurden die Fäden bei „Ouroboros“ enger beisammen gehalten. Es herrscht durchweg eine in sich geschlossene, spannungsgeladene, düstere Atmosphäre, die sich mal mehr mal weniger ätherisch entwickelt. Mit erfreulich kleinteiligen Sounds und subtilen Arrangements. Das Bild der selbstverzehrenden Schlange aus der griechischen Mythologie hinter dem Albumtitel scheint da als konzeptioneller Rahmen nicht unpassend.

Pathos ist seit jeher ein wichtiges Element bei den Pentatones – wie sooft polarisiert es, wirkt gleichermaßen überfordernd und anziehend. So ist es auch bei „Ouroboros“, das an vielen richtigen Stellen berechenbare Momente umwirft und damit eigene Spannungsbögen aufbaut, dann aber ebenso an seiner spirituellen Ernsthaftigkeit schwer trägt.

An verschiedenen Orten seien die Songs in mehreren intensiven Sessions entstanden, heißt es. In Berliner, Amsterdamer und Leipziger Home-Studios, in einer Schwarzwälder Hütte, in den Utrechter Kyteman Studios und nicht zuletzt in Zusammenarbeit mit dem wunderbaren Robot Koch.

Dessen Einfluss habe ich im Vorfeld auf jeden Fall überschätzt. Tatsächlich hatte ich angenommen, dass durch ihn als Produzent ein Tick mehr rhythmische Freshness reinkommt. Seine Qualitäten bei „Ouroboros“ liegen aber offensichtlich woanders, subtiler eingewoben. Wie auch immer: „Ouroboros“ ist ein gehöriger Sprung für die Pentatones – dramaturgisch, ästhetisch und ja, im Aufbau einer breiten Bekanntheit.

Pentatones Website
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Offtopic – Musikjournalismus

Die Schnittmengen zum Splash Mag liegen zwar bei nahe null, aber seit kurzem gibt es den Mitschnitt einer spannenden Diskussionsrunde.

Um Musikjournalismus geht es hier gut 90 Minuten lang. Geladen sind Online- und Print-Journalisten der für HipHop-Kreise relevanten deutschen Medien. Und es wird angenehm offen und kritisch über den Status quo des Musikjournalismus debattiert.

Um Gossip für Klicks, die Rezension als weiterhin wichtiges Format, das Changieren zwischen journalistischer Freiheit und finanziellen Abhängigkeiten und nicht unwichtig: die schnell fließenden Grenzen im coolen Dude-Business.

Nerd-Talk, klar. Und auch sehr im HipHop-Kontext angelegt. Allein eine solch epische Auseinandersetzung mit den mehr oder weniger realen Beefs zwischen verschiedenen Künstlern gibt es in der elektronischen Musik so kaum.

Dennoch ist ein Großteil der Diskussion allgemeingültig genug, um auch selbst zu reflektieren, was passiert und was nicht. Daher ein Tipp offtopic – das könnte übrigens eine eigene Reihe hier auf frohfroh werden. Für Offtopic-Themen.