Luna City Express „Magic Bazar“ (Moon Harbour Recordings)

Drei neue Tracks von Luna City Express. Die Überraschung kommt aber von Matthias Tanzmann.

Das Berliner Duo war ja im Prinzip der übrig gebliebene Deep House-Zipfel im Moon Harbour-Katalog. Die Betonung liegt auf war. Zumindest beim Hören der neuen „Magic Bazar“-EP. Denn die drei Tracks klingen sehr auf Label-Spur gebracht. Mitsamt der sich schwarmartig hochpeitschenden Rave-Sirenen der letzten EPs.

Der Titel-Track ist für Luna City Express-Verhältnisse ungewohnt offensiv. „Are You Ready“ dann wiederum ungewohnt belanglos. Einzig „I Don’t Think So“ sticht durch seine Downbeat-Wärme heraus.

Matthias Tanzmann ist aber die eigentliche Überraschung dieser EP. Sein Remix von „Magic Bazar“ ist wahrscheinlich sein schroffstes Stück überhaupt. Ist er das denn wirklich, oder ein Druckfehler? Die weithin wieder entflammte Faszination für düsteren Techno scheint auch an ihm nicht ganz spurlos vorübergegangen zu sein. Während sich die erste Hälfte in der hypnotischen Reduktion austobt, wird es im späteren Verlauf teilweise beängstigend großspurig.

Im letzten frohfroh-Interview sprach Tanzmann vom Vibe der Orte, der ihn musikalisch inspiriere. War es anfangs die Distillery, verlagerte sich der Input später auf die Ibiza-Afterhours. Kommen jetzt auch die größer werdenden Venues als Inspiration hinzu?

Ein überaus polarisierendes Stück. Aber eigentlich ist das viel Wert in Bezug auf Moon Harbour.

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Schräger Shit

Wer baut die schrägsten Tracks in der Stadt? Efka & Axel Thoma sind nicht weit von der Trophäe entfernt. Fast zeitgleich erschienen vor zwei Wochen zwei EPs der beiden.

Okay, aber was heißt eigentlich schräg? Ungewöhnlich? Verstörend? Albern? Rückblickend auf die ersten beiden Compilation-Beiträge von Efka & Axel Thoma bei Esoulate Music ist es eher letzteres. Minimal mit verdrehten Sounds, skizziertem Funk und einigen Rave-Anleihen. Mir ist das meist zu plastisch, irgendwie zu unruhig.

Was man den beiden aber keineswegs vorwerfen kann, ist Engstirnigkeit. Besonders bei der „Melting Pot EP“ auf Esoulate Music gleicht quasi kein Stück dem anderen. Stille mit „New Friends“, etwas Ur-Electro mit deutschem Robotergesang bei „0800“ oder sägender Acid mit „Stairway“. Und überall ist der Schelm mit dabei.

Ich weiß gerade nicht, wo eigentlich der Punkt ist, an dem die Albernheit in solchen Tracks passen könnte. Vielleicht wenn sie so übersteigert ist, dass es zum Trash oder weirden Nerdkram wird. Wenn es nur noch am Rande um den Dancefloor geht. Efka & Axel Thoma haben aber bestimmt keinen Trash im Sinn. Und der ist auf beiden EPs auch nicht herauszuhören.

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Karocel „This One“ (Freude am Tanzen)

Oh, da ist mehr als ein Live-Projekt aus Karocel geworden. Die Band um Marbert Rocel, Mathias Kaden und Michael Nagler verewigt sich nun auch auf Vinyl.

2010 beim Nachtdigital traten Karocel zum ersten Mal live auf. Nur aus Spaß. Weil sich alle aus Thüringen kannten und Lust auf ein gemeinsames Set hatten. Mittlerweile ist mehr daraus geworden. Es blieb nicht nur bei dem einen Auftritt.

Und es blieb auch nicht nur bei dem Live-Projekt. Denn im letzten Herbst trafen sich alle sechs in Plagwitz im Studio von Marbert Rocel. Es ging einfach live weiter und aus den Jam-Sessions sind zehn Stücke entstanden, die Ende Juni als Album erscheinen werden.

Vorab gibt es mit der „This One“-EP schon einen Teaser daraus. Karocel ist quasi die House-Variante von Marbert Rocel und die Band-Variante der Solisten Mathias Kaden und Michael Nagler. Auch wenn es bei den vier Neu-Leipzigern schon zuvor einige geradlinigere Momente gab. Zu sechst ist der Drive aber deutlich direkter, mit gestreckteren Arrangements.

