Seit ein paar Wochen lässt sich mit dem Hashtag #ListentoLeipzig leichter Musik aus der Stadt entdecken – jetzt ergänzt eine erste kuratierte Genre-Playlist die lokale Werkschau. Filburt erklärt seine Auswahl.
#ListentoLeipzig soll ja sowohl nach innen als auch nach außen wirken. Selbst jemand, der seit Jahren in Leipzig lebt, wird nicht alle musikalischen Akteure auf dem Schirm haben. Erst recht bei Genres, die sonst nicht unter dem persönlichen Radar leben.
Für die elektronische Musik gewährt nun Filburt einen ersten Einblick in das, was in Leipzig gerade passiert. Regelmäßige frohfroh-Leser dürften von der Auflistung zwar wenig überrascht sein. Dafür kommen die neuen Flashs dann vielleicht bei den anderen Genre-Playlists. Wir dürfen diese hier als Premiere verkünden und Filburt ein paar Worte zu seiner Auswahl schreiben lassen.
The Micronaut „Flashlight“ Der beste Leipziger Liveact im elektronischen Bereich, weil auch einfach viel Live und Emotionen dabei sind.
New World & Jennifer Touch „Night Stalker“ Diese Riotvan-Nummer mag ich einfach so sehr. Ein perfekte Warm-up-Nummer oder auch um einfach mal die Seele baumeln zu lasen.
Thomas Scholz & Iami „Cafune“ Eine tolle Kooperation zweier Soundtüftler. Es ärgert mich irgendwie immer noch, dass ich es damals nur digital veröffentlicht habe.
Luvless „Luvemaschine“ Luvless und Rose Records gehören zu Leipzig wie Uniriese und Leipziger Lerchen.
Crooks + Lovers „Close“ Ich bin total froh über frohfroh auf Saskia gestoßen zu sein. Neben „Close“ wird auch im Spätherbst ein neuer Track von ihr auf O*RS erscheinen – eines der größten Talente aus Leipzig. Mit viel Potential nach oben.
RDF „2203“ Die Zusammenarbeit mit Ron Deacon ermöglichte mir die etwas analoge ruffere Seite auszuleben. Ich freue mich schon auf die neue RDF-Platte die im Herbst erscheinen wird.
Polo „Robin´s Freund“ Einer der wohl besten und underrated DJs aus Leipzig. Endlich mit seiner ersten Platte auf Kann Records. Ein besseres Zuhause hätte er dafür nicht finden können.
Ranko feat. Helen Fares & Phnx Muhammad „Backdoors“ Die Zusammenarbeit mit Ranko hat meinen Horizont wieder ein Stück erweitert. Ich hoffe da kommt noch mehr zu Stande. Danke.
Daniel Stefanik „Hermsdorfer Kreuz“ Für mich der beste Track von Daniel, der einfach dessen Vielfältigkeit zeigt.
Lake People „Point in Time“ Tja, zu Martin fällt mir einfach nix mehr ein – seine Musik spricht für ihn.
Nun ist es da: Das vor über einem Jahr angekündigte Label Defrostatica feiert seinen Einstand. Footwork ist hier das bestimmende Thema – ein Style aus Chicago, der sich vor allem dank britischer Labels wie Planet Mu und Hyperdub in der Welt verbreitete. In Leipzig ist Defrostatica nun das erste Label, das sich dem Sound widmet.
Mit gleich zwei Veröffentlichungen auf Vinyl (und natürlich auch digital) steht dabei Kator im Mittelpunkt des Geschehens. Um sein minimalistisches „Connor“ dreht sich das erste Release, das dann auch eine ganze Reihe von Remixen bereithält. Diese zeigen auf, wie gut die Verquickung von Footwork mit Drum & Bass und Jungle funktioniert.
Sehr episch ist die Bearbeitung vom finnischen Drumfunk-Meister Fanu, etwas trockener hingegen die Version von Kiat aus Singapur und leicht ravig der Remix von Hexer. Als digitalen Bonus gibt es zwei weitere Remixe zu „Connor“: Eine eher monotone Interpretation von Blac Kolor sowie eine mit leichten Jazz-Anleihen versehene Variante von Mute-atioN.
Die „Get Stacked EP“ wird von Kator alleine bespielt. Fünf Tracks erwarten uns hier. Das entspannte „Clapfresh“ beginnt mit Jungle-Breakbeats und geht in nervöse Footwork-Patterns über. Im Titel-Track „Get Stacked“ steht selbiges Rap-Sample im Vordergrund. In „Basics“ laufen die Breakbeats dann durchgängig mit. „Synthwork“ ist in seinen Sounds abwechslungsreicher, hier verzichtet Kator auch auf die Handclap der anderen Tracks. In „Rimshot“ wird selbige mit Hall-Effekten versehen.
Kator kommt in den fünf Tracks auf den Punkt und verdichtet seine Track-Ideen auf maximal dreieinhalb Minuten. Eine sehr entspannte Lässigkeit durchzieht die EP, was vor allem für Footwork-Einsteigern entgegen kommen dürfte, die sich an die hypernervösen Beats erst gewöhnen müssen.
Welche Motivation hinter dem Label steckt und wie es überhaupt um Footwork und Drum & Bass bestellt ist, darüber haben wir uns mit Label-Betreiber Booga unterhalten:
Du hast vor etwa einem Jahr das Label angekündigt und wolltest den Prozess in einem Blog transparent machen. Dann wurde es etwa ein dreiviertel Jahr lang sehr ruhig. Was ist passiert?
Es gab noch einen Eintrag, in dem ich mich klarer ausdrückte, als ich wusste, was zum Label dazu gehört, und dann hab ich nichts mehr geschrieben, weil …
Zwei Sachen finde ich wichtig. Erstens: Ich finde tatsächlich den Learning-Out-Loud-Aspekt im Internet wichtig und interessant, weil die meisten Leute, deren Blogs ich lese, nach diesem Prinzip verfahren und transparent machen, was sie tun und was sie lernen und welche Misserfolge sie haben.
Das andere ist das Feedback von LXC: „Audio oder Shut the Fuck Up“. Das hat auch was für sich. Ich kann lange reden und lernen, aber wem bringt das was. Zwischen diesen zwei Polen bin ich hängen geblieben und habe mich dazu entschieden, mich erst mal zu sammeln, bevor ich irgendwas mache. Es war mir irgendwie klar, dass es nicht so schnell gehen wird. Ich hatte zwar zum großen Teil die Musik schon zusammen und wusste ungefähr, was ich mit Kator machen wollte, aber ich wollte mir genau überlegen, was ich tue, bevor ich nur den Song nehme und ihn digital veröffentliche.
