XVII „Movies For The Blind“ (Code Is Law)

Während das Institut für Zukunft noch am Bauen ist, kommt einer der Residents schon jetzt zu einem ersten Vinyl-Beitrag. Von XVII ist die Rede.

Viel gibt XVII nicht von sich preis. Es besteht die IfZ-/Vertigo-Verbindung, und es gibt einen düsteren, industrial-beeinflussten Electronica-Sound bei Soundcloud. Auf der IfZ-Compilation war auch ein Stück von XVII enthalten, das zusammen mit Subkutan entstand.

Nun das Vinyl-Debüt auf dem Berliner Techno-Label Code Is Law. Dort erschien Anfang der Woche die Mini-Compilation „Movies For The Blind“, auf der ein gleichnamiger XVII-Track zu hören ist. Neben den anderen Club-Stücken der Compilation ist „Movies For The Blind“ ein ebenso episch heller wie unberechenbar und weiträumig klingender Gegenpunkt.

Gegensätzlich auch zu XVIIs Soundcloud-Stücken, die mit ihrem Noise-Ansatz den musikalischen Schmerz ausloten. Sehr konsequent und mit einer gehörigen Theatralik. Unbedingt „Lodo Post“ und „On Curve“ auch mit anhören. Hier zeigt sich, dass sich bei XVII zwischen den schroffen Tönen einige höchst spannende, rhythmisch wunderbar vertrackte Momente herausschälen. Da dürfte demnächst noch mehr zu erwarten sein.

XVII Facebook / Soundcloud

Neues aus der Wolke – Ranko

Premiere bei „Neues aus der Wolke“: erstmals geht es abseits der geraden Bassdrums. Durch Zufall haben wir bei Soundcloud nämlich einen gewissen Ranko entdeckt.

Dass sich in Leipzig eine überaus vitale Instrumental-HipHop-Szene entwickelt hat, dürfte spätestens seit dem Start des Resistant Mindz-Labels deutlich geworden sein. Lässig-vertrackte Beats mit viel Soul darum, elektronisch tight gesetzt, da schmelzen die Genre-Grenzen schnell.

So auch bei Ranko. Als Producer ist er noch recht jung dabei. Was aber eben gleich auffiel, war die beeindruckende Vielseitigkeit seiner Stücke. Avant-HipHop hier, Trap dort. Und dann schickte Ranko beim ersten Herantasten noch einen Secret Link mit warm pumpenden House, der einiges vom britischen Bass aufgesogen hatte.

Einige der Tracks gibt es möglicherweise im nächsten Jahr auf Filburts Label O*RS zu hören. Dort erscheint Rankos Debüt. Vorher erzählt er jedoch selbst, woher er kommt und wohin er möchte. Und wir haben noch zwei Fragen zur Beat-Session-Reihe OverDubClub drangehängt, die er organisiert.

Woher kommst du – lokal und künstlerisch?

Ich komme aus Leipzig. Seit zehn Jahren bin als DJ unterwegs, aber erst in den letzten beiden Jahren zum Produzieren gekommen. Ich bin zudem noch als Veranstalter tätig, habe 2012 den ersten Produzentenstammtisch Leipzigs gegründet, den OverDubClub. Und ich engagiere mich ehrenamtlich bei Leipzigs größter Open-Mic-Session „Word! Cypher“ als Moderator im Conne Island.

Was flasht dich musikalisch?

Wenn ich hinter dem Song oder dem Album eine kreative Idee erkenne. Wenn ich sehe das sich jemand wirklich mit einem Thema oder einem Gedanken auseinander gesetzt hat. Ich mag es, wenn mir jemand mit seiner Musik eine Geschichte erzählt, denn ich möchte unterhalten werden.

Gerade in Zeiten von Laptop-Studios, Ableton, Cubase etc. ist es wirklich einfach einen simplen Loop zu bauen und sich Produzent zu nennen. Aber Leidenschaft und der Mut kreativ zu sein – das sind Dinge, die mich wirklich flashen.

Wo willst du mit deiner Musik hin – Lieblingshobby oder Stadion?