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Kiorda Däkin „Goldrot“ (Interstellar Paradise)

Manchmal geht es nicht so, wie man es sich wünscht. Das Label Interstellar Paradise sollte hier eigentlich schon längst erwähnt werden. Jetzt klappt es.

Seit 2006 existiert das Label um Kiorda Däkin bereits. Ursprünglich als Netlabel gestartet, kam irgendwann der Switch zum Digital-Label. Gemessen an der zurückliegenden Zeit ist der Back-Katalog zwar noch überschaubar, dafür steht das Label für einen Sound, der in Leipzig bislang wenig präsent ist. Für eine interstellare Deepness, die Trance-Elemente ebenso vereint wie ambiente Weiten. Selbst vor plastischem Electro-Pop scheut sich das Label nicht.

Etwas aus der Zeit gefallen klingen viele der EPs. Teilweise sind sie für mich auch zu flächig und aufgeladen. Mit dem Interstellar-Aufhänger könnte auch Detroit an manchen Ecken herauszuhören sein. Aber es ist doch eher der europäische Blick auf die Sterne und Umlaufbahnen. Die erste EP in diesem Jahr kommt von Kiorda Däkin und es ist das erste Mal, dass ich bei einer Interstellar Paradise-EP wirklich hängenbleibe.

Der Reinheit wegen. Klingt komisch, aber die drei Tracks auf der „Goldrot“-EP sind so weich und stimmig gezeichnet, dass man sich darin einfach fallen lassen kann. Federleichter Dub-Techno mit „Kristallblumen“, Ambient mit „Goldkarpfen im Morgenrot“ und eine überaus spannende und gelungene Mischung aus beidem bei „Tagtraum“. Der beste Track, mit einem leicht gebrochen-puckerndem Beat und hell-dunklen Dub-Wolken am Horizont. Zehn Minuten lang fließende Wärme. Zeitlos auf beste Weise.

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Various Artists „Ov3r Construct10n Vol. 1“ (Alphacut Records)

So ein Label-Jubiläum konzentriert sich ja nicht nur auch eine Woche. Wobei es letzte Woche schon sehr heiß herging. Doch der 10-Jahre-Alphacut-Reigen geht weiter.

Drei 10″s stehen in den kommenden Wochen an. Farbig, limitiert, mit einer handvoll Locked Grooves in den Rillen. Die Hits der letzten zehn Jahre im Remix. So scheint der Gedanke hinter der „Ov3r Construct10n“-Reihe zu sein.

Die Nummer 1 nimmt sich einmal ein Lowcut-Stück vom letzten Jahr heraus und stellt ihm einen Sumone-Track von 2008 dazu. Der Katalog ist ja groß genug. Nebenbei ist diese Platte hier die dreißigste von Alphacut. Nicht mit einberechnet die großen und kleinen Sub-Labels.

Bei der Remixer-Auswahl bleibt auch alles in der Familie. Abstract Elements und Trisector nehmen sich „Rhythm Machine“ und „Therapist“ vor. Ersteres lässt im Remix auf gute Weise den neurotisch-drückenden Vibe des Originals hinter sich.

Bei „Therapist“ bin ich mir nicht recht sicher, ob Trisector zu behutsam oder zu derb rangegangen ist. Lowcut hat aber auch großartig vorgelegt damals.

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Philipp Matalla „Lack Of Loss“ (Kann Records)

Kann Records und Philipp Matalla – eine perfekte Verbindung. Im Geiste war sie schon länger vorhanden. Nun wird sie durch eine Artist-EP vertieft.

Ein wenig ist Matallas Debüt im letzten Jahr untergegangen. Obwohl „Space Line“ so überraschend ausgereift rüber kam. „Lack Of Loss“ verdeutlicht das erneut. Woher hat Philipp Matalla nur die ausgefeilte Musikalität? Allein wie die Basslines tänzeln und sich verschiedene, harmonische Ebenen überlagern. Und komischerweise verrennt sich der anskizzierte Funk nie in überladener Materialschlacht.

„Lack Of Loss“ legt dabei in seichten, mittelschnellen Schwingungen ab und türmt sich behutsam auf, „Alright“ drängt sich durch den trockenen Groove und das Vocal mehr ins Rampenlicht. Auch wenn hier weitaus mehr Reibung in den Sounds steckt. Ein verschmitzter Hit.

