In eigener Sache

Seit sechs Jahren betreibt Jens frohfroh und begleitet das Geschehen rund um elektronische Musik in und aus Leipzig. Jetzt geht frohfroh in die Pause – aber nur halb. Allerhöchste Zeit für einen kleinen Rückblick.

Neben der Party-Tipps für unzählige Wochenenden (und manchmal auch für die Tage dazwischen) bilden vor allem die Plattenkritiken die Produktivität der lokalen elektronischen Musik-Szene ab. Hinzu kommen Interviews, Studio-Einblicke und mehr. Aber auch die Entwicklung der Stadt selbst lässt sich – nicht zuletzt in den Diskussionen im Kommentarbereich – im Blog mitverfolgen. Kein Wunder, ist die Clubkultur doch eng mit der Berichterstattung um „Hypezig“ verknüpft.

In den letzten sechs Jahren ist viel passiert: Unzählige neue Labels und Releases, Musiker und DJs, Party-Reihen und Locations kamen und gingen, einige davon haben sich etabliert, andere lassen nur gelegentlich von sich hören. Ganze Stadteile verändern sich, an jeder Ecke gibt’s Open-Air-Partys.

Ich weiß gar nicht mehr, wann und wie genau ich frohfroh entdeckte. Schnell wurde es für mich aber zur regelmäßigen Lektüre, um über die aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben. Klar, die Wochenendplanung ist auch um einiges einfacher geworden. Irgendwo auf dem Weg von der Flyer-, Email-Newsletter- und Internetforen-Vergangenheit zu den öffentlichen Facebook-Events der Gegenwart sammelt frohfroh munter Party-Ankündigungen auf.

Seit einigen Monaten unterstütze ich Jens mit Beiträgen. Wie ihr bemerkt habt, ist es trotdem etwas ruhiger geworden. Jens legt erstmal eine Pause ein. In der Zwischenzeit kümmere ich mich um frohfroh. Hier wird es also auch weiterhin Party-Tipps und Rezensionen geben. Vielleicht in etwas langsameren Tempo.

Ihr habt Ideen, Tipps oder sonstige Anregungen? Euer Feedback ist sehr willkommen. Zum Beispiel in den Kommentaren.

Genießt den Sommer,
Christoph

Filburt „Reworks #1“ (O*RS)

Mit der „Reworks #1“ scheint eine weitere Reihe auf O*RS ihren Anfang zu nehmen. Die Katalognummer „FBRT“ weist daraufhin, dass Filburt hier eigenen Remixen nochmals mit einem Vinyl-Release Aufmerksamkeit verschafft – zu Recht.

Vier Tracks sind auf der ersten EP versammelt. Dabei zeigt sich in der Gegenüberstellung, wie unterschiedlich die Ergebnisse ausfallen können.

Mit lässigen Claps bricht Filburt die HipHouse-Nummer „Drop It Low“ von Jan Ketel feat. Onosizo & Lil’Ann auf den Kern herunter und unterschlägt auch gleich mal den weiblichen MC des Originals. Der Sexyness tut das keinen Abbruch. Ab der Mitte schleichen sich dann elegante Chords rein.

Ähnlich zurückhaltend beginnt seine Version des Micronaut-Stücks „Parallax“, bei dem vor allem zwei Loops der Vocal-Parts im Zentrum stehen. Mit viel Liebe zum Detail im Drum-Work schwelgt Filburt hier in der melancholischen Atmosphäre des Originals, ohne aber den Pop-Pathos zu übernehmen.

Sehr ähnlich funktioniert auch der Remix zu Yannick Labbé’s „All Of It“ und obwohl Filburt hier nicht ganz so plump stampft wie das Original, kommt er nicht an die beiden vorhergehenden Remixe ran. Vielleicht liegt es an den Vocals, vielleicht am direkten Vergleich.

Zum Abschluss erliegt Filburt dann mit seiner Bearbeitung von „Take A Look“ ganz dem Stadion-Pop-Pathos des Songs von Baru. Das passt sicherlich auf so manches Sommer-Open-Air, mit etwas Mut zum Kontrast hätte hier aber Spannenderes passieren können.

Filburt bei Facebook
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Sneaker „Holistical EP“ (Lunatic)

Die neue Lunatic wird diesmal vom Uncanny Valley-Artist Sneaker bestritten, der sich nicht zuletzt unter seinem Alias „Dunkeltier“ auch dunkleren Genres wie Wave und EBM widmet. Folglich sollten die drei Tracks, die er uns hier um die Ohren haut, nicht überraschen.

Der titelgebende Track „Holistical“ stellt dabei auf einem knochentrockenen Beat Tagebucheinträge der polnischen Grafik-Designerin Ewa Smyk in den Vordergrund. Über 13 Minuten entwickelt sich dreckig-hypnotischer Funk.

Ebenso kraftvoll folgt der Dunkeltier-Edit von „Queen For A Night“: ein düsteres Electro-Monster mit dramatischen, polyrhytmischen Streicher-Samples, die so manchen DJ die Übergange vermasseln könnten.

Das dritte Stück „Gebet“ setzt auf zurückhaltende, auf einem Ondes Martenot eingespielte Melodie-Samples, die einen harten, verstörenden Kontrast zu dem kompromisslos simplen Drum-Loop bilden.

Eine irre EP, mit der Lunatic dem nahenden Sommer eine finstere Absage erteilt.

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Killah Tape & Dis Side Ah Town

Von Jamaika via Leipzig in den Orbit: Unbeirrt trägt Jahtari weiter seinen Anteil am Dancehall-Universum bei. Aktuell mit einer neuen EP und einem neuen Album.

Dabei knüpft die „Killah Tape EP“ an die Dancehall-Tunes des neu gegründeten Sub-Labels Colonel Mustards an: Vocals von Junior Roy, Colonel Maxwell, Peter King und Asher Senator begleiten die Riddims des dänischen Duos Maffi.

