Überfällig

Die Anmerkung „Überfällig“ häuft sich gerade in der kleinen frohfroh-Redaktionsliste – hier der Versuch, ein paar Releases der letzten Wochen nachträglich vorzustellen.

Es ist nicht vollständig. Ein paar Nachzügler kommen noch auf andere Weise mit rein. Zum Anfang gleich viel Pathos mit Micronaut. Er hat nämlich auf der dritten Zwischenwelten-Platte – Anlass ist übrigens das 9-jährige Bestehen der Crew – ein neues Stück hinterlassen, das sein Wechselspiel zwischen brüchigem Pop und eigensinniger Dancefloor-Electronica um eine weitere Geschichte ergänzt. Wieder durchaus barock und weich gefederten Beats.

Label-Kopf Chris Manura folgt nicht weniger emotional – sein „Television“ holpert anfangs sehr charmant umher, bevor sich langsam ein angenehm entschlacktes und weiterhin breakiges House-Stück herausschält. Wobei, hinten raus wird es dann doch ganz schön voll und fanfarenhaft.

Bei Mathias Ache & muLe bleibe ich das erste Mal überhaupt länger hängen. Obwohl das Rave-Break sich so berechenbar hochschaukelt und da auch eine dieser kitschige Gitarren mitschwingt. Doch die – ja, teilweise sogar trance-artigen – Synth-Schleifen, die sich durch „Avoi“ durchziehen, kriegen mich irgendwie. Der massive, bassüberladene Preacher-House-Aufguss von Mac-Kee dagegen ist mir zu konstruiert oldschool.

Damit rüber zu Rose Records. Nach der M.ono & Luvless-EP folgte vor kurzem die 10″ „Running From Whatever“ des Niederländers Junktion. Das ist – soweit ich gerade im Bilde bin – die erste EP von jemanden, der nicht direkt zum Inner-Circle des Labels gehört.

Sie fügt sich mit ihrer umarmenden House-Glückseligkeit aber nahtlos ein in den Rose Records-Sound. Piano-Tänzeln, Cosmic-Ausflüge, alles dabei bei „Pale Blue Dot“. Der Titel-Track ist mir dann aber zu schunkelig. Zu viel Happiness auf einmal.

Im Juli kam auch eine neue Kann Records-Platte heraus – eigentlich sogar eine sehr besondere. Nämlich das Debüt von Polo, der bisher durch seine sich unglaublich emotional entfaltenden und hypnotischen DJ-Sets für einige tolle Momente auf dem Dancefloor sorgte.

Die vier ersten eigenen Tracks auf der „Route“-EP greifen dieses Ausdehnen der Stimmungen auch auf. Sehr smooth und schwerelos, aber bei „Robin’s Friend“ auch schon in Richtung Techno. Höhepunkte sind „Route De Nice“ und „To Loosen“ – der Rauheit und rotzigen Einfachheit wegen, klar.

Da ist sie wieder, die Wehmut, das interstellare Fernweh. Ein schönes und unaufgeregtes Debüt.

Rohdiamanten auch bei Ortloff. Das Duo QY erweitert ja mit jeder neuen EP sein Soundspektrum. Auf dieser neuen EP prallen drei Welten aufeinander: Lässig-straighter Acid-House bei „Quatro“, ultra entschleunigter Deep-House mit „Zord“ und zum Schluss eine umwerfend umher flirrende Break-Hymne namens „Skynet“.

Definitiv meine Lieblingsplatte in dieser überfälligen Liste hier. Da braucht es gar nicht viel mehr Worte.

Zwischenwelten Website
Rose Records Facebook
Kann Records Website
Ortloff Facebook
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A Beef Story

Oh, da ist einiges schief gelaufen am vergangenen Wochenende bei einer Party in der Alten Damenhandschuhfabrik.