Kassem Mosse und Mix Mup potenzieren mit ihrem MM/KM-Projekt diesen Ansatz. Die Bassdrum schroffer, die Elemente auseinandergenommen, großer Eigensinn, der die Idylle von Philipp Matalla fast konterkariert. Schon mutig die KM/MM-Walze hier drüber laufen zu lassen. Aber genau diese Gegensätze machen die EP so spannend.

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Japan-Import

Im letzten Dezemeber brachte Doumen die wunderbare EP von Simon12345 & The Lazer Twins raus. Nun kommen auch Japan und CD-Freunde in den Genuss.

Japan-Importe sind ja so was die Perlen einer jeden Plattensammlung. Kuriose Verpackungen, frische Zusammenstellungen, teilweise sogar unveröffentlichte Tracks und Remixe. Noble, das Label, das auch schon das Debüt-Album von Praezisa Rapid 3000 veröffentlichte, holt nun auch die Simon12345 & The Lazer Twins-EP nach Japan. Nur als CD, das Vinyl kam schon von Doumen.

Und Noble packt gleich noch drei Remixe mit drauf. Einen von ;.. – ja, das ist wirklich ein Artistname, kein Smiley-Versuch – der auch schon auf einer Doumen-Platte zu hören war. Außerdem nahmen sich mit Reliq und Taquwami zwei Japaner die Stücke der EP an. Irgendwie hat Japan scheinbar noch immer eine tolle Electronica-Szene. Als ob es die große Langeweile von vor zehn Jahren nie gegeben hätte.

Aber so schwierig dürfte es dieses Mal mit dem Japan-Import nicht werden. Es gibt auch einen europäischen Vertrieb.

Pimp your Lieblingsklub im Auenwald

Die Villa Hasenholz möchte ihren Garten schick machen. Und sie möchte es mit euch zusammen schaffen.

Aber nicht mit Unkraut jäten und umgraben – wobei das bestimmt auch erwünscht ist – sondern mit einer Spende. Um 7.800 € geht es, die bis Anfang Mai reinkommen sollten.

Ein Klostergarten zur Selbstversorgung soll entstehen, darüber hinaus braucht das Biergartenhaus eine amtliche Einrichtung und eine schallgeschützte Orchestermuschel ist geplant. Plus viele Kleinigkeiten. Knapp ein Fünftel des Geldes ist schon drin.

Die Details sind auf der Visionbakery-Projektseite zu finden. Alle Unterstützer bekommen auch ein mehr oder weniger großes Dankeschön – vom limitierten Aufkleber bis zum 2-Personen-Diner im Garten.

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10 Jahre Alphacut Records

Oh, die Jubiläen. Sie häufen sich und auch Alphacut Records bleibt nicht verschont. Ich kann mir gar nicht richtig vorstellen, dass Label-Betreiber LXC Lust auf all die Gratulationssoße hat. Wir tischen sie trotzdem auf – aber nicht allein.

10 Jahre Alphacut Records, unglaublich, dass 2003 schon so lange zurück liegt. Doch es soll hier keine dezidierte Rückschau werden. Ich könnte sie auch nicht leisten, denn ich bin erst mit der zweiten Alphacut-Welle ab 2009 mehr oder weniger eingestiegen. Nach wie vor mit dem Vokabular etwas unsicher umher tapsend.

Aber auch ich verbinde eine Menge Glücksmomente mit den Tracks, die LXC ausgräbt und mit einer derart lässigen DIY-Umtriebigkeit durch die internationalen Kanäle pusht, dass man sich fragen kann, warum er nicht längst in London, Bristol oder Glasgow abhängt.

Vielen Dank also für das Hierbleiben. Ich bin aber nicht der einzige, der anlässlich des 10-jährigen Label-Jubiläums seine Gedanken äußert. Es gingen auch ein paar Mails an verschiedene Leute raus. Die meisten antworteten im vorgesehenen Rahmen.

Nur Herr Dreyhaupt hat da etwas missverstanden: nicht von 1.000 Wörten, sondern von 1.000 Zeichen war die Rede. Nunja. Es sind einige mehr bei ihm geworden, aber was gibt es besseres, als die Freiheit eines Blogs genießen zu können. Ich habe nichts gekürzt! Bitte richtig lange Scrollen. Weiter unten folgen weitere Statements. Zur musikalischen Untermalung könnt ihr Boogas Mix quer durch den Label-Katalog anstellen.

