Entbarocken für Stellar OM Source

Christelle Gualdi alias Stellar OM Source ist keine Leipzigerin. Aber sie hat die Demos ihres neues Albums hierher geschickt, um sie von Kassem Mosse bearbeiten zu lassen.

Von einer „carte blance“ an Kassem Mosse sprach die Wahl-Belgierin bei Resident Advisor Anfang Mai. Ihre live gereiften Stücke für das Album „Joy One Mile“ kamen ihr zu barock vor, und Kassem Mosse sollte sie entschlacken, abstrakter gestalten – künstlerisch weitgehend frei. So beschreibt es Christelle Gualdi in einem anderen Interview.

Was für ein mutiger Zug, die Zügel in dieser Weise aus der Hand zu geben. Noch dazu an jemanden, den man bis dahin nur von seinem musikalischen Output her kannte. Es ging immerhin nicht um klassische Remixe, sondern um das Mixen und Arrangieren, ein tief greifender Prozess. Doch Christelle Gualdi wollte die Distanz zu den eigenen Stücken, und sie war wohl anfangs schockiert von der Konsequenz mit der Kassem Mosse herangegangen war.

Eigentlich wäre es im Nachhinein auch spannend, die Ur-Versionen einmal zu hören. Aber letztendlich geht es eben auch nicht nur um den Prozess hinter „Joy One Mile“, sondern um das Ergebnis. Und das klingt synthetisch, analog, rau, verbrüdert mit den Vorläufern und Anfängen des Detroit Techno und Electro.

Kassem Mosses Handschrift ist nicht zu überhören. Es kommen aber nach wie vor auch Christelle Gualdis Kraut- und New Age-Wurzeln heraus, die auf den ersten CD-R-Veröffentlichungen ihren Sound bestimmten. Vertonter Sci-Fi-Futurismus ist es nun, mit großen euphorischen Momenten, schon vom Club inspiriert, aber mit einem stärker poetischen, erzählenden Fokus.

Auf der Vorab-12″ war schließlich auch ein Kassem Mosse-Remix von „Elite Excel“ dabei – noch mehr Freiheit von der Freiheit. Bei Bandcamp gibt es das komplette Album im Stream zum Vorhören.

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Next Stop Siberia

Das Goethe Institut hatte Anfang Juni Good Guy Mikesh und Peter Invasion für eine kleine DJ-Tour nach Russland eingeladen. Auf dem Programm standen Shows in Novosibirsk und Omsk sowie Interviews bei lokalen Radiostationen. Für frohfroh lassen sie die Reise noch einmal Revue passieren.

Vor uns lag eine aufregende Reise und wir waren sehr gespannt darauf, was wir erleben würden. Im Zug wurden noch schnell ein paar Russischkenntnisse aufgefrischt.

Unter der Rubrik „Interkulturelle Tipps“ unseres Wörterbuchs erfuhren wir, dass man russischen Männern zur Begrüßung kräftig die Hände schütteln sollte, dass es zu vermeiden ist, sich die Nase mit einem Taschentuch zu putzen und wie es um Trinkpflichten bei fröhlichen Zusammenkünften steht.

Auf unserer Reise haben wir gemerkt, dass wir uns nicht auf die gängigen Klischees über Russen verlassen konnten. Unsere Begegnungen waren allemal für einige Überraschungen gut. Wer also Geschichten über Wodka-Wetttrinken erwartet, kann nur enttäuscht werden.

Auf Erkundungstour in Nowosibirsk
Nach 18 Stunden Reise und insgesamt wir 5.382 km Strecke landeten wir im Morgenrot getönten Novosibirsk. Unser Begrüßungskomitee Mischa hieß uns mit einem freundlichen „Guten Morgen“ willkommen. In einem alten Lada-Taxi ohne Sicherheitsgurte auf der Rückbank ging es dann mit 120 Sachen ins Hotel.

An unserem ersten Tag in Novosibirsk hatten wir Zeit, die Stadt zu erkunden. Beim Mittagsfrühstück mit Irina, Mascha und Johanna vom Goethe-Institut im höchsten Gebäude der Stadt hatten wir eine weite Panoramaaussicht.

