Various Artists „Shtum 010“ (Shtum)

Und wieder Shtum aus Dresden. Kürzlich erst kam eine Leibniz-EP dort heraus. Nun eine Label-Compilation mit zwei Leipzig-Beiträgen.

Und die kommen natürlich von Leibniz und Perm. Beide gehören quasi zum Artist-Stamm des im Techno forschenden Uncanny Valley-Sublabels Shtum. Ihre Beiträge bleiben in den gewohnten Terrains der beiden. Leibniz vertont das „Real Life“ in seiner anziehend typisch schwelgerischen bis mürrisch-rauen Weise. Nichts zu spüren von der zunehmenden Harschheit seiner letzten Shtum-EP. Es ist ein wenig wie bei Kassem Mosse: Der dreckige, scheinbar beiläufig hingerotzte Sound und der Gegensatz zwischen Wehmut und Euphorie büsst auch nach dem zehnten Mal nichts an seiner Faszination ein.

Auch bei Perm ist das so. Allerdings in einem anderen musikalischen Rahmen. Bei ihm bleibt der Fokus weiter unheimlich konzentriert auf wenige filigrane, überaus packende Loops, aus denen sich einzelne Sounds herauswinden und eine unberechenbare Eigendynamik entwickeln. Sein neues „Untitled“ mündet dabei in etwas breakigere Sphären.

Super übrigens auch die anderen beiden Tracks. Besonders Jaures‘ „Buz Falatsher“ ist ein neurotischer, wild schwingender Breaks-Techno-Hit. Wir sind Shtum-Fans!

Lake People „Every Place You Go“ (Permanent Vacation)

Schön vergessen: die neue Lake People-EP. Dabei sollte sie einfach nicht untergehen.

Es ist die erste EP nach Lake Peoples herausragendem Album „Purposely Uncertain Field“ aus dem Frühjahr 2015. Und gerade die A-Seite hat es mir sehr angetan. „The 1st Day“ und „Ashland“ verkriechen sich so sehr in eine wohlige Innerlichkeit, dass einem beim Hören nur warm werden kann. Hier verfeinert Lake People das Verweben verschiedener Sound-Schichten und kleinster Details noch einmal weiter in Richtung Perfektion.

Als ob mit der Pinzette großartige Welten in Miniaturgröße zusammengesetzt werden. Die schwebenden Synths und der neue Hang zur analogen Elektronik prägen wie schon beim Album auch den Sound der neuen EP. Nur zieht sich Lake People noch ein Stück mehr aus dem oberflächlichen Club-Getümmel zurück und taucht in behutsam und interstellar triftende, schwerelose Ambient-Welten.

Auf der B-Seite klart es dann etwas auf: Die Grundstimmung bleibt bei „Take Another Place With You“, die Bassdrums und Arrangements sind aber gerader gezogen. Mit nur drei Tracks schafft Lake People auf der „Every Place You Go“-EP eine musikalische Tiefe, die manche Alben nicht erreichen. Nicht verpassen.

Markus Masuhr „The Circle In The Changing Room“ (LCR Records)

Da ist eine Markus Masuhr-EP untergegangen. Ende März schon kam parallel zum aktuellen Masuhr-Album auch eine EP heraus.

Im Gegensatz zu „The Trepidation Lack Depth“ und dessen Avantgarde-Elektronik-Manifest geht Markus Masuhr hier wieder straight auf den Techno-Floor. Ein bisschen klingt die „The Circle In The Changing Room“-EP dabei wie ein Best-of des Markus Masuhr-Techno. Da gibt es klassischen, treibenden Dub-Techno und kompromisslos durchrauschender Keller-Techno mit Acid-Elementen. Und eben den filigranen, irgendwie bedrohlich gelayerten dystopischen Techno, wie er auch auf dem letzten Album durchkam.

In der stilistischen Bandbreite und Länge dieser EP wird aus „The Circle In The Changing Room“ fast schon ein eigenständiges Album, das die Qualitäten von Markus Masuhr einmal mehr deutlich aufzeigt. Techno in verschiedenen, subtilen Nuancen.

