New Label Week – Velours Records

In der dritten Folge unserer New Label Week steht Velours Records im Mittelpunkt. Gegründet wurde es von einem alten Bekannten von Rose Records.

Die Ankündigung kam durchaus überraschend: Luvless gründet ein eigenes Label. Gab es Beef mit Rose Records? Tatsächlich kam mir dies für einen Moment in den Sinn. Doch es schien auch schwer vorstellbar, nachdem ich vier der fünf Rose Records-Betreiber zum fünften Label-Geburtstag interviewen durfte. Damals saß mir eine tief freundschaftlich verbundene Label-Crew gegenüber.

Die Sorgen sind unberechtigt, wie Luvless in unserem Interview zum Velours-Start betont. Weiter unten ist es zu lesen. Zuvor noch ein paar Worte zur ersten Platte. Die kommt von einem italienischen Künstler namens Weast über den nicht viel bekannt ist.

Seine „About You EP“ liefert vier pushende, uplifting Deep House-Tracks. Neu erfunden oder neu justiert wird hier nichts. Dafür gibt es zeitlose Eleganz mit klassischen House-Chords, verspielten Synth-Parts und trocken kickenden Bassdrums. Und genau dieser Kontrast aus druckvollen Beats und sanften Synths kriegt mich eben doch immer. Nun aber mehr zu den Hintergründen von Velours Records.

Weshalb hast du mit Velours Records ein eigenes Label gestartet?

Ich fand es einfach spanned, mich einmal völlig eigenständig und abseits von Rose Records auf die Suche nach Musik und neuen Künstlern zu machen und den Entscheidungsprozess allein zu verantworten. Wie sich herausgestellt hat, war das ein enormer Arbeits- und Zeitaufwand.

Das hatte man irgendwie nach so „langer“ Zeit nicht mehr richtig auf dem Schirm. Aber jetzt ist alles so weit fertig und es fühlt sich sehr gut an. Parallel passierte ja bei Rose auch wieder viel mit M.onos neuer Platte. Das verfolgte ich aufmerksam.

Bei Rose Records bist du aber weiter involviert?

Ja. Ich hatte mich nur für kurze Zeit ausgeklinkt, um mich um das neue Label zu kümmern. Ich sehe Velours Records als eigenständig, aber in gewisser Hinsicht auch als Sprössling von Rose. Denn ohne die gemeinsamen Erfahrungen würde es Velours nicht in der Form geben.

Wo soll es vom Sound her hin?

Es wird ähnlich bleiben wie bei Rose, wobei ich den Fokus schon auch auf neue Künstler gelegt habe. Es muss mich wie immer an erster Stelle berühren. Das kann eine starke Clubnummer sein oder auch ein melodiöses treibendes Stück. Aber es wird schon House in all seinen Facetten bleiben. Ich will einfach Platten machen, die ich im Club zocken kann. Wobei ich mich vom Begriff „funktional“ eher distanziere.Du hast auch eine Partyreihe namens Velours, nun das Label. Was verbindest du mit dem Namen?

Genau, die Idee mit dem Partynamen kam schon etwas eher und den habe ich dann einfach für das Label übernommen. Wenn man den Velours-Stoff, was im Französischen für Samt steht, mit der Musik vergleicht, die ich mag und die mich begleitet, stellen sich für mich Parallelen her.

Velours hat eine weiche und warme Oberfläche, kann aber dennoch aus verschiedenen Materialien bestehen. Das fand ich gut und passend für die Partys als auch fürs Label.

„Der Mensch braucht einfach Wärme und Sonne – sonst wird alles trist und öd.“

Wer ist Weast, der Artist der ersten EP? Und mit wird noch auf Velours Records zu rechnen sein?

Weast ist ein Jungspund aus Bergamo in Italien, der auch kleines Digitallabel betreibt. Mehr weiß ich im Prinzip nicht. Aber seine Musik hat mich vom ersten Moment an begeistert. Ich schrieb ihn an, er hatte Bock. Easy. Entdeckt habe ich ihn über Youtube. Er schickte mir dann im Laufe der Zeit einige Tracks von denen ich mir die Finalen dann rauspickte.

Es gibt so viele junge Talente da draußen, die sehr gute Musik produzieren. Ich fand den Gedanken schön, Ihnen eine Plattform für ihren Shizzle zu geben. Der Entstehungsprozess ist dabei weitestgehend transparent und beruht auf gegenseitigem Vertrauen.

Lizenzverträge oder sowas mache ich in der Regel nicht. Das artet dann schnell in Business aus und darauf habe ich keinen Bock. Die Musik soll im Fokus stehen und das kann schnell zerstört werden, wenn man sich selbst zu wichtig nimmt. Das zieht sich durch die nächsten Releases erstmal so durch. Aber natürlich nutze ich das neue Label auch, um eigene Sachen zu veröffentlichen und freue mich auch auf Releases von bekannten Gesichtern und Freunden aus dem nahen und erweiterten Musikumfeld.

New Label Week – Kontrapunkt

Wir sind mittendrin in unserer New Label Week: Denn im September starten gleich drei neue Leipziger Labels. Heute stellen wir fast pünktlich zum Release-Tag Kontrapunkt vor.

Dass R.A.N.D. Muzik seit letztem Dezember nicht nur Platten für andere presst, sondern auch eigene, sehr gute Musik herausbringt, dürfte sich herumgesprochen haben. Carmel betreut das hauseigene Label. Und irgendwie scheint der gebürtige Australier einen Mitarbeiter von R.A.N.D. Muzik dazu bewegt zu haben, ebenso ein Label zu gründen.