Richtig beschissene Erfahrungen gibt es ja selten zu lesen auf den Facebook-Profilen von DJs und Artists. Alfred Heinrichs und Bebetta haben ihren Unmut über geprellte Gagen und gewaltandrohende Security-Leute aber nicht verbergen wollen.„Lass uns Freunde sein“, hieß die Party, deren Line-up uns nicht so überzeugt hat, um sie in die Tipps reinzunehmen. Nichtsdestotrotz sickerten aus den Kommentaren unter den Postings der beiden einige ungute Details heraus, die sofort einen der mittlerweile typischen Shitstorms nach sich zogen.

Was ist passiert: Ein Worst Case-Klassiker für jeden DJ. DJs werden eingeladen, reisen an, werden aber nicht bezahlt und auf eigene Kosten in Hallenser Hotels einquartiert sowie zum Schluss auch noch von der Security bedrängt. Die Informationen waren jedoch nicht immer sehr eindeutig. Fremdveranstaltung und Eigenveranstaltung war eine der großen Fragen?

Michael Mahne, Betreiber der Alten Damenhandschuhfabrik betont auf unsere Anfrage hin, dass er „den Club am letzten Wochenende komplett an einen Fremdveranstalter vermietet und nichts mit der Party zu tun hat.“ Generell hätte er sich selbst aus dem Veranstaltergeschäft zurückgezogen und würde die Location nur noch vermieten. Der Vorwurf gegen den Laden an sich scheint sich hier also aufzulösen – auch wenn das Qualitätsmanagement bei der Auswahl der Fremdveranstalter auch verbesserungswürdig ist.

Und die Fremdveranstalterin? Sie ist untergetaucht, Kaffee trinken, reingehauen. Was bleibt: eine miese, wenn auch kurzweilige Beef Story aus dem Leipziger Nachtleben.

NACHTRAG 1: Und noch ein Interview mit Alfred Heinrichs.

NACHTRAG 2: Mittlerweile hat sich auch die Veranstalterin bei uns gemeldet und darum gebeten, ihre Sicht auf den Abend äußern zu können.

„Ich hatte niemals die Absicht irgendjemandem Schaden zuzufügen. Es lag auch nicht in meinem Interesse jemanden sein Geld nicht auszuzahlen. Was der Unwahrheit entspricht ist, dass niemand angeblich an dem Abend Geld bekommen hat. Es wurden DJs bezahlt. Ich habe mich auch nie mit irgendwelchem Geld aus dem Staub gemacht oder war Kaffee trinken, so wie dargestellt. Ich habe lediglich den Versuch unternommen noch irgendwo Geld aufzutreiben.

Zu erwähnen wäre auch das zwei Veranstaltungstechnikfirmen geschädigt wurden. Sie hatten mit der Veranstaltung nichts zutun und müssen jetzt darunter leiden. Ihnen wurden zwei Allen & Heath xone:2 entwendet. Gäste hatten zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit diese zu stehlen, da diese von der Größe her viel zu groß sind, um sie ungesehen vom Gelände zu tragen.

Ich möchte niemanden irgendwas unterstellen – an dem Abend hatten aber nur DJs die Möglichkeit diese zu entwenden. Auch möchte ich nicht das die Alte Damenhandschuhfabrik, insbesondere Michael Mahne, weiterhin mit als Beschuldigte dastehen. Zu dem Verhalten der Security, so wie dargestellt, kann ich nichts sagen, da ich zu keiner Zeit mitbekommen habe, dass sie irgendwem Gewalt angedroht haben.

Ich kann nur nochmals betonen, dass ich niemanden schaden wollte. Jeder soll für seine Arbeit belohnt werden und ich bemühe mich, dass jeder zu seinem Geld kommt. Ich habe lediglich versucht, etwas Abwechslung ins Leipziger Nachtleben zu bringen. An diesem Versuch bin ich gescheitert, dessen bin ich mir durchaus bewusst. Ich habe daraus gelernt und werde in Zukunft keinen neuen Versuch unternehmen.“

Mehr Atonal, bitte

Gestern mein erster Besuch beim Berlin Atonal-Festival – nun frage ich mich, warum so etwas nicht auch in Leipzig geht.