V.A. „Dubiously Contemplated EP“ (Alphacut) & Beam Up „Gerrup / Vibin“

Frisches Futter von Alphacut: Mit der „Dubiously Contemplated EP“ liegt nun die mittlerweile fünfte EP der „Third Wave“-Serie vor, auf der wieder vier Tracks versammelt sind, um den Floor wackeln zu lassen. Die EP beginnt mit einer Überraschung: So offensiv auf den Floor zielend und Rewind-verdächtig wie „Stand Upright“ von Tim Reaper klang Alphacut für mich noch nie. Wie sich das Stück rund um eine simple, effektive Bass-Melodie zum Rave-Monster entwickelt, ist ganz großes Kino. Womöglich ist es auch das erste Stücke auf Alphacut, auf dem Handclaps eingesetzt werden.

Diese gibt es auch auf „Dubplate Request“ von Lynch Kingsley zu hören, der hier Jungle-Einflüsse der Neunziger auf Footwork treffen lässt und dabei andere Drum & Bass-Spielarten der letzten zwanzig Jahre gekonnt ignoriert. Das klingt vielleicht verkopft, kommt aber sehr locker und mit allerlei Referenzen zu klassischen Jungle-Tunes daher.

Die zweite Seite zeigt dann mit „Heart Of Machine“ von Fade die vordergründig ruhigere Seite des Labels. Doch bei genauerem Hinhören bestimmen nervöses Klackern und Zischen das Geschehen, ein wenig unheimlich. Parallel verbleibt in einer ähnlichen Stimmungen und gibt seinem „Poison Dart“ angezerrte Drums und widerspenstige Bässe mit. 

Auch auf 45Seven gibt es ein neues Release. Wie auch schon die Kollegen auf itsyours festgestellt haben, liegen die Welten zwischen der neuen Alphacut-EP und den 45Seven-Singles gar nicht soweit auseinander. Mit einer neuen Single bleibt das Label seinem Konzept weiterhin treu und lotet wieder die Möglichkeiten zwischen Jungle und Dub aus.

Die Nummer 14  15 hält zwei Stücke von Beam Up bereit, der auch schon auf Nummer 10 vertreten war. Auf sehr lässige und gleichzeitig unbekümmerte Weise spickt Beam Up „Gerrup“ und „Vibin“ mit allerlei Reggae- und Dub-Samples – wer die alle kennt, weiß wahrscheinlich sehr gut über Tanzmusik aus Jamaika Bescheid. Für alle anderen ist es sozusagen eine als Track produzierte Einführung, zu der sich prima der Hintern bewegen lässt. So locker und tanzbar wie sie daher kommen, werden beide Tracks sicherlich auf kommenden sommerlichen Partys ihre Wirkung am besten entfalten. Aber das macht eigentlich die gesamte Serie aus.

Raw District „Underrated“ (Moon Harbour Recordings)

Ein neuer Name bei Moon Harbour: Raw District ist ein belgisches Duo, das recht slow und und deep überzeugt.

Wieder einmal ist es ein Act aus den Beneluxstaaten, der bei Moon Harbour den durchgängigen Tech House-Sound leicht aufbricht. Der Niederländer Maximiljan brachte auf diese Weise echte Highlights in den großen Moon Harbour-Katalog. Massimo DaCosta und Vernon Bara aus Brüssel betreiben beide das Label Homecoming Music und konzentrieren sich erst seit drei Jahren auf ihr Raw District-Projekt. Bei Crosstown Rebels brachten sie es zu zwei EPs, sonst ist es alles noch recht frisch.

„Underrated“ und „Their Eyes“ sind nun nicht wirklich herausragend. Im Kontext der Moon Harbour-Linie aber schon. Denn „Underrated“ entfaltet sich mit den Vocals von Forrest und der langsam pumpenden Grundstimmung zu einem reduziert-bassschweren und entschleunigten House-Pop-Track. Loopig und trippig. Ohne zu offensichtlicher Rave-Diktate. Auch „Their Eyes“ lebt davon. Allerdings weniger melancholisch und mit weniger Pop-Appael.