„Bad Memory“ ist dabei eine Art Cover-Version des gleichnamigen Stücks von 1985, auf dem sich Peter Kirn originell mit der eigenen (vermutlich Cannabis-bedingten) Konzentrationsschwäche lyrisch auseinandersetzt. Für alle, die aufgrund derselbigen nur schwer auf die Texte achten können, hat Disrupt zwei der Riddims als Dub-Versionen überarbeitet. Auf jeden Fall schönes Futter für die Soundsystems.Etwas mehr Aufmerksamkeit verlangt das Album „Dis Side Ah Town“ von Roger Robinson, der als Teil von King Midas Sound besser bekannt sein sollte. Anstelle von The Bug stammen die Riddims hier aber von Disrupt und orientieren sich stärker an klassischem Dub. Unglaublich, wie gut Robinsons vorgetragene Dub-Poetry sich mit den Instrumentals ergänzen.

Das Album ist von den Riots in London 2011 inspiriert, die Robinson miterleben durfte. Entsprechend ernst fallen auch die Lyrics aus, die das Leben in Brixton beschreiben und wahrscheinlich den Ursachen der Riots auf den Grund gehen.

Zwischenzeitlich wird das Album bei „It Soon Come“ regelrecht beklemmend, endet aber mit positiveren Vibes bei „Wheel And Come Again“. So oder so, um die Texte zu Verstehen lohnt es sich, „Dis Side Ah Town“ mehmals zu hören.

Vielleicht ist das die thematisch ernsthafteste Platte auf Jahtari überhaupt – für mich gehört sie derzeit zu einer der besten des Labels. Für alle, die von Roger Robinson mehr hören wollen, sei auf seine Download-Ecke auf seiner Website sowie sein weiteres Solo-Projekt Horsedreamer verwiesen. Und ein tolles Video gibt es.

Zum Vorhören bitte hier und hier lang.

Jahtari Website
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Various Artists „Ov3r Contruct10n Vol. 3“ (Alphacut Records)

Neues von Alphacut: Während auf den Sublabels Alpha Cutauri und insbesondere 45seven eine Menge neuer Platten herauskamen, blieb es um das Mutterschiff Alphacut zuletzt ruhig.

Nun wird mit der Labelnummer 3000 die Jubiläums-Trilogie „Ov3r Construct10n“ abgeschlossen. Jubiläum?! Wir erinnern uns: Das zehnjährige Bestehen 2013 feierte das Label mit drei 10″-Singles, auf denen Alphacut-Artists Stücke des Katalogs remixen.

Allerdings erscheinen diese mit einem etwas gemächlicheren Rhythmus (jährlich) als die regulären Alphacut-Maxis. Der Freude an der trockeren, verbreakteren Seite im Drum & Bass hat das keine Abbruch getan.

Phuture T’s vergleichsweise friedvolles „Amazon Basin“ wird von Fade einmal komplett zum Dancefloor-Killer umgebaut, der im Verlauf der fast sechs Minuten den Druck immer weiter erhöht und ein regelrechtes Breakbeat-Massaker hinterlässt. Gefährliches Ding!

Der Kodama-Remix von „The Bomb“ greift die Sounds des Originals von Hexer deutlicher auf und verdichtet das Original. Immer wieder bremsen hier die Breakbeats ab, um dann – von intensiven Cymbals begleitet – den Faden wirkungsvoll aufzunehmen.

Wenn es eine Ansage mit der dritten„Ov3r Construct10n“-10″ gibt, dann wohl die, dass Alphacut auch weiterhin uns seine Ergebnisse der Breakbeat-Forschung geballt um die Ohren hauen wird.

Alphacut Records Website
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1 Jahr Institut fuer Zukunft – Interview

Seit einem Jahr gibt es das Institut fuer Zukunft. Zwischen anfänglichem Hype und unterschwelligem Mythos ist der Club mittlerweile in der Club-Realität angekommen. Zeit für ein erstes Resümee, Zeit für ein Interview.

Am ersten Mai-Wochenende 2014 eröffnete mit dem Institut fuer Zukunft ein Club, der noch vor seiner Eröffnung so viel Aufmerksamkeit auf sich zog, dass die Erwartungen entsprechend hoch ausfielen. Dass hier ein besonderer Ort für Leipzig entstehen würde, konnte auch der holprige Start nicht wirklich in Frage stellen. Auch wenn er die Nerven vieler auf eine harte Probe stellte.

Seit September läuft das Institut fuer Zukunft regelmäßig, aber längst nicht perfekt. Der Club als Prozess, als gelebte soziale Utopie, gleichermaßen ein Ort des Exzesses und der permanenten Reflexion – mit diesem Hintergrund bietet das Institut fuer Zukunft ein Jahr nach seiner Eröffnung tatsächlich einen spannenden Gegenpart zum klassischen Club-Betrieb.

Zum Interview werden zwei Sofas vor den Eingang getragen. Es ist einer der ersten wirklich warmen Tage des Jahres. Für das Gespräch nahmen sich Tobias, Xaver und Niklas Zeit, drei Leute aus einem weit größeren Kollektiv, das hinter dem Club steht.

1 Jahr Institut fuer Zukunft – was geht euch in diesen Tagen durch die Köpfe?

Xaver: Vor allem durch das Wetter fühle ich mich gerade an die Zeit von vor einem Jahr erinnert, weil es schon eine krasse, intensive Zeit auf der Baustelle war. Da kommen mittlerweile auch schöne Erinnerungen hoch, auch wenn es damals ganz schön krass für alle war.

Niklas: Es ist auch eigenartig: Nach einem Jahr merkt man, dass es eine Struktur gibt. Und es gibt auch kein Zurück mehr.

Tobias: Ich finde, dass das Jahr total schnell rumgegangen ist, es ist alles noch im Fluss. Man schaut, wie Sachen funktionieren oder eben nicht, Sachen müssen neu durchdacht werden. Dadurch verändert sich alles kontinuierlich – mir kommt es deshalb eher wie ein sehr kurzer Zeitraum vor, nicht wie ein Jahr.

Ich habe noch einmal in dem Text zu eurer Crowdfunding-Aktion nachgeschaut. Da hattet ihr das Ziel definiert, eure Vorstellungen davon verwirklichen zu wollen, was ein guter Club bieten sollte – ohne Kompromisse. Wie weit seid ihr diesem Ziel nach einem Jahr näher gekommen?