Am Ende kann ich das gerade überhaupt noch nicht sagen, da es in Sachen Produktion jetzt doch erst recht schnell ging. Ich bin ja nicht schon seit zehn Jahren im „Producer-Game“. Natürlich bin ich Realist und glaube auch, das Stadien nicht wirklich mein Ding sind.

Ich möchte aber auch, dass die Leute mein Mucke hören. Ich persönlich würde gern 2014 mal auf dem ein oder anderen Festival spielen. Am Ende ist der Weg das Ziel. Die Leidenschaft ist wichtig und soll auf keinen Fall durch Fame oder ähnliches kaputt gehen.

Dein größter Soundcloud/Youtube-Hit?

Der „Oops ! Remix“ – im Original von Tweet & Missy Elliot. Darauf gibt es die größte Nachfrage und der kommt im Club auch immer sehr gut an. Vor allem bei den Frauen.

Dein persönlich größter Hit – und warum?

Also mein derzeitiges Lieblingsstück ist gar noch nicht veröffentlicht. Der Titel lautet „Trash Business“ und wird auf meiner kommenden EP zu hören sein. Warum ich ihn so mag? Weil er einfach meinen momentanen Lebensstil auf den Punkt bringt.

Denn ich kann immer wieder mit Freunden feststellen, dass das Künstler- und Kulturgeschäft, in dem ich mich des Öfteren bewege, nichts als Müll ist. Und trotzdem liebe ich es über alles. Es beschreibt eine gewisse Hass-Liebe.

Was kommt demnächst von dir?

Als nächstes wird es von mir Anfang 2014 eine Veröffentlichung über O*RS Records geben, worüber ich sehr glücklich bin. Sowohl Online als auch auf schwarzem Plastik. Dies ist dann gleichzeitig die erste offizielle Ranko-Veröffentlichung.

Außerdem ist eine EP von Clarapark geplant, ein gemeinsame „Future-Soul“-Projekt von Duktus und mir. Des Weiteren wird ein OverDubClub-Sampler im nächsten Jahr kommen, der die Produzenten-Szene aus Leipzig mit all ihren Seiten zeigen soll. Es geht einiges…

Aus dem OverDubClub-Blickwinkel: wie stark schätzt du das Leipziger Potential abseits von House und Techno ein?

Enorm stark. Es ist für mich immer wieder erstaunlich und beeindruckend zugleich zu sehen, welch vielschichtiges und tiefreichendes Potential in dieser Stadt mehr und mehr zu Tage kommt. Gerade 2012 sind viele neue Veranstaltungsformate entstanden bei denen Produzenten im Vordergrund standen.

Zum Beispiel Looprausch, OverDubClub, Poetry Beats, ja selbst die Word! Cyper im Conne Island setzt auf hauseigene Beats. Ich habe das Gefühl, dass gerade HipHop stärker gefragt ist denn je. Ich bin sehr glücklich darüber, dass Stile heutzutage so selbstverständlich verschmelzen. Das macht die ganze Sache auch weiterhin spannend.

Wer ist dir von den bisherigen Teilnehmern am nachhaltigsten aufgefallen?

Am nachhaltigsten aufgefallen ist mir Duktus – von ihm wurde ich auch am meisten beeinflusst. Er ist meiner Meinung nach einer der meist unterschätzten und zugleich vielseitigsten Produzenten aus Leipzig – wenn nicht sogar deutschlandweit. In puncto Produktionen im Rahmen des OverDubClubs dürfen natürlich Namen wie Gimmix, LautnSchlega, Calgari oder Remark nicht fehlen.

Aber generell feiere ich alle Leute, die sich da mit hinstellen und dem Publikum ihre Produktionen vorspielen, die sie in den letzten Wochen zusammen geschraubt haben. Es gehört schon viel Mut dazu, die über die Tille-Anlage zu feuern – und dafür hat jeder meinen vollen Respekt.

Ranko Soundcloud
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Das Rosen-Paket

Es ist einiges passiert in den letzten Wochen bei Rose Records. Grund genug die ganzen Querverweise einmal zu bündeln.

