Zwei Mix-Tipps aus dem Oktober

Der Mix- und Podcast-Dschungel wird jeden Tag dichter. Zwei Ausgaben sind mir im Oktober aber besonders hängengeblieben.

Einmal KCs Hommage an Daphne Oram, eine britische Komponistin und Toningenieurin, die für die Anfänge der elektronischen Musik einige Wege mit geebnet hat. Von 1925 bis 2003 lebte sie und arbeitete bei der BBC. Später entwickelte sie die Oramics Machine, einen optisch steuerbaren Synthesizer.

Offtopic erzählte KC bei Ihrem frohfroh-Interview im letzten Jahr vom Besuch im Daphne Oram-Archiv in London. Der Mix mit ausgewählten Aufnahmen und Bearbeitungen von Andrea Parker und Daz Quayle ist nun ein erstes Ergebnis von KCs intensiven Auseinandersetzungen. Ein stiller mäandernder Listening-Mix mit historischer Dimension. In ihrem Blog Nevertrustcockrock gibt es eine ausführliche Erklärung zu Daphne Oram und KCs Mix.

Und dann noch Georg Bigalkes Podcast „45 Minutes Of Techno“. Bei der Ausgabe 35 ist der mittlerweile angelangt. Die Reihe hat es tatsächlich geschafft, sich als wohl-temperierte spezielle Sicht auf das aktuelle Techno-Geschehen zu etablieren.

Bigalke selbst steuert zum mittleren Jubiläum einen opulent-eigenwilligen Mix bei, der mit dem theatralischen „Lascia Ch’io Pianga Prologue“ aus Lars von Triers „Antichrist“ beginnt und sich unter wildem Vogelgezwitscher ganz langsam steigert. Dramaturgisch genau auf die 45 Minuten ausgerichtet. Schnell abonnieren, wenn es nicht schon geschehen ist.

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Blinds „Acidafin Vol. 1“ (A Friend In Need)

Mit Lootbegs Label A Friend In Need lassen sich neue Gesichter aus Leipzig entdecken. Und nebenbei ein paar herrlich nostalgische Momente erleben.

„Acidafin“ ist eine Sonderedition. Sehr oldschool wohl. Zumindest klingt die erste EP von Blinds ebenso geschichtsbeflissen wie angeraut deep. Jens Porath steckt hinter Blinds. Es ist sein „House-Projekt“, wie Lootbeg nebenher erwähnt.

Eigentlich ist Poraths Domäne Techno. Bei Soundcloud sind einige Tracks zu hören. Und vor einigen Jahren kamen auch zwei Tracks auf Vinyl-Compilations heraus. Sonst ein kompletter Neuling für mich. Obwohl sowohl seine Techno- als auch die House-Tracks erahnen lassen, dass er lange dabei ist.

Die fünf „Acidafin“-Stücke klingen so stimmig, dass die Nostalgie der alten wehmütig schimmernden Synth-Sounds nie klebrig klingen.

Kurioserweise habe beim Aufräumen ein paar alte Delsin-CDs wiedergehört. Und genau da würde Blinds mit diesen Tracks hinpassen. Es ist eine ähnliche Freude am alten Futurismus. Und sie steckt zweifellos an.

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Wintermute & MC Amon Bay „Lies Keep It Alive EP“ (Break The Surface)

Mitte September kam Neues aus dem Hause Break The Surface. Es bleibt bei den gebrochenen Beats.

Enge Kontakte zur Leipziger Neurofunk-Szene auf der Achse von Fat Bemme, Neonlight und Querbass wurden ja schon beim vorherigen Release der [kju:bi]-Bande deutlich – da stand Wintermute auch schon Pate für ein Stück.

Jetzt holt er sich Vocals von Amon Bay an Bord und featured nebenbei noch die lokalen Underdogs Cues sowie Dreadmaul & Bastard. Vom Namedropping her schonmal ein spannendes Paket, das Metasound uns da geschnürt hat. Gefangene werden hier gar nicht groß gemacht; ab Sekunde 22 der EP ist klar: Hier wird nicht nur heiße Luft bewegt.

„Bring It To Mind“ ist eine Dampfwalze unter den Magnetschwebebahnen, tiefer gelegt von Amons Stimme. Inhaltlich gehts hier wohl tiefenpsychologisch analytisch ans Werk. Sicherlich eher zum Reinkommen konzipiert, denn ab Minute 2 wurde eine Art meditatives Rollout verordnet.

Dreadmaul remixt „Bring It To Mind“ zu einer dick moshenden Halftempo-Mutation und bringt den MC eher verdubbt rein und raus, clever eingesetzt. Der schweizstämmige und hoffentlich aktuell mit offiziellen Papieren bestückter Wahlleipziger Cues nimmt sich ebenfalls dem Titelstück an, bleibt aber so deutlich am Original, dass es eigentlich eher es ein Update dessen ist – Refix time! Die Drums sind einen Zacken schärfer, die Bässe schwanken zwischen neuro-lastigem Kreischen, aber auch ein paar großartigen 97er-Bristol-Bassrülpsern und sogar Amon Bays Stimme erfährt einen ordentlichen Schub nach vorn.

