„Es entwickelt sich latent launisch“ – Delhia de France

Pentatones-Sängerin Delhia de France ist mit dem Start ihrer Solo-EP-Trilogie eine ordentliche Überraschung gelungen. Worum es geht, sagt sie im frohfroh-Interview.

Neulich erst gab es einen Pentatones-Auftritt in der Distillery bei dem erste Stücke des noch unveröffentlichten, mit Robot Koch produzierten Albums vorgestellt wurden. Letzte Woche erschien dann recht überraschend „Suavium“, der erste Teil einer EP-Trilogie, die sich „auf ästhetische Weise mit Deformation und Veränderung des Körpers sowie körperlicher Wahrnehmung“ beschäftigen soll – mit dem Kuss als Motiv.

Im Lateinischen gibt es drei verschieden nuancierte Bedeutungen des Kusses: den Liebeskuss (Suavium), den Zuneigungskuss (Basium) sowie den freundschaftlichen Kuss (Osculum). Ein mächtig aufgeladener konzeptioneller Überbau also, der audiovisuell durch begleitende Song-Videos mit unterschiedlichen Visuals-Künstlern umgesetzt werden soll.

Unabhängig von der verbindenden Konzeption vereint der erste Teil „Suavium“ sechs dunkel gedimmte, zwischen Electronica und Pop chargierende Songs, die Delhias Stimme einen pulsierenden Kontra-Rahmen geben. Gänzlich anders als bei den Pentatones oder ihren Vocal-Beträgen für Douglas Greed oder demnächst Steve Bug.

Für mich das erste Mal, dass es komplett passt – die selbstbewusste Getragenheit der Arrangements, die warmen und doch unberechenbaren Sounds – inklusive der Harfe von Julia Pritz, Delhias weniger ausholende Stimme.

„Holy Ghost“, „Share A Breathe“ und „The Book“ wagen sich wirklich weit ins Experimentelle. Mit „Suneater“ und „Unconcealable“ wird später das songwriterische Pop-Potential deutlich, in dem sogar die Grundwehmut der Stücke verlassen wird. Eine große Überraschung. Und ein Anlass, Delhia selbst zu Wort kommen zu lassen.


Eigentlich habe ich als nächstes das Pentatones-Album erwartet – nun plötzlich der Start einer groß angelegten Solo-Trilogie. Ein spontanes Projekt scheint es aber nicht gewesen zu sein.

Das schwelte schon eine Weile vor sich hin. Ich muss das natürlich alles mit Pentatones koordinieren. Aber ich konnte auch nicht mehr warten, bis das neue Album released wird, was am Ende vielleicht strategisch klüger gewesen wäre. Ich habe schon viel zu lange darauf gewartet, endlich loszulegen und nun hab ich es einfach getan und es fühlt ich gut an.

Dass das Ganze nun zu einem konzeptionellen Projekt herangewachsen ist, hat sich dabei eher von selbst ergeben. Es ist ein Prozess geworden und ich möchte mich darauf einlassen. Nach all den Kooperationen und der Bandarbeit der letzten Jahre war es mehr als überfällig, aber ich habe eine Weile gebraucht, mich auch wirklich zu trauen.

Natürlich ist man nie allein, auch wenn ich das anfangs dachte und das genau der Grund meines langen Zögerns war. Ich habe viele unglaublich talentierte Künstler und Freunde, die bei diesem Projekt mitarbeiten – sei es musikalisch-mixtechnisch oder für Artwork und Videos. Dafür bin ich wirklich sehr dankbar die Möglichkeit zu haben meine Ideen umzusetzen.

Das ist nicht immer einfach und nervt teilweise, wenn man mit einem Low-bis-eher-No-Budget arbeiten muss. Aber so ist es einfach gerade und es fordert einen auch heraus, effektiver und minimaler zu denken.

Eine der Kernfragen der Trilogie ist: wie viel Experiment braucht Popmusik und wie viel Pop braucht experimentelle Musik? Hast du für dich schon eine Antwort darauf gefunden?

Ich glaube nicht. Das wäre ja auch langweilig. Tatsächlich bin ich ein sehr ambivalenter Mensch. Mir wird schnell langweilig und ich brauche die Abwechslung und Herausforderung. Das hat auch was damit zu tun, die eigenen Gewohnheiten und Hörgewohnheiten zu hinterfragen bzw. auch den Zuhörer eben genau dazu zu bringen.

Manchmal frage ich mich auch, ob ich dies oder jenes musikalisch wirklich machen kann, weil es stilistisch zu weit auseinander geht. Aber ich sehe Delhia ein bisschen als Spielwiese und versuche das nicht all zu sehr zu bewerten. Ich verzweifele manchmal daran, aber eigentlich möchte ich nicht daran glauben, das Dinge so oder so sein müssen damit sie funktionieren, von der Industrie gefeiert werden oder verkäuflich sind.

Dass etwas so und so klingen oder aussehen muss, damit man es hier oder dort einordnen kann. Vielleicht ist das völlig naiv, aber was soll’s. I try.

Werden sich die drei Teile musikalisch spürbar unterscheiden – ein Liebeskuss unterscheidet sich ja auch von einem freundschaftlichen Kuss?