Tobias: Wir sind mittlerweile an einen Punkt gekommen, an dem wir auch ein taktisches Verhältnis zu dem Ganzen bekommen haben. Wir versuchen uns auf einen Mittelweg zuzubewegen, hin zu einer Balance, weil so ein Laden auch wirtschaftlich funktionieren muss. Es hat sich gezeigt, dass manche zu experimentelle Veranstaltungen nicht wirklich funktionieren. Da suchen wir gerade nach einem Gleichgewicht, um Sachen zu bringen, die über den Tellerrand hinaus schauen und genauso als Club- und Tanzveranstaltungen funktionieren, bei denen die Leute einfach tanzen und nicht irgendwelche Avantgarde-Musik hören wollen. Deswegen würde ich das Statement zu der Crowdfunding-Aktion nicht revidieren, aber ist da ein Veränderungsprozess notwendig gewesen.

Xaver: Das Safer-Clubbing-Konzept funktioniert sehr gut. Das wurde von Anfang an angenommen. Es ist bisher auch einzigartig in dieser Form. Wir versuchen auch, den Laden so weit wie möglich kollektiv zu führen, was kulturelle und inhaltliche Sachen angeht – und das funktioniert auch gut. Wir haben regelmäßig Treffen mit den unterschiedlichen Arbeitsgruppen. Alle zwei Monate gibt es auch ein großes Treffen mit 50 Leuten, bei denen wir uns mit eigenen Befindlichkeiten und Bedürfnissen auseinandersetzen.

Tobias: Das erwarten wir auch bei Gastveranstaltungen – um noch einmal auf das ‚Ohne Kompromisse‘ zu kommen. Wir wollen da die Standards, wie hier zusammengearbeitet wird, auch bei denen erfüllt sehen, die hier Veranstaltungen machen wollen.

Es war gerade von den experimentelleren Sachen die Rede, die nicht immer so funktionieren – gab es noch andere Bereiche, in denen ihr Kompromisse eingehen musstet?

Xaver: Bei den eigenen Erwartungen mussten wir Kompromisse eingehen, weil uns doch schnell der Alltag hier eingeholt hat – mit viel betrieblicher Arbeit, Papierkram und Verwaltungsmist. Aber wir wissen trotzdem noch wofür wir es machen – und das ist gut.

Aber gab es beispielsweise baulich Dinge, die noch nicht so umgesetzt werden konnten, wie ursprünglich geplant?

Tobias: Ja. Wir schaffen es jetzt erst, dass in Kürze der zweite Toilettentrakt eröffnet wird. Das hätten wir, wie viele andere Sachen wie mehr Sitzmöglichkeiten und Ecken zum Chillen im Club, natürlich gern viel eher geschafft. Da mussten wir auch finanziell Kompromisse machen und weil zeitlich auch nicht alles gleich zu schaffen ist. Die größte Herausforderung war für uns der Winter, weil es hier keine Heizung gibt. Das war das krasseste Problem überhaupt, das sich in alle Richtungen ausgewirkt hat – auf die Stimmungen bei Veranstaltungen, auch auf die Zahl an Leuten, die hier herkommen, wenn es kalt ist – und darauf, wie lange sie hier bleiben. Das hat uns das meiste Kopfzerbrechen bereitet.

Die Heizung müsst ihr irgendwann selbst einbauen oder ist das Sache des Vermieters?

Xaver: Das ist Sache des Vermieters. Er spricht eigentlich davon, dass es jeden Moment passieren könnte. Das sagt er allerdings seit zwei Jahren. Wir sind da weiter in den Verhandlungen und gehen davon aus, dass die Heizung in diesem Sommer kommt.Bild: Tobi Tais-toiNoch einmal zurück zum Start. Der lief nicht sehr rund – die verspätete Eröffnung, danach gleich die Schließung und dann Sommerpause. Was waren die großen Stolpersteine?

Xaver: Ich glaube, wir sind zu blauäugig herangegangen. Wir haben wohl zu sehr erwartet, dass alles nach unserer Nase läuft. Auch in der Zusammenarbeit mit den Behörden. Wir haben alles recht kurzfristig geplant und hatten wenig Zeit nach hinten raus. Und die Ämter haben natürlich nicht so nach unserer Pfeife getanzt.

Tobias: Wir haben uns auch einfach auf Zusagen verlassen, auf die man sich nicht so blauäugig hätte verlassen sollen. Am Ende hatten wir Zusicherungen, alle Abnahmen waren gelaufen und dann haperte es an Kleinigkeiten wie einzelnen Unterschriften.

Xaver: Dann ist die Bearbeiterin im Urlaub, die Stellvertreterin ist krank und plötzlich dauert alles drei Wochen. Wir hatten aber schon die ganzen Veranstaltungen geplant, DJs eingeladen und mussten dann alles absagen, was ziemlich frustrierend für uns war. Aber im Endeffekt war es nicht schlecht, dass wir mehr Zeit hatten, um im September richtig zu starten. Im Nachhinein hätte es uns wahrscheinlich auch überfordert, gleich mit dem normalen Betrieb einzusteigen, weil zur Eröffnung lief beispielsweise eine halbe Stunde bevor die Türen aufgingen der Strom das allererste Mal über das System. Und gleich die nächste Woche darauf wieder Programm zu machen, wäre wohl zu viel gewesen.

Tobias: Den Backstage gab es damals noch nicht einmal. Als die Türen offen waren, wurden da erstmal ein paar Lampen angebracht.

Die Zeit euch selbst noch einmal zu nehmen, war euch aber zu heikel – also zu sagen, wir warten noch ein halbes Jahr?

Xaver: Ich glaube, dafür war der positive Stress vor der Deadline, die wir uns selbst gesetzt haben, zu groß, um noch einmal alle Kräfte kanalisieren zu können. Das war auch eine ziemlich gute Erfahrung für alle 50 bis 70 Leute, die hier gearbeitet haben.

Tobias: Drei Tage vor der Eröffnung sah es hier aber nicht so aus, als ob man einen Club da drin aufmachen kann.

Niklas: Wir sind halt auch alles Zecken und schlafen gern mal länger. Wir mussten uns da auch selbst disziplinieren und Sachen nicht nur halb, sondern richtig angehen. Deshalb war die Deadline wichtig. Wir haben natürlich ein wenig die große Fresse gehabt und mussten dann auch was zeigen.

