Panthera Krause „Umami EP“ (Uncanny Valley)

Nach Perm und Leibniz dockt nun auch Panthera Krause mehr beim Dresdner Label Uncanny Valley an – mit einer eigenen EP.

Mit seinem herausragenden Track „Coochie“ tauchte Panthera Krause auf der 5-Jahres-Label-Compilation erstmals im letzten Herbst bei Uncanny Valley auf. So überzeugend wohl, dass die Zeit für eine ganze EP reif war.

Und die fällt sehr vielfältig aus. Mit großem Hit-Potential entfaltet sich der Titel-Track in perkussiv-balearischer Leichtigkeit. Inklusive kurzen Vocal-Cuts und ungewohnten, aber doch erfreulich unschunkeligen Orgel-Chords. Bei „Howling For July“ sind es dann sich wild überlagernde Querflötensounds, die dem breakigen House-Track eine eigene Südsee-Romantik verleihen.

Abseits dieser beiden offensiven Hits gibt es aber auch noch „Z Cuts“ und „The Space Between Us“, die mir in ihrer Unberechenbarkeit noch besser gefallen – zumal auch hier zwei völlig unterschiedliche Facetten ausgespielt werden. Sehr acid-angeraut und unterkühlt bei „Z Cuts“, dann super langsam und melodisch schwingend bei „The Space Between Us“. In der stilistischen Breite erreicht die „Umami EP“ schon beinahe die Qualitäten eines guten Albums.

Ergänzend sei noch das Interview von Panthera Krause bei groove.de empfohlen.

Panthera Krause Website
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Lootbeg „Never Doubt About“ (Tieffrequent)

Nach seinem Beitrag zur zweiten Blaq Numbers-Platte folgte kürzlich eine neue Artist-EP von Lootbeg.

Und zwar auf dem Berliner Vinyl-only-Label Tieffrequent. Darauf drei Stücke, die sich geschichtsbeflissen dem klassischen Deep House widmen. Mit trocken-tighten Bassdrums, scharfen HiHats, deep-warmen Chords und einem leichten Soul-Einschlag bei „They Wonder Why“.

Das klingt alles so klassisch, dass es fast öde ist. Aber eben auch so unbeschwert und schiebend, dass es mich doch auch berührt. Wahrscheinlich ist es die ungetrübte Freude hinter diesem zeitlosen Sound.

Jan Ketel nimmt mit seinem Remix zu „They Wonder Why“ spürbar den Druck heraus und dimmt die Freude in ein wohlig-weiches Entspannen, um am Ende doch wieder mehr Dynamik anzudeuten.

Lootbeg ist aber noch woanders gerade zu hören – bei der vierten Platte des französischen Labels W-EE. Zweimal war er dort bereits mit seinem dwntmpo-Alias zu hören.

Nun kommt als Lootbeg sein „Finine“ auf weißes, limitiertes Vinyl. Und der gefällt mir noch um einiges besser. Packende Beats, erst Acid, dann dubbige House-Deepness. Zum direkten Abtauchen.

Und um es komplett zu machen: Es gibt auch zwei aktuelle Podcast-Mixe von ihm. Für die Labels O*RS und Tieffrequent.

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Blac Kolor „Born In Ruins“ (Basic Unit Productions)

Blac Kolor legt Album Nummer Zwei nach und bringt einmal mehr eine neue Dynamik in seinen düsteren Sound.

Gefühlt liegt sein Debüt-Album „Wide Noise“ gar nicht so lange zurück. Vor knapp zwei Jahren kam es heraus und verband die aufgeladenen EBM-Einflüsse der Blac Kolor-Anfänge mit straightem, dystopischem Techno.

„Born In Ruins“ schlägt nun noch ein neues Kapitel auf. Nicht nur konzeptionell, sondern vor allem rhythmisch. Der Track „Pain Delivery“ auf der im Januar erschienen „Stormfly“-EP teaste es bereits an: Die neuen Blac Kolor-Tracks sind weitaus breakiger und experimenteller. In zehn Episoden schaut Blac Kolor zurück auf prägende Momente seines Lebens – in unserem großen frohfroh-Interview geht Blac Kolor vertiefend darauf ein.

Mit Blick auf die musikalische Evolution von Blac Kolor bleibt der schroffe, dunkle und kalte Sound, der seine EBM-Wurzeln nicht leugnet, weiter erhalten. Doch die neuen rhythmischen Verschiebungen steigern dessen Intensität nochmals. Massive Bassdrums und peitschende Claps vor sich episch-aufbäumenden und langsam schwebenden Synth-Sounds. Es ist ein permanentes Spiel dieser Kontraste.

Und zwar so homogen auf der gesamten Länge des Albums ausformuliert, das kein Track wirklich als Solitär heraussticht. Abgesehen vom schiebenden Intro „Spirits“ bewegen sich die neun weiteren Tracks unter der gleichen schweren Glocke, die „Born In Ruins“ zu einem in sich geschlossenen Konzeptalbum werden lässt.

Vocals tauchen da nur noch als verfremdete Spurenelemente auf, der Dancefloor ist in weiter Ferne, das EBM-Pathos weicht einer stärkeren Reduktion – all das macht „Born In Ruins“ zu einer ebenso verstörenden wie tief einnehmenden Reise durch eine Dunkelheit, in die immer auch ein spärliches und weit entferntes Licht fällt. Einnehmender noch als das toolige „Wide Noise“.

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Düstere Ambivalenzen – Blac Kolor im Interview

„Born In Ruins“ heißt das zweite Album von Blac Kolor – wir wollten endlich wissen, wer dahinter steckt und haben ihn zum Interview getroffen.

Es kommt nicht oft vor, dass mir der Chef einer etablierten Digital-Agentur gegenübersitzt und von alten EBM-Zeiten vorschwärmt. Doch Hendrick Grothe alias Blac Kolor verkörpert auf dem ersten Blick nicht das Bild eines satten und angeschnöselten Agentur-Bosses.

In legerem Schwarz bestellt er Burger und Bier, holt in seinen Erzählungen und Erklärungen weit und selbstbewusst aus, aber stapelt an vielen Stellen in Demut vor seinen musikalischen Helden auch wieder tief. Ambivalenzen und Zwischenräume sind denn auch seine Welt – das wird im Interview immer wieder deutlich.