Ja das habe ich vor. Aber es ist gar nicht so einfach, dass trotzdem irgendwie unter einen Hut zu bringen, da ich am liebsten alles machen würde. Doch auch das wird sich ergeben. Und wohin die musikalische Reise, das lasse ich passieren. Es kristallisiert sich so langsam heraus. Kann sich aber andererseits auch morgen wieder ändern. Latent launisch.

Ich habe noch ein paar sehr ruhige Stücke, nur mit Klavier und dann wiederum auch den Drang mich wieder mehr mit Clubmusik zu beschäftigen. Ich vermisse das Roughe, das Ausrasten, treibende Beats. Dann ist da noch meine erste Liebe HipHop. Die vergisst man ja bekanntlich nie und die klopft immer mal wieder an meine Tür und bleibt für ein paar Tage.

Und die Grand Dame Pop, die thront über allem und ja, die ist tricky – aber das ist auch gut so. Vielleicht besteht der Unterschied in den EPs auch eher in einem Gefühl? Oder einer Geschichte? Ich weiß es nicht. Das die erste EP „Suavium heißt, ist Absicht: die Songs sind teilweise etwas älter und haben mit dem Abschied einer Liebe zu tun. Ein letzter leidenschaftlicher Kuss sozusagen.Welche Rolle spielt die Harfistin Julia Pritz – ist sie beim Songwriting auch mit involviert?

Mit Julia habe ich erst angefangen die Tracks live umzusetzen. Und klar, wenn man dann zusammen probt, kommt es auch dazu, dass man anfängt zusammen zu schreiben. Das ist dann ähnlich wie bei Pentatones: wir jammen zusammen und daraus entstehen Songs, die ich arrangiere und ausproduziere bzw. Lines zu denen ich schreibe. Manchmal produziere ich die Tracks auch direkt so, dass die Synthies von Julia mit der Harfe übernommen werden können, wobei ich die Harfe zumeist auch noch einmal im Ableton mit Effekten bearbeite.

Julia überrascht mich dabei immer wieder. Sie hat ein unglaublich gutes Gespür für Melodien und ein kompositorisches Talent. Das ist nicht selbstverständlich für jemanden, der es gewohnt ist, klassische Stücke mehr oder weniger rigide nach recht konkreten Anweisungen zu spielen. Aber sie kann gut loslassen und wahrscheinlich ist es auch etwas der Hunger nach anderer Musik als nur klassischer. Neulich hat sie beispielsweise einen HipHop-Groove samt Bass ausgepackt. Ich konnte es fast nicht glauben, dass das jetzt von diesem weißen Harfenmädchen kommen soll.

Was ist meist zu erst da – deine Gesangsparts oder die Sound-Arrangements?

Zumeist mindestens eine Line oder ein Beat. Darauf improvisiere ich den Gesang und schreibe dazu. Oder ich habe Lyrics, die ich unbedingt verwenden will. Dann passe ich sie darauf an. Aber hauptsächlich beginnt es mit einem Gefühl und dann lasse ich es meistens einfach passieren. Es ist eine Art Zuhören oder in sich hinein hören. Zumindest in den besten Momenten bzw. am Anfang. Das Arrangieren und Produzieren empfinde ich dann oft eher als Arbeit. Aber man muss in dieses Trancegefühl kommen, richtig vertieft sein und am besten den Kopf ausschalten. Das klappt mal mehr mal weniger gut.

Es schwingt bei den Solo-Stücken eine nächtliche Melancholie, eine einsame Stille mit – ist die Nacht deine Zeit zum Produzieren?

Ja, an sich schon. Obwohl ich versuche tagsüber zu arbeiten, komme ich doch immer wieder zu diesem nokturnen Rhythmus zurück. Wenn die Welt schläft, dann kehrt eine gewisse Ruhe ein, eine bestimmte Energie. Dann arbeite ich am liebsten. Dann bin ich für mich.

Die Inszenierung und der konzeptionelle Überbau sind ja wichtige Elemente bei den Pentatones und deiner Solo-Arbeit – woher kommt die Faszination dafür?

Das ist wohl der Kunsthochschulen-Background, wir haben ja fast alle Kunst oder Gestaltung studiert. Bei Pentatones muss man dazu sagen, da LeSchnigg und Hannes beide auch als Performance-Künstler bzw. Bildende Künstler tätig sind, schwingt quasi das Inhaltlich-Konzeptionelle stets mit.

Bei mir auch teilweise, aber ich würde sagen, es ist eher der enorme Hang zu Ästhetik und einem ästhetischen Gesamtbild, sowie der Drang zu einer gewissen Andersartigkeit und einer Faszination für Fremdes. Es fühlt sich an wie eine Sehnsucht, eine getriebene Neugier, eine Welt um sich zu bauen wie ich sie empfinde oder sie sehe bzw. mir vorstellen möchte.

Du lebst nicht mehr in Leipzig – wie kommt es?

Ich habe fünf Jahre in Leipzig gewohnt und es war wirklich schön. Da ich eh oft gependelt bin zwischen Thüringen und Berlin hat das gut gepasst. Aber Leipzig war einfach nie wirklich meine Stadt. Vielleicht hätte ich mich auch mehr integrieren sollen. Manchmal hatte ich das Gefühl alles was passiert geht an mir vorbei …

Ich mag Leipzig und dann kommt es mir wieder provinziell vor, die Eigenbrötlerei und Fuckoff-Attitude abseits des Berlin-Hype-Rummels. Aber die kann ich auch in Thüringen haben – dort gibts wenigestens Berge. Nein wirklich, es war eine schöne Zeit, und es gibt einiges, dass ich vermisse, aber irgendwie war es eher eine Transitphase.