Und sogar eine ganz neue Strophe – Amon besiegt den inneren Schweinehund, hinterlässt uns aber eher mit dem bösen Gesellschafts-Zeigefinger als mit konstruktiver Selbsthilfeanleitung. Lassen wir das mal so stehen.

Auf „Distracting Knowledge“ bekommt man von der Snare erstmal ordentlich eine geklatscht. Hier erzeugt Amon irgendwie eine – mit Verlaub – Grönemeyer-Assoziation, unterstützt von Stimmlage und Effektierung. Mal was anderes, aber insgesamt setzt die Nummer doch eher auf Funktion und wird sicher nur eingefleischte Neurofunker abholen.

„Compared Affairs“ ist eine Etage deeper unterwegs, bleibt aber im soeben beschriebenem Rahmen kleben, auch wenn die Vocals stellenweise cool wirr verglitcht wie aus einer LSD-Session herausschwappen.

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Die Dörte und der Unkönig Willy

Ein Kinderbuch bei frohfroh? Wenn die Beats stimmen, dann schon. Auch wenn sie aus Dresden kommen.

Zur Sache: Uncanny Valley hat ein tolles Kinderhörspiel musikalisch begleitet. Und zwar „Die Dörte und der Unkönig Willy“, geschrieben von dem Dresdner Schriftsteller, Zeichner, Filmemacher und Musiker Max Rademann.

Den doppelten Kindercheck (6 und 9 Jahre) haben sowohl die Bilder des Buches als auch die Hörspielfassung in nur zwei Durchläufen bestanden. Seitdem: Repeat.

Dörte geht auf die Reise mit der Eisenbahn und trifft auf den griesgrämigen König Willy. Weil der nur rumnölt und Popel unter den Sitz schmiert, nennt sie ihn einfach Unkönig Willy. Es ist ein ungleiches Gespann, das sich im Laufe der Geschichte aber doch zu schätzen lernt. Mehr wird nicht verraten. Nur noch, dass es eben auch maßgeblich um Klänge geht. Um Klänge aus denen sich mit mehr oder weniger viel Fantasie Musik herauskristallisiert.

Hubschrauber, Züge, Regen, Schnarchen – hier ist der Pfad zur elektronischen Musik und dem Aufgreifen von maschinellen Repetitionen natürlich nur noch ein kleiner Sprung. Insofern haben Jacob Korn, Cuthead, Break SL, Sneaker, Sandrow M und Jacob Stoy eigentlich ein leichtes Spiel.

In unaufdringlicher Weise übertragen sie die typischen Sounds und Rhythmen der oben erwähnten Dinge in kurze House-Tracks. Mit Wiedererkennbarkeit und Deepness gleichermaßen.

Besonders toll die Ruppigkeit von Rademanns Ton – sowohl im Geschriebenen als auch im Gelesenen. Sie verleiht dem ganzen einen so angenehm unniedlichen Appeal, wie er wohl nur selten in Kinderbüchern vorkommt.

Nach dem Reggaehasen Booo schafft es der Dresdner Verlag Voland & Quist mit „Die Dörte und der Unkönig Willy“ ein zweites Mal, mit regionalen Musikgrößen ein Kinderbuch inklusive Hörpiel zu veröffentlichen, bei dem auch musikmögende Eltern gern mithören.

Für Uncanny Valley sind das Hörspiel und der Unkönig Willy kein unbekanntes Terrain. Zum Start des Labels stellte „Unkönig Willy auf der Suche nach einem Hofmusikanten“ die Protagonisten der ersten Platte vor. Damals aber längst nicht so eigensinnig und wunderbar wie Max Rademann. Er ist der King.

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Skipless „RVLTX – Kick / Beaumont“ (Rivulet Records)

It’s all about remixing – meint Rivulet Records und startet eine neue Serie mit Remixen zu Tracks aus housefernen Gefilden.

RVLTX heißt die Serie und sie beginnt mit dem Finnen Skipless, der seit einigen Jahren flockig-lockere HipHop-/TripHop-Instrumentals zusammensampelt. Bei Bandcamp sind drei EPs und Alben zu finden.

Und auf der „RVLTX“ zwei weitere Tracks, die als Ausgangsmaterial für M.ono, Johannes Albert und Johann Fanger dienten, um die nickende Leichtigkeit in jene wogende House-Deepness zu überführen für die Rivulet seit gut zwei Jahren steht.

„Kick It“ und „Beaumont“ sind zwei zweiminütige Track-Skizzen. Wobei Skizzen zu negativ klingt. Denn eigentlich sagt Skipless auf seine Weise bereits alles. In sehr reduzierter und doch poetischer Art.

M.ono kontert einmal mit toll trockener und stolpernder Bassdrum und ein zweites Mal mit durchgleitender, etwas eintöniger Eleganz. Johann Fanger dagegen mit einem crispen und minimalistischen Sound, der erst nach und nach etwas Sonne reinlässt. Der beste Remix hier für mich.