Was für eine Kathedrale – das Kraftwerk in der Berliner Köpenicker Straße beherbergt eigentlich die Clubs Tresor und Ohm. Doch das Herzstück des Berlin Atonal ist eine riesige karge Halle, die über fünf Tage hinweg mit mächtigen Soundwänden bespielt wird. Dissonant, verstörend, faszinierend – im Hintergrund der Bühne eine vertikal in die Höhe ragende Leinwand für Visuals. Das Zusammenspiel aus dystopischer Kulisse und experimenteller Musik scheint hier in Vollendung aufzugehen.

Noch beeindruckender aber: Es sind super viele Menschen anwesend und hören gebannt zu, wie Lustmord in elegischem Ambient abtaucht und Ben Frost das große Finale spielt. Manche liegen auf dem Betonboden mit geschlossenen Augen. Obwohl das Programm in der Halle alles andere als eingängig ist. Es gibt es, das Publikum für Experimente. In Berlin natürlich der Stadtgröße und der touristischen Anziehungskraft wegen eher als in kleineren Städten.Und trotzdem muss so etwas doch auch in der Peripherie möglich sein. In Leipzig etwa. Leicht ist es nicht, wie es in den Interviews mit Fabian Russ und dem Institut für Zukunft angesprochen wurde.

Kaum jemand nimmt das Geld in die Hand, zapft die Fördertöpfe an. Und natürlich ist das Risiko nur wenige Besucher anzuziehen schwer kalkulierbar. Einerseits ließe sich fragen, warum beispielsweise das Gewandhaus sein Audio Invasion-Format nicht stärker dafür nutzt oder gleich ein neues Format etabliert. Andererseits stellt sich auch die Frage, ob dem Leipziger Publikum die Neugier und Offenheit für experimentelle Musik fehlt.

Es geht hier weder um Publikums- oder Veranstalter-Bashing. Allerdings hat die Berlin Atonal-Erfahrung gezeigt, dass es nicht allein am mangelnden Interesse für sperrige und herausfordernde Musik liegen kann. Und insofern ist es nur ein naiver Wunsch, so etwas künftig auch hier regelmäßig zu haben.

Fotos: Camille Blake

Zwei neue EPs von Alphacut: „Fundamentals“ und „Late Boomers“

Alphacut setzt nach seinem etwas in die Länge gezogenen Jubiläum also die reguläre 12″-Reihe fort. Zwei EPS sind nun in kurzer Zeit erschienen, deren Fokus natürlich weiterhin auf Drum & Bass für Fortgeschrittene liegt.Die „Fundamentals“-EP beginnt mit dem leichtfüßigen Track „Foundation 11“ von Theory, der bereits digital auf dem mittlerweile beerdigten Label Syncopathic-Recordings herauskam. Eine wahnsinnig tanzbare, aber entspannte Jungle-Nummer, die genauso gut zum Schwester-Label 45Seven passen könnte. Kein Wunder, dass das Stück nochmal für ein Vinyl-Release ausgewählt wurde. Danach zieht Kodamas atmosphärisches „Ritualz“ die Spannungskurve stetig an und zeigt, dass der Amen-Break zum Glück nicht tot zu kriegen ist.

Auf der zweiten Seite wird es mit „Reload, Replay“ von Hidden Element für Alphacut-Verhältnisse ungewöhnlich versöhnlich, sogar einige Jazz-artige Samples glaube ich zu hören. Nun ja, die gechoppten Drums verhindern, dass die Harmonien in den Vordergrund treten. Abstract Elements beschließen die EP dann mit der rohen Dancefloor-Bombe „Mindcrusher“. Hier dürften auch Breakcore-Freunde ihre helle Freude an verzerrten Beats haben.

Eine messerscharfe Snare zerschneidet bei „Run It Rudie“ von Fade die Luft. Theory will der Autorität mit sparsamen Dub-Anleihen in „F The Police“ ans Leder. Alphacut-Debütant Ill_K beschleunigt und bremst seine Breaks in „Posuere“ und drückt in der Mitte ein paar Tasten am Klavier. Zum Schluss stellt Act One in „Masonry“ markante Bass-Sounds in den Mittelpunkt und umrahmt diese mit dramatischen Samples.