Berlin finde ich einfach kulturell spannender. Und dort habe ich auch einen großen Freundeskreis sowie einen Teil meiner Familie. Ich komme natürlich gern zurück, besonders jetzt im Sommer, und Pentatones treffen sich hier auch zum Proben.

„Suavium“ erscheint auf Lebensfreude Records, vorerst nur digital – bei Bandcamp zum selbst definierten Preis.

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Lowcut & Phuture-T auf 45Seven

Doppel-Release bei 45Seven. Zwei 7“s voller Dub-Tiefe also, bespielt von Lowcut und Phuture-T.

Lowcut Lowcut – warum kommt eigentlich so selten etwas von Lowcut heraus? Eine Platte auf Alphacut, eine auf 45Seven, mehr nicht.

Jetzt ein neues Lebenszeichen des Leipzigers mit zwei kurzen, schwer schiebenden Dub-Stücken. Etwas leichter „All Day Dub“, etwas düsterer „3Four“, zwei unterschiedlich temperierte Seiten.

Eine Stelle flasht besonders – das letzte Drittel von „All Day Dub“ schimmert und schwebt so losgelöst, dass das jähe Ende einer 7“-Seite wirklich zum Jammer wird.

Der Amsterdamer Phuture-T war 2011 zweimal auf Alphacut zu hören. Drei Jahre später kehrt er mit zwei Ella-Dubs zurück. Sehr soulig durch die Vocals und doch irgendwie gut entkoppelt von deren Pop-Appeal. Perkussiver „Ella In Dub“, abgespacter schließlich „Dubber Ella“.Es gibt übrigens endlich auch 45Seven-Shirts – forstgrün, in Vintage-Typo und Alphacut-Logo-Einnäher.

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Martin Hayes „Modern Love“ (Rose Records)

Nun kommt endlich auch Martin Hayes zu seiner ersten Artist-EP auf Rose Records. Erstaunlich soulig.

Rumleisuren, das geht mit Rose Records wie kaum einem anderen Leipziger House-Label. So viel Hingabe zur Leichtigkeit, zur Softiness und zum Kellerclub-Glamour. Mit Rose Records ist immer Sonntag mit Sonne und Schlagsahne. Martin Hayes, der dritte Producer der kleinen Label-Familie kann sich nun dort auch über mehr als ein Stück hinweg entfalten.

Und er nutzt beide Seiten für eine weitaus souligere und perkussivere Note als zuvor. Bisher schienen mir bei Martin Hayes die Disco-Bezüge stärker ausgeprägt. Auf „Modern Love“ kommt seine Soul-Liebe mehr zum Vorschein. Alles sehr organisch und mit einem gewissen Jazz-Gestus orchestriert.

Da ist es wieder, das Leisure Life von Rose Records. Mit dem Interlude „One Step Away“ hat es auch ein Classic-HipHop-Fragment auf die EP geschafft.

Auf der B-Seite gibt es aber ein Wiederhören mit dem 80er-Flavour. Da schillert „Bring The Love“ mit Synthie-Bassline und schallenden Claps.

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Krink „Disturbance EP“ (Underyourskin Records)

Entweder hatte Krink einen harten Winter oder sein Sound ändert sich gerade. Seine zweite EP in diesem Jahr lässt dies vermuten.

Im Februar wunderte ich mich bereits über die ungewohnt eingedunkelten, atmosphärisch etwas unentschlossenen Stücke der „The Wilderness“-EP. Seine neue EP auf Undermyskin Records – einem Label aus Fahrdorf, richtig weit im Norden, nahe der dänischen Grenze – setzt den nächtlich klingenden Drive fort.

Waren die ersten Stücke von Krink quasi immer von einer positiv dahin schwebenden House-Deepness geprägt, geht es 2014 wesentlich introvertierter, aufgeladener, cleaner und teils auch rave-betonter zu. Dark Tech-House mit loser Dramaturgie.

Eingewoben in ein DJ-Set oder in Krinks eigenes Live-Set wahrscheinlich nicht unberührend. Für sich allein stehend aber wenig spannend. Vielleicht sind sie alle in einer langen Winterphase entstanden. Vielleicht wandelt sich Krinks Sound aber auch einfach gerade und ich verliere die Anknüpfpunkte.

„Ghost“ beginnt noch sehr angenehm in seiner Zurückgenommenheit und musikalischen Verspieltheit, wechselt dann später aber in den Dicke-Bassline-Schubmodus. Zwei Remixe gibt es schließlich noch – aber die können leider nichts retten.

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Jennifer Touch „s/t“ (Lunatic)

Komisch ein Debüt zu verkünden, wenn die Musikerin gefühlt schon ewig präsent ist. Doch: hier kommt die erste EP von Jennifer Touch.

