V.A. „Various Four“ (Rose Records)

Rose Records wird 5 und lädt mit einer Compilation zum Birthday-Tanz – mit der zehnten Platte im Katalog, wie passend.

Und der ist natürlich voller House mit großer Disco- und Soul-Leichtigkeit. Auch wenn ich in den vergangenen fünf Jahren musikalisch nicht immer mitfiebern konnte, so ist die Freude über die kontinuierlich gewachsene Aufmerksamkeit für Rose Records mit M.ono, Luvless und Martin Hayes enorm groß.

Sie haben in uneitler und unaufgeregter Weise ihre Nische gefunden und sich eine internationale Fanbase aufgebaut, die für schnell vergriffene Vinyl-Auflagen und DJ-Auftritte in Großbritannien und Frankreich sorgen.

Die „Various Four“ zum Jubiläum holt neben den drei Betreibern auch zwei befreundete Duos mit an Bord. Die Münchner Rhode & Brown sowie Jan Ketel & Siggatunez aus Görlitz und Berlin. Zusammen zelebrieren sie das, wofür Rose Records steht: House mit entwaffnend positivem Drive, tief in alte Soul- und Disco-Vibes eingebettet. Große Eleganz, große Leichtigkeit für den stilvollen Exzess. Und immer einen Tick zu oldschool und zu ehrlich, um in die plumpe Deep House-Pop-Schiene der letzten Jahre zu geraten.

Happy Birthday, Rose Records!

Verpasst nicht unser großes Interview mit M.ono, Luvless, Martin Hayes und Eva Rose.

„Wir mögen es ein bisschen wärmer“ – Interview mit Rose Records

Noch ein Label-Geburtstag in diesem Jahr: Rose Records wird 5 – Zeit für ein großes Gespräch über die positive Entwicklung, traurige Tracks und limitierte Vinyl-Auflagen.

2011 war offensichtlich ein gutes Jahr für die Leipziger Elektronik-Szene: Filburt startete O*RS, Resistant Mindz brachte seine erste Vinyl-Compilation heraus und fünf Freunde gründeten Rose Records. Fünf Jahre später, an einem lauen Juli-Abend treffe ich vier davon im Ilses Erika-Biergarten: M.ono, Luvless, Martin Hayes und Eva Rose. Die vier überschlagen sich mit Geschichten und Gedanken zu ihrem Label, dem insbesondere in Großbritannien enorm viel Zuneigung entgegengebracht wird.

Sofort kommt das Gefühl auf, an einem Tisch voller Freunde zu sitzen. Es wird durcheinander geredet, sich auch mal ins Wort gefallen. Aber in einer Art, wie es unter Freunden völlig okay ist. Rose Records steht für eine besondere Form vom Musikveröffentlichen.

Weniger Kalkül, eher authentischer Spaß mit autodidaktischer Lernkurve, der doch mehr den Nerv der Zeit getroffen hat, als es alle Beteiligten anfangs zu wünschen wagten. Das brachte einige Herausforderungen mit sich, um die es auch in unserem frohfroh-Interview gehen soll. Zum Jubiläum ist auch eine Vinyl-Compilation herausgekommen, die wir hier extra vorstellen.

Fünf Jahre Rose Records – was geht euch in diesen Tagen durch den Kopf?

Eva: Dass die Zeit übelst schnell vergangen ist.

Martin: Man zieht schon Resümee – was war, wo es mal hingehen soll, Probleme.

Und was ist euer Resümee?

M.ono: Wir hatten auf jeden Fall viel Glück.

Martin: Wir haben ja nicht geplant, dass wir ein Label machen und unsere Platten auch gespielt werden. Es hat sich entwickelt, wir sind den Leuten nicht auf den Sack gegangen. Unser Credo war: es sollte sich natürlich entwickeln.

M.ono: Es ging ja damit los, das wir unsere Ideen einfach auf Platte haben wollten, ohne Leuten hinterher zu rennen und zu fragen, ob ihnen unsere Stücke vielleicht gefallen und ob sie die auf Platte pressen wollen.

Luvless: Gar nicht mal wegen des Hinterherrennens: Ich hatte vorher mega Respekt davor, total bekannte DJs und Labels anzuschreiben – wer bin ich, dass ich die mit meinem Zeug penetrieren darf.