Für unsere Stadterkundung wurden uns zwei junge Praktikantinnen zur Seite gestellt, die uns durch die Stadt führten.

Die Architektur der Stadt war durchaus eindrucksvoll. Wir fühlten uns 30 Jahre zurück in eine sozialistische Vergangenheit versetzt. Es gab riesige Neubaublöcke in einer großangelegten Infrastruktur mit klassischen Straßenbahnen, E-Bussen, Oldtimer-Ladas, Schlaglöchern und mächtigen Lenin-Denkmälern.

Hier und da aber auch traditionelle Holzhauser in bunten Farben und aufwendigen Schnitzereien. Daneben sahen wir aber auch riesige Shoppingcenter, Video-Werbetafeln und viele Smartphone-Besitzer.

Am nächsten Tag besuchten wir den DJ-Shop Novosibirsk für ein Interview. Dieser Laden ist das Herz der elektronischen Musikszene der Stadt. Jeder, der sich in Nowosibirsk intensiver mit elektronischer Musik beschäftigt, findet früher oder später den Weg hierher – sicher auch, um tibetischen Tee auf dem Sofa zu schlürfen.

Sofort wurde uns klar, dass wir es hier mit dem sibirischen Pendant des Leipziger Kann Record Stores zu tun hatten. Im Laden war alles zu finden: Technics-Turntables, CDjs, Mixer, DJ-Bags und Midi-Controler. Alles war da. Alles, nur kein Vinyl!

Sibirische Party – von wegen Russendisko
Zum Ausklang des Deutschlandjahres des Goethe-Institutes war eine große Feier im Gange. Im Kunstmuseum gab es eine interessante Fotoausstellung der Agentur Ostkreuz, Lesungen, Graffitikunst-Aktionen, ein Orchesterkonzert und vieles mehr. Unser kultureller Beitrag war die Musik. Die Veranstaltung wurde zur Party und bald wurde im Kreis Breakdance getanzt.

In der selben Nacht spielten wir noch ein Set im Klub „Lebowski“. Wir hatten riesigen Spaß bei unserem Partymarathon und unser Jetlag mit fünf Stunden Zeitrückstand kam uns dabei sehr gelegen.

Vom Klub ging es dann direkt zum Bahnhof. Wir stiegen in die transsibirische Eisenbahn Richtung Omsk und sofort befanden wir uns in einer völlig anderen Welt.

Russischer Schlager und Suppe
Eine neunstündige Reise in einem SprelaCart vertäfeltem Schlafabteil mit lederbezogenen Doppelstockliegen begann. Wir teilten uns diese vier Quadratmeter mit einem russischen Pärchen in den Vierzigern.

Der Zug kam direkt aus Peking und war bereits drei Tage unterwegs. Die meisten Passagiere waren mehrere Tage unterwegs und hatten sich in bequeme Schlafanzüge und Pantoffeln geworfen.

An den Abteilwänden hingen Hygienebeutel und im Wagon lag ein Geruch von Zahnpasta, Suppe und Mensch. Aus den Wagonlautsprechern tönte ein Mix aus russischem Folklore-Schlager und poppigem Trance-Sound.

Wir legten uns auf unsere Pritschen und schauten aus dem Fenster, die Welt zog an uns vorbei. Birken, Büsche und Wiesen und noch mehr Birken. Dieser konstante Fluss und das Rattern der Schienen wiegte uns schließlich in den Schlaf. Stunden später wurden wir mit Narzareth und „Love Hurts“ geweckt und kamen bald in Omsk an.

Zwiebeltürme, DJ-Set in der Großraumdisko über einer Go-Cart-Rennbahn, Kindertags-Ponys bis hin zur Laptop-E-Gitarren-Coverband im kleinem, verschwitztem Klub und Sonnenuntergang am Flussufer des Irtysh. Das sind die Eindrucke, die wir in Omsk sammeln konnten.

Nach zwei Tagen Omsk ging es wieder zurück nach Leipzig. Somit stand ein gut 20-stündiger Nachhauseweg vor uns. Wir sind auf jeden fall sehr dankbar für diesen Trip und vor allem für die zahlreichen Eindrücke, die wir sammeln konnten. Kulturaustausch erfolgreich abgeschlossen. 1 – Setzen!