Und schließlich Johannes Albert. Mit aufdringlicher HiHat und leiernder Deepness, aber einem überraschenden Synth-Epilog. Irgendwie lässt die B-Seite etwas nach. Ich glaube auch, mir wäre eine EP voller Skipless-Stücke noch lieber gewesen.

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Unterwasserhouse

Im Sommer kam die wunderbare zweite Panthera Krause-EP heraus. Nun schiebt er ein Video nach.

„Isla“ war eines der überraschenden Stücke der „Laika“-EP. Wegen der stromlinienförmige Konzentration. Deep Rave. Dazu hat Panthera Krause zusammen mit der Fotografin Lisa Geue ein Unterwasservideo gedreht. Passend.

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Die Flagboys im Wald – A Forest im Interview

„Grace“ heißt das neue Album von A Forest, das nicht nur für das Band-Projekt ein neues Level auslotet. Fabian Schütze erklärt, wo alles noch.

Seit dem Frühjahr ist A Forest dabei, sich als Band neu zu erfinden. Musikalisch und administrativ. Damals startete mit I Am A Forest ein Projekt, das die Arbeit an neuen Songs offen legte. Fragmente von Demos und Texten freilegte, Gedanken dokumentierte und Spuren für Remixer ins Netz stellte.

Zudem soll mit einem virtuell wachsenden Wald der vielschichtige Vernetzungsprozess zwischen Band und Fans aufgezeigt werden, indem mit jedem neuen Stream, jedem Konzertticket und jeder gekauften Platte der Wald an Bäumen reicher wird. Knapp 100 Bäume sind es aktuell.

„Grace“ ist nun der vorläufige Höhepunkt dieser Neuausrichtung. Es bündelt die kleinen Überraschungen der vergangenen Monate. Das Zusammenspiel von Arpen und Fabian Schütze gehört dazu. Aber auch die sich dahin schlängelnden Synthesizer. A Forest sind mit ihrem Pop ernster und melancholischer geworden, klanglich homogener und selbstbewusster. Wie es zur neuen Besetzung und „Grace“ kam, erzählt Fabian Schütze im großen frohfroh-Interview. Auch gut: eine kleine Dokumentation über die Band.

Großer Besetzungswechsel bei A Forest. Franziska und Florian sind weg, Arpen und Friedemann sind da. Wie kam es?

Bei Franzi war es eine natürliche Entwicklung. Sie hat ihr Leben lang Musik gemacht und später auch Musik an der Mannheimer Pop-Akademie studiert. Irgendwie hat sie aber gemerkt, dass sie keine Musik mehr machen möchte, sondern dass ihr musiknahe Themen mehr liegen – Management und Projektarbeit. Sie hat auch zu A Forest-Zeiten schon für die Club Transmediale und das Radialsystem in Berlin gearbeitet. Das liegt ihr mehr und so ist sie im Guten gegangen.

Bei Florian ist es ein Zeitproblem geworden, so dass sich für bestimmte Sachen entscheiden musste. Er spielt bei Hundreds in der Live-Produktion das Schlagzeug und bei der Indie-Band Yesterday Shop. Da sind unsere Ansprüche auseinandergeclasht. Aber das passiert und es war bei Analogsoul immer schon so, dass Projekte offener waren, als so Band-for-a-lifetime-mäßig. Wir können ja auch nur die nächsten zwölf Monate überblicken und schieben die Dinge dafür an.

Stand das Projekt A Forest schon einmal kurz vor dem Ende?

Nein, das stand nie zur Debatte. Wir wussten immer, dass so viel Potential drin steckt, dass wir es weitermachen, sobald sich in unserem Kalender eine Gelegenheit bietet.

Wie kam Arpen hinzu?

Er ist über die Zeit total nah an Analogsoul herangewachsen. Wir haben ihn vor vier oder fünf Jahren kennengelernt. Damals hat er fast ausschließlich an Mud Muhaka gearbeitet, also sehr sperriges Zeug. Das fanden wir gut, wir haben aber auch bald gemerkt, dass Arpen noch viel mehr macht und dass er bei uns der umfassendste und am besten ausgebildete Musiker ist. Wir sind zu einem Zweier-Team geworden, haben auch die Me And Oceans-Platte gemeinsam geschrieben – es funktioniert einfach gut.

Friedemann war ein Schnellschuss – wir brauchten schnell einen Schlagzeuger für die Tour und hatten extremes Glück, ihn kennenzulernen, weil er der weltbeste Schlagzeuger ist, mit dem wir jemals gearbeitet haben. Er hat in Leipzig Schlagzeug studiert, ist dann aber zurück nach Berlin, um dort die Meisterklasse zu machen.

Wann war euch drei klar, dass dies nun die aktuelle A Forest-Besetzung ist?

Das hat sich einfach entwickelt. Arpen und mir war nach dem Me And Oceans-Album klar, dass wir weiter zusammenarbeiten. So war A Forest einfach das nächste Projekt. Wir wussten auch, dass das noch einmal etwas Außergewöhnliches wird und dass wir viel reinstecken werden. Die Produktion ist auch für unsere Verhältnisse, die wir schon ein paar Alben hinter uns haben, noch einmal ein großer Schritt nach vorn.