Matthias Tanzmanns Circoloco-Freund Davide Squillace hat dann bei „Underrated“ das DC10 im Blick.

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Micronaut und die Mathematik

Nachdem Micronaut im März seine Happy Family EP in die Hände verschiedener Produzenten gegeben und als Remix EP auf Analogsoul veröffentlicht hat, erscheint voraussichtlich in diesem Sommer sein drittes Album.

Als Appetithäppchen gibt es vier kurze Videos aus Micronauts Studio mit Snippets der neuen Tracks. Die einminütigen Ausschnitte versprechen euphorischen und gewohnt vielschichtigen Micronaut-Sound, bei dem die Wärme echter Instrumente, wie Schlagzeug oder E-Gitarre spürbar ist. Das Highlight ist das beinahe schrille Theremin, ein Instrument, das ohne Berührung durch ein magnetisches Feld zwischen Körper und Instrument gespielt wird. Neuerdings vervollständigt es Micronauts Studio.

Wie schon bei seine vorherigen Alben „Friedfisch“ und „Panorama“ soll es für das neue Werk ebenfalls eine Überschrift geben. Dieses Mal geben Mathe und Geometrie den Rahmen vor. Klingt nach „es ist kompliziert“, soll aber ein in sich geschlossenes Werk inklusive formvollendetem Artwork werden. Wie Symmetrie für einen Produzenten klingt, der ungerade Beats bevorzugt, werden wir wohl im Hochsommer hören.

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Jennifer Touch „Feeling C“ (Riotvan)

Zwei Jahre ist es her, dass die Debüt-EP von Jennifer Touch auf Lunatic erschien. Nach diversen Compilation-Beiträgen (nicht zuletzt auch für das frohfroh-Crowdfunding) bringt Riotvan nun ihre zweite Solo-EP heraus. Das Warten hat sich gelohnt: Zählt man den digitalen Bonus-Track nicht mit, gibt es sechs neue Stücke, auf denen Jennifer Touch ihre eigene Version des Synth-Pop zelebriert.

Ein Vergleich zur ersten EP auf Lunatic drängt sich da geradezu auf. Tatsächlich klingen die Arrangements und die Soundauswahl ausgefeilter und weitaus opulenter als der Vorgänger, aber auch die Grundstimmung wirkt weniger kühl. Es scheint geradezu, als hätte Jennifer Touch nochmal ein paar prägnante Synthesizer mehr zur Verfügung gehabt, mit denen sie ihren Sound-Kosmos ausbaut. Natürlich ist das alles sehr in den Achtzigern verankert, aber im Gegensatz zu vielen anderen Retro-Projekten klingt das niemals billig – hier steckt mehr Arbeit im und Liebe zum Sound, wie es Dutzende von Electro-Pop-Gruppen in den letzten fünfzehn Jahren zusammen nicht geschafft haben.

Das fällt umso mehr auf, wenn Jennifer Touch auf Stücken wie „Elec“ ihre Stimme fast komplett herausnimmt und das Instrumental für sich sprechen lässt. Natürlich prägt ihre Stimme die Stücke entscheidend mit, selbst wenn sie wie auf „Feeling C“ sehr dezent eingesetzt ist. Überhaupt wird auf dieser EP deutlich, wieviel Zugänglichkeit und Unverwechselbarkeit allein durch Gesang erreicht werden kann. Aber auch, wie vielfältig dieser eingesetzt werden kann.

Eine wunderbare EP liegt hier vor, die viel Aufmerksamkeit verdient. Dass Riotvan die Startseite ihrer Website „Feeling C“ widmen, bestätigt diesen Eindruck.

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Video-Premiere – Crssspace „nahdontlookdown“

OverDubClub-Member Crssspace haut demnächst ein neues Beat-Tape heraus, inklusive Videos für jeden Track. Wir präsentieren vorab eins.