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Various Artists „Family Horror Remixes“ (Kann Records)

Zwei Jahre nach der großen „Family Horror“-Compilation folgen die Remixe dazu. Alles kann, nichts muss – einmal mehr zeigt sich, wie passend der Label-Name ist.

Zwischen Falke und Traumprinz klaffte eine Lücke im Katalog von Kann Records. Ausgerechnet die Nummer 10, könnte man meinen. Doch es dauerte einfach länger mit den Remixen. Und ob die zehnte Platte besonders herausstechen sollte oder nicht, war auch eine zeitlang nicht klar. Also erst einmal freilassen.

Jetzt wird die Lücke geschlossen. Drei Stücke aus der „Family Horror“-Compilation wurden rausgegeben, an RVDS – einigen vielleicht als Richard von der Schulenburg von Die Sterne bekannt –, Edward aus dem White/Giegling-Umfeld und an Salax Peep Show, einem Zweierprojekt der Schweden Axel Boman und Petter. Interessant besetzt, fern von großen Namedropping-Ambitionen.

Musikalisch hatte Edward wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe mit „Rendevous“ von Johannes Beck. Das Stück war der Moment des Durchatmens auf „Family Horror“, ein ambientes House-Fragment. Edward greift sich die hellen Streicher auf und webt sie ab und an in seinen Stakkato-Groove. Die intime Stimmung behält er im Grunde bei, bei spürbar angezogenem Tempo aber.

Auch RVDS ändert die klangliche DNA des Originals kaum. Man erinnere sich: Even Tuells „Dramaqueen“ bestach durch seine roh arrangierte Hypnose, die fast prototypisch für den Workshop-Label-Sound steht. Bei RVDS ist diese analoge Kratzigkeit in den Claps und Percussions noch zu erahnen. Aber er glättet auch enorm. Die „Dramaqueen“ wirkt dadurch aufgeräumter, losgelöster.

Und schließlich „Enola“, Map.aches fröhlich schwingendem Original hauchen die zwei Schweden einerseits deutlich mehr Funk ein, andererseits dosieren sie die Euphorie etwas niedriger. Mit unglaublicher Leichtigkeit, obwohl sie auch sehr spielerisch mit dem Stück umgehen. House-Freestyle auf hohem Niveau. Remix-Kultur auf hohem Niveau.

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Guter Zufall

Der Freitag in der Distillery ist ja bekanntlich die musikalisch-künstlerische Spielwiese. Vor knapp einem Monat fanden dort die Style Wild Battles statt. Nebenbei entstand ein Video.

Und es könnte quasi als Musikclip für Defektos wunderbaren Song „Something Is Coming“ von seiner „Listen“-EP sein. Angeblich ist das Video ein Zufallsprodukt, gedreht von Arvid. Es gingen aber wohl einige Daten verloren, die sonst für die Dokumentation der Battles sinnvoller wären. Das Zufallsprodukt ist aber nun nicht weniger sehenswert.

Sven Tasnadi
„What I’m Living For EP“ (Katermukke)

Kurz vor dem Debütalbum kommt noch eine neue EP von Sven Tasnadi. Wieder einmal auf Katermukke, dem Label des Kater Holzig.

Tasnadi war dort schon einmal – vor genau einem Jahr. Damals schienen sich auf den beiden Tracks die beiden stereotypischen Verknüpfungen mit dem Club heraushören zu lassen. Lang gedehnte Afterhour-Deepness neben Glitzer-Klamauk. Die neue EP klingt da etwas losgelöster. Allein der Titel deutet auf einen persönlicheren Hintergrund.

„Circle Of Love“ und „Searching For Me“ bewegen sich eigentlich eher in dem Bereich, den Sven Tasnadi einmal bei Smallville ausgelebt hat. Stille, in sich gekehrte House-Stücke, die zwischen Tönen einige Zwischenschichten offenbaren. Bei „Circle Of Love“ taucht aber ein komischer Sound auf, bei dem ich jedes Mal denke, dass mein Rechner ein Problem hat.