Sein zweites Album „Born In Ruins“ erscheint in diesen Tagen, und es war Anlass für uns, einmal näher zu fragen, woher diese düstere, sich scheinbar permanent wandelnde Musik herkommt.

Ich kannte dich eigentlich als Santini, dann war plötzlich Blac Kolor da – wie kam es zu dem Switch?

Der Switch kam in erster Linie aus dem Bedürfnis heraus, technisch besser auflegen zu können. Ich hab irgendwann begriffen, dass ich mit dem Produzieren anfangen muss, um ein besseres Musikverständnis zu bekommen und Tracks granularer zu hören. Ich habe dann mit Beat-Basteleien angefangen und alle Fehler gemacht, die man so machen kann.

Irgendwann habe ich gemerkt: Egal wie ich an Tracks herangehe, es gibt immer diese extrem düstere Komponente – ich baue irgendwie immer Maschinengewehre zusammen. Die ersten Ergebnisse habe ich dann immer noch unter Santini auf Soundcloud – teilweise ungemischt und ungemastert – rausgehauen, um einfach nur Feedback zu sammeln.

Ich wurde besser in den Produktionen und je dunkler diese wurden, desto klarer wurde mir, dass das nicht mehr unter dem Moniker Santini laufen sollte, dass ein Neustart hermüsse. Santini war für mich generell vielleicht auch einfach etwas verbraucht.

An welchem Punkt hattest du das Gefühl, dass das Produzieren mehr sein könnte als eine DJ-Schule?

„Rule Forever“ war der erste Track, der die Aufmerksamkeit von Daniel und Dejan von Haujobb bekam. Die Beiden boten mir an, diesen Track auf dem ersten „Frost“-Sampler ihres Labels Basic Unit Productions zu veröffentlichen. Eigentlich noch unter Santini produziert, bekam hier also alles schnell seinen eigenen Drall, eben nicht zuletzt durch positives Feedback von befreundeten Musikern.

Es fühlte sich richtig an, diesen düsteren Sound, den ich in der Anfangszeit von Santini ja fast ausnahmslos gespielt habe, wieder konsequenter anzugehen, mich quasi zurückzubesinnen – Blac Kolor war geboren. Mein Debüt-Release, die „Range“- EP folgte dann auch recht schnell, ebenfalls auf Basic Unit Productions und ich wusste, ich sollte hier am Ball bleiben. Das war genau der Sound, den ich machen wollte.

Warum Blac Kolor?

Blac Kolor ist als Widerspruch und vielleicht auch Ambivalenz zu verstehen. Da Schwarz keine Farbe definiert, sondern einen Kontrast – hier spricht dann wohl der Grafiker aus mir – und ich diese Widersprüchlichkeit aber auch immer in der Musik spürte, passte der Name für mich perfekt. Darüber hinaus fühle ich mich oft fehlplatziert, bei dem, was ich tue, obwohl ich es gern tue. So, als würde ich nicht hingehören, wo ich gerade bin und trotzdem gern da sein.

Das ist wirklich schwer zu beschreiben. Grund dafür ist sicher eine Art Unterwürfigkeit dem eigenen Schaffen gegenüber. Vielleicht ist es auch einfach nur aus dieser kritikschwangeren Unsicherheit und den ständigen Selbstzweifeln heraus, die kreative Menschen so häufig mit sich herumschleppen.

Das Cover-Artwort meines Debüt-Albums „Wide Noise“ ist übrigens bestes Zeugnis dieses Gefühls: Exotische Tiere in einen europäischen Mischwald – unpassender geht’s wohl kaum. Aber aus diesem Gefühl des „Fehlplatziert-Seins“ zog ich andererseits auch schon immer irgendwie meine Energie – alles sehr ambivalent eben.

Mir war es bei Blac Kolor von Anfang an auch immer wichtig, nie so wirklich greifbar zu sein und trotzdem so etwas, wie einen eigenen Sound zu schaffen. Ich freue mich jedenfalls, dass man sich schwertut, Blac Kolor in eine Genre-Schublade zu packen. Darüber hinaus, mag ich wohl einfach Schwarz ganz gern.

Du bist automatisch zu einem düsteren Sound gekommen – dem muss ja eine musikalische Sozialisation in diese Richtung vorgegangen sein. Wo kommst du da her?

Die musikalische Sozialisierung begann bei mir Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger. Ich komme aus einem kleinen, anhaltinischen Nest und wir fuhren damals regelmäßig zur Disko ins entfernte Bad Kösen. Das war mit dem Moped zwar immer eine Weltreise, dafür kriegten wir dort aber zuverlässig unsere Dosis Leila K und Konsorten, was zu der Zeit halt die Tanzflächen füllte.

Der DJ schickte dann aber jeden Samstag ab 1 Uhr die gesamte Tanzfläche in die Pause, machte einen völligen Stilbruch und spielte Dark Wave und EBM – alles superfinster. Es gab im Umkreis eine recht große Szene und die Tanzfläche wurde quasi einmal komplett ausgetauscht. Wir standen mit unseren bunten Pash-Klamotten maulaffenfeil am Rand und waren völlig fasziniert von diesen ganzen schwarzen Gestalten und der Musik zu der sie tanzten.

Mitte der Achtziger machte zwar schon ein dubioses Front242-Tape bei uns im Dorf die Runde und sicher war man irgendwie Depeche Mode-Fan, aber erst durch die Disse in Bad Kösen verdichtete sich das für mich. Spätestens als dann dort „Metal Hammer“ von And One lief, war es um mich geschehen – das war 1991. In der Zeit haben wir die gesamten Kataloge von Throbbing Gristle, SPK und Skinny Puppy etc. nachgeholt. Was man als Ossi, kurz nach der Wende musikalisch so machte – nachholen, viel nachholen.

Ich habe damals alles aufgesaugt, was aus dieser Szene kam. In Halle eröffnete um diese Zeit herum auch der großartige Plattenladen „Schlemihl“, den es leider schon lange nicht mehr gibt. Jedenfalls wurde das schnell unser musikalisches Epizentrum. Dort bekam man einfach alles aus Darkwave, EBM und Industrial. Die Bands gaben da noch höchstpersönlich ihre Releases ab – Kundenbindung galore – und wir haben alles gekauft. Irgendwann habe ich dann angefangen selbst Partys zu veranstalten.Wo war das?