Bei Resistant Mindz ist in diesem Jahr volles Programm – die „Forecast“-Compilation kündigte bereits einiges an. Auch „nahdontlookdown“, einen von 18 Tracks und kurzen Skizzen, die Crssspace am 20. Mai als limitiertes Tape veröffentlichen wird. Zu jedem Stück hat Grafiker und Video-Künstler ahabzutun ein Video gebastelt, das den nostalgisch-collagierten, leicht neben der Spur leiernden Beatmaker-Sound von Crssspace bestens visualisiert.

Das Video zu „nahdontlookdown“ könnt ihr bereits jetzt schauen und ab ins sonnige Wochenende abtriften. Inklusive Fernweh nach der Ostsee. Oder irgendeinem anderen Meer da draußen. Hauptsache Wasser und Weite und Unbeschwertheit.

Five Favs – April 2016

Und wieder ein Monat herum – Zeit für unsere fünf Track-Highlights des April.

Philipp Matalla „Kiba“ (Kann Records)

Es ist nicht so, dass Kann Records nur selten gute Tracks veröffentlichen würden. Doch manchmal gelingen die wirklich herausragenden Highlights. „Kiba“ von Philipp Matalla ist so eins. Überhaupt die ganze EP gehört für mich zu einer besten Platten des Labels. Der Titel-Track “wird getragen von einem undurchdringlichen Beat-Rasseln. Trippig und zerbrechlich, verwischt und unwirklich, voller weirder Zwischentöne und einer überpoetischen Gitarre.“ Deshalb steht er hier.

Duktus „Light Up My Night“ (ThinkLoud & Resistant Mindz)

Die Leipziger Beatmaker-Szene gehört aktuell zu den aktivsten Subszenen der Stadt. Und Duktus ist sehr weit vorn mit dabei. Im April stellten wir seine erste Solo-Veröffentlichung „Hannah“ vor, die vom Zusammenleben mit seiner kleinen Tochter inspiriert ist. Neben klassischem Beatmakerism gefiel uns besonders „Light Up My Night“: „Wie stark sich Duktus derweil von seinen im HipHop verankerten Beats löst, wird spätestens mit „Light Up My Night“ klar. Der Groove behält trotz seiner Verspieltheit einen typischen Swing bei, wie man ihn sonst eher von britischen Produzenten kennt,“ schrieb Christoph in unserer Review.

Mary Yalex „Bright Lights“ (Yalex Recordings)

Wir hatten Mary Yalex bereits länger im Blick, aber leider hat sich unsere Vorstellung etwas hingezogen. Die Wahlleipzigerin widmet sich einem sehr atmosphärischen, melodiösen House und bringt alles selbst auf ihrem eigenen Label heraus. „Lang gedehnte Synth-Chords und Streicher erzeugen immer wieder eine opulente Erhabenheit, die von dazwischen aufflackernden Field Recordings vor allzu pathetischer Überladenheit bewahrt wird.“ Der Track „Bright Lights“ steht da eher exemplarisch für ihr melancholisch eingefärbtes Album „Beyond Borders“.

Markus Masuhr „Grey Calmness“ (Pragmat)

Richtig dark wurde es im April mit Markus Masuhr. Sein neues Album „The Trepidation Lack Depth“ geht weg vom Dancefloor und taucht tief in eine ausgekühlt klingende Welt ein. “Markus Masuhr bewegt sich mit den acht Tracks eher ins Avantgarde. Mit einer kompletten Öffnung der Strukturen, ästhetisch in leeren und ruinösen Industriehallen verortet. Wie klangliche Stillleben aus einem unwirtlichen Sperrgebiet wirken Tracks wie ‚Grey Calmness‘.“ Beängstigend passend, dass dieses Album genau im 30. Jahr nach der Tschernobyl-Katastrophe herauskommt.