Vom ursprünglichen Gedanken eines reinen digitalen Labels habe ich mir gesagt, dass ich das anders lösen muss oder will. Das war für mich eine Erkenntnis des Projekts: Es muss ein bisschen mehr Anreiz für mich dahinter sein. Deswegen ist es Vinyl geworden. Und dann hat’s halt gedauert. Mir war es lieber, mich hetzt keiner, ich weiß, was ich machen will, es macht mir Spaß, und wenn es dauert, dann dauert es.
War erst die Idee da, digital zu veröffentlichen?
Es war alles eher ein Impuls. Die Tunes von Kator waren da. Das ist ein junger Mann mit unglaublichem Talent und unglaublichem Gespür für Szenerie und coole Beats, definitiv.
Dass er die einfach auf Soundcloud hochlädt, das war zu cool, um nicht darauf zu reagieren. Es war eine Kurzschlussreaktion, zu sagen, hey, das veröffentliche ich jetzt, scheiß drauf. Zum Glück ist für diese Sorte von Musik in Leipzig enorm viel Platz.Ich wusste, dass er nicht die Strukturen hat und es keinen gibt, der seine Tracks rausbringen würde. Es gibt kein Label, da kann sich keiner drum kümmern und um Kator muss sich gekümmert werden. Da hab ich gesagt, ok, ich mache ein Label. Was gehört nochmal dazu? Mir sind ein paar Sachen klar geworden. Es ist ziemlich einfach, die Musik digital zu veröffentlichen. Bandcamp kann jeder machen, aber wenn man sich damit beschäftigt, wie man veröffentlicht: Was mache ich besser, als dass der Künstler es bei Soundcloud hochlädt? Ich bin kein Remixer oder Mäzen, sondern helfe jemandem, sich zu entwickeln. Und dass muss ich auf einer anderen Weise machen als „Ich mach das wie du, aber mit einem anderen Anstrich“.
Also im Sinne von Label-Arbeit und Marketing.
Ja, einfach zu schauen. Seine Musik rauszubringen ist das Eine. Das mit einer Platte zu verbinden und eine ernsthafte, langfristige Label-Entwicklung zu kennzeichnen, ist auch für ihn in der öffentlichen Wahrnehmung nicht unwichtig. Ihn mit Leuten bekannt zu machen, die ihn vorher nicht auf dem Schirm hatten, die Bock haben, mit ihm aufzulegen oder Kollaborationen zu machen.
Da sind schöne Dinge im letzten Jahr passiert. Es gibt jüngere Produzenten aus Singapur, die sich mit ihm zufällig sowieso schon verbunden hatten, die wiederum Kiat kannten, der wiederum den Remix von Kator gemacht hat. Und es gibt eine Idee für ein Kollaborationsprojekt zwischen Youngstern und Älteren, wo ich auch mitmachen soll. Das sind Dinge, die waren so nicht in Planung, die sind natürlich gewachsen und auf die habe ich übelst Lust.Du bringst jetzt quasi zwei Platten gleichzeitig raus. Hat das was mit den Verzögerungen des Presswerks zu tun oder war das geplant?
Das war geplant. Ich hatte erst ein halbes Dutzend Tracks von Kator, und habe dann nochmal eine Auswahl getroffen. Ich habe ja einen guten Austausch mit LXC, muss man wirklich sagen. Der hat mir im letzten Jahr enorm viel dabei geholfen, laut zu denken und gab mir Feedback: Gute oder schlechte Idee, lass das. Er hat zehn Jahre Label-Erfahrung, da wäre es blöd, nicht zuzuhören.
Ein Label, das keiner kennt, mit einer Musikrichtung, die in Leipzig einen Bruchteil der Leute interessiert, mit einem Vinyl-Output zu verbinden ohne Leumund: Das ist ein bisschen verrückt. Deswegen ist es so gekommen wie es jetzt gekommen ist.
Hexer ist jemand, den ich schon sehr lange kenne. Daniel Myer ist ein hervorragender Musiker. Was er bei dem Remix gemacht hat, davon könnte er locker ein Album machen. Er hatte Anfang 2000 oder Ende der Neunziger ein Album selbst herausgebracht, das ist irgendwie total untergegangen. Er hat mit seinem Remix genau das gemacht, wo ich denke, dass es da auch Label-technisch hingehen kann.
Kiat hat gehört, dass ich ein Label mache und nach einer Möglichkeit gefragt, daran teilzunehmen und da habe ich ihm den Remix einfach gegeben. Und bei Fanu war es eigentlich so … ich mag seine Musik sehr, ich mag die Wildheit von ihm sehr und diese Genrewechsel, dass er etwas Rohes, was Ungeschliffenes hat, was auch teilweise aus dem Hip Hop inspiriert ist. Ihm folgte ich bei Facebook und er sagte, er macht auch Mastering. Dann kamen wir ins Gespräch. Er kannte Kiat vom Hörensagen und wollte mal wieder spielen und da habe ich gesagt, komm herum, mach nen Remix und so ist es passiert.
Deswegen die Auskopplung als Single mit den Remixen zuerst, weil ich dem Stück Connor den Platz dafür geben wollte, den es aus meiner Sicht auch verdient. Der Rest steht wiederum ein bisschen für sich. Die „Get Stacked“-EP ist dafür da, Kator allein Raum zu geben mit dem, was er geschaffen hat, mit seinem speziellen Style. Und vielleicht überscheinen die Remix-Künstler, das was Kator gemacht hat. Deswegen die Single auf der einen Seite, die EP auf der anderen Seite. Aber es hat nicht mit den Verzögerungen vom Presswerk zu tun, das war eine allgemeine Naturkatastrophe.
Ich fand interessant, dass in den letzten drei Jahren nicht nur das Footwork-Ding explodiert ist, sondern dass es sich auch an Drum & Bass und Jungle angenähert hat und dass es ein Jungle-Revival gab. Du bist ja schon echt lang dabei. Wie stehst du zu Footwork? Würdest du sagen, dass es Drum & Bass gut tut?
Absolut, absolut. Also, Footwork hatte nie vorgehabt, Drum & Bass gut zu tun. Ich höre schon zu lange Drum & Bass, um nicht auch andere Sachen zu hören, cool zu finden und aufzulegen. Das war schon immer so. Footwork ist eine Sache gewesen, die habe ich tatsächlich erst so in dem Ausmaß entdeckt, als ich auf Planet Mu regelmäßig Releases gekauft habe, die mir extraordinär gefallen haben.