Drei Jahre ist es her, dass ein erster Song von Jennifer Touch offiziell zu hören war – auf der „Fuchs Edition“ des Tetsamplers. Es folgten gemeinsame Stücke mit New World und PorkFour. Und immer war da dieser unterkühlt lässige Pop-Appeal in den Songs und in ihrer Stimme. Vom Glamour der Achtziger geprägt, unnahbar und gedimmt.

Das Blackred-Sublabel Lunatic widmet Jennifer Touch nun endlich eine ganze EP mit drei Songs, die nahtlos ihren Sound weiterführen. Mit weiträumig schwingenden und kurz angebundenen Synthesizer-Sounds, einem entfernt wirkenden, mit Hall aufgeladenen, irgendwie auch ruppigen Gesang.

Analoger Dance-Pop im besten Sinne. Ohne Anbiedern, ohne Koketterie. Jennifer Touch klingt so tief im originalen popoffenen Achtziger-Electro-Sound geerdet als sei die Zeit musikalisch und technisch stehen geblieben. Ganz groß. Weiterhin und noch mehr auf Vinyl.

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RDF „Truck EP“ (RDF Music)

Ab in den Truck – Filburt und Ron Deacon werden zu den Franz Meersdonk und Günther Willers des Techno.

Meersdonk und Willers? Mir waren die Namen nicht geläufig, die Serienhelden dahinter aber schon. In der Serie „Auf Achse“ fuhren die beiden durch den ARD-Vorabend tausende Kilometer. Nach mehreren Tonnen Gewicht klingt auch das Titelstück der neuen RDF-EP. RDF ist ja das gemeinsame Label- und Session-Projekt von Ron Deacon und Filburt. Mit der „O’RS 1700“ tauchten sie erstmals auf. Es folgte die „Code“-EP mit dick aufgetragenem Analog-Synth-Sound.

Der Session-Charakter ist auf „Truck“ auch weiter zu hören. Erstmal dauert es zwei Minuten, bis die Bassdrum einsetzt. Danach pirscht sie sich im Hintergrund an, bis sie mit den ausladenden Synth-Fanfaren auf einer Höhe ist. Es gibt eine eigenartig antiquierte Dramatik in dem Track, die am Ende jedoch weniger opulent ausfällt, als anfangs zu vermuten gewesen wäre. Das raubt der zweiten Hälfte leider die Spannung, weil vorher so viel angeteast wurde.

Auf der B-Seite gibt es ein Wiederhören mit dem RDF-Remix von Simon Sunsets„ Blackwird“, der bisher nur digitial von Esoulate veröffentlicht wurde. Er ruft die mächtigen Bassdrums ins Gedächtnis zurück. Der große Hit dieser Mini-Compilation versteckt sich am Ende. „Give“, ein im Original noch nicht veröffentlichtes Stück von Ron Deacon im Lowtec-Remix. Die perfekte Mischung aus dem stromlinienförmig wogenden Deacon-Drive und der leiernden, genau richtig reduzierten House-Leichtigkeit von Lowtec.

In verschiedenfarbigen Vinyl-Varianten kommt die „Truck“-EP. Von der A9 geht sie in alle Welt.

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„Glad to be back“ – Johannes Beck

Stadt, Land, Rave – Steffen Bennemann im Gespräch mit Johannes Beck zu den Wechselwirkungen zwischen Metropole und Provinz sowie pleasure and pain.

„Beyond Pleasure And Pain“ – so heißt das neue Album von Johannes Beck, veröffentlicht vor wenigen Tagen bei Kann Records. Dass bei der Entstehung sein neuen Stücke der Umzug von Berlin nach München eine Rolle spielte, gab der Musik sofort einen höchst anziehenden Subtext, der sicherlich auch das Erschließen der Musik mitprägte.

Überhaupt Beck und die Provinz. In seine fränkische Heimat lädt er ab und an Freunde zum gemeinsamen Produzieren ein. Jeder soll ein Gerät mitbringen. Im letzten Jahr waren Sevensol und Steffen Bennemann im Steigerwald. Dokumentiert in zwei eigenwillig losgelösten Tracks.

Da auch bei dem eng mit dem Nachtdigital verbundenen Steffen Bennemann das Spannungsfeld zwischen Provinz und Stadt Spuren hinterlassen dürfte, lag die Idee nahe, beide um ein gemeinsames Gespräch zu bitten. Ein monothematisches.


Vergangenen Sommer war ich bei dir „zuhause“, also in Franken, auf dem Land sozusagen, wo du aufgewachsen bist. Dort ist recht deutlich zu spüren, dass in Sachen elektronischer Musikkultur scheinbar wirklich gar nichts geht. War das schon immer so oder kommt einem das heute nur so vor, weil man inzwischen mit dem Blick eines Stadtbewohners da drauf schaut?

Hmmm … da muss differenziert werden zwischen den Neunzigern und heute sowie dem Steigerwald, aus dem ich komme, und der Stadt Bamberg. In den Neunzigern war durch die Loveparade, Mayday und die Charterfolge von Westbam und Co. die Musik in den Großraumdiscos schon präsent. Im Steigerwald sowie in Bamberg – jedoch nur der kommerziell erfolgreiche Sound.

In Bamberg gab es wohl Anfang der Neunziger auch einen Club, der Afterhours hatte für die Leute die nach zwei bis drei Stunden Autofahrt aus dem Omen in Frankfurt kamen. Aber das kenne ich nur aus Erzählungen. Jedoch gab es Ende der Neunziger in Bamberg einen Laden, den Morph-Club, der hatte ab und zu Techno- und House-Sound.