Eine neue Rose Records-Platte gibt es nicht. Doch einige Verästelungen nach außen und innen. Spannend zu sehen, wie ein selbst initiiertes und bespieltes Label mit ein paar Platten dem allgemeinen Netzwerken eine spürbare Eigendynamik bescheren kann – erinnert sei hier an den Hans Nieswandt-Beitrag zum Rosetapes-Podcast. Natürlich muss auch der Sound gerade passen. Und scheinbar passt er im Falle von Rose Records sehr gut.

So gut, dass mit Eva’s Finest gleich ein Quasi-Sublabel gestartet wird. Für Edits. Wer die Soundcloud-Profile der drei Rose-Producer bereits länger im Blick hat, wird erkannt haben, dass bei dreien eine gewisse Zuneigung vorhanden ist, Pop-Songs einen dezenten House-Schub zu versetzen.

Nun kommt die Freude viermal auch auf Vinyl. Und dass in einer Zeit der Edit-Free-Download-Schwemme, die selbst die Edit-Pusher von trndmsk.de zu einem negativ konnotierten Kommentar hinreißt.

Bei Eva’s Finest bleiben die Producer – und ebenso die Original-Zitate – im Verborgenen, auch wenn der Kreis an möglicher Producer höchst überschaubar ist. Die-hard-Rose-Fans können es sicher am Sound raushören, wer hinter dem jeweiligen Edit steckt.

Musikalisch in gewohnt deeper Bahn unterwegs, bekommen manche Stücke durch die langen Original-Vocals aber auch etwas tantiges. Oldie-Patina für den House-Floor. Nur „Drive Slowly“ ist da eine Ausnahme. Liebevoll bearbeitet sind aber alle vier Edits, keine Schnellschüsse oder Effekt-Bomben.

Damit zu den äußeren Verästelungen: Im Mai konnte M.ono bereits bei Brown Eyed Boyz Records eine EP veröffentlichen. Die Betreiber aus Marseille wollten aber mehr und so folgten kürzlich zwei weitere Tracks. „96kbps Preview“ heißt einer, ein Soundcloud-Neck, der mit stolpernden Bassdrums die sommerliche Chord-Leichtigkeit in guter Weise etwas ausbremst.

Erhabener und irgendwie auch einnehmender klingt dagegen „Black Raspberry Fields“. Herrlich ausgewogen und mit einem ganz zarten Oldschool-Schliff. Mein bisheriger M.ono-Favorit.

Auch Luvless ist wieder auf Aufwegen. Beim britischen Label Editorial Records ist ein Track von ihm gelandet. Also ein Edit, um genauer zu sein. Beim Original muss ich jedoch passen. Luvless‘ „Deluvation“ startet mit trockener Disco-Bassdrum und öffnet nach hinten raus dann seinen entwaffnenden Funk. Mit einem angenehmen Understatement aber.

Und noch etwas: das Erfurter Nelabel Foen hat seine erste Compilation noch einmal auf weißem Vinyl pressen lassen. Und damit auch noch einmal „Brenner 38“, eines der frühen M.ono & Luvless-Stücke.

NACHTRAG:

Martin Hayes dreht natürlich nicht Däumchen: er war neulich auf einer Pantha Rhei-7″ dabei. Mit einem Remix für Niccolo Cupo. Und da ist sie in ganzer Blüte zu hören: die Rose-Leichtigkeit.

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Kleinschmager Audio „Auris EP“ (Rrygular)

Meine Euphorie für Tech House und Minimal hält sich gerade sehr in Grenzen. Insofern hätte Kleinschmager Audio nicht so gute Karten.

Und trotzdem kriegt er mich mit dem Titel-Track der EP. Immerhin ist das hier das erste musikalische Lebenszeichen von Kleinschmager Audio seit über zwei Jahren. Und konsequenterweise wieder auf Rrygular. Aber zu „Auris“: dieses Stück trägt viel von dem in sich, was Minimal einmal so faszinierend machte.

Die mäandernde Offenheit mit losen Sounds, der angeteaste Funk. Bei „Auris“ kommt durch die mechanischen HiHats und die ganze Aufgeräumtheit eine Strenge hinzu, die doch sehr einnehmend wirkt.