In Merseburg. Wir spürten einen gewissen Mangel an Club-Subkultur. Es gab im Umkreis keine relevante Clubnacht für uns. 1994 veranstalteten wir im damaligen Studentenclub „Reaktor“ eine Project-Pitchfork-Nacht mit dem Ziel, unsere Musik laut im Club hören zu können. Keiner von uns konnte wirklich auflegen und so haben wir das erste Mal live am Publikum geprobt. Die Szene war aber noch nie wirklich mix-affin, so störte es damals niemanden, solange wir die Hits abfeuerten.

Wir sprechen aber hier ohnehin über eine recht heterogene Musik mit hohen BPM-Schwankungen, am Mix verzweifelt man da schnell mal. Es ging mehr um die Bands, deren Hits und deren Image. Floor-Tools spielten keine Rolle, insofern musste ich in meiner damaligen Dark Wave- und EBM-Zeit auch nie wirklich mixen können. Das wurde nie vom Publikum erwartet.

Auch heute ist das noch so?

Ich glaube hier und da findet man heutzutage schon den einen oder anderen Szene-DJ, der sein Handwerk beherrscht und auch in der Selektion zu überraschen weiß. Der Standard ist das jedoch leider nicht – aber darüber will ich hier gar nicht richten. Wir konnten es damals jedenfalls definitiv nicht. Es kamen trotzdem 350 Gäste.

Ab da startete ich mit zwei Freunden das DJ-Team „Electrosmog“ und wir veranstalteten zweimal im Monat „Szene-Relevantes“. Wir hatten eine Menge Live-Acts, unzählige geile Sausen, doch irgendwann war alles gefühlt übersättigt, ringsum machten Szene-Clubs auf, die Gäste verteilten sich, wir konnten uns nicht wirklich neu erfinden und so war die Sache dann auch irgendwann durch.

Fakt ist: Hierdurch bin ich musikalisch sozialisiert wurden. Fakt ist aber auch, dass ich recht schnell von Dingen gelangweilt bin. Musikalisch brauchte ich nach gewisser Zeit immer frischen Wind. Ich habe Ende der Neunziger beispielsweise Drum & Bass-Warm-Ups zu unseren regulären Veranstaltungen aufgelegt – verstanden hat das aber niemand. Erstaunlicherweise hat meine „erste“ EBM-Phase ziemlich lange durchgehalten, bevor ich angeödet war.

Seit wann bist du in Leipzig?

1998 bin ich nach Leipzig gezogen und habe weiter als Santini aufgelegt, da aber musikalisch bewusst mit dem ehemaligen Sound gebrochen. Alles was düster war, war für mich uninteressant geworden. Die Szene hatte keine Relevanz mehr für mich. Mir fehlte das Neue. Ich habe damals dann recht kunterbunte Rave-Sachen und viel Breaks gehört und gespielt, wirklich dunkle Sachen nur sehr selten – meist im Kontext des Wave Gotik Treffens.

Wie ist es heute?

Mittlerweile gehe ich mit diesem Erbe stolz um. Es gibt ja gerade auch eine gewisse Wiederbelebung dieser Sounds. Im Berliner Boiler Room hört man jetzt die düstersten Sets mit Musik, die wir vor zwanzig Jahren schon gut fanden. Ich freue mich, dass der Sound überlebt hat und wir ihn damals auch irgendwie mitprägen und erhalten durften. Seit vielen Jahren lege ich im Rahmen des WGT auf und das macht nach wie vor eine Menge Spaß. Ich habe definitiv Frieden geschlossen mit der Szene.

Verfolgst du aber noch aktuelle Sachen der Szene oder ist das eher ein Schwelgen im Genre-Archiv?

Wenn, ist das ist schon eher Archiv-Konsum. Wirklich spannende Sachen liefert mir die Szene nicht mehr. Hier und da tauchen vielleicht mal ein paar Amis auf, die mich total wegblasen, wie Youth Code oder 3 Teeth beispielsweise. Aber auch die Label-Kollegen von Haujobb kehren immer noch ganz vorzüglich vor der eigenen Haustür. Aber generell bleibt da wenig.

Doch um ehrlich zu sein, weiß ich auch gar nicht mehr, wo die Szene anfängt und wo sie aufhört. Ich kümmere mich da nicht groß drum. Labels wie Aufnahme + Wiedergabe finde ich noch ganz spannend. Inwieweit man das aktuell zur Szene zählt, kann ich aber schon gar nicht mehr beurteilen. Vielleicht komme ich auch generell mit dem Begriff „Szene“ nicht mehr so wirklich zurecht.

Bei deinen ersten Tracks war die EBM-Erdung noch deutlicher zu hören. Bei „Wide Noise“ war dann plötzlich ein anderer Techno-Einschlag dabei.

„Wide Noise“ ist in sehr kurzer Zeit entstanden. Mit Familie und Firma im Vordergrund blieb doch recht wenig Zeit zum Produzieren. Trotzdem war mein Kopf voller Ideen, die raus mussten. Ich brauchte für mich ein Prinzip, um schnell auf den Punkt zu kommen. Ich habe mich nie wirklich lange an Skizzen aufgehalten und versucht immer innerhalb kürzester Zeit Tracks fertig zu machen.

Es ergab sich dann, dass ich drei Wochen am Stück keinen Esel zu kämmen hatte und mir wurde klar: Wenn ein Album entstehen soll, dann jetzt oder nie. Die Herausforderung war groß, das Album derart zeitlich zu bündeln, aber es hat geklappt. „Wide Noise“ habe ich dann tatsächlich innerhalb von drei Wochen durchproduziert. Ich habe viele Stimmungen aus der kurzen Zeit eingefangen und mich auf ein paar wenige Soundquellen konzentriert.

Zu der Zeit ist fast alles digital entstanden, heute taucht dann hier und da doch mal ein analoger Sound auf. Aus dieser Einschränkung und der inhaltlichen Herangehensweise ist auch ein bestimmter Sound entstanden. Ein halbes Jahr später hätte ich das so möglicherweise gar nicht mehr reproduzieren können – es war schon eine Momentaufnahme.