Weiter aus seinem eigenen Fenster wagt sich Tasnadi aber mit „What I’m Living For“. Nicht, weil er wieder einmal die Acid-Schrauben für sich entdeckt, sondern weil er sehr klar akzentuiert in Richtung Pop vordringt. Auf erstaunlich einnehmende Weise. Vielleicht weil den Vocals nicht zu viel Raum gewährt wird und vielleicht auch, weil die warm-schwingenden Chords im Hintergrund den Acid- und Pop-Einschlag gut einbetten.

Apropos Acid. Es gibt auch ein neues Stück von Dan Drastic & Sven Tasnadi, das ebenfalls recht angeraut klingt. „Placebo Button“ ist mächtig auf Detroit-Kurs. Umher wirbelnde Sounds, Strings, die dumpf schmetternde Bassdrum. Viel packender als die gemeinsame „Panic Room“-EP von neulich. Das Stück ist exklusiv auf der 7. „My Tech House 7 Compilation“ des Labels Push Communications. Krasser Compilation-Name, aber guter Track.

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10 YRS Esoulate – Georg Bigalke im Interview

Nach Alphacut Records kann in diesem Jahr auch die Booking-Agentur mit angegliedertem Label Esoulate ihr 10-jähriges Bestehen feiern. Der Fäden-zusammen-Halter Georg Bigalke erzählt etwas aus der Geschichte.

Esoulate als Label ist dabei erst relativ jung dabei, seit dem Sommer 2011. Davor spielte der Name eher hinter den Club-Kulissen oder bei den Künstlerzugehörigkeiten eine Rolle. Bevor am kommenden Freitag groß im Elipamanoke gefeiert wird, haben wir Esoulate-Betreiber Georg Bigalke ein paar Fragen gestellt.

Was war 2003 eigentlich ausschlaggebend, esoulate zu gründen?
Diese Frage kann ich leider nicht beantworten, denn zu dieser Zeit hatte ich mit Esoulate noch nichts zu tun. Ich bin erst ein paar Jahre später als DJ in den Pool gekommen, und danach dann zur Arbeit in der Agentur.

Wer hat es denn gestartet – gab es einen anderen Ansatz?

Von DJ Rukey & Mc Rob K. wurde Esoulate gegründet. Anfänglich ging es um eine etwas bereitere Brust: Grafik, Film, Musik, Tonstudio …

Ist das Booking, Partyveranstalten und Auflegen mit Esoulate deine richtige Arbeit geworden, oder machst du es nebenher?

Ich habe lange Zeit sehr verbissen verfolgt, esoulate zu meiner finanziellen Lebensmitte erwachsen zu lassen – irgendwann habe ich aber die
Reißleine gezogen und die Dinge ein wenig entspannter betrachtet. Nein, Esoulate ist ein wichtiger Teil in meinem Arbeitsleben, aber nicht der alleinige Mittelpunkt.

Heikles Thema, aber wie haben sich die Gagen für lokal bis regional aktive DJs und Live-Acts in den letzten Jahren in Leipzig entwickelt – du bist da ja direkt dran. 

Eine klare Tendenz lässt sich da nur mäßig ablesen. Die Gage wird immer davon bestimmt wer sich zur Verhandlung trifft. Somit hat ein jeder Part, wie DJ, Live-Act, Agentur, Club, Veranstalter oder Booker seinen eigenen Stil, um die jeweilige Gage zu verhandeln. Trotz allem ist der lokale und regionale Markt nicht der Platz auf dem die auftretenden Künstler die großen Taler einsammeln. Die Heimat bildet einen wichtig Dreh- und Angelpunkt für die Acts, denn hier startet immer der Aufbau einer Fanbase. Solange ein Künstler sich selbst nicht als eine Art Produkt versteht, ist es schwierig über ernstzunehmende Gagen nachzudenken.

Seit Sommer 2011 gibt es mit esoulate music auch ein eigenes Label – macht sich das auch beim Booking bemerkbar?

Seit wir – Dsant, Efka, Simon Sunset – das Label nun betreiben ist einiges passiert. Esoulate Music wächst mehr denn je und wirkt sich positiv auf das Mutterschiff Esoulate aus.

Was war dein persönlicher Esoulate-Höhepunkt bisher?