Mit Someone Else nimmt sich jemand „Auris“ an, der seine Hochzeit auch in der Minimal-Zeit erlebte. Er überzieht die Elemente mit einem weichen, schwingenden Schleier. Ab und an durchsetzt von bedrohlichen Delays.

Während „Auris“ also wahrscheinlich eine nostalgische Kraft entwickelt, landet „Stapes“ in seinen zwei Versionen wieder in der Tech House-Gegenwart. Schnell durchziehend mit so kurzen, hermetischen Sounds und so sauberer Dramaturgie, dass da wenig Leben zu hören ist. Da können auch die kleinen Rave-Fanfaren in der „Elipamanoke“-Version nichts reißen.

Als DJ ist Kleinschmager Audio übrigens gerade im aktuellen Rrygular-Podcast zu hören. Ein kurzes Interview gibt es dort auch zum Lesen.

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5 Jahre Kann Records – die Verbeugung

Im aktuellen kreuzer ist bereits eine kleine Ode an das Label von Sevensol, Bender und Map.ache abgedruckt. Hier soll es auch eine geben.

Warum die Lobhudelei? Weil es – pathetisch ausgedrückt – frohfroh ohne Kann Records wahrscheinlich nicht gegeben hätte. Denn wenn es im Anschluss an die Label-Gründung nicht so viel zu berichten gegeben hätte, wären die zwei kreuzer-Seiten völlig ausreichend gewesen, die mir vor fünf Jahren zur Verfügung standen. So kam ich irgendwann nicht mehr hinterher und brauchte einen anderen Kanal. Insofern reicht der indirekte Einfluss des Labels scheinbar noch weiter.

Ich erinnere mich daran, wie mir Sevensol Frühsommer 2008 im damaligen Freezone-Laden zwei Platten in die Hand reichte – verpackt in zwei weißen Papierinnenhüllen, die unten zusammen getackert waren. Auf den weißen Etiketten mit Edding „Kann 00“ gekritzelt.

„Hier, wir bringen da bald was raus“, meinte Sevensol. Ich so: „Wie, ihr bringt was raus?“. „Ein paar Tracks von uns und Freunden.“ Komischerweise lag mir damals nichts ferner als das. Moon Harbour brachte Platten raus, ab und an auch FM Musik, Statik Entertainment und Alphacut. Aber mehr?Noch beeindruckender war, dass die Tracks so groß waren. Deeper, sehr musikalischer House, sowohl angenehm zurückhaltend als auch offensiv slammend. Die Überraschung war perfekt und tatsächlich schossen danach weitere interessante Acts und Labels aus dem Boden.

Sicherlich verliefen die Entwicklungen komplexer. Es gab eine ganze Reihe anderer Akteure, die ebenso lange wie Sevensol, Map.ache und Bender in Leipzig aktiv waren und parallel oder kurz darauf in den Fokus rückten.

Aber wahrscheinlich braucht es manchmal eine symbolische Verjüngung, hin zu einem Punkt, der in einem groben Raster als Ausgangspunkt für eine Entwicklung gesehen werden kann. Und für mich nimmt diesen Platz nunmal Kann Records ein. Daher hier nun also die Huldigung, die Ode, die Verbeugung. Oder: danke für die letzten fünf Jahre und mehr als ein Dutzend Platten!

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Various Artists „Moon Harbour Inhouse Vol. 5“ (Moon Harbour Recordings)

Schon seit Mitte Oktober ist die fünfte „Inhouse“-Compilation von Moon Harbour veröffentlicht. Jetzt hier im Überblick.

An der „Inhouse Vol. 5“ lässt sich die Tendenz zum Digitalen noch einmal deutlich ablesen. Denn bislang war die Compilation ein sicherer Kandidat für Vinyl von Moon Harbour. Mittlerweile erscheint selbst dieses „Flaggschiff“ ausschließlich digital.