Moritz alias Nikita von Tiraspol heißt er, Kontrapunkt sein Label. Wie der Kontrapunkt in der Fuge, meint er. Johann Sebastian Bach hat viel damit gearbeitet und musikalischen Grundthemen eine weitere Ebene dazugestellt. Sowohl als sinnvoller Zusammenklang als auch komplett eigenständig kann diese zweite Ebene fungieren.Mehrschichtig klingt auch die erste Platte auf Kontrapunkt. Es ist eine Compilation, auf der sich House, Techno und Ambient frei entfalten und teilweise mit arabischen, afrikanischen und nepalesischen Traditionals verschmelzen. Und das mit einem erfreulich experimentellen Ansatz.

Drone Operatør bettet passend zum Labelnamen die erste Kontrapunkt-Werkschau mit einem überragenden Avantgarde-Intro und einem sakralen Ambient-Outro kontrastreich ein. Dazwischen ist auch Carmel ist mit zwei Tracks zu hören. Einmal heftig polternd und zwischen Techno und Jungle switchend mit Nikita von Tiraspol zusammen, dann solo mit tribalistisch-trippigem House. Beide mag ich sehr.

Nikita ist auch mit einem Solo-Track dabei. Sein „PB“ spielt mit reduzierter und subtil eingängiger Electronica – dazu ein kurzer Spoken Word-Part. Noch spannender ist das filigran-perkussive „Allãhu Akbar“ vom Dresdner Musiker Schönfeld. Er schafft es hier tatsächlich den Minimal Techno-Vibe im besten Sinne aufleben zu lassen. Inklusive Ambient-Flächen, polyrhythmischer Exkurse sowie gut eingewebten arabischen Sounds und Gesängen.

Mit der „01“ startet Kontrapunkt super vielseitig. Hoffentlich kommt demnächst mehr davon.

New Label Week – PH17

Im September gab es nicht nur einen Festival-Marathon, es starten auch drei neue Labels aus Leipzig. Deshalb rufen wir die New Label Week aus. Los geht es mit PH17.

Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, dass ein Label aus dem näheren Umfeld des Instituts fuer Zukunft herauswächst. Nun ist es soweit: PH17 startet mit einer viel versprechenden Compilation und dem Anspruch, elektronische Musik abseits der Dancefloor-Diktate zu pushen.

IfZ-Resident Solaris und Stanley Schmidt, ein Mitbegründer von Rivulet Records, stecken hinter PH17 – und sie haben einiges vor. Bereits im Juli erzählten die beiden dem Thump-Magazin, dass sie mit ihrem Label „über Clubmusik hinaussteigen [wollen], ohne sie zu vernachlässigen und damit vermeintliche Widersprüche zu vereinen.“

Es soll bei PH17 den beiden nach also um elektronische Musik gehen, die in der nicht gerade kleinen Leipziger Label-Landschaft unterrepräsentiert ist – experimentellere Sounds und Genre-Merges, Ambient, Lo-Fi, weirde Hits. Oder wie es der Name der ersten PH17-Platte treffend benennt:

„Third Floor Music“, eben.

Ein sehr spannender Ansatz also, der nachhaltig wirkende Musik hervorbringen dürfte. Wobei dieser Pioniervibe einen Tick zu hoch gegriffen ist. Denn in den letzten fünf Jahren haben insbesondere Doumen, Holger Records, PragmatPneuma-dor und Modern Trips gezeigt, dass Leipzig nicht nur Heimat für soliden House ist.Doch jedes weitere Label mit einem Blick jenseits der geraden Bassdrums ist derzeit ein Gewinn. Die erste Compilation steckt das Spektrum entsprechend weit ab: Leibniz hat aus seiner Playstation gleitenden Ambient extrahiert, Hobor besinnt sich als einziger hier auf Techno – er zersetzt ihn aber in einen leiernden, fast naiven LoFi-Loop.

Das Berliner Duo Annanan schiebt sich mit schwerer, übersteuerter und schleppend breakiger Bassdrum durch melancholische Ambient-Flächen. Das New Yorker Duo Ariadne zeigt darüber hinaus, dass das PH17-Netzwerk schon jetzt über Leipzig und Berlin hinausreicht. Ihr „Sore“ ist auch der eigenwilligste Track – kristalline, dunkel-sakrale Elektronik trifft hier auf opernhaft erhabenen Gesang.Mit zwei eigenen Tracks ist auch Label-Mitgründer Stanley auf „Third Floor Music“ vertreten. Und er zerlegt ebenso Erwartungen und Konventionen, indem er bei „Travolta“ Ambient, Acid und Electro verbindet. Super auch sein „Breakdancing Daddy“, das die klassische Ambient-Deepness immer wieder mit Stille, wild modulierenden Synth-Sounds oder freien Rock-Trap-Beats zerreißt.

Wir sagen: Yeah, ein gelungener Start, dem wohl bald mehr folgen wird. Von Hobor soll es ein Album auf Tape geben. Außerdem sind EPs mit Via App sowie Ital & Halal geplant. Morgen gibt es das nächste neue Label bei uns.

Der A Friend In Need-Sommer

Was war denn bei A Friend In Need los? Lootbegs Label hat in diesem Sommer mächtig Gas gegeben und vier EPs herausgebracht. Wir haben uns durchgehört.