Also alles in allem gab es damals schon eine kleine Szene. Heute, so ist meine Wahrnehmung, ist das alles weg – weil die Chartmusik weitergezogen ist. Der nächste Anlaufpunkt wäre heute dann also Nürnberg.

Also war es schon so, dass dein erster Kontakt mit der Musik, die du heute auch selbst machst, bereits auf dem Land stattfand – während deiner Jugend?

Genau. Ich hörte damals Punk, Metal und Grunge. Und eines Tage kam mein bester Freund vorbei und hatte ein Tape der Mayday dabei. Ich war sofort Feuer und Flamme und wusste: Da muss es mehr geben. Also haben wir die Großraumdiscos und Clubs in Bamberg und Erlangen abgegrast. Fündig wurden wir dann z.B. im E-Werk in Erlangen wo wir dann öfter zum Feiern und Tanzen hin sind.

Und dann bist du sofort nach dem Schulabschluss in die große Stadt geflüchtet, nach Berlin. War das dann so schock-mäßig: „Oh Gott, krass, was geht denn hier?“ So next level / andere Welt mäßig?

Nee. Also ich bin dann zum Zivildienst nach Oldenburg und war am Wochenende fast immer in Bremen und Hamburg unterwegs. Da habe ich dann das erste Mal DJs mit Vinyl gesehen und das hat mich so geflasht, dass ich wusste: Das will ich machen. Ich war aber damals noch viel auf Goa- und Trance-Parties und war ständig auf der Suche nach einem anderen Sound.

Dann habe ich gehört, dass in Berlin sehr trockener und minimaler Sound läuft. Da habe ich entschieden: Ab nach Berlin. Tja und Ende der Neunziger in Berlin war ich dann wirklich wie in einer anderen Welt – total krass! Ich habe den Sound der Stadt sofort geliebt, mit den ganzen Clubs und Bars mit elektronischer Musik, Freunden, die DJs waren, der Fuckparade und den ganzen Plattenläden.

Das war das Paradies für viele Jahre, da ich endlich das Gefühl hatte , „den Sound“ gefunden zu haben. Und dann die ersten Fusion-Festivals und die U-site Parties. Und die Piratensender in Mitte – das war einfach eine feine Sache damals.

Nun hast du Alex (Sevensol) und mich vergangenen Sommer in das Dorf deiner Eltern eingeladen, damit wir dort gemeinsam ein bisschen Musik machen können. Du hättest uns ja ebenso nach München (deinem damaligen Wohnort) einladen können, wo du auch dein richtiges Studio hattest. Warum der Weg zurück in die Abgeschiedenheit?

Tja, da geht es einerseits vermutlich um die Wurzeln mit der Familie, die man liebt und die man mit Freunden teilen möchte und zum anderen darum, dass ich während meines Lebens in Berlin die Natur und Lebenseinstellung der Franken sehr zu schätzen gelernt habe. Ich habe die Sehnsucht danach diese Dinge in meiner Musik widerzuspiegeln – zumindest für so ein Projekt wie Studio Bruno.Ich hatte in dieser Woche bei deiner Familie schon sehr das Gefühl, dass ich verstehen kann warum diese ganzen alten Krautrocker inzwischen ein Gehöft oder Haus auf dem Land haben und dort vor sich hin werkeln. Das war schon sehr gemütlich und trotzdem auch produktiv.

Genau – man ist unglaublich entspannt und zugleich sehr produktiv. Ist vermutlich überall auf dem Land so – keine Ahnung – aber in Franken auf jeden Fall. Und wenn man nicht weiter weiß – kurz in eine kleine Brauerei und was Gutes essen und trinken und weiter geht’s. Man wird da ja dann auch nicht durch andere „elektronische Lebensaspekte“ so abgelenkt wie in Berlin.

Wie bewegt sich denn dein Album im Spannungsfeld Stadt – Provinz, Berlin – Steigerwald, Jugend – Erwachsensein?

Also das Album steht für mich im Spannungsfeld zwischen Berlin und München und auch zwischen Stadt und Land – zum Steigerwald hat es keinen direkten Bezug. Für mich war München eine neue Wahrnehmung im Vergleich zu Berlin in dem Sinne, dass ich auf superschönen Clubnächten war und trotzdem am nächsten Tag in der Natur war.

In München zu leben hat für mich bedeutet, genau zwischen Natur und Großstadt zu stehen – einfach weil die Berge so nah sind und du in der Isar schwimmen und surfen kannst. Das war für mich nach so vielen Jahren in Berlin, wo ich das Gefühl hatte mich umgibt nur Stadt und elektronische Musik, ein super Ausgleich und eine neue Inspirationsquelle. Gleichzeitig habe ich auch wieder diese Leere gespürt wenn man neu und fremd in einer Stadt ist und auch die „Leere“ der Natur habe ich wieder verspürt.

Könnte man also sagen das Album dokumentiert für dich ein Kapitel in deinem Leben, nämlich das Kapitel München?