Ich erkenne aber auch eine gewisse Entwicklung bei meinen Releases: Die „Range“-EP war eine konzeptfreie Track-Sammlung, „Wide Noise“ war das erste ernsthafte Auseinandersetzen mit Themen und einem Konzept. Die „Stormfly“-EP hatte wieder mehr Tool-Charakter und schaut dabei auch erstmals klar auf den Dancefloor und bei „Born In Ruins“ wusste ich bereits im Vorfeld, welcher Sound herauskommen wird.

Also war die Stimmung bei „Born In Ruins“ auch eine andere als bei „Wide Noise“ – der Sound unterscheidet sich enorm.

Meine Grundstimmung und die Produktionsumstände sind unverändert. „Born In Ruins“ war jedoch im Gegensatz zu „Wide Noise“ von Anfang an einem klaren Konzeptgedanken unterworfen: Geboren in Ruinen. Meine ganz persönliche Geschichte von mir selbst musikalisch erzählt. Es ist sehr retrospektiv und fast schon autobiografisch. Ich will hier mein Aufwachsen in der DDR, und die damit verbundenen Empfindungen dem Hier und Jetzt gegenüberstellen und in einem Stück Musik dokumentieren.

Klingt erstmal alles sehr verkopft, ist es sicher auch, aber ich hatte rückblickend einfach das Glück, zwei Systeme mitzuerleben. Ich war 16 als die Wende kam, da kann man schon gut einordnen, was da gerade im Land passiert. Und dann ist da wieder dieser Widerspruch: Die tristen Plattenbauten von damals und mittendrin ein Kind mit einer Menge bunter Knete im Kopf. Das habe ich versucht auch alles etwas kritisch für mich aufzuarbeiten. Ich habe mich gefragt, was ich eines Tages meiner Tochter erzähle, wenn sie mich danach fragen sollte. Das war sicher auch ein Trigger, sich dem Thema zu nähern.

Ich habe mich bewusst für Plattenbau-Fotomaterial von Frank Machalowski entschieden, denn in so einer Platte bin ich groß geworden. Und wenn man sich das anschaut, dann war das tatsächlich trist, kaputt und irgendwie ruinös und doch kommen dabei tolle Kindheitserinnerungen hoch. Dieses zweischneidige Schwert habe ich versucht, irgendwie in Musik einzufangen. Das ist meine Geschichte, so war ich, so bin ich, so fühle ich mich. Ich fand den Ansatz interessant: bewusst kaputte, industrielle Musik erzählt eine Geschichte über ein fröhliches Kind.

Auf dem Cover ist übrigens auch ein Kinderfoto von mir verarbeitet, das „Born In Ruins“ einmal mehr zu einem sehr persönlichen Album macht. Man fragt sich unweigerlich, warum heute, viele Jahre nach diesem grauen Staat, draußen in unserem gesättigten Leben alles so schön kunterbunt ist, in den Köpfen dafür aber ziemlich viele graue Wolken langziehen.

Was waren denn Themen oder konkrete Bilder?

Wie gesagt, vornehmlich Bilder aus meiner Kindheit, aber auch ein, zwei Momente aus meinem Leben als Familienvater und Geschäftsmann. Bei „Terpentin“ habe ich mich an ein Bild aus meiner Kindheit erinnert, was irgendwie noch erstaunlich präsent ist – irgendwo im Wald, ein harzender Baum. Keine Ahnung mehr, was der Kontext war, ich habe nur abgespeichert, dass ich zu diesem Zeitpunkt sehr glücklich war.

„Doomed“ wiederum beschreibt eine herbe geschäftliche Erfahrung, bei der ich mir eine sehr blutige Nase geholt habe. Neben aktuellen Erlebnissen ist das Album aber wie gesagt, schon eher retrospektiv. Es geht beispielsweise auch um starke, familiäre Bindungen (Strong Bonds) oder aber auch um meine Zeit als Reisender (Wanderings). Alles einfach mal aufgearbeitet, an was man sich so erinnern will, was einen geprägt hat.

Bei „Born In Ruins“ als Titel-Track gehen dann thematisch die Fäden zusammen. Ich wollte bei der Titel-Platzierung eigentlich chronologisch vorgehen – das machte konzeptionell zwar Sinn, musikalisch aber irgendwie nicht. Also habe ich zeitliche Sprünge in Kauf genommen, um eine musikalische Reise zu erzeugen. Das Album schaut hier sicher auch weniger auf die Tanzfläche, dafür mehr auf eine kaputt-ruinöse Couch und ein paar anständige Kopfhörer.

Du sprichst immer wieder von Ambivalenz – wie wird das in den jeweiligen Szenen wahrgenommen?

Ich weiß es nicht wirklich. Als Projekt bin ich sicher schwer greifbar – sowohl für die Tool-Time-Fraktion des Techno als auch für die alteingesessene Dark-Wave-Szene. Wenn ich live spiele, ist das schon meist im WGT- und Dark Wave-Umfeld. Ich bin z.B. nebenbei seit vielen Jahren als Grafiker für das Szene-Event „Planet Myer Day“ tätig. Da kennt und schätzt man sich.

Ich denke aber, dass ich in vielen Kontexten wahrgenommen werde und zugleich in keinem richtig. Ich fühle mich auch selbst zwischen den Welten. Der Sound ist jedenfalls nicht so leicht einzuordnen und vielleicht hier und da für das Publikum schwer zu konsumieren. Von einigen aus der EBM- und Dark Wave-Szene habe ich aber schon gehört, dass Blac Kolor als innovatives Projekt wahrgenommen wird, was mich natürlich sehr freut.

Dass wenig Frisches kommt, ist etwas, was ich an der Szene immer bemängelt habe. Aber ich bin auch außerhalb dieser Gefilde unterwegs. Demnächst werde ich zusammen mit Georg Bigalke wohl öfter in der Distillery zu finden sein. Das wird dann eher ein straighter, düsterer Techno-Sound – Tooltime sozusagen.

Dann wirst du in der Techno-Szene schon wahrgenommen – die Distillery hat dich auf dem Schirm.

Ich denke, im Ansatz schon. Für mich verschwimmt das aber ohnehin alles. Ich spiele meinen Sound und wer’s mag, der bleibt, wer nicht, der geht eben wieder. Für mich wird es spannend, wenn wir am 27. Februar den Album-Launch im Distillery-Keller veranstalten werden. Mal sehen wieviel „Szene“ man dann antreffen wird. Aber am Ende ist das eigentlich auch egal.