A Friend In Need hat sein Soundspektrum ja nach und nach erweitert – da gab es neben dem ultra deepen Deep House in seiner klassischen Form auch Acid und schroffen Techno, dazu ein Wiederhören mit Orange Dot. In diesem Sommer ging es sehr vielseitig weiter. Von Ambient über Lofi-Techno über Breakbeat-Deepness bis zurück zum Classic Deep House. Aber der Reihe nach:Afinss „RA01“

Im Juni ging es los mit „RA01“, einem Ambient-Track in zwei Versionen. Mit leichtem Südsee-Kitsch machen es sich die hellen und sanften Synth-Streicher und Chords in der Luft gemütlich. Herrlich langsam und getragen von einem warm und dezent schiebenden Bass.

Im „Rhythmical Mix“ mischen sich noch – wie der Name es andeutet – Bassdrum und HiHat-Geraschel dazwischen, beim „Ambient Mix“ ist völliger Frieden. So chillig ging der Sommer also los bei A Friend In Need.

Lootbeg & Goodbye Galaxy „Demo Request“

Es blieb nicht so still: Nur zwei Wochen später haute Lootbeg zwei staubige Acid-Techno-Stomper heraus. Super tighte Bassdrums mit einem Haufen Staub dazwischen, dazu das durchdringende Schnarren der Acid-Sounds. Von Null auf Peaktime. Sehr simpel, aber eben auch sehr packend.

Mit Goodbye Galaxy gibt es noch einen weiteren Act auf dieser EP. Soundcloud verrät, dass dahinter auch Lootbeg steckt. Allerdings mit Faktor.Ost. In diesen Sessions scheint der Electro-Vibe groß aufzuleben. Mit verspielt hüpfenden Beats natürlich, aber eher deep als dark. Ein paar Acid-Schlaufen sorgen für Kanten. Sehr lässig.

NMSS „Satori“

Der Belgier NMSS drosselte das Tempo dann wieder merklich. Seine „Satori“-EP gefällt mir von allen A Friend In Need-Releases dieses Sommer am besten. Denn er verbindet hier eingedunkelten, meditativen Downbeat mit beseelt tänzelndem Jungle.

Letzteren webt er sehr stilsicher mit entspannten Deep-House-Synths ein – der Titel-Track wird dadurch zu einem echten Hit. Auch bei „It Felt Strange“ sorgt das für ein schönes Schimmern. „Wudang“ vertont mit seinen Vocal-Mitschnitten und einem Ambient-Downbeat-Mix sehr minimalistisch ein Meditations-Plädoyer. Eine der besten AFIN-Releases.

Little Boy With Glasses „Sad Anthems“

Zuletzt besann sich A Friend In Need wieder auf seine Classic-House-Wurzeln. Der UK-Producer Little Boy With Glasses präsentierte fünf traurige Hymnen, die gar nicht so sad klingen. Eher süß melancholisch, also durchaus genießend.

Ansonsten: Zeitlose Streicher, analog-warme Basslines und Soul-Vocal-Samples. Immer mit einer wohlklingenden und sympathischen Patina überzogen. Doch wie so oft bei solchen Tracks: Die ultimative, immer wieder wiederholte Zeitlosigkeit bringt auch eine gewisse Langeweile mit sich.

Lootbeg „CCCUFO1“ (Luv*Jam)

Neben diesem A Friend In Need-Marathon hat Label-Head Lootbeg im Sommer auch noch woanders eine eigene EP veröffentlichen können. Quasi ein Mini-Album mit drei Tracks und drei Remixen beim britischen Label Luv*Jam. Nach interstellaren Ausflügen klingen die Stücke – wobei der „Luv Jam Re Nip“ von „The Presence Of The Time Travellers“ mit seiner nächtlichen, treibenden Atmosphäre direkt hängenbleibt.

„Abduction Reset“ flasht mich aber am meisten, wohl wegen des prägnanten hymnischen Synths und den dezent drückenden House-Bassdrums. Einen schönen Cosmic Disco-Einschlag hat dann noch „Close Encounter Type III“. Auf Vinyl sind diese Ufo-Cuts erschienen.

Track-Premiere – Philipp Rumsch „Part I“

Dies ist eine besondere Track-Premiere: Denn Philipp Rumsch bringt seine erste EP auf dem renommierten Denovali Records heraus. Hier gibt es „Part I“ erstmals zu hören.

Abgefahren, wie schnell es gerade bei Philipp Rumsch geht. Vor knapp einem Jahr haben wir das erste Mal über sein ambitioniertes Ensemble-Projekt berichtet. Jetzt überrascht der 22-jährige Komponist, Sounddesigner und Pianist mit einer EP auf Denovali. Das Bochumer Label mit eigenem Festival in London und Berlin gehört zu den wichtigsten Adressen für Ambient, Drones, Electronica und andere musikalische Experimente.Mit der EP „A Forward-Facing Review“ debütiert nun Philipp Rumsch auf Denovali Records. Zwei Tracks entstanden in den letzten Monaten seines Studiums am Rytmisk Musikkonservatorium in Kopenhagen. Rumsch arbeitete dafür ausschließlich mit akustischen und elektronischen Tasteninstrumenten. Die verschiedenen Aufnahmen bearbeitete und verfremdete er später noch am Rechner, so dass zwei etwa zehnminütige Tracks entstanden, die unmittelbar und zugleich unwirklich wirken.