Und dazu gehört die ganze Posse um Ital Tek, Machinedrum, Om Unit, solche Kandidaten. Zum Beispiel Om Unit noch mit seinem Philip D Kick-Pseudonym, mit dem er sich Drum & Bass-Klassiker genommen hat und mit dem original Chicago-Footwork-Vibe versehen hat. Klassiker von Adam F und so. Denen hat er quasi wie ’ne Art Remix gegeben, aber auf so einer Oldschool 160bpm-Basis.
Diese Tunes hatten für jemanden wie mich eine riesige Bedeutung, aber die klangen plötzlich total frisch. Ich hab Machinedrum im Eiskeller live gesehen. Ich fühlte mich zeitversetzt, du fühlst dich irgendwie zeitversetzt von einer irgendwie von dir bekannten, tanzbaren Musik, die es so nicht mehr gab. Mit 160 bpm ist ein ganz anderer Groove möglich, eine ganz andere Sorte von Tanz, Schnelligkeit und Wildheit, die mit 170 oder 178 bpm überhaupt nicht mehr möglich ist. Wo dieser 2-Step gar keine anderen Dance-Moves mehr zulässt, keine andere Art mehr sich zu bewegen. Der Typ hat das live performed und ich dachte, ok, das ist das! Ich mochte schon immer Breakbeats und das war die Inkarnation des Breakbeat-Revivals.
Dann gab’s nicht nur diese Mischform, wo englische und amerikanische Künstler Footwork quasi europäisiert dargestellt haben, so wie das auf Planet Mu passiert ist, sondern dann guckst du dir die Original-Künstler an – Rashad, Teklife-Crew und lauter so einen Kram. Du findest plötzlich überall Songs und Nischen. Ich habe dann angefangen, Mixtapes zu machen. Die Oldschool-Drum & Bass-Jungle-Platten haben sich genau in das Tempo reingefügt, das war für mich fast ein natürlicher Vorgang.
Dann liest du Interviews, wie Om Unit mit Rashad gemeinsam für Hyperdub Sachen produziert oder sich ausgetauscht haben und das Rashad-Album von dieser Auseinandersetzung inspiriert ist, dass es eine ähnliches Tempo gibt. Und dann hörst du auf dem Hyperdub-Album plötzlich Breakbeats im Footwork, die es so bei denen nie gegeben hat. Das finde ich supergeil, das ist ein völlig angenehmer frischer Moment, zu sagen, wir definieren das nochmal ein bisschen anders. Deswegen ist Footwork als Inspiration, als Sidekick für die Sachen wie ein Neustart für mich gewesen.
Im Prinzip war das Letzte, was relativ neu war im Drum & Bass diese Halfstep-Geschichte, wenn ich mich erinnere. Seitdem Dubstep explodiert ist, gab es vermehrt, neben Amit, Halfstep-Sachen.
Aber das Halftempo-Ding gibt es nicht erst seit Instra:mental und Autonomic. Das gibt es schon länger, zum Beispiel Digitals „Deadline“ auf Doc Scotts Label, das kam vor 15 Jahren raus.
Ein absoluter Klassiker. Also so Halfstep-Tunes gab es immer mal, aber was ich eine völlig geile Inspiration fand, war das Umfeld Instra:mental, dBridge, die ganze Autonomic-Serie. Die haben nochmal so einen Future-Sciene-Fiction-Vibe, einen düsteren, extrem auf Stadt ausgerichteten Vibe in die Musik gebracht. Marcus Intalex war ja auch dabei. Fand ich auch sehr inspirierend, weil die auch ein bisschen von dem Vollgas-Irgendwas-Ding weg gingen.
Was ich auch interessant fand, dass sich dieselben Producer plötzlich auch mit Electro und so beschäftigt haben und völlig andere Wege gegangen sind. Ich hatte das Gefühl, dass alle plötzlich viel mehr experimentiert haben als die 20 Jahre davor. Weil du ja sagtest, dass du auch die jüngeren Produzenten neben Kator für dich entdeckt hast: Denkst du, dass es einen Generationsunterschied gibt zu den Leuten, die vor fünfzehn bis zwanzig Jahren Musik gemacht haben? Wie sie Musik machen und worauf sie sich konzentrieren, sind sie offener?
Ich kann das nicht vergleichen, weil ich vor fünfzehn Jahren mit Künstlern aus Leipzig nicht so groß zusammengearbeitet habe. Die Leute, die Drum & Bass und Breakbeats und so produzierten, waren nicht so viele und sie sind sich nicht so bekannt gewesen. Und diejenigen, die da was machten, die kannte man vielleicht schon länger, aber es gab nicht so eine große Kultur des Austausches. Man weiß nicht, die Herangehensweise vor zehn bis fünfzehn Jahren war so oder so. Ich habe das eher so als DJ beobachtet.
Kator hat eine völlig eigenständige Heransgehensweise beispielweise an die Dramaturgie eines Stückes. Das ist ein Moment, an der Stelle will ich überhaupt nicht anfangen meine Finger reinzuhängen. Wenn du dir die „Get Stacked“-EP anhörst … ich finde, das ist dramaturgischer Punkrock, Stücke teilweise so zu machen wie er Footwork macht. Und ich liebe das. Sowas kann man niemandem sagen, sowas findet bei jemandem statt, wie er das macht und was der Sound da ist. Oder Mute-atioN, ein anderer junger Künstler, mit dem ich beginne zusammenzuarbeiten, der hat ähnlich schräge Heransgehensweisen, Musik zu machen. Das finde ich absolut gut.
Ich glaube, dass die Leute in der Richtung heute, na klar, heutzutage wesentlich mehr hören. Kator kommt aus dem Umfeld von Modern Trips und die haben auch schon andere Sachen gemacht, er hört auch Trap und diesen ganzen Drill-Stuff-Hip Hop. Die haben auch schon Techno-Sachen, Tapes gemacht und sowas alles. Und haben früher auch so Fanfaren-Drum & Bass aufgelegt, wenn du dich an die Zeit noch erinnerst. Also, die haben schon viel gesehen und gehört. Und er macht jetzt das, was er denkt, was irgendwo hin muss, und ich bin froh, dass mir das nicht durch die Lappen gegangen ist.