„Uns war die elektronische Musik in Leipzig irgendwie zu kuschelig, neo-biedermeieresk nett“ – Alexander Dreyhaupt

„Dieser Tage ist die Schallplatte mal wieder in aller Munde. In Leipzig erweitert R.A.N.D. Muzik die Produktion und der Bundesverband Musikindustrie freut sich über knapp 1.000.000 verkaufte Schallplatten im Jahr 2012 — immerhin eine Steigerung um 36%. Die Alphacut-Exemplare dürften in dieser Statistik zwar nicht enthalten sein, aber das ist auch unerheblich.

Denn die sich heute freuende Industrie hatte 2002, als Alphacut gezeugt wurde, die Schallplatte nicht mehr auf dem Schirm. Das war eine Zeit als es gerade richtig bergab ging und sie auf ihren Tiefpunkt mit knapp 300.000 Stück pro Jahr zusteuerte . Der Unterschied ist einfach, ein Label wie Alphacut hat andere Existenzgründe und diese hängen vor allem an dem Macher, der dahinter steht.

Bei Alphacut ist das LXC, der wohl, wenn es um Stückzahlen und Geld gegangen wäre, 2002 lieber über Merchandise-Artikel hätte nachdenken sollen. Musik hätte man damals auch mit weniger Aufwand unters Volk bringen können, schließlich gab es 2002 sogar in Leipzig DSL-Anschlüsse – hat da wer gelacht?

Die Konsequenz daraus: Im Gegensatz zu kühlen, gesichtslosen, marktwirtschaftlichen Labels könnte Alphacut nicht wirklich ohne den „Master of Disaster“ existieren, ohne natürlich den musikalischen Anteil der Künstler in Frage zu stellen. Aber wer in seinem Leben schon einmal mit Musikern zu tun hatte, weiß: Wenn es keinen strengen Herrn (oder Herrin natürlich!) gibt, der ab und an einen Musikproduktionsprozess durchoptimiert, würden manche Songs nie fertig und schon gar keine Schallplatte daraus werden.

Obwohl mir immer noch jugendliche Träumer in Proberäume erzählen, dass es genau das ist was sie irgendwann mal machen wollen – stinkendes Vinyl, am liebsten farbig, so wie bei Alphacut.

Der Labelmacher ist also verrückt, die Künstler ohnehin. Doch wer kauft das? Klar, die eine Million Stück im Jahr 2012 bestehen zum großen Teil aus Led Zeppelin-Neuausgaben, die dann von Leuten gekauft werden, die sowieso immer wussten, dass die Schallplatte viel besser klingt. Am besten natürlich als schwere 180g-Platte. Ich sehe schon wie sich die Miene von LXC verfinstert und auch bei R.A.N.D. Muzik ist plötzlich das Telefon belegt, es murmelt nur noch schnell was von der „180g-Lüge“. Genau, die alten Whisky-Schnösel kaufen auch in zehn Jahren keine Alphacut.

Die Alphacut -Zielgruppe besteht offenbar aus jüngeren Menschen, die ja eigentlich ohnehin nichts mehr kaufen, das nicht wie ein Smartphone aussieht. Aber es scheint trotzdem noch ein paar zu geben: wertkonservative, Gesamtkunstwerk affine Menschen, die zwar auch Musik am Laptop anhören, aber es trotzdem schätzen so ein geiles Schallplattending in ihre gierigen Finger zu nehmen, sanft auf die Filzmatte zu betten, mit der Plattenbürste zu streicheln um dann bei jedem Abspielvorgang mit der schon zu alten Nadel, der Tonrille, wie mit einer Tätowiermaschine, die Besonderheiten des eigenen Plattenspielers einzukratzen. Kenner erraten sogar das Modell. Wenn dem nicht so wäre, gäbe es sogar Alphacut nicht mehr. Das steht leider auch jenseits der marktwirtschaftlichen Erwägungen fest.

Also gratuliere ich den anderen Vinylkäufern gleich mal mit.

Wenn also Pallas nicht noch die Vinylproduktion abfackelt, bei R.A.N.D. Muzik die fleißigen Maschinenbauer nicht an Gedächtnisschwund leiden und die verrückten Vinylfans weiter kaufen, kann man also noch eine Weile Schallplatten machen. Zu bedenken wäre da vielleicht das Abspielgerät, der Plattenspieler. Technics hat die DJ-Zunft nun schon seit 2011 vom „1210er“ befreit.