Ja. Zeitdokument und Kapitel aus meinem Leben auf jeden Fall. Zum Verhältnis würde ich sagen: ein halbes Kapitel ist München und die andere Hälfte ist Berlin, aber aus meiner Münchner Sicht auf mein Leben in Berlin. Damit meine ich, dass die andere Hälfte mit Skizzen begann, die ich bereits aus Berlin mitgebracht habe und die ich dann in München mit meinen Erinnerungen an Berlin abgeschlossen habe.

Wobei sich die Berliner Skizzen in München durch den Einfluss dieser Stadt vermutlich noch einmal etwas verändert haben oder bleiben Skizzen bei dir eigentlich unverändert und bekommen nur noch den Feinschliff?

Na ja, in der Ausarbeitung der Details und der Struktur haben sich die Stücke schon noch sehr stark verändert. Aber die Grund-Atmosphäre ist schon die gleiche geblieben.

Jetzt bist du nach dieser München-Episode wieder in Berlin gelandet. Wie ist das denn, jetzt wieder zurück zu kommen? Du bist ja auch weg, weil du ein bisschen Abstand von Berlin wolltest, nicht?

Berlin: Meine Liebe! Was soll ich sagen – ich war müde von der Stadt und wollte Veränderung. Als ich dann weg war, habe ich gemerkt dass ich Berlin und seine Menschen liebe. Glad to be back!

Leipzig ist in unserem Gespräch bisher noch gar nicht aufgetaucht. Nun kommt dein Album aber ausgerechnet weder bei einem Berliner, noch einem Münchner, noch deinem eigenen Label Mutual Musik raus. Kannst du vielleicht kurz umreißen warum?

Leipzig: My second love! Ok, das klingt jetzt verrückt, denn ich kenne eigentlich nur den Hauptbahnhof und Connewitz. Und den Stadtteil, wo das Westwerk steht und den Cospudener See. Aber ich kann wirklich sagen dass ich oft in Leipzig war und immer eine super Zeit hatte – Menschen, Party, Sound usw. Egal ob einfach so oder als Musiker. Na ja und ich liebe die Kann Records-Jungs sowieso. Also das mit dem Release auf einem Leipziger Label passt perfekt.

Johannes Beck Facebook
Steffen Bennemann Facebook

Johannes Beck „Beyond Pleasure And Pain“ (Kann Records)

„Johannes Beck ist und bleibt der ‚Obstler’ unter den Kann Künstlern“, so schließt Kann Records sein Statement zum gemeinsam veröffentlichten neuen Album.

Obstler sind ja eher die Opas unter den Spirituosen, fruchtig vergorene Maischen, am Ende schön klar destilliert. Feinkost mit antiquiertem Charme. Wohl kein unpassendes Bild: Johannes Beck stand musikalisch bisher auch mehr für ländliche Ruhe und im Feld aufgenommene Sounds, frei vom Exaltierten und dem großen Exzess.

Seine Verbindung zu Kann Records reicht zurück zur ersten Compilation. Schon dort fiel sein „The Flashlight Hits The Rocker“ als poetisch klingende, irgendwie vom Club losgelöste Form von House aus dem Rahmen. „Beyond Pleasure And Pain“ bleibt dem treu. Feingliedrig und warm und ungekünstelt klingen die neun Stücke dieses zweiten Albums – bereits 2005 brachte Johannes Beck in Eigenregie sein Debüt heraus.

Zwei Seiten zeigt das Album auf: organisch pulsierende, fern jeder Hektik dahin gleitende House-Miniaturen einerseits, von Electronica, Folk und Jazz geprägte Song-Skizzen andererseits. In ihrer Detailfreude und der Unaufgeregtheit werden sie zusammengehalten.

Bei den House-Stücken tritt die dramaturgische Losgelöstheit hervor, wie sie schon bei den ersten „Franconia Sessions“ zu hören war. Peaks und Effekte braucht Johannes Beck nicht – nur einen Pfad neben der Landstraße. Dort streckt er die Arme aus, fängt Sounds und Eindrücke ein. Der schlendernde Gesang nebenher kommt gleich mit aufs Band.

Ein großes Bullerbü – mit all der Romantik, die einem Städter beim Gedanken an Natur und Land zwanglos aufkommt. Es weht eine nicht ungefährliche Beiläufigkeit und Unaufgeregtheit durch „Beyond Pleasure And Pain“. Gefährlich, weil solch ein Album im Rasen, Klicken und Suchen schnell unterzugehen droht. Und das darf eigentlich nicht sein.

Auch bei frohfroh: ein Interview mit Johannes Beck, geführt von Steffen Bennemann.

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Re.You „Don’t Stop“ (Moon Harbour Recordings)

Moon Harbour pflegt die Berlin-Verbindung weiter. Dieses Mal mit einer EP von Re.You.

Kein Unbekannter ist er. Mit Rampa produzierte er einiges, doch auch allein hat er sich in nur vier Jahren eine beachtliche Discografie aufbauen können. Bei Moon Harbour war er erstmals zusammen mit Philip Bader zu hören. Die „Don’t Stop“-EP startet loopig-schlank mit dem gleichnamigen Track. Ein Tool.

Interessanter wird es bei „Stare“ – auch wenn eigentlich nicht viel passiert. Nur klingen die Grooves so klar und fein und reduziert, dass ich doch länger hängen bleibe. Der Insektenschwarm-Break holt „Stare“ dann kurzzeitig auf die Dancefloor-Realität zurück.