Leibniz „Grind“ (Shtum)

Auch Leibniz raute seine eh schon oft vorhandenen Kanten weiter an. Auf dem Uncanny Valley-Sublabel Shtum brachte er eine neue EP, die einerseits ein neues Roughness-Level erreichte, andererseits ins Breakige übergeht. „Grind“ flashte uns da besonders. Denn es „mündet nach seinem sphärischen Intro in ein Beat-Dickicht mit schweren Basswogen und hektisch rasselnden Breaks-Samples. Auf der Ortloff-Platte sorgte das schon einmal für großartige Momente.“

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Neu entdeckt: Mary Yalex

Es ist längst überfällig, Mary Yalex vorzustellen. Vor einem halben Jahr entdeckten wir sie erstmals – und schon da war es überfällig.

Denn: Mary Yalex lebt seit acht Jahren in Leipzig und produziert mindestens ebenso lang elektronische Musik. Anfangs viel Ambient und Electronica mit dem Keyboard ihrer Mutter. Irgendwann erweiterte sie ihr Set-up um eine Roland MC 808, legte einfach Beats darunter und formte so einen sphärisch-geschichteten, sehr melodiösen House-Sound daraus.

Lang gedehnte Synth-Chords und Streicher erzeugen immer wieder eine opulente Erhabenheit, die von dazwischen aufflackernden Field Recordings vor allzu pathetischer Überladenheit bewahrt wird. Und doch bleiben die Ambient-Einflüsse immer herauszuhören. Es sind introvertierte, tiefsinnige Stücke, die Mary Yalex zuletzt hervorgebracht hat – zwischen Listening-Session und Club verortet.

Musikalisch bewegt sie sich damit durchaus in der Nähe von Labels wie Dial, Smallville und Kann Records. Doch wie auch die Gestaltung der naturalistischen Artworks übernimmt die gebürtige Erfurterin das Veröffentlichen ihrer Musik komplett selbst. Yalex Recordings heißt ihr Label und dient ausschließlich als Plattform für die eigenen Stücke. In den vergangenen vier Jahren brachte sie darüber zwei Alben und mehrere EPs heraus. 2015 stand gänzlich im Zeichen von „Beyond Borders“: neben dem gleichnamigen Album, mit dem Mary Yalex ihren Sound weiter verfeinerte, folgten im Herbst zwei EPs mit B-Seiten und Remixen.

Obwohl sie auch viele Platten sammelt, liegen ihr Live-Sets weitaus mehr – nur war davon in der Stadt noch nichts zu hören. Vielleicht liegt es daran, dass sie der Leipziger Szene bislang keine Berührungspunkte hatte. Dafür einige nach außen, wie es scheint – allein auf Soundcloud folgen Mary Yalex fast 1.000 Leute. Übrigens: Der kanadische Blog ADSR führte im letzten Sommer ein kleines Interview mit Mary Yalex. Unbedingt als Ergänzung lesen.

Mary Yalex Website / Facebook / Soundcloud / Bandcamp

Klinke Auf Cinch „Four“ (Analogsoul)

Neulich gab es bei uns eine Remix-Premiere zur neuen Klinke Auf Cinch-EP. Nun ist alles offiziell draußen.

Mit der Vier wird auf „Four“ auf mehreren Ebenen gespielt: vier neue Tracks, vier verschiedene Gastsänger, dazu vier Remixe und alles auf der vierten Vinyl-Veröffentlichung von Klinke Auf Cinch.

Unabhängig davon rückt bei „Four“ der Pop- und Downbeat-Aspekt im Schaffen von Clemens Kynast und Lutz Hartmann stärker hervor als beim letzten Album „Highs & Hills“. Anstelle offener Strukturen wird sich auf dreiminütige, luftige Songs konzentriert. Alle süß melancholisch eingefärbt, langsam gleitend, voller organischer Bass-Wärme und mit sehr viel HipHop-Nicken. Sonntagsmusik im besten Sinne.

Und doch bewegt mich in erster Linie „Keen“ mit Arpen am Mikrofon. Wahrscheinlich weil mit Arpens Stimme einfach jeder Song gewinnt. Aber es ist auch der reduzierte HipHop-Electronica-Mix im Hintergrund, der eine eigene Spannung aufbaut. Erst etwas reserviert und unnahbar, später öffnen sich für einen kurzen Moment die Wolken und lassen das ganze vorher verdeckte Licht hindurch strömen. Hier wird die jazzige Downbeat-Leichtigkeit auf „Four“ aufgebrochen.