Der große Werkschau-Gedanke bleibt natürlich erhalten. Auch die Breite der Nuancen – von klassischer Deepness über Tech House bis zur Peaktime-Vorbereitung. Drei Stücke sind besonders hängengeblieben: Einmal Zohki & Roozlees „Fancy“ mit den entwaffnend offenen Piano-Chords und den dumpf dagegen haltenden Bassdrums.

Dann „McGuffin“ von Dan Drastic. Verschroben am Anfang und sich langsam öffnend, später mit verschlungenen Sound-Schleifen. Matthias Tanzmann ist von den Dreien am Unaufgeregtesten. Aber sein „Around“ ist überaus stimmig aufgebaut und klanglich ausbalanciert. Ohne Effekte, im guten Sinne.

Ansonsten Alberei mit Sven Tasnadi und Italoboyz vs. Blind Minded, große Abfahrt mit Paul C & Paolo Martini, Sable Sheep und Philip Bader, Deep House-Basics mit Luna City Express, Ekkohaus und Marco Faraone.

Einen gibt es aber noch: Michael Melchner. Sein leicht eingedunkeltes „Avocadas“ entfaltet nach hinten heraus eine nicht unspannende Ambient-Weite. Leider bleibt sie aber im Loop hängen. Trotzdem in ihrer Breite eine gelungene Zusammenstellung.

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Headnoaks „System Neuroscience“ (Blackred)

Schon ein paar Tage draußen: die zweite EP von Blackred. Dieses Mal komplett bespielt von Headnoaks.

Headnoaks ist wohl nach wie vor der Produktivste in Leipzig, wenn es um den unangetasteten Electro-Sound geht. Allein sein Bandcamp-Profil quillt über vor selbst verlegten EPs und Alben – bei frohfroh gab es da schon einmal einen groben Überblick. Und nun vier Tracks in der Heimat – Blackred.

Eigentlich unglaublich, wie sehr diese Musik noch immer mit einer futuristischen Utopie zwischen offen belebtem Weltall und einer maschinellen, neurologischen Durchsetzung des menschlichen Alltags verbunden ist. Klar trägt sie mittlerweile eine dicke Patina. Andererseits tauchen verschiedene Elemente des alten Electro immer wieder in aktuellen Post-post-Dubstep-Tracks auf.

Headnoaks bleibt aber strikt. Die vier Stücke auf „System Neuroscience“ tänzeln ganz selbstverständlich mit analogen Basslines, schillernden Chords und peitschenden Snares umher. Etwas ausgewogener klingen die Stücke aber doch, präziser in ihrer futuristischen Theatralik.

Mit „Transmitting New System“ ist sogar ein amtlicher Hit dabei. Herrlich roboterhaft verstockt und schwebend zugleich. Zurückgenommener dagegen „7 Skies“ und „Come Home With Me“. Dem Titel-Track kommt noch ein Ambient-Intro zuvor, bevor „System Neuroscience“ verschieden geschichtet entlang schlendert.

Ein längst überfälliges Vinyl für Headnoaks. Im Vollfarb-Siebdruck-Cover.

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Various Artists „Stiff Little Spinners Vol. 4“ (Audiolith)

Sein 10-jähriges Bestehen feiert das Hamburger Label Audiolith in diesem Jahr. Das geht auch nicht spurlos an der neuen „Stiff Little Spinners“-Ausgabe vorüber.

In erster Linie verlegerisch, denn die neue Compilation gibt es als Vinyl ausschließlich im Paket mit der großen Jubiläums-Werkschau „Ten Years From Now“. Digital bleibt sie sicher autark. Personell bleibt bei der vierten „Stiff Little Spinners“ alles weitgehend unverändert.

Nur der Hamburger Joney tritt neu hinzu. Und dass gleich sehr umwerfend. Sein „It’s Braining Schnaps And Frogs“ zieht mit für „Stiff Little Spinners“-Verhältnisse ungewohnt derber Bassdrum voran. Dazu als scharfer Kontrast: anheimelnd schwebende Chords und ein tief drückender Bass. Joney hat wohl am Hamburger Hafen die Schiffe mit den UK- und US-Platten ausgeladen?!