Im Vergleich zur „Fundamentals“-EP ist die zweite EP „Late Boomers“ eine ganze Ecke trockener. Alle vier Tracks setzen nur sehr verhalten Samples ein und warten mit bestechendem Drum-Work auf. Das ist weniger abwechslungsreich, knüpft dafür aber nahtlos am Sound des Labels an. Und natürlich werden die vier Tracks ihre Wirkung auf einem Soundsystem besser entfalten als beim Durchhören daheim.

Auf der Website von Alphacut könnt ihr die Tracks übrigens in voller Länge vorhören.

Alphacut Records Website
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Electric Weekender – Win Win

Am kommenden Wochenende wird langsam das Ende der Sommerpause eingeläutet – der Electric Weekender steht an. Wir haben Infos und Karten.

Von Tradition muss ja gar nicht mehr gesprochen werden – der Electric Weekender hat so tiefe Wurzeln im Clubbing-Jahreskalender geschlagen, dass er zu einer der schönsten Selbstverständlichkeit dieser Stadt herangewachsen ist.

Und irgendwie hat sich der 3-Tages-Marathon mit jedem Jahr etwas mehr Eigensinn angeeignet – es zählen nicht die renommierten Standard-Acts, es zählt der Fokus auf die pulsierenden, der Patina des Analogen zugewandten Nebenschauplätze.

In diesem Jahr sind das neben vielen vielen anderen Shanti Celeste, Miles Whittaker von Demdike Stare, Hunee und Palm Trax. Dazu der Beatless-Floor draußen und Dahmar mit einem Live-Set am Sonntag. Das komplette Line-up gibt es hier.

Wir haben 2 x 2 Karten für das ganze Wochenende. Also du plus Begleitung. Bitte schick uns bis Donnerstag (20.8.2015), 18 Uhr eine Mail an dance(at)frohfroh.de und schreibt rein, was ihr wollt. Es wird ausgelost.

Neuigkeiten bei Modern Trips: Avbvrn, Glokkhom und Swisher Sweets

Es ist gar nicht so einfach, die Aktivitäten rund um Modern Trips zu verfolgen. Nicht nur, dass sich das Klamotten- und Mixtape-Label an kryptischen Facebook-Einträgen erfreut, auch die Flyer-Ästhetik zu den eigenen Veranstaltungen spielt gern mit überbordernder Fülle. Ob es sich bei Left 110 und Trade Policy um Sublabels oder eher um eigenständige Projekte handelt, bleibt für mich auch unklar. Aber vielleicht ist das auch gar nicht wichtig.

Ganz frisch sind die beiden EPs „Achromatic“ und „Shoot Them Thangz 2015“ auf Left 110 erschienen. Der Frankfurter Produzent Avbvrn aus Frankfurt hat dabei aktuelle Hip Hop-Ableger wie Trap förmlich aufgesaugt und verpasst diesem eine düstere Grundstimmung. Natürlich rattern die Beats hier ebenso militant wie bei den Vorbildern aus den USA. Passend auch der Einsatz diverser Rap-Samples, die in den meisten Tracks eher im Hintergrund verbleiben.

Das ist gut umgesetzt, allerdings fehlt ein wenig die Abwechslung, wenn man die zwei EPs am Stück hört. Sicherlich geht es dabei eher darum, Beats zeitnah rauszuhauen, aber ich glaube, da könnte noch mehr passieren.

Ein doch sehr anderer, wenn auch ebenfalls düsterer Sound dafür auf Trade Policy: Industrial-beeinflusste Beats von Glokkohm erwarten uns auf dem fünfzig Minuten langen „Sweet Candy“. Dass der Titel des Tapes etwas irreführend ist, kann man schon in den ersten Sekunden des Snippets hören. Vielleicht ist es aber auch doppeldeutig gemeint, attackiert der verzerrte Sound unsere Ohren genauso aggressiv wie Zucker unsere Zähne.

Jedenfalls ist das die richtige Medizin für alle, denen lokale Releases in letzter Zeit zu harmonisch waren. Dabei ist das Tape abwechslunsgreich genug, dass es am Stück durchgehört werden kann. Das ist ja bei Noise und davon inspirierter Musik sonst nicht zwingend der Fall. Erst zum Ende testet Glokkhom mit dem höhnisch betitelten „Is It Enough“ nochmal unsere Belastbarkeit.