Arpen und du, ihr habt als einzelne Künstler sehr eigene Stile. Hattet ihr anfangs Bedenken, dass da eine Konkurrenzsituation entsteht?

Eigentlich nie. Wir sind beide Leute, die für die Sache arbeiten und durch die vielen gemeinsamen Auftritte der letzten Jahre hatten wir viel Zeit, uns über Musik zu unterhalten. Die Touren sind für mich gerade die einzigen Phasen, um privat Musik zu hören, weil man unterwegs nicht viel anderes machen kann.

Wir wussten so, dass wir sehr deckungsgleiche Vorstellungen haben, auch wenn die kaum konkret zu benennen sind und diffus blieben, ohne es an einer bestimmten BPM-Zahl festmachen zu können. Aber wir hatten eine ähnliche Ahnung, wo es mit den Rhythmen und dem Sound hingehen soll.

Welchen Sound hattet ihr im Hinterkopf?

Wir unterhalten uns viel in Metaphern über Musik. So ein konkretes Benennen ist schwierig. Es sind eher Bilder, in denen wir sprechen. Oder wie Bilder bei Mood Boards. Es gibt eine Jazz-Fotografie aus den Sechziger Jahren, da sitzt ein fetter Typ auf der Couch und hat die Hand in der Hose, in der anderen eine runter gebrannte Kippe. Man sieht die 40 Grad im Apartment. So sollte die Platte auch klingen. Aber es ist nicht leicht zu fassen.

Klar, wir wussten, dass wir hier eine bestimmte Zahl analoger Synthesizer haben. Wir wollten so wenige wie möglich digitale Klangerzeuger haben. Und wir wussten, dass das Schlagzeug die Produktion tragen wird und dass wir da viel Arbeit und Geld reinstecken müssen, damit es so klingt, wie wir es uns vorgestellt haben. Friedemann kommt auch aus einem Urban-Drumming-Background, er kann Erykah Badu-Beats im Microtiming exakt spielen und auch bei ihm ist Questlove eine Referenz.

Das einzige, was wir sehr konkret wussten war, dass wir unserer HipHop-Sozialisation nach zehn Jahren Wegdriften erstmals wieder wesentlich näher kommen werden. Weil ich auch das Gefühl hatte, dass ich es jetzt wieder kann. Wir hatten ja alle unsere HipHop-Live-Bands mit 15 Jahren und ich habe auf Deutsch gerappt. Habt ihr zu dritt an „Grace“ gearbeitet?

Arpen und ich haben die Platte gemacht. Friedemann ist zum Glück so schnell reingewachsen, dass er auch das Album einspielen konnte. Die Struktur der Songs kam aber von uns – mit vorprogrammierten Beats, die Friedemann dann noch besser macht.

Sitzt ihr beiden zusammen oder ist es ein individueller Prozess mit Überschneidungen?

Ich hätte gern vier Wochen Zeit gehabt, um mit Arpen das Album zu schreiben, aber das ist quasi unmöglich. Wir sind zwei selbstständige Musiker, Arpen schreibt auch Filmmusik und für andere Leute, ich habe das Label. Deswegen hatten wir zwei- bis dreitägige Sessions an deren Material jeder weitergearbeitet hat, bis wir es wieder zusammengeführt haben. So entstanden die Songs über sieben Monate hinweg.

Und dann kam obendrauf noch die Aufnahme. Zum ersten Mal, weil bisher Songwriting gleich Produktion bedeutete – mit bereits recht fertigen Songs. Das war bei „Grace“ nicht der Fall, weil wir viele Synthies noch einmal neu eingespielt haben, dazu sehr aufwendige Schlagzeugaufnahmen und dann das Vocal-Recording und Mix-Down. Normalerweise ist das bei uns alles in einem – „in-the-Box“ – gemacht und dann gibt man es zum Mastern.

Viel besseres Ausgangsmaterial also.

Genau. Was am Ende auch den Mix sehr aufwendig gestaltete, weil hunderte Spuren mit akustischem Material eine andere Bearbeitung erfordert als mit Plug-ins, die schon einen bestimmten Grundsound und keine komischen Artefakte haben.

Gibt es inhaltlich eine Kohärenz? In dem Booklet ist ein Textzusammenschnitt mit Zeilen aus allen Songs mit einem Flagboy als zentraler Figur. Wer ist der Flagboy?

Wir wussten, dass Texte eine zentrale Rolle für uns spielen und dass wir eigentlich im Schreiben sehr unterschiedliche Stile haben. Deswegen hat sich früh herauskristallisiert, dass es hilft, wenn wir viel darüber reden und eine Art Mikrokosmos und Meta-Story haben, um einen kohärenten Stil auf der Platte zu bekommen. Wir schauen beide viel prosaisches Zeug, amerikanische Serien natürlich und sind fasziniert von lang erzählten Geschichten.