Tobias: Aber vielleicht dauern bei uns deshalb manche Sachen mal länger, weil wir die meisten clubrelevanten Dinge auf unseren wöchentlichen Treffen besprochen werden. Und dort wird darüber entschieden. Natürlich müssen auch ad-hoc Entscheidungen getroffen werden, aber vieles entscheiden wir eben zusammen. Und bei vielen Dingen und Arbeiten im Club sprechen sich Leute aus einzelnen AGs ab – das klappt mal mehr mal weniger gut. Je nachdem wie es die Leute auch schaffen. Es funktioniert nicht wie in einem normalen Betrieb, in dem ab 8 Uhr die Stechuhr läuft.

Nach dem Start waren es also hauptsächlich die Ämter, die euch einen Strich durch die Rechnung gezogen haben?

Xaver: Das war ein wenig selbst verschuldet, weil wir zu knapp kalkuliert hatten. Als wir die Genehmigung endlich hatten, war es allerdings schon warm, so dass wir nur vereinzelte Veranstaltungen gemacht haben, weil es uns mit der Sommerpause zu unsicher war. Es war aber auch notwendig, nach so einem intensiven halben Jahr auf der Baustelle noch einmal zur Ruhe zu kommen und durchzuatmen und zu rekapitulieren, wie wir einen regelmäßigen Betrieb aufnehmen können.

Ihr seid demnach gar nicht in ein Loch gefallen nach der Schließung?

Tobias: Erst war es eine Zwangspause und dann war es doch eine bewusste Entscheidung für die Sommerpause, um noch einmal runterzukommen und in den Urlaub zu fahren. Das hat natürlich auch andere Probleme mit sich gebracht, weil hier weitergearbeitet und Bauarbeiten bezahlt werden mussten, ohne laufenden Betrieb. Aber trotzdem war die Pause rückblickend gut.

In dem aktuellen Newsletter steht ‚Die Chaos Kids professionalisieren sich‘ – wo gab es konkret Nachholbedarf?

Xaver: Eben weil das Institut fuer Zukunft so ein Community-Ding ist, müssen viele Leute kommunizieren und sich absprechen. Dafür müssen auch Kommunikationswege geschaffen werden, damit jedes Zahnrad ineinandergreift. Das hat etwas gedauert. Seit September haben wir regelmäßig reflektiert, was funktioniert, was nicht, wo ist Nachholbedarf. Und die Sachen daraus haben wir auch versucht, umzusetzen – sowohl bei der Arbeit im Büro und den Fragen, ob man sich in Buchhaltung reinfuchsen muss und wie man sich Deadlines setzt, damit alles rechtzeitig da ist. Und auch, wie man in Stress- und Konfliktsituationen miteinander umgeht, wie auf Kritik von innen und außen reagiert wird, das musste auch erst seine Form finden. Vor einem Monat hatten wir eine Zukunftswerkstatt, bei der es genau darum ging, Kritikpunkte zu erkennen und Lösungen zu finden.

Austausch heißt in erster Linie Plenum?

Tobias: Manchmal passiert es in normalen Treffen, wenn ein paar Leute zusammen sitzen, manchmal aber auch mit einer Art Mediation, mit jemandem, der das leitet und Struktur reinbringt – es braucht eine Form und eine Bündelung, wenn 40 bis 50 Leute zusammen sitzen. Es gibt als Struktur gemeinsame Treffen und Arbeitsgruppen, wie für Booking oder Tür. Die arbeiten selbstständig, haben aber auch Rechenschaft auf den gemeinsamen Treffen abzulegen.

Holt ihr euch dafür auch Input von außen? Dem ://about blank steht ihr nahe, die feiern gerade ihr fünfjähriges Bestehen. Da gibt es also einige Erfahrungen mehr.

Xaver: Auf jeden Fall, das ist unsere große Schwester, die uns immer mit Rat zur Seite stand. Von dort kam eine sehr große Hilfe.

Tobias: Wir tauschen uns aber auch mit den anderen Läden in Leipzig aus. Innerhalb der LiveKomm-Treffen gibt es einen Austausch. Oder wir rufen uns an, wenn es konkrete Fragen gibt – wie regelt ihr das mit Karfreitag beispielsweise.

Wie viele Aktive gibt es?

Xaver: Es sind 120 Leute, die eine Mitarbeitermarke haben, aber das Umfeld umfasst noch mehr Leute, die hier ehrenamtlich mitarbeiten oder sich dem Laden verbunden fühlen.

Und kommen auch noch neue Leute hinzu oder hat sich ein Kern entwickelt, der für Neue vielleicht auch schnell hermetisch wirken könnte?

Niklas: Gerade hat sich schon ein Kern herausgebildet. Es kommen aber immer auch neue hinzu.

Tobias: Es gibt einen Kern, ja. Viele daraus haben wir auch erst in der Baustellenzeit kennengelernt, weil sie sich einfach gemeldet haben. Es gibt aber nach wie vor viele Leute, die dazu kommen. Wir sind auch offen dafür, es gibt immer die Möglichkeit, zu dem Projekt dazu zu stoßen. Natürlich ist die Zahl der Arbeitsplätze hier begrenzt, aber Mitwirkungsmöglichkeiten gibt es immer.Die Crowdfunding-Aktion war ja ein enormer Erfolg – allein, dass ein neuer Club diese Möglichkeit nutzt und solch eine Summe zusammenbekommt. Sie hat jedoch auch enorme Erwartungen geschürt. Wie hat euch das beeinflusst?

Xaver: Dass es so einschlägt, war für uns auch eine riesige Überraschung. Mit dieser Kampagne sind wir ja auch international auf die Radare der Leute gekommen. Das hat auf jeden Fall viel Druck aufgebaut, besonders nachdem wir nach der Eröffnung erstmal wieder schließen mussten.

Tobias: Da haben wir ganz schön Feuer gekriegt und es wurde Kritik laut.

Xaver: Es war stellenweise schon schwierig, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber dadurch, dass wir dann gleich in die Sommerpause gehen mussten, ist der größte Hype auch ein wenig verflogen. Damit konnten wir mit weniger Erwartungsdruck den Betrieb beginnen, was einerseits positiv war, andererseits aber natürlich auch schade, weil es auch schön gewesen wäre, wenn alles so geklappt hätte, wie wir uns das gedacht hatten.