„Part I“ dürfen wir heute als Track-Premiere vorstellen. Das Stück klingt so, als würde es still in der Luft schweben. Anfangs ganz still, bäumt es sich nach sechs Minuten ebenso sinfonisch wie bedrohlich auf und kontert die schraubenden Dissonanzen mit einem hintergründigen Piano.

Sehr sehr einnehmend unter dem Kopfhörer.

Ende September erscheint „A Forward-Facing Review“ als Vinyl und Digital. Und im nächsten Jahr erscheint „Reflections“ vom Philipp Rumsch Ensemble auf Denovali.

Perm „Jets“ & „Shtum 014“

Das ist ein gutes Perm-Jahr. Über gleich zwei EPs dürfen wir uns freuen. Und wir freuen uns tatsächlich sehr.

Die Freude ist allein schon deshalb groß, weil es Perm schafft, unberechenbar und zugleich wiedererkennbar zu bleiben. Die trippigen und super minimalistischen Arrangements bilden das konstante Fundament. Doch bei der Wahl der Sounds gibt es immer wieder Verschiebungen.

„Jets“ etwa, Perms Debüt auf Holger Records, offenbart weite Hallräume und schleppende Dub-Bässe. Alles ist verlangsamter und gedehnter. Und es bietet natürlich eine gute Möglichkeit, sich von der geraden Bassdrum zu lösen. Nur „A2“ knüpft an den unterkühlten, durchrauschenden Perm-Sound der Anfänge an. Inklusive schlicht pulsierender Rave-Momente in der Mitte.

Ganz frisch draußen ist „Shtum 014“ auf dem gleichnamigen Uncanny Valley-Sublabel. Dort gehört Perm mittlerweile zum festen Artist-Stamm. Diese EP betont die Techno-Linie wieder stärker, mit all der Reduktion und dem packenden Spiel aus erhöhtem Bassdrum-Puls und lose tänzelnden Melodiefetzen.

Neu hier: Der stromlinienförmige, schön geglättete Sound von „VIII“ – gerade im Kontrast zu den scharfen Kanten von Perms Vorgänger „Shtum 008“. Einen Ausflug in Richtung Classic Electro gibt es schließlich mit „VI“. Super, wie hier ein schwerer, schwingender Synth-Sound den allzu klassischen Beat vor der Retro-Falle bewahrt.

Perm bleibt einer der derzeit spannendsten Producer der Stadt.

Behind the nights – Channel

Dieses Mal porträtieren wir mit unserer „Behind the nights“-Reihe nicht eine bestehende Party-Reihe. Wir sind beim Start mit dabei.

Spazz ist vorbei, Licht aus, hier gibt’s nichts mehr zu sehen. Oder doch? Schalt mal um, vielleicht kommt da noch was. Ah!
Ja, das Spazz-Ende währte nicht lange, da bog schon die neue Partyreihe namens Channel um die Ecke. Was wir ab jetzt donnerstags im Institut fuer Zukunft zu erwarten haben, lest ihr hier.

3sat
Hinter Channel stecken drei Menschen, die alle auf ihre Weise am Nachtleben teilhaben, an verschiedensten Orten arbeiten, feiern und sich schließlich im Institut fuer Zukunft zu einem gemeinsamen Projekt, der Channel-Partyreihe, zusammengetan haben: Ehud (aka DJ Desert Niggu), Isa (I$A) und Sinh (DJ Minusminus).

Ehud ist im IfZ bei vielen Jobs beobachtbar, er arbeitet dort als Garderobenchef, DJ, Donnerstagsverantwortlicher, macht die PR und ist für das Social Media-Management zuständig. Isa studiert Soziale Arbeit in Merseburg, ist dazu noch Feel Good Person (Safer Clubbing) und seit Jahren bei den Drugscouts aktiv. Ab und an steht sie beim RosaLinde e.V. hinter der Theke oder begleitet ehrenamtlich Menschen mit Behinderung ins Kino.

Das Trio wird komplettiert durch Sinh. Er macht ein soziales Jahr (FSJ) im Heizhaus, gibt dort Skate- und DJ-Workshops und ist als DJ Minusminus in Leipzigs Clubszene unterwegs. Ehud, der vorher die SPAZZ Veranstaltungen organisiert hat, hat mit den beiden ein motiviertes und junges Team ins IfZ geholt – unbeschränkt-offen, musikalisch nicht nur auf Techno festgelegt. Isa und Sinh werden daher neben der Organisation und dem Booking auch DJ-technisch als Channel-Residents präsent sein. Mit Isa (dann als I$A) zieht übrigens eine DJ des Frauen-DJ-Proberaums des Conne Islands hinter dem Pult des IfZ ein.Neu, new, Newcomer
Jeden Donnerstag wird die Channel nun also den Trakt III be- und umspielen. Der Umzug von Trakt II auf III (dem Chill-out-Bereich) soll für die Gäste ein echtes „Ankommen, Rumhängen und Reflektieren“ ermöglichen. Nicht zwingend muss non-stop getanzt werden, vielmehr sollen Specials wie eine Tattootombola, ein Plattenflohmarkt oder auch Ideen à la Pop-Up-Store (zuletzt gesehen bei Possblthings Records auf der Merseburger), Performances, Kunst-, Fotografie- und Grafikausstellungen das musikalische Programm aufbrechen. „Wir wollen bei der Channel ein anderes Konzept als sonst integrieren, wir wollen neue Gedanken, einen frischen Vibe und einen neuen Sound“, fassen es die drei zusammen.