Das war für uns aber eher eine Hilfestellung, um einen Grundsound zu schaffen. Deshalb gibt es die Geschichte von dem Flagboy. Das war auch der erste Song, den wir für das Album geschrieben haben. Das zieht sich so durch. Es gibt einen kleinen Jungen, der eine Gruppe von Menschen anführt, die sich durch ein Setting bewegen und diese Gruppe bringt ihn am Ende zu einem großen Wettkampf, an dem er teilnimmt. Und er ist das Wunderkind.

Trotz der Geschichte ist es uns wichtig, dass es nicht als Konzeptalbum wahrgenommen wird. Es war eine Hilfe für uns. Wir wussten auch, dass es eine sehr kurze Platte wird – 30 Minuten ist für uns die Premiumvariante. Alles ist erzählt in neun Songs. Es darf keiner mehr und keiner weniger sein.

Sind aber noch weitere Songs entstanden und ihr musstet auswählen?

Es gibt bei jeder Produktion Sachen, die rausfliegen. Das ist bei uns über die Jahre weniger geworden. Es entstehen nicht zwanzig Songs, es wird schon sehr zielgerichtet geschrieben. Auch wegen des Zeitproblems.

Wir können es uns gar nicht erlauben, so viel zu schreiben und davon dann einiges wegzuschmeißen, weil unsere Zeit zum Musikmachen extrem kostbar ist. Wir spielen so viele Konzerte über das Jahr, so viel Organisation. Der Anteil im Jahr in dem ich kreativ arbeite beträgt vielleicht effektiv zwei Wochen. Dann gibt es noch Mischvarianten, in denen wir unser Handwerk ausüben und Aufnehmen, Mischen und Konzerte spielen.Wünscht du dir dann nicht manchmal, Label- und Booking-Arbeiten auch mal abzugeben, um mehr Zeit für die eigene Musik zu haben oder ist das ein rundes Gesamtpaket?

Das ist ambivalent. Wir bemühen uns gerade um eine große Booking-Agentur, aber jeder externe Partner muss mir auch einen Vertrag hinlegen, der für mich cool ist – und dass ist eine große Hürde. Bei Analogsoul sind wir Kontrollfreaks und haben es über die Jahre sehr zu schätzen gelernt, alles selbst zu machen und für einen potentiellen Erfolg selbst verantwortlich zu sein. Es hat für uns einen großen Wert, etwas aus eigener Kraft zu erschaffen, weil uns das immer wieder anspornt.

Einerseits habt ihr mit dem I Am A Forest-Forest das Bandkonzept aufgeweicht mit Dokumentationen und Remixen eurer Songs im Zwischenstadium, andererseits gibt es mit dem Album natürlich weiterhin einen Meilenstein, auf den sich viel konzentriert. Ist das Projekt „Grace“ nach dem Album und der Tour für dich abgeschlossen oder geht es in anderer Form weiter?

Bei „Grace“ gibt es noch die alten Strukturen – es ist ein Album und erscheint als physischer Tonträger, es gibt eine explizite Promotion für alle Bereiche. Die Medienlandschaft von einem neuen Ansatz zu überzeugen, ist allerdings schwierig, deshalb nutzen wir das Album auch, um unsere Idee dahinter zu kommunizieren. In jeder Mail steht sehr zentral, dass I am A Forest wichtig war für die Entstehung der Platte.

Je besser das rüberkommt, desto besser wird es in Zukunft auch klappen, dass wir einen Song nur digital veröffentlichen, der trotzdem wahrgenommen wird. Und andere Musiker können die Songs remixen, wir wollen für alle Songs die Spuren online stellen. Wir wollen auch mehr Kooperationen mit visuellen Künstlern angehen, bei der nicht einfach nur Live-Visuals entstehen, sondern neue Kunst aus den Songs heraus. Das wollen wir im nächsten Jahr fokussieren.

Langfristig möchte ich aber keine Vorab-Singles und CD-Promos mehr machen müssen. Ich möchte ein Stück bei Bandcamp hochladen, kurz darauf ist es bei iTunes und Spotify und die Leute können zahlen, was sie wollen. Es groovt sich immer auf einen Durchschnitt ein, der cool ist, wenn von dem Betrag nicht so viel weggeht an die großen Player.

Hat das Projekt das Verhältnis zwischen Band und Fans verändert oder haben die Leaves und Trees mehr einen symbolischen Charakter.

Die Transparenz wird sehr gut angenommen. Das ist natürlich viel symbolisches Zeug, aber man merkt, dass sich die Leute freuen, wenn sie explizit das Feedback von der Band bekommen, was für einen Wert ihre Plattenbestellung hat. Die Währung mit den Seeds und Leaves ist gut, um auch nicht-monetäre Dinge wie Likes und Streams mit abzubilden, um zu zeigen, dass sie auch eine wichtige Rolle spielen.

Anfangs waren die Seeds bei fünf Prozent vom „Volumen“ des gesamten Waldes, mittlerweile steigt der Anteil immer mehr an, weil immer mehr Content auf den Plattformen erscheint, weil diese „kleinen Werte“ immer wichtiger werden. Man redet mehr mit den Leuten und holt sie mit ins Boot – dass war auch das Ziel.