Es gibt ein beeindruckend politisches Video zu dem Stück. Molotov-Cocktail, Polizist in voller Montur, verbale Gewalt, Spannung und Entladung zum Schluss – als Soundtrack die Vor-Break-Phase von „Stare“. Verrückt, was für eine Dramatik das Stück durch die Bilder bekommt. Obwohl es dem visuellen Aufschrei zum Schluss nicht gerecht werden kann.

„Nian“ beendet die EP mit einem diffus verschrobenen Sound. Leichter Glitch in sehr aufgeräumten Bahnen. Übrigens auch wieder auf Vinyl.

Re.You Website
Moon Harbour Website
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Sonntag im Regen

Draußen Regen, drinnen Musikvideos. Drei visuelle und klangliche Sonntagsretter.

Los geht es mit einem Kurzfilm von Elenor Kopka. „Have A Alright Day“ heißt der knapp dreiminütige Durchlauf eines Tages. Vertont von Talski.

Dann ein Teaser auf die nächste EP von O*RS. Der Berliner House-Producer Aaaron wird die bespielen, mit dem Namen „Super Single“.

Nach Hit schreit sie. Das Video dazu haben Nora Heinisch, Florian Seidel und Florian Schneeweiß gedreht.

Und zum Schluss eine inhaltliche Ausnahme in eigener Sache. Jazzanova haben vor wenigen Monaten eine neue Single veröffentlicht.

Das Grafik-Büro hinter frohfroh hat nicht nur das Cover, sondern auch das Video gestaltet. Da kann ich die Dude-Freude nicht verbergen.

Schönen Sonntag.

Vinyl-Geschichten sammeln

Bekanntlich ist Leipzig einer der wenigen Orte, an denen noch Schallplatten hergestellt werden. Das Presswerk R.A.N.D. Muzik plant nun ein Buch über die Vinyl-Kultur in Leipzig. Und ihr könnt mit helfen.

Aber nicht in Form von Crowdfunding. R.A.N.D. Muzik sucht Geschichten. Von Sammlern, Händlern, Labels, DJs, aber auch von Fotografen, Malern oder Bildhauern, die sich mit der Schallplatte in irgendeiner Form beschäftigen. Um Geschichten aus Leipzig und der näheren Umgebung geht es.

„Wir wollen ein Buch heraus bringen in dem alle Vinyl-Begeisterten zu Wort kommen – egal ob Künstler, Historiker oder Sammler“, so Elise Menzel, die das Projekt bei R.A.N.D. Muzik betreut.

Im März 2015 soll das Buch erscheinen. Bis zum 30. November 2014 können Ideen unter buch@randmuzik.de eingereicht werden. Also? An Geschichten zur Schallplatte sollte es nicht mangeln.

Nicht verpassen: das Video zur Vinyl-Herstellung direkt aus dem R.A.N.D.-Werk.
Oder acht weitere bei Thump.

R.A.N.D. Muzik Website

„Ich möchte alles so live wie möglich halten“ – Weber im Interview

„Eins“ heißt das erste Mini-Album, das Philipp Weber in diesen Tagen veröffentlicht. Wie schon bei seinem anderen Projekt Webermichelson lässt er mit echten Instrumenten die Grenze zum Elektronischen verschwimmen. Ein Interview ist das wert.

Philipp Weber ist ja auch Teil der großen Holger Records-Label-Familie. Schlüssig, dass sein Solo-Debüt auch dort erscheint. Mit gespenstischen Cover und einer beeindruckenden Wendung. Wie es dazu kam, erzählt er im frohfroh-Interview.

Was war musikalisch zuerst da – Weber oder Webermichelson?

Na, wenn man so will, ist Weber schon immer da. Aber natürlich würde es Weber in dieser Form nicht geben, hätte es vorher nicht Webermichelson gegeben. Ich hääte wohl auch irgendwann aufgehört, Musik zu machen. Denn als ich vor 10/12 Jahren nach Leipzig zog, fand ich einfach keinen Mitmusikanten. Das war schon sehr frustrierend.

Als ich dann Sven traf, war das toll. Wir begannen zu experimentieren und entwickelten ein musikalisches Konzept, das dann auch Einfluss auf Weber hatte. Jetzt höre ich aber auf, von mir in der dritten Person zu sprechen …

Ich habe schon immer irgendwelche Musik gemacht. Es ging mit klassischer Gitarre los. Dann folgten Nirvana-sound-alike Songs. Später klang ich wie ein einzelner Tocotronic. Punk. Hardcore. Noise. Der typische Weg, den ein Gitarrist meiner Generation wohl gegangen ist.

Elektronische Musik im weitesten Sinne kam dann irgendwann zum Schluss dazu. Ich hatte zwei Auftritte allein mit Konzertgitarre und Drumcomputer in meiner Heimatstadt Döbeln und in Dresden. Danach kam ein musikalisches Loch. Doch schließlich passierte Webermichelson und jetzt gibt es ein Soloalbum. Ab dem Loch verlief eigentlich alles recht „natürlich“.

Spielen Samples eine Rolle für deine Musik, oder nimmst du alles selbst auf?