Tobias: Durch die Pause haben wir wahrscheinlich auch an einem Punkt wieder angefangen, an dem viele andere Clubs auch anfangen, wenn sie erstmals eröffnen. Ohne die Schließung wären wir anfangs vielleicht mehr mit Leuten überrannt worden – was sicherlich auch cool gewesen wäre. Aber so sind wir nun in der gleichen Situation wie andere Läden auch, die ebenfalls in der ersten Zeit zu kämpfen haben. Es gab total gute Monate, es gab aber auch einige schlechte, was aber wohl auch normal zu sein scheint.

War das aber auch ein beruhigender Moment für euch: Einerseits wieder starten zu können, andererseits nicht mehr diesen überhöhten Hype im Rücken zu haben?

Xaver: Das war auf jeden Fall beruhigend. Der August war damals wohl der lässigste Moment seit langem – das war auch nötig. Man kann sich auch nur bis zu einer gewissen Grenze belasten.

Tobias: Ich kann mir heute eigentlich nicht mehr vorstellen, wie es ohne die Pause hätte laufen sollen. Wir können sogar darüber froh sein, dass es diesen Break gab. Vom Arbeits- und Stresslevel ging uns die Bauphase schon allen sehr an die Substanz. Das hat man auch allen angesehen. Zum Opening haben wir alle wahrscheinlich keine Glanzfigur abgegeben.

Ward ihr in der Situation dann auch extrem dünnhäutig für die Kritik, die in der ersten Zeit nach der Eröffnung kam?

Xaver: Nein, ich persönlich nicht, weil es für Leute von außen schwierig war, einzusehen, was alles im Vorhinein passiert ist und wie knapp es war. Deswegen fand ich das nicht so beunruhigend – mit dem regulären Start hat sich das ja dann auch gut eingependelt.

Tobias: Wir haben die Kritik aber natürlich registriert und besprochen. Wir haben überlegt, wie man darauf reagiert. Auf manches haben wir auch reagiert, auf anderes nicht. Über einiges hat man sich vielleicht auch geärgert. Es lässt sich aber wahrscheinlich auch besser abfedern, wenn man eine Crew von mehreren Leuten ist, mit der man sich unterstützen und stärken kann, in dem was man macht.

Wäre eine Crowdfunding-Aktion nochmals eine Option?

Xaver: Wir haben darüber nachgedacht, uns aber dagegen entschieden, weil es schon etwas frech wäre, nach so einem Erfolg und Support noch einmal etwas von den Leuten zu verlangen.

Tobias: Aber grundsätzlich können wir es Leuten nur empfehlen, die ein neues Projekt starten wollen. Abgesehen von der finanziellen Unterstützung war der viel größere Nutzen die Publicity und Werbung, die damit erreicht wurde. Das ist uns auch erst richtig im Nachhinein bewusst geworden. Das hat sich von Anfang an auch auf die Bookings von Künstlern ausgewirkt. Total viele Agenturen und Künstler kannten schon das IfZ – das war für uns vorher gar nicht abzusehen.

Und trägt sich der Laden heute finanziell?

Xaver: Er trägt sich. Aber schon ziemlich knapp. Mit der Sommerpause vor der Tür überlegen wir auch viel, was wir da machen können. Wir haben vor, den Außenbereich zu einem Freisitz und Chill-out-Bereich umzubauen, weil erfahrungsgemäß im Sommer kaum einer im Club sein möchte. Aber damit kann man eine Möglichkeit schaffen, den Laden trotzdem noch attraktiv zu halten.

Tobias: Am 13. Juni, kurz vor der Fusion endet der reguläre Betrieb. Im Juni fahren wir den regelmäßigen Betrieb runter und im Juli kommen nur noch vereinzelte Veranstaltungen.

Bei euch läuft gerade die „Absolute Gegenwart“-Reihe, bei der es auch um Verwirklichung und Selbstausbeutung geht. Wie viel Selbstausbeutung steckt im Institut fuer Zukunft?

Xaver: Die ganze Nummer ist Selbstausbeutung – für eigentlich alle. Es gibt ein paar Leute, die hier Mini-Jobs haben. Und es gibt drei bis vier Leute, die sich Miete und Essen davon kaufen müssen. Was mal mehr, mal weniger gut funktioniert. Wir sind auf jeden Fall von ehrenamtlicher Initiative abhängig. Gedacht war es schon als Ort der Selbstverwirklichung, um eigene Ideen umzusetzen. Aber – wie vorhin schon erwähnt – müssen wir da auch Kompromisse eingehen.

Ist es aber ein Ziel, dass der Club für mehr Leute langfristig eine Existenzgrundlage sein kann?

Xaver: Auf jeden Fall. Aber jetzt müssen wir erstmal durch den Sommer kommen.

Tobias: Bisher kann davon aber keine Rede sein. Es wäre wahrscheinlich auch illusorisch, dass nach einem Jahr zu erwarten.Beim Booking seid ihr sehr underground – so, dass durch euch bestimmt nicht wenige Leute in der Stadt auch neue Artists kennenlernen. Wird das durchweg angenommen oder spürt ihr einen gewissen Namedropping-Druck?

Tobias: Ich würde sagen, es gibt weniger einen Namedropping-Druck, eher den Spagat, dass wir in der ersten Zeit die Tendenz hatten, weniger auf den Dancefloor zu schauen und dafür eher experimentellen Avantgarde-Kram zu buchen. Das ist Leuten, die am Wochenende lieber raven wollen, aber doch zu experimentell. Das ist schon eine Erkenntnis, für die wir uns neue Strategien überlegt haben.

Wenn sich Leute über das Booking mokiert haben, dann weniger, weil die großen Namen fehlten, sondern weil der experimentelle Teil einen zu großen Anteil hatte. Da haben wir schon etwas geändert und werden in den nächsten Monaten noch weiter daran arbeiten. Den Samstag wollen wir mehr für Techno etablieren, bei dem man die ganze Nacht tanzen kann – während die experimentelleren Sachen auf den kleinen Floor kommen bzw. besser in ein funktionaleres Line-up eingebunden werden. Gerade die rein experimentellen Abende waren meist Flops. Das sind eher Nerd-Geschichten, die wir auch gern weiter machen wollen.

Wir wollen den Freitag für experimentellere und verspieltere Sachen nehmen. Der Samstag soll zwar nicht total vorhersehbar, aber zumindest so für die Leute kalkulierbar sein, dass sie abgehen können und dass es auch lange geht. Wo wir auch auf jeden Fall hinwollen, ist, dass klar ist, dass es hier auch bis in den späten Sonntagnachmittag geht. Da muss man die Leipziger Feierleute aber auch noch ein wenig mehr daran gewöhnen.