Wie ist der Aufwand dafür?

Superhoch. Aber das ist okay. Es hängt auch viel mit Anlaufschwierigkeiten ab, wenn man sich selbst erst einen Workflow organisieren muss. Ich vertraue auch darauf, dass es alles immer selbstverständlicher und mehr in die Abläufe integriert wird.

Die Transparenz ist auch ambivalent – es ist spannend, die Zwischenschritte eines Musikers mitzuerleben. Andererseits kann es natürlich auch entzaubern, gerade wenn ein fertiges Stück eine eigene Magie entwickelt hat.

Darüber haben wir auch im Vorfeld gesprochen und auch da probieren wir uns aus. Es ist ein Labor und ein Work-in-progress Projekt. Da können wir auch Fehler machen, es ist Teil der Sache. In dieser konkreten Frage, kamen wir zum Schluss, dass wenn jemand den Content nicht möchte, konsumiert er ihn einfach nicht. Es ist ein Angebot.

Mit dem Projekt wollen wir verschiedene neue Ansätze zusammenfassen, die bisher einzeln gut funktionierten – Transparenz bei der Entstehung und den Zahlen oder Crowdfunding. Zudem funktioniert der Einblick auch rückwärts: Jemand hört den fertigen Song zuerst und hat dann die Möglichkeit sich tiefer ins Material reinzuarbeiten, Zwischenschritte und Versionen zu begutachten.

Und ist das ein adaptierbares Modell oder ist es doch sehr auf euer Set-up beschränkt?

Es fußt natürlich sehr darauf, dass wir sehr selbst bestimmte und selbst verwaltete Musiker sind, die in Personalunion Musik machen und verkaufen. Wir können die beiden Seiten auch gut trennen, so dass wir jeweils aus einer Vogelperspektive schauen können. Ohne Analogsoul wäre das nicht möglich. Im Umkehrschluss ist es für alle möglich, die gern darüber nachdenken und sich damit auseinandersetzen, nicht nur Musik zu machen und darauf zu warten, bis irgendwas tolles passiert.

Wie ist das Feedback aus der Musikindustrie?

Es gibt eine Gruppe von Leuten, die das total gut findet. Der Autor Dirk von Gehlen etwa, auf dessen Buch wir uns mit dem Projekt auch beziehen. Wir werden in München ein Konzert spielen, bei dem wir vorher mit ihm auf dem Podium sitzen.

Ansonsten haben wir uns das bisher gespart, es konkret anzusprechen und der Musikindustrie auf die Nase zu binden – aus Zeitgründen. Aber ich möchte es schon in die Welt tragen, es liegt mir am Herzen und ich denke, dass wir das nächstes Jahr mit den Erfahrungen des Albums besser reflektieren können. Natürlich merkt man ein bisschen, dass die Musikindustrie an sich das grundlegend schwierig findet.

Inwiefern?

Für große Agenturen, Labels, Manager und Vertriebe ist das natürlich erstmal ein Affront. Weil diese Idee, sofern sie funktioniert, bedeutet, dass wir die Rolle dieser Partner auf kurz oder lang in den Hintergrund drängen und auch ihre Strukturen in Frage stellen. Die Leute sollen das Vinyl direkt bei mir kaufen und nicht bei Amazon oder Mediamarkt. Weil sie bei mir den besseren Preis bekommen und dennoch viel viel mehr bei uns bleibt und damit das Projekt unterstützen.

Ich will auch kein Majorlabel, das 60 Prozent meiner Einnahmen einstreicht, keine Agentur mit großem internationalen Ticketing-Partner, der die Eintrittspreise meiner Konzerte in die Höhe treibt, ohne dass ich was davon habe. Und wir wollen direkten Kontakt mit den Menschen, Teilhabe und das ist ein Parameter, der im „alten„ Musikbusiness nicht vorgesehen ist.

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Neues aus der Wolke – XY0815

XY0815, wer? Na ein weiterer Techno-Producer. Aber eine höchst gute Entdeckung aus der Wolke.

Anonym soll es bleiben. XY also. 0815 ist der Sound dagegen nicht unbedingt. Zumindest gab es beim ersten Hören auf Soundcloud eine ganze Reihe von guten detroit-inspirierten und sehr schnell treibenden und direkten Momenten. Um Techno geht es bei XY0815, ab 133 BPM fühlt er sich am wohlsten, wie er – ja soviel wird klar: es ist ein Typ – im anschließenden Kurz-Interview mitteilt.

Überhaupt das Interview. Selten kamen die Antworten so schnell hingeworfen und mit einer sorglosen Mischung aus Selbstironie und Understatement daher. Aber lest und hört selbst.

Woher kommst du – lokal und künstlerisch?

Ich bin eine Leipziger Hausgeburt. Irgendwann bin ich mit Freunden immer öfter ausgegangen bis schließlich eine kleine Leidenschaft für Clubmusik in uns entflammte. Die ist jetzt auch erst seit ein bis zwei Jahren auf ihrem Höhepunkt. Wir sind eine Gruppe von Freunden, die seit geraumer Zeit gemeinsam Musik macht, Musik analysiert, sich austauscht und die Wirkungsweise auf der Tanzfläche begutachtet.