Wer hat dich bei der Distillery eigentlich mit eingebracht?

Georg war das. Er hatte mich vor einiger Zeit für seine Mix-Reihe „45 Minutes of Techno“ angefragt und wir haben dann auch mal zusammen gespielt, was prima funktioniert hat. Wir haben uns sofort super verstanden. Georg spielt seinen Sound und ich meinen, aber es gibt eine gewisse Schnittmenge, die, über einen ganzen Abend betrachtet, sehr spannend für das Publikum sein kann.

Du hast gesagt, dass du dich musikalisch schnell langweilst – bist du jetzt mit der Veröffentlichung von „Born In Ruins“ eigentlich auch schon wieder an einem anderen Punkt?

Ja, der nächste Schritt ist für mich schon so gut wie fertig. Das wird alles etwas schneller, geradliniger und mehr auf die Tanzfläche blickend. Ich weiß zwar noch nicht, welche Tanzfläche das sein wird, aber ich fühle, dass es die irgendwo gibt. Ich arbeite momentan auch mehr mit Hardware, was den Sound sicher auch beeinflussen wird.

Ich bin keinesfalls von „Born In Ruins“ gelangweilt, aber das Kapitel ist abgeschlossen, die Geschichte erzählt und jetzt habe ich Bock auf neue Sachen. Die neuen Sachen möchte ich jedenfalls gern irgendwann in diesem Jahr auf meinem eigenen Label herausbringen.

Eigenes Label?

Ja, ich habe vor, ein eigenes Label zu gründen – zu viel möchte ich aber noch nicht verraten.

Du hast eine Familie und eine Firma, machst Musik und hast auch noch die Ressourcen für ein Label?

Wie viel Ressourcen das sein werden, wird sich herausstellen. Ich habe zumindest einen guten Partner dafür und wir haben einen guten Plan. Wir müssen nicht davon leben und wollen uns in erster Linie den Spaß an der Freude bewahren. Die Strenge der Veröffentlichungspolitik des Labels wird sich auch erst noch zeigen. Erstmal alles ganz entspannt, so, wie’s halt ins Leben passt. Familie und Job gehen bei beiden ganz klar vor.

Am Ende ist das alles sicher auch irgendwie ein riesengroßer Selbstverwirklichungsworkshop für mich. In erster Linie wird das sicher ein Hafen für unsere eigene Musik, ohne Kompromisse beim Sound und der Vermarktung. Wir werden sehen. Hm, jetzt hab ich ja doch drüber geplaudert …

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Corecass „Quasar“

Vor anderthalb Jahren war das erste Mal von Corecass zu hören – nun gibt es neue Stücke und einen Remix-Aufruf.

Pneuma-dor bescherte sie mit ihrer „Sacer“-EP einen überaus gelungenen Start. Über Bandcamp legte sie nun kürzlich zwei neue Stücke nach, die sich weder in ihren eigentlichen Post-Punk- und Metal- noch in einem gängigen Elektronik-Kontext verorten lassen.

Mit Gitarre, Harfe, Field Recordings, Effektgeräten und beiläufigem Gesang erschafft Corecass sich langsam aufbäumende Tracks, die nach nächtlicher Stille und Zurückgezogenheit klingen. Dunkel, aber nicht düster. Dramatisch, aber ohne bedrückende Atmosphäre. Die beiden neuen Stücke „Quasar“ und „Condense“ nehmen sich dabei wesentlich mehr Zeit zum Entfalten als auf der „Sacer“-EP. Und der Metal-Background ist stärker spürbar durch ebenso kurz einfließende wie elegisch langgezogene elektrische Gitarren. Beides verleiht den beiden neuen Stücken auf gute Weise mehr Dramatik.

supaKC – hier hatten wir sie im Interview – konzentriert „Condense“ auf drei Minuten und ergänzt Gitarre und Harfe neben verhallt-programmiertem Rock-Drumming um weitere theremin-like klingende Harmonien.

„Quasar“ und „Condense“ können ab sofort auch selbst geremixt werden. Corecass gibt die Spuren der Stücke auf Anfrage frei, um mit dem spannenden Ausgangsmaterial Neues kreieren zu können. Laut ihrem Facebook-Posts möchte sie insbesondere Frauen zum Bearbeiten ihrer Tracks ermutigen – einfach via Bandcamp oder Facebook kontaktieren.

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Martin Hayes „Edits“ (Razor-N-Tape)

Martin Hayes war auf Edit-Wegen durch Brooklyn. Dieses Mal aber allein.

Im Sommer 2013 hatte Martin Hayes zusammen mit Luvless das Reserve-Sublabel des renommierten Edit-Labels Razor-N-Tape aus Brooklyn eingeläutet, jetzt gibt es eine Solo-EP mit vier Edits, die sich wirklich sehr tief in die Original-Vibes hinein graben. Da kommt Hayes‘ Liebe für das Aufspüren von alten Disco-, Soul- und Funk-Schätzen noch viel deutlicher hervor als bei seinen Tracks.

Ästhetisch sind die Grenzen so verwischt, dass auf der Platte anstatt 2016 auch ein guter Funk- und Soul-Jahrgang stehen könnte. Die Originale kenne ich nicht, keine Ahnung, wo hier die feinen Grenzlinien zwischen Disco-Refresh und alter Substanz verlaufen. Das macht ihre Qualität aber wohl auch aus: Die musikalische DNA ist so durchdrungen, dass es einen Guss ergibt. Keine Nahtstellen, einfach eine große US-amerikanische Nostalgie mit spirituell-perkussiven und lässig-cruisenden bis episch-choralen Momenten.

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Es darf gewählt werden im HipHop – SKILLZ Award

Da kommt was zu auf die Leipziger HipHop-Heads: Mit dem SKILLZ Award gibt es nun ein Publikums-Voting für die lebendige HipHop-Szene der Stadt. In insgesamt zwölf Kategorien wird unter anderem die Frage aufgeworfen, wer das geilste Album veröffentlicht, die dicksten Beats produziert und die krasseste Punchline formuliert hat. Auf der Website des SKILLZ Award könnt ihr bis einschließlich zum 21. Februar Vorschläge einreichen, über die später abgestimmt werden kann. Eine Gala für die Preisverleihung findet dann am 8. April im UT Connewitz statt.