Es ist schwierig aus den letzten Jahren lediglich einen Moment zu pflücken. Mein persönliches Highlight ist die Zusammenarbeit mit all den Künstlern und Freunden der Esoulate-Familie. Hier zeigt sich immer wieder aufs Neue, dass diese Crew unglaublich einzigartig ist. Ohne diese Menschen wäre in den letzten Jahren einiges nicht möglich gewesen – meine Verbeugung daher vor folgenden Persönlichkeiten: Gabriel, Marc, Johann, Steffen, Titus, Andi, Steve K, Anett, Mentell, Jette, Martin, Robert, Micele, Katharina, Schubi & Matze, Andresen, Paul, Marcus N, Lütti, Klima, Effe, Zach, Basti, Hendrik, StvW, Konstanze, Anna-Martha & Martin, Greini, Mottthias, Smulla, Gregor, Tournér, Sencha, Ric, David, Micha …

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Hallo Veränderung!

Wir sind ein Fan von dir und wir haben dich gern reingelassen in unsere Datenbank. Jetzt ist vieles anders als vorher. Besser, finden wir. Übersichtlicher, direkter verlinkt ins Archiv, und überall Artikel mit riesigen Bildern.

Die tanzenden Püppchen mussten dran glauben, sie sind nun in der Grafik-Mottenkiste. Auch die Courier-Schrift. Quicksand heißt die Neue. Der inhaltliche Enthusiasmus hinter frohfroh ist aber geblieben. Und solange sich an der Energie dieser Stadt nichts ändert, wird das auch so bleiben.

Nach dem dicken Pfropfen „Relaunch“ kommt hoffentlich endlich die Zeit für all die anderen Ideen, die bislang im Stillen schwirrten. Wir hoffen, ihr bleibt dabei.

Vielen Dank an Stefan von Frohe Zukunft Export für das Design und an Ingo von imania für die Programmierung.

Ron Deacon „B Sides“ (Team Records)

Team Records kramt ein paar B-Seiten-Tracks von Ron Deacon heraus. Dabei ist Deacon eh ein Typ für die B-Seiten.

Und das ist nicht abschätzig gemeint. Ron Deacon arbeitet sich aber generell nicht an den großen Floor-Killern ab, sondern scheint auf der permanenten Suche nach dem perfekten Moment zu sein. Immer wieder die lang gezogene Spannung, die introvertiert-treibende Deepness, das Hochschrauben in winzigen Nuancen.

Aber auf dieser EP ist Ron Deacon etwas rotziger als sonst unterwegs. „Bitch“? „Kiss My Ass“? Was ist los? Auf der anderen Seite dann aber auch „Housemusic“ und „Summertime“.

Die Vocal-Samples der ersten beiden genannten Stücke stehen im harten Kontrast zu den freundlich-gestimmten House-Wogen. Wahrscheinlich ein großer Spaß im Studio. So gänzlich unbedarft verwirrt es aber doch.

Breitbeinigkeit war den Ron Deacon-Stücken bislang nicht vorzuwerfen. Bei „Bitch“ auch nicht unbedingt, es zeigt aber, wie schnell ein Vocal ohne weiteren inhaltlichen Kontext eine verwirrende Eigendynamik entwickeln kann. Stiller Hit ist „Housemusic“.

Dafür muss man Ron Deacon einfach dankbar sein. Dass er diesen Sound für sich ganz allein in der Stadt entwickelt hat. Völlig losgelöst von irgendwelchen Partyzwängen, einfach treiben lassen, ohne ins Esoterische oder Langatmige zu verfallen. Aber es gibt eben auch den fröhlichen Deacon. Bei „Summertime“ hört man ihn milde tanzen.

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Ekkohaus „Noschool“ (Moon Harbour Recordings)

Ekkohaus schafft es mit seinem Debütalbum von Cargo Edition zu Moon Harbour und gibt dem Mutterschiff etwas von der alten Deepness zurück.