Apropos Trap. Du hast geschrieben, dass das Defrostatica-Label sich schon auf Uptempo-Sachen bezieht. Bleibst du bei Jungle, Drum & Bass, Footwork oder denkst du, dass du da auch in eine andere Richtung gehen willst? Hast du überhaupt schon eine konkrete Vorstellung, wo du hin willst oder lässt du das auf dich zukommen?
Ich habe eher eine Sound-Vorstellung, eine klangliche Vorstellung, aber keine Tempo-Einschränkung. Es ist Quatsch zu sagen, ich kann mir auch vorstellen, Techno zu releasen oder sowas, das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, zu schauen, dass Leute was mit dem Label, mit der Musik anfangen können, das die einen Bezug haben, zu wissen, ok, das ist so ein Sound. Das betrifft ja nicht nur Leipzig.
Wir haben noch Remixer dabei, die nicht auf der Platte mit drauf sind uund nur digital erscheinen werden. Die bringen nochmal eine andere Note rein, haben viel mehr diesen Halftempo-Aspekt drin und sind experimenteller. Mute-atioN hat einen Remix gemacht und Blac Kolor, der ja eigentlich aus dem Techno herkommt. Und der Sound von denen, selbst was in den Remixen passiert, ist für mich sehr passend.Defrostatica war ja eigentlich deine Solo-Platte von vor fünfzehn Jahren. Und der Begriff hat ja was Kühles. Wie kam es eigentlich zu dem Namen? Gab es dahinter eine Geschichte?
Also, es gibt eine Geschichte dahinter, aber ich habe das Gefühl, dass möchte ich noch nicht erzählen. Meine ersten Platten sind noch nicht da (zum Zeitpunkt des Interviews, d.A.), ich erwarte die quasi stündlich, und ich habe das Gefühl, ich spoiler das.
Dann freuen wir uns auf die Auflösung des Geheimnisses. Du hast ja auch die Drum & Bass-Reloaded-Geschichte mit angerissen, oder?
Das hat was damit zu tun, dass man die alte Leipziger Familie, die Ende der Neunziger das hier mit aufgelegt hat, reaktiviert hat. Wir kennen uns da alle schon ewig.
Mir ist nur der Kontrast ein bisschen aufgefallen. Als ich das erste Mal davon gehört habe, kam mir es vor wie so eine Ü30-Party für Drum & Bass-Heads. Jetzt stehst du mit dem Label wieder voll in der Gegenwart – gibt es im Drum & Bass Nostalgie? Wenn man sich Drumfunk anhört oder dass die Jungle-Ästhetik wieder da ist?
Es gibt definitiv nostalgische Momente, wenn du die Platten auflegst. Das Konzept war ja bei Drum & Bass Reloaded so, dass wir uns auf eine bestimmte Zeit begrenzen. Nur zu sagen, wir legen alle mal wieder zusammen auf, macht nicht so Sinn. Zu einer bestimmten Zeit war die Musik halt sehr populär. Viele Leute haben das gehört und die leben zum Teil auch alle noch in Leipzig. Diese Sorte von Sound kam auch nicht mehr so oft. Also war das schon – von mir aus – die erste Ü30-Drum & Bass-Reihe.
Aber der Witz war, dass bei der ersten und der zweiten Party letztes und vorletztes Jahr natürlich eine Menge von den älteren Leuten wieder ankamen, aber trotzdem auch junge da waren. Und es war nicht wirklich so eine belastende Nostalgie-Geschichte, sondern das war wirklich … Die Leute haben schon lange keine Tunes gehört, die sie kannten und haben immens stark darauf reagiert. Und wenn du die Tunes mal wieder selber spielst, die du lange nicht mehr gespielt hast, dann ist das unfassbar gut, was da mit einem passiert.
Da merkst du sofort, welche tiefere Bedeutung der ganze Kram für dich hatte, warum die Tunes alle so megaklasse waren und warum sie auch vielleicht so ein Stückchen einen Anreiz für mich darstellen. Im Sinne von: Überleg dir genau, was du releast, denn es ist einmal da, daran wirst du beurteilt. Ob es kickt oder nicht, wird sich immer noch erweisen, aber mach es nicht wahllos.
Dieses Jahr werde ich nicht dabei sein, weil ich im Urlaub bin, aber ich hatte eigentlich gedacht, ich mache sowas: Ich möchte als Erster auflegen und spiele was von den neuen Sachen. Nicht, weil ich das Label promoten will, sondern natürlich weil man aufpassen muss, das es nicht zu so einer Nostalgie-Geschichte wird. Dafür ist auch die Musikrichtung … es ist ja kein Schlager oder so, oder wie eine Depeche Mode-Party, man kann bloß noch die alten Sachen spielen. So ist es ja nicht.
Aber ich habe es unheimlich gemocht, letztes Jahr Sachen aufzulegen, die ich ewig nicht mehr aufgelegt habe. Es gibt ein unglaublich geiles Energie-Gefühl. Das heißt aber nicht, dass es mich völlig davon abhält, mit den coolen Kids neuen Scheiß zu machen. Das ist der Punkt.Stichwort Promos. Verschickst du Promos an Leute und wie war denn das Feedback bisher?
Sehr interessant und sehr beruhigend und sehr inspirierend. Ich hatte natürlich das Glück, in der Zeit, in der ich selber Partys veranstaltet habe, eine Menge Künstler und DJs kennen zu lernen. Ich hatte auch vorher schon die Gelegenheit, die im Conne Island zu supporten. Ein Großteil von denen habe ich wieder gesehen, E-Mail-Adressen gesammelt. Dann schreibst du die an, schickst denen das rum und die, die auf dem Vibe sind wie Om Unit, Sam Binga, Fracture,die haben das alle bekommen und finden das super interessant. Und der Witz ist, jeder von denen findet teilweise andere Stücke interessant und gut.
Auch Kabuki sagt, es ist cool, dass es überhaupt ein Label gibt, dass die Musik weiter promotet. Das ist in Deutschland nicht an jeder Ecke und in jeder Stadt üblich und ich glaube es ist alles willkommen, wenn sich Leute in der Richtung gefühlt irgendwie engagieren. Es ist nicht nur so „Hey, Hauptsache, du machst was“, es ist eher „Das Stück gefällt mir nicht“, „Der Remix gefällt mir besser als der andere“.
Selbst wenn ich Leute in Leipzig frage, gibt es nicht zwei, die dieselbe Kombination von Tunes haben, die sie innerhalb des Pakets geil finden. Finde ich cool, dass die Leute überhaupt unterschiedlich reagieren. Irgendwo scheinen die richtigen Figuren da aufgestellt zu sein, das finde ich gut.