Teure Scheißdinger braucht kein Mensch, der sich auch keinen teuren Single Malt-Whisky dazu leisten kann. Alles was es derzeit unter EUR 200,- zu kaufen gibt, ist nicht wirklich ansprechend. Alles was teurer ist, muss man dann wirklich wollen. Jetzt stelle man sich mal vor der geile Vintage-Player, der so schön in die individuelle Wohnung passt, kackt ab oder es gibt keine Nadel mehr dafür.

Wir brauchen also dringend einen Player, der gut aussieht, USB und Schnickschnack hat und für unter EUR 200,- zu haben ist. Denn, wenn sich zukünftige Hipster-Generationen so ein Ding nicht hinstellen wollen oder können, dann kommen sie auch nicht in die Verlegenheit sich Schallplattenmusik und die aus dem Vinyl ausdünstenden Weichmacher reinzuziehen.

Wünsche ich also unter diesen Bedingungen Alphacut Records zehn weitere Jahre? Ich bin mir einfach nicht sicher, ich wünsche keinem Label ein Vinyl-Märtyrer sein zu müssen, aber freuen würde mich vitales Vinylmusik-„Geschäft“ schon sehr.

Zum Abschluss vielleicht noch ein paar Erinnerungen an die Prä-Alphacut-Zeit, die letztendlich zur ersten Alphacut-Platte führten. Doch doch, das muss sein. Ich hoffe in die Erinnerungen haben sich nur ganz wenige Fehler eingeschlichen, volle Konzentration.

Irgendwann 2000 bekam ich über mein 64k Modem in Plagwitz eine E-Mail von einen Typen der sich LXC nannte, in Stötteritz hockte und meine Mail-Adresse von einem gemeinsamen Bekannten aus Luzern bekommen hatte – mit dem Verweis, uns doch mal aufgrund unserer Vorlieben zusammenzufinden. Unsere Musikgeschmäcker waren damals zwar doch recht unterschiedlich, haben sich aber über die Zeit intensiv befruchtet.

Auf Stockhausen und Position Chrome konnten wir uns einigen. Gemeinsam war uns eher die etwas skeptische Beobachtung der gefühlten Selbsteinschätzung der Leipziger „Breakbeat“- und vielleicht sogar elektronischen Musikszene im Allgemeinen. Wir hatten zwar auch damals schon jeder seine Peergroup, aber entweder waren uns die Leute teilweise zu undergroundig verbohrt oder auf eine verrückte Weise provinziell und trotzdem so leipzigmässig selbstgefällig. Das muss man erstmal hinbekommen in einer damals schon knapp 500.000er-Stadt. Jedenfalls war uns die elektronische Musik in Leipzig irgendwie zu kuschelig, neo-biedermeieresk nett.

An dieser Stelle verweise ich noch mal ausdrücklich auf die Worte teilweise und irgendwie, und auf die Tatsache, dass hier gerade die Rede vom Jahr 2000 ist. Nein, uns ging es auch nicht um Krawall und Lärm, eher um Reibung, Experimente und so andere Sturm und Drang-Schlagworte. Wir machten also bald ein echtes Treffen klar, in den damals noch in der Testphase laufenden Hallen von R.A.N.D. Muzik. Das war nicht gemütlich, aber saucool für uns.

Wer jetzt denkt, da haben die Jungs erstmal szenetypisch zwei Joints durchgezogen und von der Zukunft als King of Kings geträumt, weit gefehlt. Denn: „Power Is Nothing Without Control“. Wir schmiedeten direkt sehr konkrete Pläne, die in einer Kooperation auf diversen Szene-Partys mündeten. In erster außergewöhnlicher Erinnerung ist mir geblieben, wie LXC einen damals sehr aktiven und bekannten Leipziger Drum‘n‘Bass-DJ auf einem Feinkost-Keller-Rave nach drei Platten vom Pult wegkomplimentierte mit der Begründung, dass das ja wohl totaler Mist sei was er da auflegt (ey, und das stimmte wirklich).

Das war zwar auch damals nicht sehr nett, aber eins war klar: der junge Mann war heiß, wie eine Platte direkt nach dem Pressvorgang. LXC hatte zu der Zeit um 2001/2002, wie sich das gehörte auch so eine Art Drum‘n‘Bass-Gang, auch Crew genannt, die sich „Protocut“ schmipfte. Da gehörte im Kern noch Steffen „Barth“ Barth und Björn „Con.struct“ Schinkel dazu.