Eva: Wir kannten uns auch nicht alle vorher. Martin habe ich erst durch das Label kennengelernt, M.ono kannte ich gut, Luvless ein wenig, Martin und Luvless hatten bereits Kontakt, weil sie zusammen Tracks auf Mancha Recordings veröffentlicht hatten.

Luvless: Die Idee kam uns irgendwann früh beim Labern nach einer langen Partynacht. Da hatten wir uns darüber unterhalten, weil die Infrastruktur in Leipzig dafür gut war – ein Schallplattenpresswerk ist da, M.ono kannte außerdem LXC zum Mastern und für den Schnitt.

Eva: Es ging damals auch viel los – Kann Records waren da, Filburt startete O*RS und Uncanny Valley.

Luvless: Das hat uns bestärkt, weil wir wussten, dass da Leute sind, die wir fragen können, wie sie es gemacht haben – ein paar Tipps haben wir uns da auch geholt als es konkreter wurde.

M.ono: Es war aber auch etwas abenteuerlich am Anfang. Wir haben viel ausprobiert, mit verschiedenen Presswerken und Masterings. Aber im Endeffekt sind wir jetzt wieder bei der Wahl, die wir ganz am Anfang hatten.

Dafür, dass ihr als Anfänger gestartet seid, ist die erste Platte gleich erstaunlich durchgestartet: Woran lag das?

Luvless: Wir hatten für den Vertrieb Diamonds & Pearls in Berlin angefragt, aber die hatten nicht so recht Interesse, weil die Auflage zu klein war. Da dachten wir, dass wir die 250 Stück auch selbst verschicken können: Martin hatte schon Connections zu Juno, Eva rief einfach bei Decks an und die fanden es gut.

Martin: Juno macht sonst eigentlich nichts ohne Vertrieb, aber sie mochten die Platte wohl. Für uns war das gut, weil wir dadurch einen Fuß in UK reinbekamen, was wirklich was wert war.

Luvless: Auch an einige DJs haben wir eine Promo-Platte geschickt – mit Aufklebern und einem schönen Promo-Text. Wir haben selbst daran gedacht, dass es schön wäre, wenn die Post klingelt und eine unerwartete Platte vorbeibringt.

Martin: Das waren aber nur DJs, die wir selbst gut fanden, Ooft! zum Beispiel, und nicht solche, die gerade bekannt sind.Gab es da gleich Feedback von denen?

M.ono: Ja, schon. Move D und Session Victim hatten die erste Platte mit gespielt. Es passte wohl auch gerade in die Zeit hinein, weil wir uns für diese Sparte interessiert hatten. Und dann kamen die zweite und dritte Platte recht schnell hintereinander – drei Various-Platten mit jeweils einem Track von uns dreien. Jeder durfte mal auf die A-Seite. Es sollte alles fair sein.

Zwei von euch sind als Musiker gar nicht dabei – wie fühlt man sich da involviert?

M.ono: Eva hat beim Label einen besonderen Status.

Eva: Ich durfte den Namen vergeben.

Luvless: Ich hatte irgendwann Tracks bei Soundcloud hochgeladen und natürlich haben wir uns über die Plays gefreut – und dann hatte es Rose Records geliked. Irgendwann kam dann raus, dass Eva dahinter steckt, weil ich es bei einem Treffen erzählt habe und Eva schmunzeln musste.

Eva: Das ist aus einem Spaß entstanden: Ich stand mit M.ono und Sevensol an der Bar im Conne Island. Kann Records war da gerade ein Jahr alt und dann haben wir gescherzt, wie wir ein weiteres neues Label nennen würden. Neuschulz Records klingt scheiße, dachten wir uns, aber Rose Records ging irgendwie – ich heiße ja wirklich Eva Rose. Kurz danach habe ich mir das Profil bei Soundcloud gesichert, weil das sogar noch frei war.

Luvless: Der Name ist schön offen. Da kann alles drauf passieren. Wer weiß, was in zehn Jahren ist. Früher habe ich Techno gehört, dann House, jetzt wird es wieder etwas schneller – es verändert sich ja auch.

Eva: Aber auch sonst: Wir treffen alle Entscheidungen zusammen und es gibt ja bei einem Label auch noch andere Aufgaben, die erledigt werden müssen. Gerade am Anfang habe ich viel Vertriebe angeschrieben und mich um Rechnungen gekümmert.