Das ist irgendwie so ein Selbstläufer der keinerlei besonderer Motivation bedarf. Meine Musik jedenfalls entspringt hauptsächlich der zahlreichen Momente auf dem Floor, in denen man sich besonders gut im Techno-Trott verlieren konnte und all der verschiedenen Musik die mich in meinem Leben fasziniert und berührt hat.

Was flasht dich musikalisch?

Wenn ich im Club das Gefühl bekomme gleich abzuheben. Das passiert vor allem ab 133 BPM aufwärts. Natürlich habe ich aber auch im Alltag immer wieder mal das Gefühl, etwas für mich neues, inspirierendes entdeckt zu haben.

Wo willst du mit deiner Musik hin – Lieblingshobby oder Stadion?

Ich will der neue PhilBeat werden! Bis jetzt habe ich es leider nicht geschafft, genug Zeit in einen Track zu stecken. Meine Uploads sind eigentlich nur Ideen die ich teilenswert fand. Auf jeden Fall wünsche ich mir eine ganz bestimmte Soundqualität, in der ich mal einen Track fertigstellen kann.

Davon bin ich aber noch weit entfernt. Es ist eine Frage der Zeit, wann wir Techno-Freunde uns in den Kreis der hiesigen Leipziger Partykollektive einreihen werden. Allerdings ist nur Livemusik geplant. Theoretisch sogar zu fünft.

PhilBeat werden? Du bist heiß auf das NRJ Party-Siegel, oder?

Haha, das NRJ Party-Siegel. Sehr gut.

Dein größter Soundcloud/Youtube-Hit?

„Epic Drumsolo“ hat über 70 Klicks bekommen – einfach nur weil ich es „Epic“ genannt habe.

Dein persönlich größter Hit – und warum?

So einen habe ich nicht. Es gibt immer mal wieder Tracks, die ich mir auch mehrmals am Tag anhöre, aber das wechselt relativ beständig. Schau ich aber auf die letzten zwei Monate, waren es vor allem diese Tracks von andern, die immer wieder zu hören waren: DMX Krew „When The Going Gets Weird“, Beroshima „World Wide Whore (Vocal Mix)“, Legowelt „Fundamental Superstition“ und alles, was Ansome in der letzten Zeit veröffentlicht hat.

Was kommt demnächst von dir?

Epic Snaresolo!?

Warum sind die Stücke so ordentlich gemastert – nur ein Power-Plug-in? Oder weil du doch mehr Ahnung und Erfahrung hast, als du mir weismachen willst?

Die wenigsten meiner Stücke sind aufwendig gemastert. Die neueren Sachen bearbeite ich aber mit Ozone und ich habe bis jetzt nur mit dem Rechner Musik gemacht. Hardware kann ich mir leider nicht leisten. Meine Erfahrung sammele ich jetzt seit etwa anderthalb Jahren. Ich habe mit Fruity Loops auf dem iPod angefangen und bin dann nach einem halben Jahr erst auf Ableton umgestiegen.

XY0815 Soundcloud
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Black Series & Traumuart

Die ganze Zeit lag es im Hinterkopf – dass es neues von Perthil & Aerts gibt. Und dass es sogar ein weiteres Label von Perthil gibt.

Perthil & Aerts, Chemnitz-Leipzig-Connection mit einer gut kuratierten Techno-Compilation-Reihe namens „Black Series“ auf dem eigenen Label Authentic Pew – soweit zum Wachrufen der vielleicht doch irgendwann einmal aufgeschnappten Artikel bei frohfroh.

Im August kam die neunte „Black Series“ heraus, mit je einem Solo-Stück des Duos. Aerts deeper, Perthil schroffer und neurotischer. Beides auf hohem Niveau die Techno-Hypnose auslotend.

Mittlerweile ist übrigens auch die zehnte „Black Series“-Ausgabe herausgekommen. Dieses Mal als größere Compilation mit einigen Leipziger Bekannten. Markus Masuhr sowie Bigalke & Sunset etwa. Nicht verpassen dieses Mal.

Überraschender war aber die Nachricht, dass Perthil – der Leipziger Part des Duos – ein weiteres Label namens Traumuart betreibt. Seit Oktober 2013 kam dort im Monatstakt eine neue digitale EP heraus. Alles Debüts von Umors, Francisco Branda und Rodrigo Garcia. Digitale Nachwuchsarbeit also, zumal sich Traumuart klanglich nicht allzu sehr von Authentic Pew ablöst.

Als zehnte Katalognummer wurden alle bisherigen Tracks und Remixe zusammengefasst. Auch schon – hüstel hüstel – im August veröffentlicht. Dunkler klassischer Techno in verschiedenen Nuancen. Irgendwie hinterlassen die Authentic Pew-Stücke aber mehr Eindruck bei mir.