Ist die Stadt generell zu klein für experimentelle Sachen oder haben die es überall schwer?

Tobias: In Berlin gibt es natürlich eine viel größere Szene, aber auch da gibt es experimentelle Veranstaltungen, die nur ein Nerd-Publikum ziehen. Insgesamt finde ich schon, dass in Leipzig interessierte Leute hinzukommen. Man darf es aber auch nicht überschätzen.

Seid ihr musikalisch dort wo hier wollt – oder fehlen noch Wunschfacetten?

Xaver: Ich würde mir öfter noch Konzerte wünschen – Wave- und Synthie-Kram. Da sind wir auch gerade dran. Aber es ist ein stetiger Prozess, der sich mit unseren Erfahrungen, unserem Geschmack, aber auch dem Geschmack der Leute, die hier herkommen, bewegen wird. Es ist eigentlich kein Standpunkt zu dem man hin will, sondern immer in Bewegung.

Tobias: Ich glaube schon, dass wir gern Acts einladen möchten, die in Leipzig bei vielen erst noch entdeckt werden müssen. Es geht schon um den Spagat, nicht zu verkopft zu buchen und zugleich den Leuten neue Sachen zu zeigen. Ich würde mir noch mehr eigenen Output von unseren eigenen Residents wünschen, aber das ist auch etwas, das im Entstehen ist und Zeit braucht.

Wo seht ihr euch bei der nach wie vor aktuellen Diskrepanz zwischen weiblichen und männlichen Artists in den Line-ups?

Xaver: Wir haben uns selbst die Prämisse gesetzt, dass wir keine Partys machen, bei denen nur Typen spielen. Und das ist uns soweit weitgehend gelungen. Mit „No Show“ haben wir auch eine Reihe bei der nur Frauen spielen und die wurde auch gut angenommen.

Tobias: Wir haben uns aber dagegen entschieden, es zu quotieren, weil es in der Tat schwierig ist, wenn man das einigermaßen anspruchsvoll hinbekommen möchte. Das Problem beginnt viel früher – wie fangen Leute an aufzulegen, wie werden sie gefördert, wie bekommen sie Auftrittsmöglichkeiten. Da wollen wir auch ansetzen. Es gibt einige Frauen aus unserem Kollektiv, die angefangen haben aufzulegen, denen wir Möglichkeiten bieten, hier zu spielen. Es gibt bereits jetzt viele Frauen, die auflegen und Musik machen, man kann aber nicht von einem ausgewogenen Verhältnis sprechen.

Der KRe.V. ist sehr wichtig für die inhaltliche Ausrichtung des Clubs – er scheint autark, aber eng mit euch verknüpft. Wie kann man sich das vorstellen?

Xaver: Der ist schon aus dem IfZ-Kollektiv heraus entstanden. Mittlerweile läuft er autark und es sind auch Leute hinzugekommen, die vorher keinen direkten Kontakt zum IfZ hatten. Das fördert auch noch einmal die eigene Lebendigkeit des Vereins. Er ist tatsächlich unverzichtbar für das IfZ, denn uns ist es sehr wichtig, dass der Club über Techno hinausgeht und dass es eine gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit der eigenen Umwelt gibt. Das ist ein sehr fruchtbares Verhältnis.

Im letzten Newsletter stand, der Dark Room sei fertig, ein zweiter Toilettentrakt ist im Bau – was ist baulich noch geplant in nächster Zeit?

Xaver: Wo heute die Garderobe ist, soll künftig der Chill-out-Bereich hin. Die Garderobe kommt gegenüber der jetzigen Toiletten. Das wird aber eher was für die nächste Saison sein. Der Außenbereich kommt zum Geburtstag.

Tobias: Mehr Sitzgelegenheiten im Club. Unser Licht ist verbesserungswürdig. Die Crew holt das bestmögliche raus – aber das ist eben auch eine finanzielle Frage. Da gibt es aber auf jeden Fall noch einiges zu machen.

Vorhin ging es auch darum, dass ihr aus den Erfahrungen heraus durchaus Kompromisse eingehen müsst. Gilt das auch für die Türpolitik?

Niklas: Ich muss dazu sagen, dass viele von uns schon lange an Türen in Leipzig arbeiten. Das Konzept mit einer strikten Türpolitik ist natürlich nicht neu. Es ist aber schwieriger umzusetzen als wir uns das gedacht haben. Wir können ganz ehrlich sagen, dass wir Fehler gemacht haben und jetzt auch noch Fehler machen. Gerade wenn wir schauen, wer zu einer Party passt, ist das immer ein schmaler Grat. Wir haben natürlich ein Grundgefühl, aber wir müssen uns schon auch etwas anpassen. Wir sind entspannter geworden, können Sachen besser einschätzen. Es sind eben auch Erfahrungswerte.

Es gibt aber nicht den Druck, dass eher Kompromisse eingegangen werden müssen, wenn ein Abend vielleicht nicht so gut läuft?

Xaver: Das ist auch ein Missverständnis. Es gibt keine strikten Kategorien, wer reinkommt und wer nicht. Dass Leute abgewiesen werden, ist der seltenste Fall. Es ist schade, dass die Tür so wahrgenommen wird. Es entspricht auch nicht der Realität. Das gesamte Secu-Konzept ist ja auch so aufgebaut, den Leuten hier einen guten Rahmen zum Feiern zu gewähren. Das ist die Prämisse an der sich auch nichts ändert, wenn wenig Leute kommen.

Niklas: Wir arbeiten da aber auch immer an uns selbst. Wir nehmen die Kritik auch ernst, manchmal bekommen wir Mails von Leuten, die nicht reingekommen sind. Das geht hier nicht unter, es kommt bei unserer Crew an und wir beschäftigen uns mit jeder einzelnen Mail. Es ist nicht so, dass wir darauf keinen Bock haben. Wir sind alles Menschen aus der Szene, die auch selbst feiern gehen.