Gibt es eine feste Arbeitsteilung bei euch?

Eva: Es hat immer mal gewechselt, so wie bei jedem Zeit war.

Luvless: Wir haben ja alle einen Job, teilweise auch Familie.

M.ono: Deshalb lässt sich bei uns auch kein höherer Output generieren. Allein einen Termin zu fünft hinzubekommen, ist nicht immer leicht.

Luvless: Selbst wenn wir das wollten, würde es schwer gehen: die Presswerke sind gerade so voll und haben enorme Wartezeiten. Man müsste wahrscheinlich gleich drei Platten auf einmal in Pressung geben. Aber ich finde drei bis vier Platten im Jahr völlig ausreichend.Am Anfang war es eine Plattform nur für euch, dann habt ihr aber doch geöffnet – warum?

Luvless: Das hat sich auch so ergeben. Als Martin und ich in Amsterdam gespielt haben, haben wir Hans alias Junktion von Fouk kennengelernt. Ich hatte mal nach Demos gefragt, weil wir die Sachen sehr mochten und wir auch eine 10“-Reihe im Hinterkopf hatten. Was sich herauskristallisiert hat: Die Stücke auf Rose Records hatten immer noch einen etwas anderen Touch als die, die bei anderen Labels herauskamen.

Martin: Er hat uns aber auch mehrere Tracks geschickt und wir haben vielleicht unbewusst die heraus gewählt, die am besten zu uns passen. Und die sind da wohl noch einmal anders als sonst.

M.ono: Bei Laurence Guy war es so, dass er gefragt hat, ob er uns Demos schicken kann.

Das verändert eure Label-Arbeit auch noch einmal: Vorher ging es nur um eure Tracks, jetzt geht es um Befindlichkeiten und Eitelkeiten von anderen.

M.ono: Ja, aber bisher lief das sehr entspannt. Es ist ja so, wie man es selbst gern hätte. Sie freuen sich, dass wir die Stücke herausbringen und fragen nicht zu erst nach einem Vorschuss.

Martin: Das wäre auch anders, wenn jemand mit anderen Erwartungen zu uns käme.

Luvless: Das haben wir aber auch: Manche schreiben dann, dass sie hier Tracks haben, es wäre schön, wenn wir die im Juni herausbringen. Teilweise schon mit fest definierter Tracklist. Es ist meist so, dass die Leute, die wir unterwegs bei unseren Auftritten treffen, genauso drauf sind wie wir – wenn es zwischenmenschlich passt und die auch noch geile Musik machen, warum soll man da nicht eine Platte gemeinsam machen.

Martin: Es macht natürlich mehr Arbeit, weil wir schon jedem was zu seinem Demo antworten möchten.

Parallel dazu, dass ihr Künstler von außen reingeholt habt, seid ihr bei anderen Labels angekommen – ein Nebeneffekt von Rose Records sicherlich.

Martin: Das spielt auf jeden Fall eine Rolle, dass wir das Label haben.

Luvless: Ja, wahrscheinlich haben wir mit unserer Musik zufällig den Nerv einiger Leute getroffen, die aber zu dem Zeitpunkt noch nicht von so vielen produziert wurde. Für mich war das zumindest auch ein Grund damit anzufangen: Mir fehlte dieser Sound in den Clubs.

War euer Sound schon länger so oder erst kurz vor dem Beginn von Rose Records?

M.ono: Es ist immer Bewegung. Davor habe ich Drum & Bass produziert, das ging in einen Tech House-Drall über bis ich die langsameren House-Sachen interessanter fand. Jetzt ist es genauso: Es gibt immer neues, was einen inspiriert. Man hört einen Track und probiert es auch mal aus. Vielleicht spielen wir in fünf Jahren wieder 110 bpm. Obwohl wir das jetzt auch manchmal noch machen. Kommt immer auf den Abend an.

Martin: Es spielen schon Sachen von früher rein. Ich habe viel HipHop gehört, aber auch andere elektronische Sachen – das kann man jetzt eigentlich gar nicht sagen – Trance. Da ist man halt mal in die Niederlande zu Tiësto gefahren. Die Zeit gab es auch, aber ich habe dann weiter geschaut, wo die Samples herkommen. Ich höre heute auch alte Disco-, Funk- und Soul-Sachen. Das war nicht von Anfang an so, aber das hat mich nicht mehr losgelassen.