Aber es kann im Universum von Modern Trips auch deutlich entspannter zugehen: Für die kleine Mix-Serie „Swisher Sweets Display Unboxing Selection“ unternehmen Perm, OneTake und T.I.N. eine Reise in die Welt des Dub.

Avbvrn Facebook
Glokkhom Facebook
Modern Trips Website
Left 110 Website
Trade Policy Facebook
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Hash it bigger

Musik aus Leipzig besser finden – mit einem einheitlichen Hashtag soll dies künftig klappen.

Andreas vom Label Analogsoul sollte für die aktuelle Leipzig-Vorstellung vom The Guardian eine Spotify-Playlist mit spannendem aktuellem Pop aus Leipzig zusammenstellen. Ein paar Gedanken weiter gedacht entstand die Idee, all das popmusikalisches Potential der Stadt künftig mit einem einheitlichen Hashtag präsenter zu machen.

Denn vieles geht in dem Wiederkäuen des Immergleichen schnell unter. Mit #ListentoLeipzig kann nun auf allen möglichen Plattformen Musik aus Leipzig getaggt werden. Auch wenn die ursprüngliche Intention mehr auf einen Push des hiesigen Pop-Bereichs zielt, wollen wir uns mit daran beteiligen und auch elektronische Musik aus der Stadt über den Hashtag sicht- und hörbarer machen.

Eigentlich nicht der Rede wert, immerhin ist es nur ein kleiner zusätzlicher Verweis. Aber irgendwie trotzdem eine gute Idee, finden wir. In diesem Sinne #ListentoLeipzig. Weitere Infos dazu gibt es auch im Analogsoul-Blog.

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Aberglauben, Softeis und Flash Lights

Da sind einige Musikvideos entstanden in letzter Zeit – hier gibt es sie alle auf einen Klick.

Filburts Label O*RS ist ja ziemlich am Durchdrehen gerade, ein Release folgt auf das nächste. Zuletzt die überraschend laid-back nuancierte „Softeis“-Compilation. Zu fünf Tracks wurden auch Videos gedreht – Filburt mit Dreirad und großem Kinderschwarm um sich gibt es da beispielsweise zu sehen.

Verschwommene Texturen dagegen bei Panthera Krauses „Condensed Matter“. Klassisch Pop wiederum wird Rankos Kollaboration mit Helen Fares & Phoenix Muhammad visualisiert.

Mit Super8-USA-Familien-Aufnahmen wird „My Face“ von Perel bebildert. Und bei Matt Flores „Vast Citys“ layern mehrere Videos in verschiedenen Software-Fenstern umher.

Bei Micronaut gehören Videos ebenfalls zu einer wichtigen Ausdrucksform. Über mehrere Monate hinweg kamen so einige der besten Tracks des aktuellen „Panorama“-Albums noch einmal zu visuellen Erweiterungen.

Nun auch „Flashlight“ bei dem Arpen gegen den Pathos ansingt. Der Titel wurde von Lukas Adolphi sehr wörtlich genommen: Er arrangierte lauter Blitzaufnahmen so, als sie eine Dramaturgie für diesen Track einstudiert hätten. Sehr groß.

Und noch ein anderes großes Video. Dieses Mal aber kein Musikvideo, sondern ein animierter Kurzfilm, der von Niklas Kraft vertont wurde. Im „Lexikon des Aberglaubens“ gibt es einige abstruse Tipps gegen Heimweh, Cholera und mehr.

Von Elenor Kopka stammen die schwebenden Illustrationen zu denen Niklas Kraft einen passenden Soundtrack produziert hat, der den Clash aus Ironie und Bedrückung aufgreift. Es ist nicht das erste Mal, das die beiden zusammengearbeitet haben.