„Wir haben Bock auf Leute, die genauso Bock haben wie wir“
Stichwort neuer Sound. Das Opening der Veranstaltungen soll schönstenfalls durch einen Newcomer bespielt werden, danach sind zwei weitere Acts geplant. Für DJ-Newcomer, Liveacts und Nachwuchskünstler_innen aller Façon (Kunst, Performance, Illustration …), die jetzt Lust bekommen haben, einen Donnerstag nicht als Gast, sondern als Künstler_in bei einer Channel dabei zu sein, gilt: Schreibt den drei Channelmacher_innen via channel@ifz.me – das Projekt bietet euch hiermit nicht nur einen Platz für freizeitliches Sozialisieren, „sondern auch eine Plattform für Ausstellungen, Begegnungen und natürlich einen Ort für elektronische Musik, alles gleichzeitig miteinander verzahnt.“Auf Sendung
Man darf gespannt sein! Und sich auf ein channeliges Dekokonzept, Grafikkunst, Newcomer, Abhäng-Atmosphäre für Tanzpausierer oder gar Tanzfaule, auf den Donnerstag allgemein und einen „lieb-cool-freundlichen“ Richtungswechsel freuen. An wen sich die neue Partyreihe richtet? „Alle sind eingeladen!“ – also, keine Ausreden, zappt mal rein.

Premiere: Die erste Channel findet am 14. September 2017, ab 23 Uhr, mit Tim Schlockermann und DJ Carmel statt.

Fotos von Felix Adler // Artworks und Logo von Hagen Tanneberger und Louis Hay.

Vote for Party

In knapp zwei Wochen ist Bundestagswahl. In der Distillery gab es deshalb eine Podiumsdiskussion mit Leipziger Politikern zu clubrelevanten Themen. Zum Glück gibt es einen Mitschnitt.

Irgendwie ist der Termin im Vorfeld komplett an mir vorbei gegangen. Und so bin ich sehr froh, dass es einen Mitschnitt des „Vote for Party“-Abends gibt. Eingeladen waren Dr. Thomas Feist (CDU), Gesine Märtens (Bündnis 90/Die Grünen), Sören Pellman (Die Linke), Christopher Zenker (SPD) und Markus Vielfeld (FDP).

Ausgangspunkt war ein Positions- und Fragepapier der LiveKomm, dem Bundesverband der Musikspielstätten in Deutschland. Dabei sollte evaluiert werden, wie sich die Parteien zu den Themen Kulturraumschutz für Clubs und Festivals, Abgaben für Kulturbetriebe, Förderung von Clubs und deren Netzwerken sowie die Gesundheit der Gäste und MitarbeiterInnen positionieren.

Es lohnt sich, die zwei Stunden Zeit zu nehmen.

Festival-Marathon im September

Im September finden gleich drei interessante Festivals in Leipzig statt. Bitte die Terminkalender bereithalten.

In dieser Woche feiert das SeaNaps-Festival sein Debüt. Inspiriert von Les Siestes Electroniques im französischen Toulouse geht es darum, verteilt über die Stadt Kunst, Musik, Politik und Workshops zu vereinen. Das Programm ist riesig und startet am Donnerstag mit einer Opening Party im Gemeinschaftsgarten Annalinde, verlagert sich am Freitag und Samstag in den Park vor dem Grassi-Museum. Im Westwerk gibt es dann am Sonntag eine abschließende Sleep-Over-Party, die bis in den Montag reinreicht. Es wird auch ein Vinyl mit Musik vom SeaNaps-Festival geben. Das Programm ist hier.

Für alle vier Tage hat das Konglomerat-Kollektiv ein Workshop-Programm organisiert – vom Rundgang durch das Vinyl-Presswerk R.A.N.D. Muzik bis zu DJ-, DIY-Synth-Bastel- und Film-Workshops ist da einiges dabei. Hier sind die Details.

Besonders spannend: Das SeaNaps-Festival testet mit dem Blockchain-System eine neue Art der solidarischen Vergütung kreativer Arbeit. Alle Gelder, die aus dem Barbetrieb und Merchandise eingenommen werden, werden in Echtzeit in die Kryptowährung „Lip“ übertragen. Die Blockchain-Software verteilt anschließend sofort die Lips an all die Leute, die zur Organisation des Festivals involviert sind. Dies soll alles auch transparent einsehbar sein, um die Blackbox Festivalfinanzierung zu öffnen. Ein sehr ambitioniertes Experiment.

Und dann ist da noch das Freiraum-Festival an diesem Wochenende, in dessen Rahmen verschiedenste öffentliche oder verborgene Orte des Leipziger Ostens bespielt werden. Mit Filmen, Kunstaktionen, Ausstellungen und Konzerten.

Interessant hier ein weiterer Abend der „Bells Echo“-Konzertreihe mit Stefkovic van Interesse. In der Heilig-Kreuz-Kirche läutet das Konzert das Festival ein. Und dort wird auch das Abschlusskonzert mit Kurt Laurenz Theinert und Sébastien Branche stattfinden, außerdem spielt Schmeichel – in Kooperation mit dem SeaNaps-Festival. Da sind die Netzwerke also schon gut geknüpft.

Mehr zum Freiraum-Festival hier.