Luvless: Ich hatte, glaube ich, zwei Schlüsselerlebnisse in meiner Kindheit: Mein Vater hatte einen Amiga 500 Plus gekauft und da saß ich viel davor. Man hatte Notenzeilen und konnte Sachen bauen mit Vocal Snippets alá Bumm Chack Boing. Irgendwie wurde es da schon immer sehr geradlinig bei mir. Und ich habe einen großen Bruder, der früher in die Opera gegangen ist und sich Plattenspieler gekauft hat. Er spielte viel elektronische Musik und hatte später auch Musikprogramme wie Fruity Loops und Reason. Über ihn bin ich so zum Techno gekommen. Ich kaufte mir dann wenig später meine ersten eigenen Platten von Jeff Mills, Chris Liebing, Neil Landstrumm und so Zeug. 4/4 war da von Anfang sehr wichtig für mich.

Eva, würden deine Tracks klingen, wenn du mit Produzieren anfangen würdest?

Eva: Piano House, auf jeden Fall wären ganz viele Pianos dabei.

Und Lars legt nur auf?

Luvless: Lars ist ein großer Vinyl-Sammler. Von allen kenne ich ihn am längsten, seit über 25 Jahren. Wir haben ihn erst zum Auflegen gepusht, weil wir ihm auch den Spielraum gegeben haben, um sich auszuprobieren. Spiel doch einfach mal, du hast geile Platten, egal ob die Übergänge klappen. Jetzt hat er schon allein auswärts gespielt – das hat sich auch über das Label so ergeben.In eurer Label-Info steht, dass ihr an die Message von Disco glaubt – was ist die für euch?

Eva: Oh, nein, das haben wir irgendwann mal aufgeschrieben und nie wieder geändert.

Martin: Ich sauge es mir aus den Fingern. Aber: Bei Disco ging es ursprünglich ja um Gleichberechtigung – generell und auf dem Dancefloor –, ohne dass das Aussehen und deine Herkunft eine Rolle spielt. Man hat eine gute Zeit und kann vom Alltag loslassen.

Luvless: Es ist weniger das Genre, sondern eher das Gefühl, eine gute Zeit zu verbringen. Bei Techno geht das natürlich auch.

M.ono: Wir mögen es aber ein bisschen wärmer und es geht ums Gefühl.

Es ist auch durchweg positiv bei euch – mit jeder neuen Platte kommt ein Schwall an Glücksgefühlen. Macht ihr eigentlich auch traurige Musik?

M.ono: Ich musste einen Remix für einen Leipziger Künstler machen, aber ich habe den nie abgegeben, weil ich einfach daran zerbrochen bin. Durch Zufall habe ich den neulich wieder gehört und fand ihn gar nicht so schlecht, aber in dem Moment, in dem ich daran gearbeitet habe, war es so zermürbend, weil es so traurig war. Das hat mir irgendwann keinen Spaß gemacht, ich hatte keine Ambitionen mehr daran zu arbeiten.

Luvless: Wir sind aber auch alle sehr positive Menschen, wir haben viel Spaß und das ist uns auch wichtig. Wir sind selten traurig und ich bin das auch ungern. Deshalb mache ich auch solche Musik, die mich glücklich macht.

M.ono: Ich möchte den Leuten auf der Tanzfläche auch eine Freude bereiten. Es ist das schönste, wenn Leute zugleich lachen und tanzen. Für Emo-House, was gerade angesagt ist, bin ich nicht der Typ. Es ist auch gut, dass wir da so gleich ticken.

Eva: Man will ja aber auch ausgehen und Spaß mit seinen Freunden haben.

Ihr geht auch entsprechend fröhlich ins Studio? Oder in welchen Stimmungen produziert ihr?

Eva: Das Krasse ist: Einige von M.onos besten Stücken sind entstanden, als er den größten Liebeskummer hatte. Komplett verrückt. Manche Leute hätten total traurige Songs gemacht.