Initiiert wurde das ganze von den drei Leipziger Blogs It’s Yours, Raputation und Rap Circus, die ihr bestimmt alle fleißig lest, und die damit erstmals ihre organisatorischen Kräfte für ein gemeinsames Projekt bündeln. Das Prinzip kommt euch sicherlich bekannt vor: Bis vor kurzem gab es mit der Goldenen Yvonne ein ähnliches Konzept für elektronische Musik. Nachdem Mottt.fm verstummt ist und It’s Yours den Leserpoll nicht weiterführen mag, lebt die Idee nun an anderer Stelle auf.

Vielleicht ist das Genre sogar viel besser dafür geeignet, liegt imHip Hop mit seinen eher extrovertierteren Rappern traditionell ein viel höheres Entertainment-Potential als im elektronischen Bereich, bei dem die Protagonisten nicht selten viel zurückhaltender agieren. So oder so – wir wünschen viel Erfolg und warten gespannt auf die Ergebnisse.

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Sibirski „Morose“ (FM Musik)

Lange nichts mehr von Frankmans Label FM Musik gehört. Doch es existiert weiter.

Wer es nicht wissen sollte: FM Musik und Frankman waren Ende der Neunziger und Anfang der Nullerjahre das Aushängeschild für House aus Leipzig – noch vor Moon Harbour Recordings. Irgendwann verschwand der weichgezeichnete, aufgeräumte Deep House dann. Frankman blieb dem Sound aber immer treu, was später immer auch etwas nostalgisches hatte. Und irgendwann auch etwas aus der Zeit gefallenes.

Die letzten Jahre habe ich FM Musik gänzlich aus dem Blick verloren, obwohl es weiterhin digitale Releases gab. Erst mit dieser EP von Sibirski gab es ein Wiederhören. Und die Unaufgeregtheit hat durchaus etwas Anziehendes. Ein warmer Bass hüllt „Terminal“ komplett ein, darüber schweben lang gedehnte deepe Chords und ein stoisch klackernder House-Beat.

Bei „Morose“ sind dann tatsächlich wieder die Deep House-Chords mit den scharfen HiHats mit all dem Vibe von 1999. Da ist die Zeit stehengeblieben, und doch wirken die sepia eingefärbt klingenden Tracks wie eine warme Umarmung. Die kann man nach langer Abwesenheit auch mal wieder annehmen.

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The Brothers Nylon „Jamuary“ (Resistant Mindz)

Bei Resistant Mindz gibt es Neuigkeiten: Das Label feiert 2016 sein fünfjähriges Bestehen und veröffentlicht eine weitere EP, diesmal von The Brothers Nylon aus Long Island, New York. Nach dem Album von Konglomerat ist „Jamuary“ nun die zweite Veröffentlichung des Labels, bei der elektronische Musik zunächst keine Rolle spielt.

Nein, Funk und Jazz stehen hier im Mittelpunkt. Wie auch bei Konglomerat wurden die Stücke auf Band aufgenommen. Passend dazu gibt es die Stücke nicht nur als Download sondern auch als limitierte Kassette.

The Brothers Nylon bestehen hauptsächlich aus den Zwillingen Michael und Nick Rufolo sowie dem Multi-Instrumentalisten Shawn Lee, der bereits auf eine stattliche Funk-Diskographie blicken kann. Acht Jam-Sessions haben sie zusammen mit weiteren Freunden aufgenommen, die allesamt auf Stücken von Musikern wie Isaac Hayes, Roy Ayers, Sun Ra und The Cult beruhen.

Der offensichtlichste Funk-Verweis sind hier natürlich die Interpretationen der Blaxploitation-Soundtracks „Theme From Shaft“, „Aragon“, „Get Carter“ und „Escape“. Aber gerade die anderen Stücke zeigen das Können und die Vielseitigkeit der Band: Psychedelischeren Sound gibt es mit „Soul Sitar“ von Sohail Rana, jazzig wird es bei „Love in Outer Space“ (im Original von Sun Ra) und eher schrullig-rockig bei „Welt Im Dunkel“ von der Krautrock-Band GÄA.

Beeindruckend, wie gut die Brüder ihre Instrumente und deren Einsatz in unterschiedlichen Genres beherrschen. Ein Blick auf die Soundcloud- und Bandcamp-Seiten zeigt, dass es sich um konstant fleißige Musiker handelt, die sich mit Freude an der Musik-Geschichte abarbeiten. Wir bleiben gespannt, was davon in Zukunft bei Resistant Mindz landen wird.

Das Album kann man sich auch in Videos ansehen – mit spannenden Studio-Einblicken:

The Brothers Nylon Facebook
Resistant Mindz Website
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Altes Medium, frische Beats – Das Tape-Label Pattern // Select im Interview

Es gibt frischen Label-Zuwachs: Mit Pattern // Select erweitern die Macher der gleichnamigen Veranstaltungsreihe diese um ein Tape-Label, dessen erste Veröffentlichung demnächst gefeiert wird. Wie, Kassette? Bedeutet das nicht leiernde, verrauschte Aufnahmen und Bandsalat? Offensichtlich scheinen die Tücken der Technik vergessen, so dass das Medium derzeit ein Comeback feiert und mit dem Cassette Store Day auch dem schwarzen Plastik etwas Aufmerksamkeit klaut.

Siebenundzwanzig kurze Stücke sind auf der Compilation „Pattern//Select[ion] #1“ vereint, die allesamt in der international gut vernetzten Instrumental-HipHop-Beatmaker-Szene verwurzelt sind. Aus Leipzig sind mehrere alte Bekannte aus dem OverDubClub-Umfeld wie Ranko, Duktus, Schmeichel und Crssspace dabei.

Einen sehr entspannten, Jazz-beeinflussten Vibe haben die Beats allesamt gemein, womit das Tape als drittes Utensil neben Sofa und Jogginghose perfekt für einen ruhigen Sonntag geeignet ist. Sicher, es klingt nach einem billigen Klischee, aber die Beats konservieren in nur wenigen Minuten Momente sommerlicher Harmonie, die in diesen trüben Tagen so weit entfernt scheinen. Wer also neues Futter für das Küchenkassettenradio benötigt, ist hier bestens bedient.