Oldschool, Newschool, Konstantinos Tassopoulos alias Ekkohaus wollte dazwischen grätschen, sich der ewigen Diskussionen über Realness und Retro entziehen. Wahrscheinlich bewegt er sich als Producer in einem gewissen Alter genau auf diesem schmalen Grat, bei dem modulare Synthesizer ebenso eine Rolle spielen wie Plug-ins. Bisher war der in Berlin lebende Ekkohaus eng mit dem Moon Harbour-Sublabel Cargo Edition verbunden. Seit 2008 gehört er dort zum Künstlerstamm.

Für „Noschool“ konnte er sich etwas mehr musikalischen Spielraum gönnen, nicht ausschließlich auf den Dancefloor geeicht. Und Ekkohaus nutzt ihn auf angenehm unprätentiöse Weise. Es geht hier nicht um eine Materialschlacht, auch nicht um die große stilistische Erweiterung.

Vielmehr gräbt er sich in die klangliche Tiefe, arbeitet viel mit warmen, analogen Sounds und längeren Vocals. Und er spielt – besonders bei den ruhigeren Stücken – mit der Rhythmik. Manchmal klingt „Noschool“ wie eine Reminiszenz an den „alten“ Deep House der späten Neunziger. Im Prinzip auch an den anfänglichen Moon Harbour-Sound.

Etwas, dass Ekkohaus wohl eigentlich vermeiden wollte. Doch die lang gedehnten Fender-Chords ziehen das Album unwillkürlich in diese Richtung. Allerdings fühlt sich diese Patina heute auch wieder anders an. Nicht so reduziert und klinisch sauber, mit einem milchigen Schleier überzogen. Träumerischer auch.

Einige Längen bleiben zwar nicht aus, aber insgesamt verbreitet „Noschool“ eine erstaunlich entspannte und in sich schlüssige Klangtemperatur. Mit großer Detailtiefe arrangiert. Die zwei Jahre hinter „Noschool“ sind da eindeutig herauszuhören.

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Ein anderer Sound

2013 wird das Jahr der Club-Neugründungen. Nach dem Täubchenthal steht im Herbst ein weiteres Club-Projekt an. Für den guten Sound könnt ihr schon jetzt etwas tun.

Momentan soll sich in Leipzig keiner aufregen, dass die Dynamik innerhalb der Clubkultur abhanden gekommen sei. In den geordneten Bahnen versteht sich. Bei denen die Behörden im Bilde sind und abnicken sollen. Nach der Meldung vom Täubchenthal in Plagwitz, kann in dieser Woche gleich nachgelegt werden.

Denn in einem Seitenflügel des Kohlrabizirkus – westlich vom alten Messegelände gelegen – entsteht bis zum Herbst das Institut für Zukunft. Als Crew-Name schon länger ein Begriff. Es sind aber nicht die Institut für Zukunft-Leute allein. Vielmehr haben sich verschiedene Akteure mit ähnlichen inhaltlichen Ansätzen, Ansprüchen und musikalischen Vorlieben zusammengefunden. Das Ende der Club- und Location-Diaspora quasi.

Doch ein bloßes Kombinieren von Homoelektrik, Aequalis, Palette700, IO und Vertigo ist sicherlich nicht zu erwarten. Die Zeichen stehen auf gemeinsamen Neuanfang. Im musikalischen Zentrum Techno und House, daneben aber auch andere, experimentelle Genres bis hin zu Vorträgen, Workshops, Performances.

Gegensätzlicher könnten beide neuen Clubs also kaum aufgezogen werden. Der vermutlich gelebte basisdemokratische Ansatz des IfZ schimmert denn auch in der Crowdfunding-Aktion durch, die heute startet. Nicht nur der Gastro-Deal soll die Weichen stellen, die künftigen Besucher gilt es bereits in einem frühen Stadium einzubeziehen.

Und tatsächlich dürfte das Identifikationspotential für einen derartigen Club hoch sein. Innerhalb von drei Monaten sollen mindestens 30.000 Euro zusammengetragen werden, um beim Sound keine Abstriche machen zu müssen. Ein Kirsch Audio-Soundsystem ist als Herzstück des neuen Clubs geplant.

Am beeindruckendsten an der ganzen Sache ist für mich jedoch die breite, „prominente“ Unterstützung, die dem IfZ bereits jetzt ausgesprochen wird. Weit über Leipzig geht die hinaus, wie ein Blick auf die Aktionsseite zeigt.