Die drei Produzenten bzw. DJs einte, glaube ich, ihr sehr ähnlicher Drum‘n‘Bass Geschmack. Die Jungs dachten über ein Label nach… und dachten und dachten und dachten. Warum man so zögerlich an die Sachen heranging, hab ich nie ganz verstanden. Vermutlich hatte man einfach verständlicherweise Angst, denn alle waren sehr jung und so verstieg man sich bei jedem Treffen in exorbitanten Definitionen der minimalen Ausgangsbedingungen.Hatten die wohl irgendwo gelesen, keine Ahnung.

Jedenfalls hatte ich jede Woche etwas zu lachen. Mal ging unter zehn fertigen Produktionen in der Pipeline nichts, dann musste Startkapital in Höhe des Leipziger Stadthaushaltes her oder ein anderes mal war es, dass man unbedingt in England mastern wollte oder 25.000 DM für einen Photek-Remix brauchte. Es kam der Tag, da hatte LXC auf der trotz sonstiger Jugendlichkeit, runzligen Stirn stehen: „Könnte ich den Scheiß auch alleine?“

Das habe ich dann ganz langsam abgelesen und noch einmal wiederholt und zum Beweis ein Foto gemacht. Schnell zur Ehrenrettung der anderen beiden Homies, Barth hat schon 2002 seine erste Platte veröffentlicht und Björn folgte 2005 . Dann ging eigentlich alles recht fix. Anfang 2002 ging es ja schon los, damit Ende 2002 die 001 als Testpressung in Reudnitz aus dem Ungetüm ploppen konnte.

Fast nebenbei haben wir 2002 auch noch LXCs Solo-Debüt bei mir auf Phantomnoise released. Einen Business-Plan gab es nicht, aber eine Art Pamphlet das die konzeptionellen Eckpunkte des Labels umriss und gleichzeitig auch der erste Pressewaschzettel war. Musik zum Releasen war ohnehin reichlich vorhanden, erste Presse- und Vertriebskontakte konnte ich einbringen und der gesamte Freundeskreis half beim stempeln und eintüten der ersten Auflagen.

Seit dem ist viel passiert, aber eines hat sich nicht geändert, LXC macht das Label nach wie vor mit absoluter Sorgfalt und entwickelt es stetig weiter und das sehe ich immer wieder gern und auch die anderen Fans freuen sich über jede neue Platte, genauso wie 2003 und das ist doch toll.

Der olle Photek könnte übrigens heute froh sein, wenn er einen Remix für Alphacut machen dürfte, wenn er noch vernünftige Musik machen würde – nein ich füge hier kein Smiley an. Also digger, big up and thumbs up again.“

„Goldene Schallplatten versus feinste Underground-Musik“ – DJ Booga

„Die einen verteilen goldene Schallplatten, die anderen bringen zehn Jahre lang feinste Underground-Musik raus. Rudeboy LXC hat sich 2003 für das Richtige entschieden. Ohne Alphacut wäre Leipzig nicht mehr auf der Drum’n’Bass-Landkarte.“

„Noch nicht mal volljährig den Untergrund selbst in die Hand genommen“ – Porpoise

„Meine Beziehung zu Alphacut Records begründet sich weniger in musikalischer Nähe, dafür umso mehr in Respekt für dessen Macher LXC. Unser erstes Kennenlernen war erstmal vor allem ein wenig peinlich für mich. Ich wollte ihn für den Kreuzer interviewen, doch dann der Klassiker: mein Aufnahmegerät ging nicht. Ich glaube, er fand mich damals ein wenig doof.

Aus diesem Gefühl wuchs mit dem zweiten (aufnahmetechnisch erfolgreichen) Interview einen Tag später vor allem Achtung für LXCs Arbeit und Denken: Was der schon alles gemacht hatte – Plattenlabel, Partyreihen, eigene Musik, Arbeit im Plattenpresswerk. Bei alldem stellte sich noch heraus, dass er jünger ist als ich. Wie alt er wohl gewesen sein muss, als er seine ersten Partyreihen auf die Beine gestellt hat – noch nicht mal volljährig schon den Untergrund selbst in die Hand genommen, mit Partys, an die ich mich persönlich als extrem avantgardistisch erinnern konnte.

Damals wurde mir klar: dieser Mensch macht sein eigenes Ding, unbedingt, beharrlich, ohne Kompromisse. Immer mit klaren Positionen zu kommerziellen Fragen, ohne Abgrenzung nur der Abgrenzung willen zu betreiben. Und auch schon immer international denkend, mit einem weltweiten Netzwerk bevor überhaupt sonst jemand aus Leipzig über die hiesige Szene hinaus wahrgenommen wurde, aber auch ohne sich zu gut für diese Stadt zu sein.