Hit Nummer 2 kommt von Gimmix. Unglaublich, wie selbstbewusst sich der Wahl-Leipziger mittlerweile der eingängigeren UK Garage-Deepness widmet. Super harmonisch eingebettet von verschiedenen Vocal-Spuren und warm federnden Chords.

Damit kennt sich Krink prinzipiell auch gut aus. Nur dass er eher klassisch beim Deep House bleibt. So auch „Talking“, sanft pumpend und auf gute Weise traditionsbewusst. Kalipo ist dieses Mal erstaunlich aufgeräumt und klar in der House-Ausrichtung. Auf den vorherigen Ausgaben lagen seine Stücke immer angenehm neben der Spur, verspielter, introvertierter und unberechenbarer.

„Perspicientia“ lässt sich mit dem Vocal und den Arrangements aber auf deutlich mehr Pop-Appeal ein. Zum Ende hin entgleitet der Track dann aber doch noch in einige Dissonanzen. Immer noch sehr eigen.

Rampue geht mit südamerikanischer Wehmut in den Slow-Modus. Bestimmt ein großer Hit, mir aber zu schunkelig. Zum Schluss wieder Torsun Teichgräber. Irgendwie gut, wie er der balladesken Grundstimmung ein wildes Synth-Gerassel entgegenhält. Perfekt als Rausschmeißer einer spannenden Compilation.

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Dsant „Retrospective EP“ (Esoulate Music)

Dass Dsant große Stücke auf den House alter Schule legt, war seinen bisherigen Stücken bereits anzuhören. Nun widmet er dem Sound eine ganze EP.

Es ist zugleich die erste Artist-EP von Dsant auf Esoulate Music. Eine Retrospektive zum Analogen, und obwohl da schnell das Augenleiern der Alten losgetreten werden kann, gelingt es Dsant erstaunlich gut, eine frühe Epoche von House so aufleben zu lassen, als hätte es die mehr als zwanzig Jahre dazwischen nicht gegeben.

Mit hörbarem Acid-Einschlag, ausholenden Streichern und schnörkellosen Beats. An manchen Stellen bleiben einige Sounds jedoch etwas hölzern – bei „Spread Love“ und „Mindflight“ etwa. Vielleicht gehört das aber auch zur Patina. So ganz sicher bin ich mir da nicht. Bei „Balance“ und „Strength“ geht wiederum alles voll auf.

Esoulate-Kollege Lootbeg passt inhaltlich natürlich perfekt dazu. Er mixt „Spread Love“ mit lässig schiebendem Drive neu, ohne das Analoge anzutasten.

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Leibniz „What Matters / Bring It Don’t Sing It“ (Fourth Wave)

Neues von Leibniz. Das heißt auch: neue Euphorie. Denn der junge Wahl-Leipziger überzeugte von Anfang an.

Den Anfang markierte seine erste EP auf Fairplay Records im Frühjahr. Da offenbarte sich bereits die angenehm schroffe Herangehensweise von Leibniz an House. Auch in Großbritannien blieb das nicht ungehört. Das britische Label Fourth Wave fragte schnell nach einer weiteren EP an. Dieses Mal auch auf Vinyl.

Und wieder rasseln die HiHats, stolpern die Bassdrums und fliegen scharf geschnittene oder hell leuchtende Chords dazwischen. Während „What Matters“ mit verstockterem Funk spielt, setzt „Bring It Don’t Sing It“ in seinen zwei Teilen komplett auf Umarmung. Herrlich angematscht im Sound, und dennoch mit dem richtigen Maß an überzeichneter Schwelgerei.

In ihrer faszinierenden Rohheit übertreffen die neuen Stücke sogar die der Debüt-EP. Hier findet bei Leibniz scheinbar ein Reifeprozess im Zeitraffer statt.

Beim Ashore-Blog gab es vor einigen Monaten übrigens ein Interview mit Leibniz, überaus lesenswert. Und noch aktueller ein englisches Interview bei Inverted Audio, inklusive DJ-Mix.

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Martin Kohlstedt „Tag Remixes“

Im Mai veröffentliche Marbert Rocel-Mitglied Martin Kohlstedt sein Mini-Album „Tag“. Die beeindruckend reduzierten Piano-Stücke inspirierten einige Musiker zu Remixen.