Rap und frohfroh – nun ja, wie ihr vielleicht schon bemerkt habt, gehört der lokale Sprechgesang nicht gerade zu unserer Kernkompetenz. Aber dafür gibt es andere Quellen, die euch auf dem Laufenden halten.
Ein ambitioniertes Projekt befindet sich derzeit in der Beta-Phase: Rap Circus berichtet tagesaktuell über Rap, Hip Hop und Artverwandtes in und aus Leipzig. Bereits jetzt ist die Plattform schon gut gefüllt mit allerlei Neuigkeiten und Reviews. Aber auch einen Eventkalender und eine Künstlerdatenbank gibt es. Wir whacken Toys wissen also ab sofort genauso gut Bescheid, wie die echten Szene-Checker.
Schuld daran ist der Betreiber Jake, seines Zeichen Produzent der Crew 8ZWO7. Ihm haben wir ein paar Fragen gestellt:
Was ist die Motivation für deinen Blog?
In Leipzig hat sich in den letzten Jahren eine vielfältige Rap-Kultur entwickelt. Ich wage zu behaupten: Es gab noch nie so viel Rap aus Leipzig wie heute. Einen kompakten Überblick bekommst du aber nirgendwo – und erst recht nicht aktuell, also am Puls der Zeit.
Das soll Rap Circus ändern. Einerseits ist das Ziel, Leipziger Rap und Hip Hop eine neue und passende Bühne zu geben – lokal wie auch deutschlandweit. Andererseits sollen Leipziger natürlich auch erfahren können, was in ihrer Heimatstadt musikalisch passiert – ob es Videos, Releases oder Konzerte sind.
Machst du Rap Circus allein?
Aktuell ja. Das Konzept für Rap Circus habe ich in Eigenregie entwickelt und werde es bis zum Ende der Betaphase auch weitgehend alleine umsetzen. Ich habe einen sowohl journalistischen als auch technischen Background, weswegen das erstmal kein Problem ist. Was danach passiert, wird sich zeigen. Es existieren so viele Ideen für Rap Circus, dass ich früher oder später auf jeden Fall Hilfe brauchen werde.
Nach der ersten, kurzen Zeit seit dem Start der Website sind die erster Eindrücke sehr ermutigend: Der Zuspruch für Rap Circus ist super und mein Umfeld unterstützt mich großartig, wofür ich dankbar bin. Ganz allein bin ich also doch nicht.
Was schätzt du an der lokalen Rap-Szene?
Wie schon gesagt, ist die Leipziger Rap-Szene vielseitig. Es gibt Künstler in fast allen Stilrichtungen und in fast allen Größenordnungen. Das Klima ist kreativ, die Artists haben Bock, aber es gibt noch Luft nach oben. Bis auf wenige Ausnahmen fehlen in Leipzig leider die professionellen Strukturen für die Künstler. Für den einen Artist mag das nicht schlimm sein, weil er nur aus Spaß an der Freude Rapmusik macht, aber ich weiß auch aus Gesprächen mit verschiedenen Leipziger Rappern, dass dies eine frustrierende Situation sein kann.
Ich bin aber optimistisch, dass sich da in den nächsten Jahren etwas ändern kann, sofern die richtigen Leute an den richtigen Stellen anpacken. Ich kann mich nur wiederholen: Es gab noch nie so viel Rap aus Leipzig wie heute. Wir haben hier beispielsweise seit Anfang 2015 die „Open Mic am Dienstag“ Veranstaltungen, kurz OMAD, was mittlerweile zu einer echten Anlaufstelle für MCs geworden ist. Und wir haben neben den Musikern auch eine Menge talentierte Künstler in Bereichen wie Grafik, Video und so weiter, die fest mit Hip Hop aus Leipzig verwurzelt sind.
Und was nervt dich?
Was mich stört ist ganz klar, dass sich teilweise schwer getan wird, sich unter den Künstlern Anerkennung oder Respekt auszusprechen. Ich weiß nicht, ob das wirklich so ein Leipziger Ding ist oder ob das in anderen Städten auch so läuft, denn ich kenne es im Detail nur so, wie es in Leipzig ist.
Ich finde, man muss die Musik eines Künstlers ja nicht zwingend mögen, um seine Anerkennung zum Ausdruck zu bringen. Das vermisse ich hin und wieder unter den Künstlern. Vielleicht ist das aber auch einfach so ein Rap-Ding, da etwas verhaltener zu sein. Wer weiß.
Für alle, die sonst keine Ahnung von Rap aus Leipzig haben: Was sollen wir unbedingt hören?
Da gibt es einiges – kommt ganz darauf an, worauf man steht. Wer auf Battlerap steht, kommt an Morlockk Dilemma nicht vorbei. Er ist der wohl bekannteste Leipziger Rapper und hat vor wenigen Tagen ein neues Projekt rausgebracht.
Ebenfalls sehr aktuell ist Mase vom Funkverteidiger-Kollektiv.
Stylus MC ist ein echt empfehlenswerter Rapper mit lässigem Flavour und bringt demnächst auch eine Platte raus.
Für entspannte Stimmung ist derzeit das neue Release von dude26 sehr zu empfehlen.
Für eine wilde und rohe Liveshow solltet ihr 8ZWO7 ausschecken, für die ich – Achtung, Eigenwerbung – auch produziere.
Das Straßen-Ding macht Omik K. für Leipzig klar, während es bei Jahmica – einem begnadeten Freestyler – hipper zugeht.
Ich könnte noch eine ganze Weile weiter erzählen, aber ich glaube das ergibt jetzt schon eine gute Playlist. Wer noch mehr Rapper aus Leipzig sucht, schaut einfach bei Rap Circus in der Künstler-Kategorie vorbei.
Oh, und wenn wir schon dabei sind: Dank der Kollegen bei itsyours wissen wir jetzt auch, dass mit wasrap.de und Raputation schon seit einiger Zeit zwei Stimmen aus Leipzig über Hip Hop berichten.
Leipzig und House – eine große Liebe. In den letzten Tagen sind gleich mehrere neue House-EPs herausgekommen. Wir packen sie alle in eine Tasche.