Mitte September wird es dann ein Highlight für die Bass-Heads geben. Auch wenn Leipzig in puncto Labels, DJs und Partys eine House- und Techno-Stadt ist, die Bassmusik-Szene hier muss sich nicht verstecken. Alphacut Records, Boundless Beatz und Defrostatica hauen seit Jahren viel beachtete Platten und Tracks zwischenDrum & Bass, Footwork, Dub und Dubstep raus. Und so ist es sehr schlüssig, dass das Tief Frequenz Festival nach Berlin und Hamburg in diesem Jahr in Leipzig stattfindet.

Der Netzwerkgedanke ist hier neben den Partys essentiell, denn es sind Promoter, DJs und Live-Acts aus über zehn deutschen Städten eingeladen, um an zwei Nächten in der Distillery und dem So&So zusammen zu feiern und sich zu connecten. Auch ein Rahmenprogramm ist geplant, das mehr Einblick in eine Subkultur geben soll, die in unseren Breiten eher im Schatten von Techno und House und in unkommerzielleren Strukturen agiert.

Das komplette Line-up gibt es hier.

Afterhour #9 Liebe, Techno, Leipzig – Falko

In unserem letzten Talk Talk-Podcast hatten wir bereits mit dem Türsteher Erkan gesprochen. Nun traf Antoinette Blume für ihre Afterhour-Kolumne Falko, der neben dem Studium an der Clubtür arbeitet. Ja, du kommst rein. Einfach klicken.

Aus dem Club rausstolpern, ein schüchterner Blick Richtung Tür, nochmal leise „Tschühüüss“ rufen und zur Tram verschwinden. Müde sein, das Ich-habe-100-Zigaretten-zuviel-geraucht-Gefühl, einfach nur noch Zähne putzen wollen. Oder noch zwei Minuten nachdem das Licht im Club angeht (denn nur dann weißt du, ob du …) nicht recht wissen wohin – und zur Afterhour taumeln.

Die Nacht der Nächte gehen lassen. Oder nicht, wie auch immer. Gesehen wird man beim Raustreten und beim Eintreten von: Surprise, surprise! Den Türstehern und Türsteherinnen. Die Verwandlung von Raupe zu Schmetterling und wieder zurück innerhalb zwölfstündiger Tanzaerobic (in teilweise anaeroben Zonen) kann von eben diesen wunderbarst begleitend-beobachtet werden. Hach. Und worüber gab es in Leipzig mehr Rumore, Beschwerden, Gerüchte und Geschichten als über die Institutstür? Richtig, mir fällt auch nichts ein.

Steckbrief
Lieblingsclub?Institut fuer Zukunft
ZuhausemusikKlassik und Jazz
Liest gerade …?„Der patagonische Hase“ von Claude Lanzmann

Türsteher, Clubconcierge, Selektor
Falko. Ich würde sagen, einige der Nachteulen (lol, liebe dieses Wort) Leipzigs kennen ihn. Der Mann an der Tür, der gerne auf dem Barhocker im Eingangsbereich sitzt und ab und zu bei Streifgängen durch die Flure und Gänge des Instituts für Zukunft herum- und herüberschwirrt.

Wieder einmal bin ich ganz von den Socken (liebe diesen Ausdruck, Part II), wie nett Falko ist – ich habe ihn mir „ganz anders vorgestellt“, bevor wir zwei-drei Sätze tauschten. Autoritär, vielleicht einen Zacken unnahbar, wie so ein Türsteher eben meistens in unseren Köpfen anmutet. Aber hey, gar nicht.

Falko ist seit 15 (fünfzehn!) Jahren Türsteher. Und versteht sich selbst viel eher als Clubconcierge, um dem üblichen Türsteher-Image zu entgehen. Nicht nur im IfZ, sondern auch auf dem Think!-, Splash!-, Melt- oder Endless Summer-Festival und im Werk 2 steht Falko an der Tür bzw. am Einlass-Point.

Die typischste aller typischen Fragen, die man einem Türsteher eben so beim ersten Treffen stellt: Ob er an den Orten selbst gerne feiert, oder gerne feiern würde? „Ich bin gar nicht so der Feiertyp …“, überlegt Falko. Er würde zwar manchmal gerne auch freizeitlich ins IfZ oder in einer Bar socializen – nur fehlt ihm die Zeit. Unter der Woche studiert er Kulturwissenschaft an der Universität Leipzig, ist gerade mit seiner kulturgeschichtlichen Bachelor-Arbeit über das Thema „Antisemitismus in der Massenkultur“ beschäftigt und steht am Wochenende an der Tür. Auch gerne mal Doppelschichten – hm. „Ich arbeite eben genau dann, wenn andere feiern“ – ja, tadellos, zum Glück. Sonst könnten wir wohl nicht so feiern, wie wir es tun. Stichwort Selektor.

Nein = Nein
In 15 Jahren als Türsteher, was lernt man da so? Was bleibt als Message? Das Unverständnis für das Verhalten von Menschen, in den verschiedensten Abstufungen. Zum Beispiel: Leute, die mit 50 oder 100 Euro Scheinen Einlass verlangen, kleine Bestechung und dann läuft es? Errrm, nein. Nein heißt nein, auch oder besonders an der Tür. „Ohne Auswahl ist das Projekt sinnlos“, sagt Falko. Die Kuration einer Veranstaltung im Institut fuer Zukunft beginnt am Veranstaltungsabend für die Gäste an der Tür. Und entscheidet damit für den einen oder anderen Gast, ob er_sie, auf welche Weise auch immer – tanzend, stehend, kurz, lang, ausufernd, einufernd – teilnehmen wird oder nicht.