Luvless: Meist ist nach einem Gig mehr Lust da, weil man viele Eindrücke von der Reise oder der Partynacht mitbringt. Und oft war es so, dass ich mich direkt danach an neue Stücke rangesetzt habe.

Eva, hast du jemals überlegt, selbst mit Produzieren anzufangen?

Eva: Nein, ich bin Konsumentin und das soll auch so bleiben. Ich bin für die erste Reihe gebucht. Ohne die wäre es auch langweilig. Ein kleines DJ-Projekt habe ich mit einer Freundin. Aber das ist nur zum Spaß. Gerade wenn man ausgeht, möchte ich nicht die Anspannung haben, an dem Abend auch noch spielen zu müssen. Man möchte ja auch, dass die Leute genießen, was du spielst.

Ihr habt aktuell Jobs, aber auch richtige Booking-Agenturen – gibt es da Ambitionen, von der Musik leben zu können, oder ist es so optimal für euch?

Luvless: Ein konkreter Traum war es für mich schon – auch wenn es jetzt vielleicht nicht in Erfüllung geht. Ich könnte vielleicht mehr dafür machen, aber ich finde es so okay. Durch unsere Jobs hatten wir auch bei der ersten Platte eine gewisse Lässigkeit – wir probieren es, wenn sie sich nicht verkauft, dann war das unser Problem. Wobei eben der Hauptgedanke war, einfach eine Platte für uns zu machen. Wir hatten ja nichts zu verlieren. Das ist heute noch so. Es ist ein hartes Business. Ich möchte auch irgendwie keinen Druck haben, Musik machen zu müssen. Ich liebe es an den Geräten rumzufummeln, aber der Spaß steht bei mir an vorderster Stelle. Es ist gut so momentan: Ich gehe unter der Woche ein bisschen arbeiten und am Wochenende habe ich das Glück mit M.ono zu reisen, in tollen Clubs zu spielen und eine gute Zeit zu haben. Dafür bin ich sehr dankbar.

M.ono: Wir nehmen es auch hin, wenn es mal weniger ist. Es ist wie ein Abenteuer. Wir freuen uns immer wie kleine Kinder, wenn wir mal nach London oder Paris fliegen. Dieses Business-Ding ist aber nicht dabei.

Luvless: Jetzt ist es ein gutes Zubrot, man bekommt etwas Gage und kann sich neue Technik fürs Studio kaufen.

Die Agenturen machen aber auch keinen Druck?

Luvless: Nein, gar nicht. Es läuft alles sehr easy.

Martin: Mein Booker sitzt in Paris und ist auch sehr entspannt. Da gibt es keine Ansagen von wegen: Es muss mal wieder was rauskommen, damit wir dich wieder verbuchen können. Ich würde es auch nicht wollen, dass das mein Beruf wird. Ich spiele gern Gigs und freue mich über jede Platte, aber etwas machen zu müssen, nur damit es weitergeht, wäre für mich nichts. Es kann schon mehr sein, aber ich möchte nicht meinen Job dafür aufgeben.

M.ono: Es ist wie bei jeder Arbeit: Am Anfang ist alles super und dann geht es in eine Routine über. Und wenn du jedes Wochenende unterwegs bist, geht auch viel eigener Spaß verloren. So kann man auch mal mit seinen Freunden hier weggehen. Andererseits: Wenn man mal länger zu Hause ist, juckt es schnell in den Fingern.Lasst uns noch über eure limitierte Vinyl Only-Label-Politik sprechen. Da gab es ja durchaus Unmut bei den Fans.

Luvless: Die Limitierung am Anfang war kein Kalkül, wir hatten einfach das Geld nicht, um 1.000 Stück pressen zu lassen.

Eva: Es sollte auch fair bleiben bei den ersten drei Platten. Wir hatten mit der A-Seite immer geschaut, dass jeder mal dran ist und dann sollten nicht von der einen 300, von der anderen 500 Platten geben. Deshalb gibt es von 1-3 250 Stück, dann die drei ersten Artist-EPs mit 500 Stück. Die beiden Trios sollten gleichwertig sein.

Martin: Es gab natürlich auch viel negatives Feedback, dass wir vorsätzlich eine Limitierung generieren würden, um die Preise hochzutreiben. Aber wir machen keine Discogs-Preise – es sind ja andere, die sich daran bereichern, wir haben ja nichts davon, wir kriegen die Vertriebspreise.