Auch bei den Präsenten für die zahlenden Unterstützer kommt sie zum Tragen: Kassem Mosse und Mix Mup steuern ein limitiertes Mixtape bei, Modern Trips ihre Grafiken auf Textil und bei den zwei geplanten Support-Compilations finden sich einige renommierte Producer wieder.

Für 2.000 Euro gibt es übrigens eine eigene Party im Club. „Another Sound Is Possible!“ heißt das Motto der Kampagne – in diesem Sinne: wir sind überaus gespannt.

Institut für Zukunft Website

Adam Port & Here Is Why „Our Fate“ (Keinemusik)

Neues von Here Is Why – das erste Mal seit ihrem Debüt-Album vom letzten Jahr. Und gleich abseits der Riotvan-Heimat.

Es war eines der Leipzig-Alben des letzten Jahres und es sprach sich erfreulicherweise durchaus auch im Rest der Republik herum. Ihr Wave-Pop mit tiefen Verneigungen vor den nächtlich-melancholischen Momenten der Achtziger war von Anfang an so konsequent und wohldosiert ausformuliert, dass aller Retro-Müdigkeit zum Trotz hier die wirklich großen Gefühle wach gerufen wurden.

Mit den zwei neuen Songs behalten Here Is Why den Kurs bei, und momentan ist das auch das einzig richtige. Im Proberaum und Studio kam es aber wohl zu Verschiebungen. Zu ineinander verlaufenden Verschiebungen. Die Stücke entstanden nämlich erstmals komplett im Band-Gefüge. Nicht mehr nur Mikesh als Mastermind.

Was bei „Our Fate“ und „Tonight“ noch einmal auffällt, ist das Understatement mit dem die Songs arrangiert und intoniert sind. Still, introvertiert, kaum dramaturgische Eruptionen. Adam Port vom Berliner Label Keinemusik wirft all das über Bord. Er wandelt „Our Fate“ zu einem recht ungeschliffenen House-Stück, mit mächtiger Bassline, scharfen HiHats.

Die Reduktion bleibt aber. Und natürlich kann man mit Mikeshs Vocals nur gewinnen. Dass Here Is Why ein dankbarer Remix-Partner sind, zeigte ja schon „HRSY Perspectives“. Adam Ports Mix toppt das aber noch einmal, gerade auch indem er das Stück krautiger gestaltet. Tolle Platte, tolle Kombination.

Here Is Why Website
Keinemusik Website
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Lass mal reden

Vor einigen Wochen tauchte Elektro-Konsumenten als Begriff in den Ausgehtipps schon einmal auf. Jetzt noch ein paar Worte mehr dazu. Denn hinter dem etwas antiquiert klingenden Namen steckt eine gute Idee.

Und zwar die inhaltliche Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten der Leipziger Clubkultur. Punkt. Diskutieren, Vorstellen, Vernetzen, Fördern, Sensibilisieren – eine klassische Plattform mit weitgehend offenen Strukturen und unterschiedlichen Adressaten.

Nach den ersten beiden Abenden mit Konzerten geht es im Juni gleich mit einer Lesung los. Felix Denk und Sven von Thülen kommen noch einmal und lesen aus ihrem wunderbaren Berlin-Rave-Buch „Der Klang der Familie“.

Richtig spannend könnte es dann ab Herbst werden, wenn die ersten Podiumsdiskussionen anstehen. Thematisch eng angeknüpft an die Belange der hiesigen Szenen. Und vielleicht auch mit entsprechenden Vertretern der Stadtverwaltung. Von Themenabenden ist ebenfalls die Rede, sowie von einem bloßen Zusammenkommen und Austauschen. Denn es sei zwar viel passiert in den vergangenen Jahren, doch oftmals würde jeder für sich hin arbeiten, so Andreas Stephan, einer der Initiatoren.

Mit dem Kafic wollte man bewusst einen neutralen Ort nehmen. Mal sehen, es klingt sehr ambitioniert und in dem regelmäßigen, einmonatigen Turnus fehlt eine derartig fokussierte Plattform in Leipzig bislang tatsächlich.

Elektro-Konsumenten Website