Tobias: Uns war am Anfang wichtig, dass mit dem Projekt auch eine eigene Tür-Crew entsteht und aufgebaut wird. Wir wollten keine Firma von außen nehmen und damit vermeiden, dass eine Tür so eine Art Eigenleben entwickelt. Die Tür entwickelt sich auch mit dem Projekt und ist genauso wenig perfekt wie viele andere Sachen hier. Es ist ein Prozess aus Weiterentwicklung, immer einer Selbstreflexion unterworfen. Es gibt natürlich auch viele Gerüchte. Auch von Leuten, die noch nie da waren.

Euer Gefühl zum Schluss: Wie hat das Institut fuer Zukunft die Leipziger Szene nach diesem ersten Jahr beeinflusst?

Xaver: Ich denke, dass es das Profil von anderen Läden und Party-Crews geschärft hat, weil es eine weitere feste Institution gibt.

Tobias: Es ist eine Mischung aus Glauben und Hoffen: Ich denke, dass es einige Leute musikalisch auf viele neue interessante Sachen gestoßen sind. Und es gibt nun einen weiteren etablierten Ort in Leipzig, der durch die Kollektivstrukturen hier bestimmte Ansprüche lebt, wie man miteinander umgehen und feiern kann. Auch, dass es hier immer die Möglichkeit gibt, über den Tellerrand hinaus zu schauen. Ich denke, dass wir da weitere Impulse gegeben haben.

Institut fuer Zukunft Website

2. Bild von oben (Eingang): Tobi Tais-toi

Reload Reload

Fast einen Monat Stille hier – abgesehen von den Tipps zum Wochenende. Was ist passiert? Was wird passieren?

Zwei Fragen auf die es keine klaren Antworten geben wird. Vorerst. Ich suche den Reload-Schalter. Ich suche den Sinn, die Kraft, die neuen Ideen. Drei Dinge, die mir nach fast sechs Jahren frohfroh scheinbar abhanden gekommen sind. Gut, dass Christoph nun mit schreibt. Gut, dass eigentlich weiterhin die Zeit für solch eine Seite da ist. Auch gut, dass die spannende Musik aus dieser Stadt nicht versiegt.

Und trotzdem ist etwas nicht klar definierbares geschehen, das entweder Ende oder Zäsur nach sich ziehen wird. Noch fühlt sich die Leere jedoch zu groß, die Sprachlosigkeit zu mächtig und das Herz zu aufgerissen an, um irgendetwas ausloten oder entscheiden zu können. Geduld an mich. Geduld an euch. Was für ein Pathos. Was für ein Frühling, F.!

In der Zwischenzeit ist die Releases Releases-Maschine natürlich weitergelaufen, für die mir aber gerade nicht allzu viele blumige Worte einfallen. Doch Mix Mup hat seine neue, extrem wunderbare „Skip Intro“-EP auf The Trilogy Tapes veröffentlicht. Onetake hat den alten Klassiker „Call“ des heutigen R.A.N.D. Muzik-Betreibers Lynx nochmals nachpressen lassen – und der Vertrieb Hardwax sagt: Sold out.

Markus Masuhr verfeinerte seinen dunkel-loopigen Keller-Techno weiter mit gleich zwei neuen EPs – „Letliva Morge“ und „Modul Alpha“. Auch Holger Records ist wieder dabei. Und schärft die Verbindung nach Köln zum Magazine Label um Barnt und Jens-Uwe Beyer. Beide remixten jeweils „Moonland“ vom spooky-krautigen Dream Weapons-Debüt.

Richtig lang zurück liegt das sehr weit und vernebelt ausholende Ambient-Drone-Tape des Berliners Sovt. Und klar, zwei neue Moon Harbour-Sachen sind in dieser kurzen Zeit auch erschienen, darunter die große Remix-Zusammenstellung zum 10-jährigen Jubiläum von Luna City Express.

Ja, ganz so schlimm kann es nicht sein: Nächste Woche gibt es doch auch etwas spannendes hier.

Various Artists „Family Horror II“ (Kann Records)

„Family Horror“ wird zur Compilation-Reihe von Kann Records. Vier Jahre nach dem Debüt nun die zweite Ausgabe.

Mitte 2011 kam die erste „Family Horror“-Compilation heraus – und sie zeugte mit Tracks von Efdemin, Even Tuell und Johannes Beck davon, dass Kann Records sich als Label auch weit über die Stadt hinaus etabliert hatte.

Mit einem selbstbewussten House-Underground-Habitus, der bis heute gelebt wird. Ohne die ganz großen Hits und ohne die ganz großen Bookings. Dieses Understatement klingt auch auf der „Family Horror II“ mit durch. Und nebenbei macht die Compilation das, was eine gute Label-Werkschau ausmacht: Freunde und den erweiterten Freundeskreis mit neuen exklusiven Tracks featuren.

International steuern die Italiener Hiver und die Schweden Knutsson/Berg ihre Beiträge zum wehmütig-spacigen und deep geerdeten Sound von Kann Records bei. Leipzig klingt mit Perm, QY, dem Lake People-Sidekick Llewellyn sowie dem wunderbaren Falke mit an. Laut Kann Records ist auch das zweiminütige Ambient-Applaus-Interlude „Knochen In Meinem Körper“ aus Leipzig. Wer aber hinter Alko Hole steckt, bleibt offen.

Perms „Untitled“ hallt bei mir stärksten nach: erweitert es den Kann-Kosmos doch erstmals um ein sehr klares und hypnotisch aufgezogenes Stück Techno. Super sparsam aber umso einnehmender die Verschiebungen der wenigen Sounds. Wobei: Auch QY wirken mit ihrem „Kokobay“ einen Hauch konzentrierter und gestreckter – die sonst verspielte Deep House-Lässigkeit links liegenlassend.

Im Acid-Trance-Nirvana dagegen Falkes „Supernova“ – was für ein epischer Ausklang. Eingereiht zwischen die fünf weiteren klassisch schwingende, unterschiedlich nuancierte Deepness ist dies ein mehr als würdiger Nachfolger zur ersten „Family Horror“.

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Chris Manura „Hope“ (Lebensfreude Records)

Eine neue EP von Chris Manura – erstmals beim Berliner Label Lebensfreude.

Auch die Pentatones sind dem Label eng verbunden. Nun also eine weitere Leipzig-Verbindung.

Im Mittelpunkt dieser neuen Manura-EP: „Hope“ – ein introvertiertes House-Stück mit verhaltenen Trance-Ausläufern und einer tief durchdringenden Bassline. Die Balance zwischen angeteastem Pathos und aufgeräumter Einfachheit ist es wohl, weswegen ich hier besonders hängen geblieben bin.