M.ono „Volle Schnauze“ (Heist Recordings)
M.ono ist zum Beispiel dabei. Wieder mit einer EP abseits seiner Rose Records-Heimat. Toll mitzuerleben, wie die drei Producer hinter dem Label nach und nach ihre Netzwerke ausbauen und von anderen Labels umworben werden. Beim Amsterdamer Label Heist Recordings kamen nun vier neue Tracks heraus – als „Volle Schnauze“-EP.
Irgendwie klingt M.ono hier viel zeitgenössischer als auf den vorherigen EPs. Weniger Disco- und Soul-Fokus, mehr enger gesetzte Geradlinigkeit. Und bei „Pegasus ’83“ schraubt er das Rave-Level ungewohnt hoch. Oh oh, die Tech-House-Falle mit fingerschnipsenden HiHats. Doch insgesamt hält die tänzelnde Leichtigkeit den Ball flach und deep.
QY „Spuo EP“ (Quality Vibe Records)
Neues auch vom Duo QY, obwohl die wirklich herausragende Ortloff-EP nur ein paar Wochen zurückliegt. Vom noch jungen italienischen Label Quality Vibe Records wurden vier Tracks auf 180 g-Vinyl gepresst.
Eine ähnlich spannende Schärfe und ausgehebelte Bandbreite wie neulich bekommt die „Spuo EP“ jedoch nicht hin. Es ist eher eine solide Werkschau über die einerseits dubbige und andererseits lässig verspielte House-Deepness von QY. „Unknown“ hat da noch am meisten Crisp. Aber leider haben das QY schon öfter so ausformuliert. Aber: Cover wieder geil.
Various Artists „Episodes“ (A Friend In Need)
Eine neue Compilation gibt es von Lootbegs Label A Friend In Need. Und dort gibt es bekanntlich eine große Zuneigung für die klassische Deepness mit leichter Oldschool-Neigung.
Neben den Leipzigern Blinds, Zacharias sowie Iami & Lootbeg sind auch zwei neue Gesichter auf der „Episodes“-Compilation dabei. Liberty Cap aus Irland poltert sich einen souligen HipHop-House-Hybriden heraus. Währenddessen holt der Russe Buzz Compass mit stampfender Bassdrum, umher schwirrenden Synth-Sounds und Gitarren-Chords eine etwas obskure Rock-Attitüde hervor, die wie ein alter Disco-Mix einer 80s-Rockhymne anmutet.
Die aufgeladene Darkness mit der zugleich aufkommenden Poesie von „Kalsarikaennit“ bleibt mir hier aber am wohligsten in Erinnerung. Da haben sich die Eigensinnigkeit von Iami und die House-Beflissenheit von Lootbeg sehr schlüssig bündeln können.
Lootbeg „Rawious Trax“ (Esoulate Music)
Lootbeg solo gibt es auch noch einmal auf EP-Länge. Esoulate hat nämlich nach einer gewissen Pause wieder was herausgebracht. Und auf „Rawious Trax“ gibt es genau die hören. Raue Classic House-Tracks mit Soul- und Acid-Einschlag.
„Into The Groove“ pumpt dabei so viel Wärme in den durchrauschenden Strom, das ich mich dem nicht entziehen kann – obwohl hier nun wirklich das ganze 1 x 1 der klassischen House-Deepness durchdekliniert wird. Matthias Fiedler, Resident des Wolke-Clubs schafft es indes, „The Raw Tool“ noch mehr Druck zu verpassen, ohne vom Kern des Originals abzurücken.
Seit rund zwei Monaten ist es still beim Leipziger Web-Radio Mottt.fm – im Hintergrund wird aber derzeit an einem Relaunch gearbeitet.
Plötzlich war der Stream aus unzähligen – teilweise live aus der jeweiligen Nacht übertragenen – Sets von Leipziger DJs aus. Zu sehen auch an dem Fehlerfenster unten links im Footer von frohfroh. Der Grund: „Es gab unerwartete Probleme mit dem Hosting-Anbieter, dadurch mussten wir uns neu organisieren“, erklärt Falk von Mottt.fm.
Und neu organisieren kann bei einem Non-Profit-Projekt, das maßgeblich von dem idealistischen Elan einer Handvoll beteiligter Personen lebt, schnell zu einer größeren Herausforderung werden. Leute, die neben ihren eigentlichen Jobs langfristig Aufgaben übernehmen, Dinge weiterentwickeln, finden sich dann doch nicht immer so leicht.
Das Ende von Mottt.fm soll dies jedoch nicht sein. Der Verein hinter dem Radio plant derzeit eine Version 2.0, die sich künftig als Plattform über das Radio hinaus aufstellen möchte. Und zwar, um „dazu beitragen unsere regionale Clubkultur zu vernetzen und nach außen zu repräsentieren“, wie es auf der Mottt.fm-Website heißt.
Allein kann das der Verein aber nicht stemmen. Daher sucht Mottt.fm weitere Mitstreiter und Mitstreiterinnen, die den Sender in den Bereichen Social Media, Webentwicklung / Programmierung, Live-Übertragung sowie Hörfunk- und Online-Journalismus langfristig und ehrenamtlich mit unterstützen wollen. Auf der Website sind konkrete Stellenprofile zu finden.
Hier kommt noch eine Platte, die liegen geblieben ist. Aber sie soll nicht unerwähnt bleiben: „Zwei“ von Weber.
Im letzten Jahr gehörte Philipp Webers Solo-Debüt „Eins“ zu einer der interessantesten EPs des Jahres. Spannend also auch zu hören, wie er fortfahren würde mit seinem Ansatz der Offenlassungen und Verschiebungen. Überraschenderweise öffnet er sich auf der zweiten EP sehr selbstbewusst dem Dancefloor. Krautig und sehr minimalistisch.
Während „Sklt“ die fünf Minuten stromlinienförmig in ebenso treibender wie schwermütiger Weise bestreitet, entfalten sich „Dr. Clapper“ und „B1/Warten“ erst langsam. Aus losen Soundskizzen formen sich loopige Stränge, die schon bald von einer geraden Bassdrum fortgetragen werden. Die manische Atmosphäre in den Anfängen und der warm dampfende Ausklang bilden bei „B1/Warten“ einen weit gesteckten Kontrast – zusammengehalten von einem kühlen offensiven Dance-Part.
Auch wenn selbst hier in dieser neuen Geradlinigkeit der experimentelle Geist immer mitschwingt, verliert Weber ein wenig von der sperrigen, teilweise anstrengenden Magie des Debüts. Mit „No4“ kehrt diese aber doch noch einmal zurück. Als kontemplativer, still pulsierender und in sich schillernder Moment. Und natürlich auch bei „The Bug“, jenem spröden Pop-Song, der fast als zeitgenössisches Arthur Russell-Tribut gelten kann.