Es scheint dabei eine gewisse Eigendynamik gegeben haben. Befreundete Musiker fragten nach Remixen an oder schickten schon erste Ideen. Auch wenn Martin Kohlstedt mit Marbert Rocel und Karocel die clubbige Seite vertraut ist, dürfte sich das Herausgeben solch intimer Stücke zum Remixen noch einmal anders angefühlt haben. In Eigenregie bringt Martin Kohlstedt nun sechs Remixe heraus – vier davon auf Vinyl.

Was sofort auffällt ist der behutsame Umgang mit den Originalen. Mathias Kaden, Panthera Krause und Matthias Fiedler verorten die Stücke mit dezenten House-Noten. Fragil in den Arrangements, warm und echt in den Sounds. Interessant, wie Panthera Krause offensichtlich auch die Orchester-Bearbeitung von „OMB“ für seinen doch opulenten Break mit einbaut.

Rhythmisch diffiziler gehen Tilmann Jarmer, Klinke Auf Cinch und Talski vor. Hier bleibt die Tanzfläche weitgehend außen vor, wodurch die innere Stille stärker erhalten bleibt. Klinke Auf Cinch holen versteckt poppigen Funk mit rein, Talski zieht sich komplett in seinen Dub zurück. Wieder einmal die große Kunst der Elegie, die Talski hier in beeindruckend konsequenter Art präsentiert.

Toll, wie diese EP das Original-Werk ergänzt.

Parallel kam auch eine 18-minütige Dokumentation über Kohlstedts Stück „OMB“ heraus. Es ist sein erstes selbst geschriebenes Thema, und es taucht in verschiedenen Versionen auf. Der Film dokumentiert in unprätentiöser Weise die Stationen von den ersten Griffen zu Ryos Song „Unter Wasser“ über die philharmonische Bearbeitung bis zum Remix von Panthera Krause.

Den Punkt für das leiseste A wollte er finden, „denn laute Musik gab es auf Landeswelle genug“, erzählt ein verhuscht wirkender Martin Kohlstedt. Am Ende ist der „OMB“-Film eine kleine Ode an die Hingabe eines Musikers. Und an die kindliche Freude, wenn sich alles irgendwie zusammenfügt.

Martin Kohlstedt Website

Abhängen mit Holger

Es gilt ein neues Label in die Liste aufzunehmen. Ein besonderes sogar. Wir dürfen vorstellen: Holger Records.

Wer genau hinhörte, konnte schon ein paar Dinge über Holger erhaschen. Ein neues Label, Steffen Bennemann dabei, auch Webermichelson. Im Elipamanoke und dem Hamburger Pudel fanden in diesem Jahr schon erste Holger-Abende statt. Da ging es um mehr als Rave. Und dies gilt auch für das Label, das mehr eine Familie darstellt als ein klassisch aufgezogenes Unternehmen zum Veröffentlichen von Platten.

Wer alles dahinter steht, erklärt Steffen Bennemann weiter unten selbst. An diesem Montag erschien nun die erste EP von Holger Records. Margot haben vier Stücke beigesteuert, die schnell aufzeigen, dass dieses Label zwischen Dancefloor und Experimentierfeld keine Widersprüche sieht – ähnlich wie Doumen also.

Auf der Nachtdigital-Platte von 2012 waren Margot bereits zu hören. Und auf zahlreichen weiteren EPs. Für „Trentaseitrenta“ tauchen die beiden Italiener noch tiefer in die Randbereiche eines melodisch ausschweifenden, kraut-inspirierten Sounds ein. Bis hin zum Pop: der Titel-Track trägt zweifellos ein nicht zu überhörendes Hit-Potential in sich, inklusive fern hallender Vocals.