Luvless: Es war auch leicht dahin gesagt von einigen Leuten: Presst doch noch einmal 500 Stück nach. Klar, gebt uns 2.000 €, dann machen wir das.

Martin: Es war eine Geldfrage, weil uns das Risiko zu groß, dann doch auf einem Backstock sitzen zu bleiben.

Luvless: Wir haben uns auch an anderen Labels orientiert, Sleazy Beats zum Beispiel waren damals schon sehr fett und haben 500 Stück verkauft. Wenn die soviel verkaufen, wie sollen wir dann auch soviel schaffen – das war für uns nicht denkbar.

Bei späteren Platten habt ihr dann nicht die Auflagen erhöht?

Luvless: Doch, von der Junktion gab es insgesamt 1.500 Stück. Das hatte sich alles hingezogen, weil wir ja immer warten mussten bis wir das Geld von der ersten Pressung wieder drin hatten. Durch den Hype haben wir uns aber auch verleiten lassen. Von der „Double You“-EP gab es auch 1.000 Stück.

Jetzt gibt es also keine Limitierung mehr?

M.ono: Doch, intern schon. 500 Stück ist eine optimale Stückzahl, weil R.A.N.D. Muzik immer nur eine bestimmte Anzahl als Covern und Etiketten machen können. Und 750 würde sich für uns nicht rechnen, 1.000 sind aber gleich zu viel.

Luvless: Dann haben wir auch überlegt, ob wir doch den Schritt zum Digitalen gehen wollen, um einfach noch mehr Leute zu erreichen. Unsere anfänglichen Ängste wurden uns aber genommen, weil wir Leute gefragt haben, die das bereits machen und über den langen Zeitraum auch viele Erfahrung gesammelt haben. Ab der Katalognummer 10 wird es offiziell losgehen. Wir sind durch Filburt zu Paradise Distribution gekommen und fühlen uns jetzt schon sehr wohl dort.

Aber gibt es nicht auch eine große Nachfrage für den Back-Katalog? Von Leuten ohne Plattenspieler?

M.ono: Ja, die gibt es. Aber wir haben uns einfach entschieden mit der Nummer 10 den digitalen Schritt zu wagen. Und irgendwie würde es sich unfair den Leuten gegenüber anfühlen, die unsere ersten Platten gekauft haben.

Ihr nehmt dann die digitalen Rips auch in Kauf?

Luvless: Ja, das ist die beste Werbung. Wir haben unsere Platten verkauft, aber wenn es dann auch woanders auftaucht, dann ist das so. Verhindern kann man es eh nicht.

M.ono: Es geht mir genauso: Es gibt noch genug Stücke, die ich gern noch hätte. Die sind auch nur auf Platte herausgekommen und nicht digital erhältlich. Klar, ist das blöd, weil ich zu dem Zeitpunkt nicht da war, aber das ist der Lauf der Dinge – damit muss man leben.

2011 habt ihr Rose Records gegründet – da hättet ihr auch schon digital dabei sein können.

Luvless: Ich glaube der Hauptgrund war, dass sich keiner extra um das Digital-Ding kümmern wollte. Wir wussten auch überhaupt nicht, wie wir das angehen – das war keine böswillige Vinyl-Only-Absicht. Einige haben uns auch Angst damit gemacht – mit all den IRC-Codes und am Ende kommt kaum was bei rum. Der Aufwand schien uns zu groß. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass es auch anders und einfacher geht. Und am Ende tun wir einigen sicherlich auch einen Gefallen.

Eva: Eigentlich waren alle nur heiß auf eine Platte. Wir sind auch in Leipzig. Man kann sich schnell absprechen. Einige haben da schon mehr Erfahrungen, wovon wir auch lernen konnten. Jetzt können wir es machen, weil uns Freunde sagen, dass es leicht geht.

Es war also weniger ein Vinyl-Dogma?

Luvless: Nein, gar nicht. Wir spielen ja selbst auch mit Stick und CDs. Mir ist das egal, wer mit was spielt. Hauptsache es ist gut und kommt authentisch rüber. Ich bin nicht der Vinyl-Verfechter.

Wie war es, als ihr plötzlich in den Discogs-Spekulationswahn geraten seid? Die „Easydance“ steht immer noch für 150 bis 200 € dort.