Aber bei Pattern // Select soll es nicht nur um Musik gehen. Geplant ist vielmehr, Verknüpfungen zwischen Musik und Kunst aufzuzeigen. Neben Ausstellungen soll es 2016 auch das DIY-Magazin Lettern // Eklekt an den Start gehen. Weshalb und warum – wir haben nachgehakt bei Max und Moritz und Max und Stefan.Wer steckt hinter Pattern // Select? Aus welchem Umfeld stammen die Künstler?

Moritz: Zum Kern von P // S gehören außer uns beiden, Max M. und Moritz, noch zwei andere gutaussehende Buben, Max H. und Stefan. Wir leben alle seit etlichen Jahren in dieser wunderbaren Stadt und sind uns in den letzten Jahren bei verschiedenen Anlässen immer wieder über den Weg gelaufen – im Studium, beim Feiern und vor allem Konzerten oder Veranstaltungen, etwa denen des Overdubclubs. Daraus entstand außer einer Freundschaft dann irgendwann die Idee mit dem DIY-Tape-Label.

Max M.: Max und ich haben im Übrigen als Säuglinge in der Krabbelgruppe am gleichen Beißring gekaut – machen wir aber heutzutage nicht mehr so oft.

Moritz: Und bei einem Großteil der Künstler, die wir für unser Release, „Pattern // Select[ion] #1“, gewinnen konnten, war es ganz ähnlich: Man läuft sich eben immer wieder über den Weg. Mal beim Beatmakerstammtisch, mal auf den Partys, die wir in Leipzig seit dem letzten Jahr in wechselnden Venues veranstalten, oder im Netto. Die Szene ist trotz ihrer wachsenden Größe recht familiär.

Wir waren erstaunt, wie groß der Rücklauf war, als wir befreundete Künstler gefragt haben, ob Sie Lust hätten, etwas beizusteuern. Dass schließlich Künstler wie FRI$ aus Belgien oder Arbour aus den Staaten auf dem Tape gelandet sind und dem ganzen Familiending ein bisschen internationales Flair verleihen, finden wir selbst ein bisschen fett.

Max M.: Also, obwohl sich viele Künstler aus der Leipziger Szene heraus eingefunden haben, ist es uns absolut wichtig, uns da keine Grenzen zu setzen. Sowohl was lokal oder international angeht als auch, wenn es um den Stil geht. Ich bewundere Labels wie Leaving Records oder Dirty Tapes, die zwar eine Art Beatcharakter beibehalten, die aber keinen bestimmten Stil kaputtbedienen und die Augen immer offen halten.

Das erste Release erscheint auf Kassette und digital. Warum gibt es eurer Meinung nach wieder einen Trend zum Tape?

Moritz: Gibt es den? Das ist gut.

Max M.: Immer diese Trends …

Moritz: Im Ernst: Für uns gehört neben der Mukke einfach ein physisches Ding, das man in der Hand halten oder sich ins Regal stellen kann, mit einem gedruckten Cover dazu.

Max M.: An der Stelle kann man dann auch ruhig mal Props an den Riso Club verteilen. Die Mädels sind echt top. Alle in den Riso Club zum Drucken! Sofort!

Moritz: Ja, und Kassetten sind da, bei verhältnismäßig kleinen Stückzahlen und gerade im Vergleich mit Vinyl, einfach eine finanzierbare Variante. Außerdem hat die Kassette für uns einen irgendwie nostalgischen Wert. Die ersten Mixtapes haben wir als kleine Stöpsel schließlich auch auf Tape aufgenommen.

Max M.: Dazu kommt natürlich, dass, besonders in der Beatszene, Tapes als Klangmedium durch die Bandkompression und das Leiern bei Uralt-Tapes bei vielen Produzenten zum Samplen und Produzieren benutzt werden. Ich recorde meine Beats regelmäßig auch auf einem alten Tapedeck.

Moritz: Und der Download ist für die Leute, die Ende der 90er vorschnell ihr Tapedeck verschrottet haben. Die können sich damit dann die Zeit versüßen, bis sie sich ein neues zugelegt haben.

Auf dem Tape gibt es Tracks mit song-ähnlichen Strukturen wie „Days Like These“, aber auch House-Einflüsse wie bei „DoDoDon’t“. Wohin steuert eurer Meinung nach die Beatmaker-Szene? Was ist dabei der gemeinsame Nenner bei Pattern // Select?

Moritz: Einige Künstler haben sicherlich einen HipHop-Background, andere kommen vom House, wieder andere sehen sich irgendwo in der experimentellen Grauzone. Uns geht es ausdrücklich nicht um irgendeine Schublade, uns geht es um knackige Beats und gute Musik, wir haben da weder Scheuklappen noch Berührungsängste.

Max M.: Gerade das finde ich ja so geil. Dass direkt auf unserem ersten Sampler so viele Styles vertreten sind. Wir wollen damit auch zeigen, dass wir uns bewusst keine Grenzen setzen. Wenn jemand Lust auf ein House-Tape hat, immer her mit dem Zeug. Gleichzeitig können wir uns aber auch verdreckte LoFi-Produzenten ranholen, ohne dabei unsere Linie zu verlassen.

Moritz W.: Wohin die Beatmakerszene steuert? In Richtung Fame vermutlich. Nein, keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass man da global einen Trend definieren könnte und finde es auch gut so. Ist spannender so.

Max M.: Find ich auch. Sich im Fluss treiben lassen und schauen, was an den Ufern wächst! Way to go!

Welchen Stellenwert haben die verwendeten Samples bei Pattern // Select? Spielt Exklusivität eine Rolle?

Moritz W.: Das Sample als musikalisches Zitat oder Rohmaterial für neue Musik ist für uns absolut selbstverständlich und wichtig. In diese Sache sind wir tatsächlich ausnahmsweise mal auf der Seite von Moses Pelham und Sabrina Setlur, nicht der von Kraftwerk.