Wie in der Schule
Was für mich komplett neu war und was ich das letzte Jahr wohl falsch verstanden habe: Wenn mich der Türsteher oder die Türsteherin fragt, welche Veranstaltung denn ist, dachte ich bisher: Die fragen dich ab, es ist ein Test, wie in der Schule. Gut auswendig lernen, toitoitoi! Völlig falsch. So soll nur ein kurzes Gespräch initiiert werden, um abzuchecken, ob die Party zu den Menschen passt oder umgekehrt. Kein Abfragen, sondern kurzes Kennenlernen. Auswählen, aber auf nette Art und Weise. Der Hocker am Einlass soll ebenfalls nicht als bedrohlicher Thron, sondern als Instrument dienen, auf Augenhöhe mit den Gästen zu kommunizieren.

Wieder was dazugelernt!

Zum Schluss-Schluss noch schnell ein Fazit, bisschen unvermittelt, aber okay, ich möcht‘ es euch erzählen:

„Ich kann mir keinen anderen Nebenjob vorstellen“ (Falko).

Find ich schön.

PS: Ich darf noch etwas ankündigen. Wer gerne sexpositive Texte liest, sie sich noch viel lieber von mir vorlesen lässt, bzw. lassen würde, wenn er die Gelegenheit dazu hätte; vielleicht auch schon mitbekommen hat, dass ich zu diesen Themen schon manches Textlein geschrieben habe; wer es zur letzten No Show-Party nicht geschafft hat oder zu jeder No Show pilgert, der ist herzlichst dazu aufgefordert und eingeladen, am 30. September eine kurze Tanzpause einzulegen und im Trakt III auf eine klitzekleine Lesung zu den Themen Gangbang, Mädchenliebe und Pornos reinzuschauen.
Bin dann mal afk. Man sieht sich.

Foto (as always) von Henry W. Laurisch und Artwork (natürlich) von Manuel Schmieder.

Neue 7″-Releases von Minor und Karl Marx Land

Schallplatten mit sieben Zoll Durchmesser – ein schönes und handliches Format. Die beiden Labels Minor und Karl Marx Land sehen das ähnlich und haben neue Platten herausgebracht.

Flutwacht „13 Jahre Krach und Stahl“ (minoRobscuR / The Tourette Tapes)

Fangen wir mit Minor an: Wenn auf dem eigenen Sublabel minoRobscuR ein Release in Zusammenarbeit mit The Tourette Tapes herauskommt, die den Namen „13 Jahre Krach und Stahl“ trägt und von einem Projekt namens Flutwacht stammt – dann wird es sich wahrscheinlich nicht gerade um kuschelige Wohlfühlmusik handeln. Auch die Promo-Mail des Labels verspricht: „Don’t worry – there will be ‚friendly‘ electronic music on my labels again soon!“

Und ja, beim Durchhören der beiden Seiten der Single kann ich diesem Versprechen einiges abgewinnen. Für ungeübte und genre-fremde Ohren sind diese knappen zehn Minuten Noise durchaus eine Herausforderung, auch wenn beide Tracks repetitiv sind und eine eigene Rhythmik entfalten. Abenteuerlustige DJs können damit durchaus Spaß haben und das eine oder andere Publikum (wahlweise auch den Veranstalter) ein bisschen erschrecken. Für alle Freunde des gepflegten Krachs könnte die Platte hingegen interessant sein.

Vielleicht lässt sich der Sound auch eher über einen Kunst-Zugang erfassen, werden doch Hörgewohnheiten extrem in Frage gestellt. Irgendwie scheint das Cover auch darauf hin zu deuten: Ein leicht angerostetes Stahl-Muster ist hier beigelegt und gibt dem Release auch physisch zusätzliche Schwere. Nicht nur aus Gründen des Gewichts bin ich ehrlich gesagt ganz froh, dass ich an dieser Stelle nur eine 7″ von Flutwacht rezensiere – und nicht z.B. eine gesamte Doppel-LP.

Debmaster vs. Coco Lowres „Gang Of Siwa / Dönerboxen“ (Karl Marx Land)

Viel mehr meinen Hörgewohnheiten entspricht die neue Karl Marx Land, was nicht weiter überrascht, da ich eh Fan bin. Die fünfte Single teilt sich Coco Lowres mit Debmaster, der beispielsweise auf den Compilations von Moniker Eggplant vertreten ist, aber auch auf Labels wie Cock Rock Disco veröffentlicht hat.

Debmasters „Gang Of Siwa“ ist das bisher ravigste Stück der Karl Marx Land-Diskographie, dabei immer noch voll bunter Synthie-Melodien, die zum Ende hin völlig abdrehen. In den Live-Sets von Debmaster ist diese Stelle wohl ein Moment, der den Dancefloor gern auseinandernimmt. Inspiriert ist das Stück von der Berber-Stadt Siwa, in der Debmaster nach einem Auftritt in Kairo landete und deren Eindrücke ihn nachhaltig prägten.