Er schillert um so mehr gegenüber den offener gehaltenen weiteren Stücken. Gerade „Tristamente“ und „Primidue“ nehmen sich rhythmisch und klanglich eine Menge Freiheiten, die weit mehr Aufmerksamkeit verlangen. „Yes I Noise“ zelebriert hingegen Margots Hang zum abwegig-sperrigen Synth-Rave. Eine mutige Platte und vermutlich eben deshalb so einnehmend. Daran glaubt auch Kompakt, die den Vertrieb übernehmen. Mehr zum Label-Hintergrund erklärt Steffen Bennemann.Wer ist Holger?

„Zu Holger gehören aktuell Sven und Philipp von Webermichelson, Lianne (Visuals), Timoka (Musiker und Künstler), Reymund (Grafiker), Aggelos (Musiker), Pepe & Giaga (Margot) sowie mein Bruder Jan und ich. The real Holger ist unser Vater – also Jans und meiner. Von ihm haben wir den Namen geklaut, weil wir den toll finden und es einfach auch am besten gepasst hat mit unserer Familienidee dahinter.“

Wo wollt ihr vom Sound her hin?

„Tendenziell eher freie, offene Musik in denen Synthesizer eine sehr prominente Rolle spielen – beziehungsweise bei Webermichelson die Gitarre, die Philipp mit seinen ganzen Effekten jedoch fast synthie-like spielt. Die Bezeichnung „experimentell“ wird heute fast inflationär gebraucht, wenn mal jemand seine Tracks komisch abmischt oder keine gerade Bassdrum verwendet.

Bei uns haben sich jedoch Leute zusammengefunden, die in ihrer Musik und ihren Visuals und Grafiken tatsächlich recht frei agieren bzw. „experimentell“ als Kategorie gar nicht für sich selbst anlegen würden. Sie machen einfach, was sie halt so machen. Musikalisch gibt es zwar immer auch irgendwie einen Bezug zum Club, allerdings ist das eher ein sich zufällig einstellender Nebeneffekt und nicht die primäre Intention.

Uns interessiert auch sehr die Verbindung von Sound und Visuals – vom Artwork der Platten über Live-Auftritte bis zu Projekten bei denen von Anfang an Musik und Bilder zusammen gedacht werden. Klingt vielleicht alles ein bisschen abgehoben und so gewollt oberschlau – darum geht’s uns aber gar nicht. Man könnte auch einfach sagen: Wir haben Bock auf geilen Sound, abgefahrenen Konzept-Scheiß und möglichst viel gemeinsam abhängen.“Die Italiener Margot zum Start, danach ein Schweizer Musiker – ist die Ausrichtung internationaler oder wer ist aus Leipzig demnächst mit im Boot?

„Die Ausrichtung war nicht bewusst international. Das hat sich alles so ergeben. Margot und Aggelos haben wir über die Musik kennengelernt und da hat sich wieder mal bestätigt: Leute, deren Musik man sehr schätzt, mit denen ist man auch persönlich auf einer Wellenlänge.

Ich hatte schon einige Jahre eher lose Kontakt mit Margot und Aggelos. Hauptsächlich über das Internet. Als dann klar war, dass wir ein Label starten, haben sie uns sofort Musik geschickt, die einfach perfekt zu uns passt. Alles ohne Verträge und Aussicht auf großen Reichtum, was auch ein ungeheurer Vertrauensvorschuss für uns ist. Aber es war auch von Anfang an klar, dass wir es nur so machen können und wollen.

Die Wurzel des Ganzen liegt jedoch tatsächlich in Leipzig: Ich war von Anfang an Fan von Webermichelson. Schon als ich sie das erste Mal beim Frequenzcamp gehört hatte. Damals nannten sie sich noch „Rocket Science“. Und nachdem ich sie dann zum dritten Mal live erlebt hatte bin ich zu ihnen hin und habe gesagt: ‘Leute, wir müssen zusammen ein Label starten‘.

Über sie haben wir dann Benjamin (Timoka) und Lianne kennengelernt. Benjamin hat damals noch in Leipzig gewohnt und über ihn wiederum haben wir Reymund ins Boot geholt. Lianne ist gerade von Amsterdam nach Leipzig gezogen, also haben wir hier auch eine ganz gute lokale Keimzelle in der wir gemeinsam Sachen aushecken können.“

Holger Records Website
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