Authentic Pew Website
Traumuart Website

Imaginary Units „Volatile Increments“ (Yuyay Records)

Yuyay Records ist mit einer neuen EP zurück. Der ersten mit einem deutlichen Dancefloor-Fokus.

Vor zehn Monaten erschien die letzte EP dieses mythenumwobenen Labels aus Lindenau. Betreiber Robyrt Hecht konnte das Label mit einigen Mixen und Label-Abenden aber präsenter in der Stadt verwurzeln als es die Release-Dichte vermuten ließe.

Zu Imaginary Units gibt es nichts zu berichten. Es würde mich nicht wundern, wenn Falke von Kann Records dahinter steckt. Der melancholische, nach Detroit schielende House-Sound erinnert an nicht wenigen Stellen sehr an jenen – ebenfalls scheuen – Producer aus Leipzig. Wahrscheinlich sind die Stücke aber erneut von Robyrt Hecht selbst.

Andererseits pulten die bisherigen Yuyay-Releases auch historisch versiert und behutsam antiquiert in den Anfängen der elektronischen Musik. Nie aber derart direkt für den Dancefloor ausgelegt. Die vier Stücke auf „Volatile Increments“ pulsieren mit dicht arrangierten Analog-Synths, angetrieben von trocken angerauten Bassdrums.

Eine schöne introvertierte Schwelgerei, die die Aussicht auf die kürzer werdenden Tage erträglicher macht.

Yuyay Records Website
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Timoka „Tulgey“ (Holger Records)

Heute ist Timoka-Tag. Das heißt: es wird musikalisch keinen besseren Tag mehr in dieser Woche geben.

Ja, die Euphorie trägt seltsame Blüten. Doch irgendwie muss ich die Freude über die neue Timoka-EP kanalisieren. Timoka, das ist ein Baseler Künstler, der einige Zeit an der Leipziger HGB verbrachte und dort die Holger-Gang kennenlernte. Steffen Bennemann erzählte neulich davon auf Ransom Note.

Für das Label liefert er nicht nur eine der spannendsten Tracks – zusammen mit Reymund Schröder ist er auch für die Holger-Plattencover verantwortlich. Im letzten Winter debütierte Timoka dort und schon damals fiel sein erfrischend offenherziger Umgang mit elektronischer Musik auf. Zwischenzeitlich remixte er das Webermichelson-Album und legt mit „Tulgey“ nun ein eigenes Mini-Album nach.

Und es zeigt in elf Stücken, dass der Timoka-Kosmos weit größer ist als es nach „Waters“ zu erahnen war. Electronica ist dabei nicht einfach Electronica, House nicht einfach House. Bei Timoka verwischen die Genre-Erwartungen mit gleichermaßen narrativ-bildlich und ironisch-verspielt klingenden Sounds.

Stilistisch unbeirrt und vom Erwartbaren entrückt, ein Andersklingenwollen ohne Krampf. Dabei sehr fokussiert auf eine hohe Musikalität mit vielen geschichteten Harmonie-Bögen und Samples. Da ist manchmal in anderthalb Minunten alles gesagt.

Der Dancefloor bekommt mit „In A Box“, „Sundowner“ und „Borogoves“ viel Eigensinn um die Ohren. Dieses Neben-der-Spur-agieren und die musikalische Unbefangenheit üben die größte Faszination beim Hören der Stücke aus. Mehr Timoka-Tage, bitte.

Nachtrag

Es gibt noch eine Studiobearbeitung von einer Konzertsession in Basel. Zum Herunterladen. Und zum Runterkommen.

Holger Records Website
Kilchhofer Website
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MermaidS „Welcome To Sunset“ (A Friend In Need)

A Friend In Need wechselt zur Artist-EP und gibt dem Glasgower Duo MermaidS mehr Raum.

Auf der ersten AFIN-Compilation waren Ryan und Adam bereits mit „Radiator Lady“ auf A Friend In Need zu hören. In den drei Jahren davor hatten sie schon eine kleine Diskografie aufgebaut, nun also vier neue Tracks, die in gemäßigtem Tempo jene Disco- und House-Leichtigkeit aufkeimen lassen, wie sie auch Rose Records zelebriert.

Nicht ganz so überzeichnet, eher gedimmt und teilweise gar mit experimenteller Note. Der Start etwa baut sich mit „Two Moons Rising“ herrlich langsam und analog schwingend auf. Klar, die Monde, sie gehen auf. Was für ein kitschiges Bild. Aber der Sound dazu ist mein bisheriger Höhepunkt im noch jungen A Friend In Need-Katalog.

Bei „SomeDaze“ scheint dann schon die Morgensonne, mit Soul-Pop-Appeal und einem schön reduzierten Slow-House-Fundament. Die beiden Tracks danach erhöhen das Glamour-Level zwar etwas, doch bleibt alles weiterhin mit einem sanftmütigem Schleier überlagert, der die Stücke nicht ins Exaltierte hochschiebt.

Auch hier wieder: MermaidS arbeiten mit wenigen Sounds und Breaks, so dass sie eine super angenehme Ruhe ausstrahlen. Ach ja, willkommen zum Sonnenuntergang.

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