Auf der zweiten Seite drosselt Coco Lowres das Tempo mit „Dönerboxing“ etwas und klingt für seine Verhältnisse fast ein wenig düster. Seine Inspiration für den Track ist geographisch deutlich näher verortet, zumindest wenn man dem in der Auslaufrille eingravierten „I ♥ Neukölln“ Glauben schenkt. Dementsprechend passt der Track auch ziemlich gut zum nicht nur dort üblichen Nightlifestyle: Ein angetäuscht-technoides Intro wird von einem arabisch anmutenden Thema abgelöst, quasi Dönerfrühstück auf dem Nachhauseweg aus der Disko. Dann kippt die Stimmung zum doch recht dunkel gefärbten Bass: Vielleicht haut sich wer aufs Maul, vielleicht fehlt dass passende Kleingeld fürs Essen. Wie die Geschichte auch ausgehen mag – sie hat einen sehr funkigen Soundtrack.

Summer-Backstock – Specials

Auch wenn es hier in den letzten Wochen etwas stiller war – #summerleisure – ist einige neue spannende Musik aus Leipzig herausgekommen. Hier gibt es den ersten Teil unseres Überblicks.

Beginnen wir mit ein paar wirklichen Specials. Special, weil sich diese EPs von den gängigen Techno- und House-Strömungen abheben.

XVII „Nodrums“ (No Label)

Bisher tauchten nur vereinzelte Tracks von IfZ-Mitbetreiber und -Resident XVII auf diversen Compilations auf. Und jedes Mal klangen sie komplett anders. Auch die erste eigene EP „Nodrums“ schlägt eine neue Richtung ein. In den drei Stücken schwingt viel von dem Mash-up-Anspruch der Level-Party-Reihe mit.

Mit Grime als Ausgangspunkt mixt XVII bei „1991“ und „Ohra“ euphorische Rave-Sounds und schwere UK-Basslines dazwischen. Oder eine mächtige, breakige Gabber-Bassdrum, wie bei „Like Almond“, über die die Wahl-Berlinerin Lamb Kebab in expliziter Weise rappt. „Nodrums“ zelebriert die Auflösung der Genres – und zwar sehr anziehend und pushend.

Beate Furcht & Detlef Diamant „DUR004“ (Dur Records)

Mitten im Sommer ließ auch Dur Records wieder aufhorchen. Das Label von Talski und Perm hat sich bisher zwischen düsteren Ambient und Hypno-Techno bewegt. Die „DUR004“ betritt neues Terrain. Wer hinter Beate Furcht & Detlef Diamant steckt, weiß ich nicht genau. Aber irgendwo habe ich aufgeschnappt, dass hier ein Teil der ITOE-Band eine Session zwischen Electronica und Avantgarde aufgenommen hat, Niklas Kraft alias Talski dürfte hier also auch seine Spuren hinterlassen haben.

Es ist eine besondere Listening-Platte, die sich nicht einfach so weghört. Kein Nebenher-Soundtrack, sondern mehr für einen bewussten Genuss am Wechselspiel von frei umher schwirrenden Harmonien und Dissonanzen. Die Stücke suchen keinen Punkt, sie mäandern. Mal äußerst hektisch und wirr, dann wieder gleitend und von einem warmen Bass getragen. Zum Schluss taucht noch ein beiläufig eingefangener Gesang auf, der „DUR004“ für ein paar Momente Mikro-Pop beschert. Die bisher mutigste Platte auf Dur.

Iku Sakan „Cepheidian“ (Planet Almanac)

Ein weiteres Special ist das zweite Release von Planet Almanac. Dieses Mal steht der japanische Musiker Iku Sakan im Mittelpunkt. Er lebt aktuell in Berlin und widmet sich der Minimal Music, bei der Polyrhythmen und wenige mehr oder weniger prägnante Loops zu einem hypnotischen Sound-Fluss bilden.

„Fibernation“ und „Sol Cry“ heißen die beiden Tracks auf der „Cepheidian“-EP. Und beide entfalten eine unglaubliche Sogwirkung. Auch hier wird nicht auf fixe Punkte hingearbeitet. Der Transit ist entscheidend und die kristallinen Sounds, in die man sich einfach fallen lassen kann. Da fällt es auch kaum auf, dass „Sol Cry“ über 20 Minuten durchläuft.

Natürlich ist das auch ein dankbares Remix-Material. Drei Acts haben sich den beiden Tracks angenommen sehr eigenwillige Interpretationen produziert. Konakov geht dabei als einziger auf den Dancefloor, wobei er in der Mitte ordentlich vom Weg abkommt. Jinge überträgt „Fibernation“ in einen kosmischen hektischen Strom. Es sollte mehr von Planet Almanac-EPs geben.

Blac Kolor „Violate EP“ (Basic Unit Productions)

Im August ist außerdem eine neue EP von Blac Kolor herausgekommen. Und die ist natürlich auch special, denn Blac Kolor passt stilistisch nirgendwo exakt rein. Weder in darken Industrial, noch in Techno im engeren Sinne. Auch die „Violate EP“ ist von martialischen und kraftvollen Hybriden geprägt.

„Concrete Soul“ hat mit seinen schlingernden Sounds und den breakig-tänzelnden Bassdrums sogar eine gewisse Leichtigkeit. Die wird später aber von der Schwere und Kühle von „Tagebauten“ weggestoßen. Beim Titel-Track und dem mit DSX produzierten „Dark Sky“ kommen dann wiederum die Industrial-Wurzeln von Blac Kolor sehr deutlich hervor. Inklusive finsterer Vocal-Samples – mit denen ich jedoch meist wenig anfangen kann. Doch die extrem pushende Bassdrum mit dem sakralen Chor-Sample und dem filigranen Synth-Flirren im Hintergrund verleiht „Violate“ ein hohes Hit-Potential.