Nichtsdestotrotz: Es bleibt spannend, wie Weber offenlässt und verschiebt.
Uh, Text für den falschen Blog geschrieben? Nö, nur haut Safi mir gerade mit ihrem zweiten Album „Janus“ die Sicherungen raus.
Mit Gitarren und Getöse und Rockschlagzeug und viel Sprödheit. Was ist passiert? Was macht Safi in einem Blog für elektronische Musik? Ich kann es nicht erschöpfend erklären. Aber irgendwie fasziniert mich die Rohheit, das Reduzierte, die Verwüstung und zugleich die Wehmut, sich in einer zerfasernden Gesellschaft selbst Wege ebnen zu müssen.
Die Leipzigerin – nun wohl Wahl-Berlinerin – veröffentlichte vor zwei Monaten ihr zweites Album „Janus“. Und natürlich gibt es darauf auch die klassischen Rockgesten zwischen laut und leise, harmonischem und lärmendem zu hören. Doch die rund 30 Minuten dieses Albums sind eher von einem Ausstieg aus dem Konventionellen geprägt.Deutsche Texte mit poetischer und anklagender Kraft, gesungen von einer spröden und teils heiseren Stimme. Arrangements, die immer wieder auch die Dynamik des Repetitiven suchen und damit eben gar nicht so weit weg sind von elektronischer Musik. Nur mit anderen Mitteln, Effektpedalen, geloopten Gesangsfetzen etwa. Ganz groß hier „Golem“, das sich zu einer spannungsgeladenen Hymne entfaltet. Oder das stille Gegenteil: „Ich will ich“.
Doch es war das Intro „Ausgebrannt“, das plötzlich und unerwartet da war und mich komplett in seinen Bann zog. So ungestüm und brachial, so unberechenbar und befreiend hat mich schon lange kein Rockstück mehr bewegt. Ja, kein Album. Vielleicht auch, weil mir die Referenzen und Zitate zu dieser Musik fehlen – ich kann mich naiv darin fallen lassen.
Eine neue EP von A Forest also. Im Mittelpunkt stehen die beiden wunderbar souligen Songs „5 Fruits“ und „The Kings Speech“. Passend dazu steuern Tilmann Jarmer und Klinke auf Cinch Remixe bei.
Mit nicht mal drei Minuten Länge ist „5 Fruits“ geradezu prädestiniert, in der Radio-Landschaft unterzukommen. Es sei dem Song gegönnt, handelt es sich bei ihm um auf den Punkt produzierten, opulent arrangierten Pop. Die prägnante Stimme von Fabian Schuetze wird hier durch die kanadische Musikerin Valery Gore unterstützt. Tilmann Jarmer entschlackt in seinem Remix das Arrangement ein wenig, bleibt aber nah am Song.
Dank des Interviews mit Nillson.de erfahren wir, dass „The Kings Speech“ zuvor vor allem live zum Einsatz kam. Der Song besitzt eine schöne Dramaturgie, lässt Raum für instrumentale Passagen und ist in der Grundstimmung ein wenig melancholischer als „5 Fruits“. Klinke auf Cinch verdichten den Song in ihrem Remix und lassen zwischendurch charmant die Bass-Drum durchstampfen.
Ein schönes Video zu „5 Fruits“ gibt es ebenfalls:
Da hat die Hashtag-Aktion um #ListentoLeipzig bereits einen neuen Kandidaten für unserer „Neues aus der Wolke“-Reihe hervorgebracht. Welcome Thigh Gap Boi.
Ein Jahr liegt der letzte Teil dieser Reihe zurück. Wer es vergessen hat: Mit „Neues aus der Wolke“ wollen wir Artists vorstellen, die noch ohne Label unterwegs sind, dafür aber schon bei Soundcloud spannende Sachen veröffentlichen.
Thigh Gap Boi flashte gleich mit seinen ersten Tönen. Beatmaker-Offenheit plus viele Sidekicks ins Neurotische, Hektische und Elegische. Gerade läuft kaum ein Track durch, überall bricht es, zerfasert und setzt sich neu zusammen. Das klingt dann noch einmal anders als der lässig dahingleitende Sound der OverDubClub-Compilation – obwohl Thigh Gap Boi da wohl auch hinpassen würde.
Viel mag er nicht preisgeben. Mit dem Con Han Hop-Laden in der Eisenbahnstraße hängt er zusammen. Und mit ihm noch ein paar weitere Leute, von denen hier sicher demnächst auch noch zu lesen sein wird. Genregrenzen scheint es dabei nicht zu geben. Auch Techno wird gefeiert und eine Stoner-Rock-Band speist sich aus den Leuten des Ladens. Seine – sehr eigenwillige – Sicht auf die Dinge seines Solo-Projektes erklärt Thigh Gap Boi aber nun selbst.
Woher kommst du – lokal und künstlerisch?
Geboren wurde ich in Laurussia – im ehemaligen Pangeae. Die Leute vom Con Han Hop haben mich in einer Höhle im sächsischen Erzgebirge gefunden und bei sich auftauen lassen. Wie ich dorthin gekommen bin oder was in den 200 Millionen Jahren dazwischen passiert ist, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Diese Amnesie beeinflusst meine Musik wahrscheinlich stark. Der Wechsel war nicht einfach und hat mich schon ziemlich mitgenommen. Manchmal fühle ich mich entfremdet und als sollte ich gar nicht hier sein.
Was flasht dich musikalisch – von bestimmten Sounds oder Artists her?
Als ich das erste Mal zeitgenössische Musik gehört habe, traf mich das wie ein Schlag. Ganz anders als damals bei meiner Familie am Lagerfeuer. Gleichzeitig konnte ich alle Einflüsse von damals immer noch hören. Durch alle Zeitalter hindurch ist der Geist des Lebens in der Musik erhalten geblieben und findet seinen Ausdruck.
Dieses Gefühl der Verbundenheit mit dem Planeten und die Zeitlosigkeit der Kunst, das ist einfach toll. Ganz stark spüre ich das zum Beispiel bei den Werken Thomas G. Hornauers.
Die älteren Tracks waren eher TripHop und Pop-geerdeter als heute – gab es neue Inspirationen?