So nehme ich LXCs Arbeit bis heute wahr und dafür liebe ich ihn. Ich glaube, doof findet er mich nicht mehr, trotzdem sehen wir uns viel zu selten – denn eine Inspiration ist er für mich allemal.“

„Das Label für meine Frickelscheiße“ – Daniel Myer alias Hexer

„Als ich 2003 nach Leipzig gekommen bin, habe ich erstmal gar nicht damit gerechnet, dort zu landen, wo ich heute bin. Meine musikalische Tätigkeit beschränkte sich auf einem ganz anderen Sektor. 2004 bin ich bei Kellermusik mit eingestiegen und habe dadurch ein ganz neues Leipzig für mich entdeckt. Ein Leipzig, das ich in den Neunzigern durch DJ-Gigs im Kitchen Club und Conne Island kennenlernen durfte.

Dadurch bin ich dann mit der Leipziger Labellandschaft in Berührung gekommen und habe auch LXC kennengelernt. Danach ging alles ziemlich schnell, Beats bauen, Hexer reaktivieren und los geht’s. So richtig zur Crew gehöre ich halt nicht.

Aber ich habe nie zu irgendwelchen Crews gehört. Auch damals bei Hard:Edged in Berlin oder Groove Attack in Köln war ich immer der Außenseiter, Frickeltyp, nie wirklich hip und immer ein wenig zu schräg. Aber ich schätze LXCs Passion für Beats und bin froh, mit Alphacut ein Label für meine Frickelscheiße gefunden zu haben.“

„Zu hardcore, zu jungle, doch Moment“ – OneTake

„Alphacut war mir immer suspekt und es hat Jahre gedauert, einen Bezug dazu zu bekommen. Für mich persönlich zu hardcore. zu jungle. zu sperrig. Erst im Laufe der Jahre habe ich mitbekommen, das aber eben diese Ästhetik, diese Attitüde und auch die gewisse Engstirnigkeit, die ich dem Label subjektiv betrachtet immer imaginär vorgeworfen habe, genau die richtige Herangehensweise an ein Label ist.

Und sie spiegelt eben einfach auch LXCs Musikgeschmack wieder, der sich in keiner Weise irgendeiner Mode unterworfen hat. Und wenn doch, dann hat er immer die eigene Suppe geköchelt, ohne sich auch nur ansatzweise anzubiedern. Ob es die handgedruckten Cover sind, oder auch die Vinyl-only-Politik: man merkt, da ist jemand mit Leidenschaft und Hingabe dabei, seine Vision von Musik unter die Leute zu bringen.

Für die Zukunft hätte ich fast schon schwarz gesehen, da kommt er mit den „457“-7″es und dem Sublabel Alpha Centauri rum und steuert auch hier Drum‘n’Bass, Techno und Electronica eine neue Facette bzw. Spielart bei. Gepushed und vertrieben von Hardwax muss man sich dann für die Historie auch keine Sorgen mehr machen. Großes Kino! Viele reden, LXC done it! Alles Gute zum Jubiläum!“

„Wir dachten, das kann nur aus England kommen“ – Neonlight

„Zu allererst wünschen wir Alphacut, LXC und allen, die über die Jahre involviert waren, alles Gute zum 10. Geburtstag. Es ist nicht selbstverständlich, dass sich ein Label mit der Vorliebe für experimentelle Klänge im Tiefbassbereich und einer unübersehbaren Schwäche für Plastiktonträger solch einen beachtlichen Zeitraum in der Szene überdauert. Mehr noch: Alphacut hat einen festen Platz in der sich immer weiter verzweigenden Welt von Drum’n’Bass und Jungle – Chapeau.

Einige der ersten Alphacut-Platten zieren sogar unsere Plattensammlung. Jedoch war uns zu dem Zeitpunkt, als wir die Platten gekauft haben gar nicht klar, dass die Macher der Tunes und das Label aus der unmittelbaren Nachbarschaft stammen. Übertrieben gesagt, lebten wir damals noch im Glauben, dass alles was so geil klingt aus England kommen muss. Umso mehr freut es uns solch eine Institution in Sachen in Leipzig zu wissen. Wir erheben das Glas und wünschen alles Gute für die nächsten 10 Jahren.“

Unbedingt auch mit anhören: den Mitschnitt der It’s Yours-Radiosendung mit LXC. Und am 13.4. ist die große große 10-Jahres-Party.