Jakob Korn, Marbert Rocel, Dude26 und Reed Flavor haben sich die „Four“-Stücke zum Remixen aufgeteilt. „Keen“ wird da zu richtig trockenem HipHop mit Rock-Schlagzeug, verliert aber irgendwie dadurch auch seine ursprüngliche Magie.

Dude26 überträgt „Clsr“ in den Beatmaker-Kosmos, während Marbert Rocel „Tett“ auf sehr gute Weise entschlacken und zugleich trippiger abdämpfen. Hier gefällt mir der Remix tatsächlich besser als Original – auch weil alles gedehnter und weniger glatt klingt.

Jakob Korn ist schließlich der einzige, der auf den Dancefloor schaut. Aber auch mit trocken stolpernder Bassdrum und zaghaft aufkeimender Euphorie. Ebenfalls ein großer Gewinn für diese EP.

Club-Update

Die Leipziger Club-Szene bleibt in Bewegung. In letzter Zeit vermehrt an clubkulturell weniger erschlossenen Ecken.

Zuerst geht es nach Eutritzsch. Dort sind in diesem Frühjahr sowohl eine Schließung als auch eine Eröffnung in unmittelbarer Nähe zu erleben.

Mitte März gab der E35-Verein bekannt, das er mit sofortiger Wirkung keine Musikveranstaltungen mehr durchführen dürfe. Damit war das kulturell bespielte Gelände mit seinem Keller wirtschaftlich nicht mehr zu halten. Es wäre jedoch so oder so im Sommer zu Ende gewesen, da der Mietvertrag auslief und eine Verlängerung nicht in Sicht war, wie es in der LVZ kurz nach der Schließung hieß. Das plötzliche Ende durch das Ordnungsamt machte jedoch einen geordneten und würdigeren Ausklang unmöglich.Einen Kilometer weiter stadteinwärts beginnt dagegen ein neues Clubprojekt. Am Wochenende um den 30. April eröffnet das So&So in der Theresienstraße, unweit des Studentenladens TV Club. Viel zu sagen gibt es dazu jedoch noch nicht. Die Betreiber möchten lieber den Ball flach halten und sich momentan nicht öffentlich äußern. Fest steht: Der Umbau des Gebäudes der ehemaligen PGH Fliesen-Keramik hat sich scheinbar über zwei Jahre hingezogen. Die Ankündigung für einen neuen Ort liegt bereits zwei Jahre zurück. Im letzten Sommer gab es dann neben dem Clubgelände ein Open Air, ein Jahr später scheint alles bereit zu sein.

Zum zweitägigen Grand Opening spielen draußen und drinnen neben den ersten So&So-Residents wie Nikolas Noam, Fritsch, Josia Loos sowie Herr & Frau Schmidt auch einige Gäste aus Berlin und Rostock, die vom Sound her alle in Richtung deep bis ravigen Tech House gehen.

Damit rüber in den Südosten der Stadt – nach Stötteritz. Seit Januar finden dort alle zwei Wochen Partys in einem Laden namens Charlytown statt. In einer ehemaligen Fischmarinadenfabrik haben sich Nico und Holger in DIY-Attitüde einen Ort aufgebaut, den sie verschiedenen Party-Crews zur Verfügung stellen.

Es ist also kein Club im klassischen Sinne, sondern eher eine Spielwiese, die die Betreiber in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Crews immer neu und wild dekorieren – da ragen halbe Autos aus der Wand und dem Boden oder es stehen Elektromobile herum. Beide setzen nicht auf ein wöchentliches, zweitägiges Programm, sondern auf ausgewählte Nächte.

Der Raum dafür stand lange leer und liegt direkt neben der Werkstatt, in der die beiden sonst arbeiten. Doch es geht natürlich auch darum, diese Ecke in der Leipziger Clubkultur zu besetzen.

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