Achilles „High School Lovers“ und Taask „Levering Repose“ (Sweet Nectar Tapes)

Aufmerksame Leser erinnern sich vielleicht: „High School Lovers“ ist das erste Release des Labels Sweet Nectar Tapes und wurde vom Label-Macher Achilles produziert. Für die sieben reduzierten, ungeschliffenen Tracks wurden ausschließlich Synthesizer und Drum Machines verwendet und ohne Overdubs auf Band aufgenommen. Hört man das Tape mit all dem rotzig-charmanten Rauschen, wird einem schnell bewusst, wie geglättet und sauber im Vergleich dazu die meisten Produktionen klingen.

Dass Achilles für die angekündigte Vinyl-Version des ersten Tapes seinen Ansatz natürlich nur bedingt durchziehen kann, liegt auf der Hand: Ist das Rauschen im Kassetten-Radio Teil der Soundästhetik, würde es im Club eher für Irritation sorgen, ob die Nadel ausgetauscht werden muss oder ein Teil des Mixers kaputt ist. Daher bekommen die fünf Stücke auf der Platte ein zusätzliches Mastering verpasst, dass den Tracks – hört man sie im direkten Vergleich – durchaus gut tut.

Zurück zum Rauschen: Ein zweites Tape – „Levering Repose“ von Taask – ist ebenfalls erschienen. Acht rohe Jam-Sessions sind hier versammelt, allesamt mit einem 4-Spur-Rekorder aufgenommen. Zunächst haben wir es hier ebenfalls mit roughen House zu tun, der sich über mehrere Minuten hinweg entfaltet.

Nach den ersten drei Stücken ändert Taask ein wenig die Richtung. Gerade der angezerrte, funkige Techno bei „Soft Coat“ erweitert angenehm die Sound-Palette. Mit seinen geisterhaften Vocals wirkt der trocken pumpende „Stringer“ wie ein Gegengewicht zu den verträumteren Flächen in „Cavitation“. Genug Abwechslung also, um auch Taask demnächst eine eigene 12″ zu gönnen.

Vorhören könnt ihr die Tracks wieder auf der Seite des Labels.

Sweet Nectar Tapes Website

Perm „Shtum 008“ (Shtum)

Drei Monate kein Text, vier Monate keine Rezension – nun taste ich mich wieder an frohfroh heran. Und Perm hilft mir dabei.

Es ist nicht zu glauben, aber diese EP auf dem Uncanny Valley-Sublabel Shtum ist Perms erste komplette Solo-EP. Längst überfällig nach mehreren überzeugenden Compilationsbeiträgen – u.a. bei Kann Records und Nachtdigital.

Perm steht ja für die große Hypnose im Techno, mit den vier Tracks hier formuliert er sie in unterschiedlichen Facetten aus. Sehr dark und scharfkantig, dann wieder hell und beseelt flirrend, im nächsten Moment mal mehr mal weniger rough und breakig eingebettet in das Acid-Revival.

Was aber immer bleibt bei Perm ist dieser strikte Fokus auf die zeitliche Entgrenzung. Alles wirkt wie ein Moment, dicht verwoben, so dass man sich dem Sound kaum entziehen kann und dran bleiben muss. Besser lässt sich für mich die Rückkehr gerade nicht vertonen.

Perm ist übrigens nicht der erste Leipzig-Act auf Shtum: Die Dresdner hatten im letzten Jahr auch eine tolle Leibniz-EP veröffentlicht.

Perm Facebook
Shtum Website
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Various Artists „Softeis“ (O*RS)

Filburt erhöht abermals die Release-Dichte und sammelt auf dem zweiten Album des Labels befreundete Künstler. Liest man die Namen der Artist, wundert man sich zunächst über die kurze Dauer der Tracks. Nicht über vier Minuten sind diese, was für House doch eher unüblich ist. Doch die große Überraschung zeigt sich erst, sobald man die Musik hört: Wie auch schon beim ersten Album – dem OverDubClub-Sampler – bleibt hier die gerade Bassdrum außen vor. Und das funktioniert wunderbar.

Dass Filburt sich mit O*RS auch gern vom House löst und andere musikalische Ecken erkundet, ist ja nichts Neues. Aber sein gutes Händchen für die Track-Selektion erstaunt mich hier dann doch. Obwohl ich viele der beitragenden Künstler eher mit straighteren Bassdrums assoziiere, bewegen sich die Tracks abseits davon, passen aber wunderbar zusammen.