Naja, meine primitiven Anfänge hingen damit zusammen, dass ich andere Instrumente erst noch erlernen musste. Meine Feinmotorik war nach den Äonen im Eis ganz verkümmert. Inzwischen komme ich mit elektrischem Equipment aber ganz gut zurecht und plane in Zukunft auch mit Nanotechnologie zu arbeiten. Dafür werde ich mich schrumpfen und mich auf die Reise in einen Computerchip begeben. Das birgt Gefahren, aber als Pionier der Musikgeschichte will ich das Risiko auf mich nehmen.
Mit was für Equipment arbeitest du?
Hauptächlich spiele ich mit meinem Thigh Gap.
Was kommt demnächst von dir?
Mein nächstes großes Projekt ist die Zusammenarbeit mit Rappern aus Leipzig und Detroit – eine EP wird folgen. Außerdem spiele ich in einer Stonerband namens Weedshitter. Wir sind beim frisch geschlüpften Leipziger Label Schmutzige Teenager.
Mein Idol Thomas G. Hornauer versuche ich seit Jahren zu kontaktieren und zur Kollaboration zu bewegen, leider kam bis jetzt noch keine Antwort. Ich bleibe aber zuversichtlich. Ehre dem Tod.
Heute belagert der Legida-Stumpfsinn wieder die Leipziger Straßen. Heute startet aber auch eine viertägige Party-Reihe zur Unterstützung von Flüchtlingen.
Offene Hetze, Brandanschläge, mangelnde Empathie und dümmliche Ressentiments gegen alles Fremde – Dunkeldeutschland ist gerade so dunkel wie schon lange nicht mehr. Und doch ist es ermutigend, wie viel Gegenwind und Engagement sich dagegen stemmt.
Unter anderem nun auch auf dem Dancefloor. Spontan wurden fünf Partys organisiert, deren Erlöse den Flüchtlingen in der HTWK und der Ernst-Grube-Halle zukommen sollen. Von heute bis Donnerstag gibt es je einen Abend im Ilses Erika, Pracht, Institut für Zukunft, Eden und dem Westwerk.
Auftreten werden: Antr, Charlotte, Enrico Meyer, Esclé, Faq, Lovekosi, Martha Van Straaten, Neele, Oh Walter, Polo, Remark, Schnell & Sebastian, Shape, Skor72, The Arabian Teddy, True Kunze Rahel Hutter, Johannes Cotta und Felix Franzke. Weitere Infos auch auf der Facebook-Veranstaltungsseite.
Nach seinem Album „Genesis“ im Dezember und seinem Beitrag zur Softeis-Compilation gibt es nun eine neue EP von Daniel Stefanik. Genauer gesagt handelt es sich um das Nebenprojekt Urban Force, das er zusammen mit Chet betreibt. Ich bin ganz erstaunt, wie schön die beiden eine kleine Weltraum-Oper über vier Tracks hinweg inszenieren.
Zwischen Dub-Techno und Ambient bewegt sich „The Outer Space Connections“. Mit viel Liebe zum Sound träumen sich die beiden in den Weltall, behalten aber auch einen Fuß auf der Tanzfläche.
Letzteres zeigt gleich zu Beginn „Metal Sunrise“: Wie ein Countdown baut sich der Track über sieben Minuten hypnotisch auf, bis die Chords in sich zusammenfallen und in der Stratosphäre verglühen. Beginnend mit einem trockenen Beat steuert der Track entschlossen auf die Synth-Spielereien am Ende zu.
Dagegen knarzt und knirscht „Rippling Waves“ auf einer pulsierenden Bass-Drum vor sich hin, als würde man versuchen, die Echos Lichtjahre entfernter Signale zu entschlüsseln. Eine irgendwie charmant-entrückte Tiefe hat das Ganze. Vielleicht, weil die sonst so prominenten Elemente wie die Hi-Hat nur im Hintergrund ab und an durchschimmern.
Deutlichere Dub-Anleihen stehen bei „Time Regression Study“ im Mittelpunkt. Nach einem langen, schwerelosen Intro setzt unvermittelt der Beat ein, als hätte jemand den Antrieb aktiviert. Gemächlich, aber auch zielstrebig befördert der Track uns durch die Galaxie.
Als würde man mit einem Jetpack durch die Schwerelosigkeit gleiten – nicht zuletzt das Rauschen in „Interruptions“ vermittelt mir diese Bild. Ganz behutsam schaffen Urban Force es, hier Raum und Zeit vergessen zu lassen. Wunderschön, für mich das Highlight der EP.
Es ist hier untergegangen – das zweite Album von Sven Tasnadi. Mit den Remixen lässt es sich aber noch einmal hervorholen.
Ende Mai kam „All In“ bei Moon Harbour heraus. Während Sven Tasnadis Debüt „Slow“ mit experimentelleren Stücken eine völlig neue Seite des Vielproducers offenbarte, knüpft „All In“ an den Sound der vergangenen EPs und seiner DJ-Sets an. In all den diversen Nuancen, die die House- und Tech House-Gegenwart bestimmt. Mit dubbigen und sehr deepen, dann wieder ironischen und pumpenden Phasen. Die verschiedenen Stimmungen des Dancefloors waren hier eindeutig die Referenz für „All In“.
Wie so oft bei Sven Tasnadi klingen die Tracks fein ausjustiert. Aber so richtig will sich nichts festsetzen. Konsolidierter und satter House, der sich selbst genügt und verwirrende Überraschungen meidet. Andererseits kann „All In“ aber auch als ein weiteres Manifest gegen den schlimmer werdenden Pop-House-Overkill gesehen werden. Das Album hält sich unbeirrt davon fern und hangelt sich an den klassischen House-Strängen entlang – nur „Eighteen“ verirrt sich leicht in diese Richtung. Aber das reicht insgesamt leider nicht für einen eigenen Klassiker.
Vor kurzem kamen dann die Remixe zum Album. Um es abzukürzen: Langeweile mit Nick Curly, Kaiserdisco und Cristian Viviano. Aufhorchen bei Simon Baker und Map.ache.
Der Brite Baker scheint sich mit dem BKR Project gerade der Oldschool zu widmen, was „Rest“ zu einem roughen Acid-Schliff verhilft. Und zugleich einen guten Ausbruch aus der Tech House-Stromlinienförmigkeit von Curly & Co mit sich bringt.
Map.ache fällt da mit seinem spielerischen Ansatz ebenfalls aus dem Rahmen. Doppelt, denn er pusht das ursprünglich still dahin schwingende Dub-Stück „Until The End“ zu einer eigenständigen Hymne mit Acid-Ausklang.
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