Tatsächlich hatte ich erst vor kurzem eine Diskussion über Samples. Ich benutze bis jetzt keine. Beziehungsweise habe ich überhaupt kein Interesse an Samples. Wenn man aber so will, dann gehe ich mit meinen eigenen Aufnahmen – ja, ich nehme alles selber auf – so um, als wären es Samples.

Die Arbeit mit Samples würde auch einfach die Arbeit mit Musik bereits in der Entstehung auf den Computer konzentrieren. Und da ich alles so live wie möglich halten möchte, beschränke ich mich eigentlich computermäßig nur auf das nötigste. Und möglichst erst am Ende.

Ich versuche halt alle möglichen Geräusche, die sich erzeugen lassen in einem live nahen Prozess zu einem Song zusammen zu bauen. Ich mag es Momente festzuhalten und irgendwie funktioniert das für mich nicht mit Samples.

Was sind für dich die wichtigsten Instrumente neben der Gitarre.

Also, das wichtigste Instrument ist die Gitarre. Die spiele ich seit fast 30 Jahren und irgendwie lande ich auch immer wieder bei ihr. Die Moogerfooger-Effektreihe wurde in der letzten Zeit recht wichtig, da sie sowohl mit Gitarre als auch mit Synthies spiel- und kombinierbar sind.

Es sind also gar nicht so sehr die „Quelleninstrumente“, die mir wichtig sind, als viel mehr die Effekte durch die ich sie dann schicke. Meine Looper würde ich ebenfalls als wichtig einstufen.

Dramaturgisch bricht das Album ab „Somehowalovesong“ in zwei Teile – anfangs leicht und zugleich wehmütig, später dunkel und zerstörerisch. Der Inspirationsradius scheint sehr groß zu sein, oder?

Jupp. Ich höre erstmal grundsätzlich alles. Aber in allem was ich höre, gibt es sicher eine Gemeinsamkeit, die ein Musikstück für mich interessant macht. Das sind meist rhythmische Strukturen und eine bestimmte Soundästhetik. Schwer zu beschreiben. Persönlicher Geschmack halt.

Aber entsprechend hörte sich dann auch meine Platte an, als sie fertig war. Das war keine bewusste Entscheidung, sondern hat sich im Prozess so ergeben. Ein Song folgte dem anderen und sie sind eigentlich auch fast genau in der Reihenfolge entstanden, in der sie auf der Platte sind. Irgendwas will ich wohl sagen …Bei Webermichelson gibt es ja neben den offenen Strukturen besonders auf dem Album auch Pop-Ansätze mit Gesang – solo scheint darauf kein so großer Fokus zu liegen oder hat sich das so ergeben?

Die Gesangsparts bei Webermichelson waren so etwas wie kleine „Inseln“, auf denen man sich immer wieder ausruhen konnte. Das Webermichelson-Album wurde in einem Durchlauf live eingespielt und wir wussten, wir müssen von Insel A zu Insel B kommen. Dazwischen gab es dann mehr oder weniger Freiraum für Improvisation.

Meine Soloplatte besteht aus einzelnen Tracks. Keine Übergänge. Und irgendwie ergab es sich nicht. Es fehlte mir nicht. Die Aussagen der einzelnen Songs brauchten keine Worte.

Ich muss auch zugeben, dass ich mich recht schwer mit Texten tue. Ich mag die menschliche Stimme und ich mag es auch zu singen, aber Texte wären eine feste Größe, die zeit- und situationsbezogen ist. Also beim Schreiben macht es Sinn. Aber eine Woche später passt es dann irgendwie nicht mehr und dann mag ich das dann nicht mehr singen.

Ich bin kein Storyteller und warte bis mir mal was schlaues Zeitloses einfällt. Eine kurze Zeile. Wie bei „Somehowalovesong“. Diese Zeile verstehe ich dann als Sample und ich kann das dann singen oder nicht, oder verändern oder in ein anderes Lied packen. Verstehst du? So eine Art Lego-Prinzip, abhängig von der Tagesform.

Hast du solo auch ein Live-Set geplant?

Ja. Aber frag mich nicht, wann ich soweit bin. Allein auf der Bühne war schon immer so eine Sache. Zu zweit ist super, aber allein und dann nur zwei Hände, keinen Computer, keine vorgefertigten Spuren und Playbacks und trotzdem spannend. Mal schauen …

Bei der eigentlich im IfZ geplanten Holger Records-Nacht steht auch was von Käthe, bei dem du wohl mit involviert bist – was hat es damit auf sich?

Käthe sollte zuständig für Raum 2 sein. Die Idee war, dass Webermichelson einen eigenen Raum bespielen kann. Da wir das aber nicht allein machen und auch keinen festen weiteren Musiker beschäftigen wollen, haben wir Käthe „erfunden“.s

Sie steht in verwandtschaftlichem Verhältnis zu Holger und ist ein offenes Kollektiv von Künstlern, das sich für die Partys im IfZ zusammenfindet und von uns sozusagen immer wieder neu zusammen gestellt wird und in der Idee von Holger ein Angebot für einen Raum in einem Club macht.

Leider lässt sich das in der Ausweichlocation Conne Island nicht realisieren. Aber zur nächsten Holger-Nacht im IfZ wird es auch Käthe geben.

Webermichelson Website