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Various Artists „Pragmat#002“ (Pragmat)

Pragmat bleibt beim Handcraft-Ansatz. Erst Vinyl, nun ein Tape. 60 Minuten auf zwei Seiten.

Auf 40 Exemplare ist „Pragmat#002“ limitiert, optisch erinnert sie eher an eine alte Punk-Kassette. Aber die beiden Seiten scheinen verschiedene Welten des deep-sphärischen Dub-Techno ausloten zu wollen. Einerseits mit stärkerem Dancefloor-Fokus, andererseits mit verschlungenen und entschleunigten Tracks.

Ich habe die dubbigen Tracks ja generell etwas aus dem Blick verloren. Zu wenig neue Berührungspunkte gab es in letzter Zeit. Erstaunlicherweise bleibe ich hier aber doch an einigen Stücken hängen. An denen von Redundaent und Markus Masuhr etwa. Beide schön trocken und schnörkellos, wobei Masuhr noch konsequenter ist.

Im ruhigeren Gefilde holt mich Substak mit „Dubwize“ mit seiner unglaublichen Reduktion ab. Eine einzige Skizze, die aber durch die Dub-Wärme doch an Farbe gewinnt. Schließlich noch Triames‘ Unterwassersound: ein vierminütiger Tauchgang, ohne Beats.

Die Koordinaten des Titelnamens verweisen auf eine Straße in der nordspanischen Stadt Bilbao. Äh? Bei Soundcloud liegt ein Mix, bei Bandcamp können alle Tracks komplett angehört werden. Und alles ist poetisch eingegliedert durch ein englisches Gedicht.

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Defekto „Listen“ (Resistant Mindz)

Nix defekt hier – Defekto bzw DFKT haut sechs unglaublich fein justierte Stücke heraus. Auf Resistant Mindz.

Auf der ersten Resistant Mindz-Compilation war Defekto schon einmal zu hören. „Listen“ ist nun sein erstes eigenes Werk mit sechs Stücken. Alle mit der verspielten, fein ausgearbeiteten und tiefenentspannten Resistant Mindz-Note.

Einige neue Akzente bringt Defekto aber mit rein. Den schleppenden Pop-Appeal bei „Something Is Coming“ etwa. Ein ganz großes Stück, ganz langsam schwebend und mit angedeuteten Song-Qualitäten. Zusammen mit Duktus haut er jedoch ein Stück weiter alles wieder klein. Scharfkantige Beats, runtergepitchte Vocals, so klingt „Defektus“.

Was bei den Resistant Mindz-Platten immer wieder auffällt ist die innere Ruhe und Ausgeglichenheit. Ein positiv gestimmter Vibe, fern der kurzweiligen Euphorie. Mit tiefsinnigen Details und sich breit entfaltenden Sounds. „Listen“ passt genau hier rein.

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Talski „Canyons“ (Rivulet Records)

Nummer drei bei Rivulet. Und wieder ein Debüt. Talski aus Leipzig badet förmlich in der Deepness.

Doch erst ein paar Gedanken zu Rivulet. Nach drei Platten lässt sich hier eine gewisse Linie erkennen. Die ungewohnt deutliche Innerlichkeit von Anfang Zwanzigjährigen scheint bei Rivulet im Mittelpunkt zu stehen. Etwas lakonisch zwar, aber sowohl Momo und Stanley Schmidt als auch nun Talski schweben in wehmütig-introvertierter und versierter Weise durch das House-Erbe.

Talski wuchs in einer musikalischen Familie auf, lernte selbst Klavier und Saxofon und studiert nun Musik in Leipzig. Das komplette Programm also. Die Musikalität ist seinen Stücken in jedem Fall anzuhören. Alles ist durchsetzt von warmen Chords, sanft wogenden Basslines und unaufdringlich schiebenden Bassdrums.

Was Talski besonders gut beherrscht ist die Feingliedrigkeit mit der er Sounds arrangiert. Überall flackert etwas hervor, nichts wirkt statisch, obwohl die Tracks im oberflächlichen Flow eher unspektakulär dahin mäandern. Auf der B-Seite wird es – abgesehen von dem tollen Boytalk-Remix – noch ruhiger.

Und mit „September“ auch experimenteller. Ein klassisches Electronica-Stück. „Onjahan“ greift die Frickelei auch schon auf, bleibt durch die Bassdrum der A-Seite aber stärker verbunden. Eigenwillig und still, so hallt die „Canyons“-EP nach. Zusammen mit dem Siebdruck-Cover eine richtige Liebhaber-Platte.

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