Max M.: Ich bin der Meinung, dass man Exklusivität beim Samplen grundlegend nicht erreichen kann. Das, was man sampled, ist ja sowieso schon mal von jemandem geschrieben, gesungen, gespielt worden, der so viel Plan von Musik hatte und ein so bemerkenswertes Stück Musik produziert hat, dass man es selbst wiederverwerten möchte. Exklusiv ist damit allein derjenige, der das Ding damals tatsächlich hervorgebracht hat. Ich finde es viel wichtiger, kreativ zu samplen. Und das ist im Endeffekt das, was mich an Musik catcht: Wenn jemand ein Sample so absurd benutzt, dass es auf den ersten Blick „keinen Sinn“ ergibt, auf den zweiten Blick aber absolut visionär benutzt wurde. Beatmaker wie Knxwledge, Mndsgn, eets, Dil Withers oder Tenderlonious sind da richtungsweisend.

Moritz: Natürlich freut man sich, wenn man auf einer japanischen Disco-Platte aus den 80ern eine Sample-Perle entdeckt, die noch keiner kennt. Aber da geht es uns nie um Exklusivität, das ist einfach Neugierde und Spaß am Finden.

Max M.: Japanische Discoplatten sind der shit!

Wenn ihr eine Umfrage bei den beteiligten Künstlern machen würdet: Welcher Sampler ist bei euch am beliebtesten? Und welcher bringt euch am ehesten zur Verzweiflung?

Moritz: Allen voran sicherlich die SP 404 von Roland. Obwohl natürlich auch einiges am Rechner entsteht, ist das im Übrigen vielleicht eine weitere Gemeinsamkeit der Künstler auf „Pattern // Select[ion] #1“: Die Affinität zu klobigen Musikmaschinen mit dicken Knöpfen und Reglern. Bei Max kann man eigentlich auch nicht mehr von einer Affinität sprechen. Das ist eher ein Fetisch.

Max M.: Die 404 ist der einzig wahre Sampler. Obwohl ich immer mehr auf den Rechner verlagere, ist die SP immer noch absolutes Kernstück. Und ja, es ist absolut zum Fetisch geworden über die Jahre.

Moritz: Und zur Verzweiflung bringt einen immer die Maschine, die in der Sammlung noch fehlt.

Max M.: Ich fange besser gar nicht an, hier jetzt zu fachsimpeln. Das würde den Rahmen wahrscheinlich sprengen.

Im Pressetext ist von einer Verknüpfung von Musik und Kunst die Rede. Außerdem ist von einem DIY-Magazin namens Lettern // Eklekt die Rede. Was ist dabei 2016 geplant?

Moritz: Die Verknüpfung von Kunst und Musik sehen wir gar nicht als etwas besonders Originelles, sondern als logische Konsequenz unseres Ansatzes für alles offen zu sein, was kommt.

Max: Das ist gewissermaßen seit der ersten Veranstaltung im November 2014 Teil unserer Herangehensweise. Ausstellung und Release in einem zu haben, hatte bisher immer sehr schöne Synergien und wir wollen uns nicht immer nur auf den musikalischen Aspekt beschränken. Und dabei wollen wir den Raum, der uns zur Verfügung steht, möglichst komplett ausnutzen, ihn eben nicht nur mit Hörbarem füllen, sondern am liebsten gleich auch mit Sichtbarem, das im Idealfall mit der Musik interagiert. Und nebenbei hat auch ein weiterer Künstler die Möglichkeit, seine Arbeit zu zeigen.

Moritz: Das Magazin wird es voraussichtlich zum zweiten Release geben und soll ein Begleitheft zum Tape werden, eine Art Dokumentation dessen, was bei Pattern // Select und anderswo passiert. Das, was Pattern // Select für die Ohren ist, soll Lettern // Eklekt gewissermaßen für die Augen werden: Schön was zu lesen, schön was zu gucken. Man kann gespannt sein.

Am 12. Februar findet die Release-Party in Connewitz statt. Dabei werden auch einige Werke von Ahabzutun ausgestellt, der auch das Cover des Tapes gestaltet hat. Ein Teaser-Video dazu gibt es außerdem:

Pattern // Select Tumblr
Pattern // Select Facebook

Tico – „dance dance with us“-Teaser-Mix

Freitag, frohfroh-Party, ist klar – neben Robyrt Hecht & Kid Kozmoe wird Tico den kleinen Floor bespielen. Dafür hat er uns einen Teaser-Mix geschickt.

Mit einem Sound, mit dem Tico sonst nur noch selten zu erleben ist. Doch obwohl er sich in den letzten Jahren mehr und mehr mit House und Techno beschäftigte und zusammen mit T.I.N. die lokal crew-verbindende Patchworx-Reihe etabliert hat, schlägt Ticos Herz weiter für bassschweren Dubstep und kickenden Grime.

Davon erzählt auch sein Teaser-Mix, den er uns für die „dance dance with us“-Party eingespielt hat. Am Freitag gibt es das auch in laut und im Mix mit Robyrt Hecht und Kid Kozmoe – ja, ein back-3-back. Bei Soundcloud findet ihr die Tracklist des Tico-Mixes.

Und nicht verpassen:
Für die Party haben wir noch ein Special – „Aphex Dreams“, ein bisher unveröffentlichter Track unseres Live-Acts Mod.Civil. Als Free Download.

Einmal laut, bitte

Gute Monitorboxen und Kopfhörer sind das eine – doch die eigenen Tracks auf einer Clubanlage zu hören, ist etwas anderes. Eine Facebook-Gruppe macht es möglich.

Jeden letzten Dienstag im Monat bietet die Ableton User Group ab sofort Newcomern die Möglichkeit, ihre gemasterten und ganz neuen Tracks oder ihre Jam-Sessions und Sets auf der großen Anlage des Pferdehauses im Westwerk zu spielen. Dafür gibt es jeweils 20 bis 30 Minuten lange Slots, die vorab über Facebook vergeben werden.

Am 23. Februar findet das erste Group Meeting statt. Das Ganze ist zwar öffentlich und offen für Publikum, doch in erster Linie richten sich die Treffen an junge Musiker zum Austausch und Lautmachen. Geplant sind auch Workshops, Vorträge und Erfahrungsberichte zu Ableton-Produkten – dabei betonen die Veranstalter, dass sie nicht von Ableton gesponsored werden. Zum Jammen kann daher auch anderes Equipment genutzt werden. Auch musikalisch werden keine Grenzen vorgegeben.

Die Slots für das erste Treffen sind bereits vergeben, früh anmelden also.

Ableton User Group Seite