Während bei „Ignition (ReShape)“ vom Freund der Familie noch die gerade Bassdrum durch den Dub-Techno-Nebel schimmert, schenkt uns Panthera Krause mit „Condensed Matter“ watteweiche Beats irgendwo zwischen Hustensaft-Synthesiezern und Sonnenuntergangs-Melancholie. „Vast Citys“ von Matt Flores ergänzt diesen Sound mit flüsternden Vocals zur Großstadt-Einsamkeit. Ein Hit durch und durch.

Jan Ketel kreuzt Sandwüsten-Gitarre mit angeglitchten Beats, um von den Opossums im Hinterhof zu erzählen. Ranko probiert sich zusammen mit Helen Fares und Phoenix Muhammad am Neon-Soul aus. Thomas Schulz zeigt uns, dass Gangsta-Electronica zugleich verspielt und gefährlich klingt.

Das Vinyl-Only-Stück „Nferior“ von Area schnattert da etwas friedfertiger vor sich hin, während „Orangement“ von Red Panda uns wieder vor den dunkleren Orten der Stadt warnt. Filburt schenkt dem „Vanilla Flavour“ unbekümmert-versöhnliche Hymne. Perel feiert mit „My Face“ entrückt-leiernden Boogie.

Wie eine Erinnerung an bessere Zeiten wirken die Samples, welche RJ mit einem schleppenden Beat bei „xxx“ unterlegt. Ron Deacons Jazz-Stück „Outer Drive“ führt diese seltsame Wehmütigkeit fort. DEO & Z-MAN ziehen die Geschwindigkeit im angejazzten „If I Had“ nochmal an, bevor Daniel Stefanik das Album mit seinem Grenzgang zwischen Klaviermusik und kosmischer Musik beendet.

Obwohl der Titel „Softeis“ diese gewisse Sommer-Leichtigkeit suggeriert, verbirgt sich das gesamte Album immer so eine misstrauische Vorahnung. Als könnte die vordergründige Idylle jederzeit platzen. Vielleicht ist das der Grund, warum mich das Album auch nach mehrmaligen Hören so packt. Vielleicht ist es aber auch das Gefühl, dass der fehlende Fokus auf den Dancefloor die Musik der Beteiligten viel spielerischer und befreiter klingen lässt als sonst.

O*RS Bandcamp
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ReedFlavor „Subbeatnik“ (Resistant Mindz)

Das Label Resistant Mindz hält weiterhin die Flagge für instrumentale, sample-basierte Beats hoch und hat bereits im Mai eine digitale EP von ReedFlavor herausgebracht. Uns erwarten hier 16 kurze Beat-Skizzen, die allesamt genauso bunt und spaßig sind wie das fantastische Comic-Cover von David Fischer. Zusammengehalten werden sie durch eingestreute Skits und einer Menge Vocal-Samples, wodurch ein gewisser Hörspiel-Charakter entsteht.

Während uns das Intro erstmal ordentlich Gitarren vor den Latz knallt, begeistern vor allem Stücke wie „In The Green Countryside“ oder „Have A Look“ durch ihre fröhliche Unbekümmertheit. Das quirlige „If The Beats Allright“ erfreut sich an abstrusen Jazz-Loops; „Istan“ hingegen erinnert in seiner hyper-nervösen Kombination aus arabischer Musik und beschleunigten Bass-Attacken an aktuelle Juke- und Footwork-Sounds.

ReedFlavors in einer eintägigen „Subbotnik-Session“ zusammengestelltes Beat-Tape zeigt ziemlich gut, wieviel Spaß diese roh zusammengezimmerten Instrumentals aus HipHop-affinen Kreisen immer wieder machen. Natürlich könnten die Stücke länger und ausgefeilter sein, aber vielleicht würde genau das diese funkige Energie kaputt machen, die zum Kopfnick-Training animiert.

ReedFlavor Soundcloud
Resistant Mindz Website
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