Daniel Stefanik formt „Hope“ dagegen zu einer sich schrittweise steigernden Big Room-Hymne bei der die versteckten Rave-Signale des Originals weitaus deutlicher betont werden. Zum Schluss raus dann doch sehr deutlich.

Bei „Dancing Pony“ fehlen mir insgesamt die packenden Momente, trotz der tollen, sich später überlagernden Harmonie-Layer. Dafür tänzelt „Reliance“ mit leicht breakigem Beat und einer Melancholie, die sich nach hinten raus immer mehr zur Euphorie entwickelt.

Dieses Pendeln zwischen Verspieltheit und unaufgeregter Wehmut scheint immer mehr zum Sound von Chris Manura zu gehören. Ein gelungener Ansatz für House abseits der Peak-Time, wenn auch mir einige Sounds immer wieder entweder etwas plastisch oder zu dick aufgetragen erscheinen.

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Ron Deacon „Hometown“ (Esoulate Music)

Ron Deacon und Esoulate – zwei Namen, von denen in letzter weniger die Rede war. Nun kommt beides auf einmal.

Und zwar in Form einer neuen EP namens „Hometown“. Eine Ode also, an Leipzig. Die klingt bei Ron Deacon so, wie des Öfteren bei ihm in den vergangenen Jahren. In sich versunkene Deepness, gefangen in langgezogenen Momenten. Diese vier Tracks hier auf Esoulate erzählen Ron Deacons Geschichten nicht grundlegend neu.

Müssen sie aber auch nicht – immerhin zählen mit zu den besten der Stadt. Eben wegen jenem unaufgeregten Understatement, das in so vielen Ron Deacon-Tracks mitschwingt. Noch immer bleibt er unbeirrt und lässt die Tracks weit über die 6-Minuten-Grenze hinausschweifen. Mit sanften dramaturgischen Verschiebungen und viel Entfaltungspotential für den deeperen Dancefloor.

„Rush“ wirkt denn doch ungewohnt eingetrübt und schwer – umso heller leuchten zur Mitte hin die hellen angedubbten Chords. Krasser Gegenpart: „Teasing You“. Mit ebenso nostalgischem wie mikroskopischen Sounds und gewissen Hymnenqualitäten entpuppt er sich als der offensivste Hit dieser EP. Es gibt keinen Grund, kein Fan mehr von Ron Deacon zu sein.

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Sven Tasnadi „My Groove“ (Moon Harbour Recordings)

Im Mai kommt das neue Album von Sven Tasnadi. Als Quasi-Vorab-Single kam vor kurzem die „My Groove“-EP.

Vorab-Single ist nicht ganz korrekt, denn „My Groove“ wird gar nicht auf dem Album drauf sein. Sänger Gjeazon spricht hier über eine rollende Bassline und ein unschlüssig pumpendes Tech House-Arrangement.

Doorly aus Los Angeles strafft „My Groove“ etwas mehr, mit größerem Rave-Potential, aber auch ein wenig klassischer House-Deepness. Der Kopenhagener Christian Nielsen betont den Funk mehr – und auch er baut ein paar leuchtende Chords rein, die dem Original ebenfalls gut getan hätten. Allerdings fällt Nielsens Abfahrtsdiktat mir doch arg zu effekthascherisch aus.

Sven Tasnadis Album „All In“ klingt da viel versprechender.

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Neonlight & Wintermute „Edge EP“ (Blackout Music)

Neuigkeiten aus der Rave-Hölle: Neonlight & Wintermute melden sich zurück und zelebrieren wieder die Neurofunk-Härte, für die sie bekannt und berüchtigt sind.

Nicht zu unrecht – man spürt mit jeder Veröffentlichung, dass die beiden ganz genau wissen, wie man das entsprechende Publikum zum schweißtreibenden Herumhopsen animiert. Dass das nicht jedermanns Sache ist, dürfte keine Neuigkeit sein, gibt es in der eigentlich nicht so großen Drum & Bass-Szene seit geraumer Zeit ziemlich klar voneinander abgegrenzte Geschmacks-Fronten.

Der auf maximalen Effekt abzielende Sound von Neonlight & Wintermute funktioniert dann auch eher in größeren Locations und bei tendenziell jüngerem, energiegeladenerem Publikum – schwieriger wirds dafür bei mir im Wohnzimmer …

Orchestral und, naja, kitschig beginnt das Intro bei „Influx“, welches sich mit etwas uninspirierten Techstep-Parts abwechselt. Das Thema wiederholt sich dann einige Male, für die obligatorischen Pausen zum Durchatmen. Puh, da komm ich gar nicht ran.

Etwas cleverer, weil weniger starr, dann das Drum-Programming bei „Guinea-Pig“, das mich an Tracks von Photeks TekDBZ-Label erinnert. Doch, die Quietsche-Laser-Sounds machen Spaß und die kalt-technoide Direktheit hat was. Auch der Umstand, dass der Track trotz seiner Fülle vergleichsweise abgespeckt daherkommt, könnte ihn als Tool für DJs interessant machen, die sonst weniger überladenen Drum & Bass mögen.

„Insomnia“ fällt dagegen wieder zurück – vielleicht sind es die Trance-Melodien oder der Knarz-Bass, der mich hier abschreckt. Oder die Überladenheit, die an Egoshooter erinnert und mal gar nicht zur Feierabendstimmung passt.

Bei „Never Stop“ funktioniert das besser, obwohl dieselben Zutaten verwendet werden. Liegt sicherlich auch an den verwendeten Sounds – bei so extrem auf Sounddesign ausgerichteter Musik auch nicht verwunderlich, macht sich hier die Wahl der Snare deutlicher bemerkbar als in vielen anderen Genres.

„Posthuman“ scheint auch der Track-Titel zu sein, der am ehesten diese Soundästhetik widerspiegelt. Hier liegt der Fokus wieder auf peitschenden Beats und der Drop wird eher von Videospiel-Vocals als von übertriebenen Melodien bestimmt. Das tut der Sache merklich gut.

Die fünf Tracks erscheinen beim niederländischen Label Blackout und werden sich dort im Neurofunk-Techstep-Olymp zwischen Noisia, Black Sun Empire und Current Value garantiert pudelwohl fühlen.

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