Martin: Erst haben wir uns gar nicht dazu geäußert. Das war ja auch nicht unser Ziel, sondern geht von Leuten aus, die solche Momente gern auch ausnutzen, um Kohle machen zu wollen. Das ist natürlich ärgerlich, wenn das uns dann vorgeworfen wird von Leuten, die gar nicht unsere Hintergründe dazu kennen. Mit dem Repress sind wir den Leuten dann ein wenig entgegenkommen, aber da gab es auch negative Meinungen.

M.ono: Man muss eine EP auch mal abhaken können. Es gibt zwei Stücke der „Easydance“ auch digital zu kaufen, weil die Tracks für Compilations lizenziert wurden.

Martin: Es ist ein Hype-Ding und man darf es auch nicht überschätzen. Ob wir die Nachpressungen wirklich losbekommen, wäre gar nicht so klar. Man lässt sich da auch zu Dingen verleiten, die man vielleicht gar nicht möchte. Das ist für uns auch wichtiger Part für uns: Wir möchten schon gern die Kontrolle über alles behalten.

Was habt ihr für die nächste Zeit geplant?

Luvless: Auf jeden Fall die Digital-Geschichte. Bleibt spannend, was da noch so auf uns zukommt. Ansonsten kommen in diesem Jahr noch Platten von M.ono und mir, Martin wird auch noch eine machen.

DLSK „Can You Get That Together“ (Growin Music)

Das hat irgendwie länger gedauert mit dem Vinyl: doch jetzt ist die neue DLSK-EP draußen.

Wer es vergessen hat: DLSK ist Daniel Stefaniks Spielwiese für jenen zeitlos-loopigen, endlos trippigen Minimal House-Sound, wie er von Perlon und Ricardo Villalobos groß gemacht wurde. Im letzten Herbst fand Stefanik mit dem Frankfurter Label Raum … Musik einen passenden Ort für den DLSK-Start.

Nun gibt es drei weitere Ausflüge mit federleichten Bassdrums, atmosphärischen Synth-Schichten und einer durch und durch ausgeglichenen Grundstimmung. Mit der Zeitlosigkeit ist das so eine Sache: Bei der „Numbers“-EP mit Thomas Stieler erzeugte die auch eine gewisse Behäbigkeit. Und bei „There Never Was A Day“ klopft die auch auf dieser neuen EP an.

Aber es gibt eben genauso „Can You Get That Together“, ein reduzierter Track mit subtilen Beats und einer langanhaltenden Spannung. Inklusive dem anziehenden Wechselspiel aus ewigem Loop und unvorhersehbarer Session-Dramaturgie. Ein Track, der den ganzen musikalischen Tiefgang von Daniel Stefanik auf neun Minuten offenbart.

Auch „Drown In My Own Tears“ ist ein großartiges Stück, klarer in Ambient und Electronica verortet. Sehr klassisch, mit leichter Patina. Auch hier sehr viel Freiheit, sich neben dem Grundthema auszutoben. Im Gesamten passt dann auch wieder „There Never Was A Day“ auf diese EP: als besänftigend geradliniger Deep House-Classic.

Five Favs – Juli 2016

Von wegen Sommerloch – der Juli war voller guter Platten und EPs aus Leipzig. Hier kommen unsere fünf Track-Highlights daraus.

Robyrt Hecht „A Gust Of Phosphor“

Unser erster Hit ist ein besonderer: Wir durften ihn nämlich exklusiv auf unserem Soundcloud-Profil veröffentlichen. Während der flockig-melodische House-Track „A Gust Of Phosphor“ im Studio von Yuyay Records-Betreiber Robyrt Hecht entstand, war auch der Fotograf Gregor Barth anwesend und dokumentierte das Musikmachen in einer Foto-Reihe. „Artists“ heißt die Reihe und sollen demnächst weitere Serien mit Leipziger Producern folgen.

Kassem Mosse „Chilazon 1“ (Honest Jon’s)

Im Juli gab es gute Kassem Mosse-News: Ein neues Album wurde angekündigt und eine erste Vorab-EP erschien beim Londoner Label Honest Jon’s. Und besonders „Chilazon 1“ überraschte uns, denn „Eine 12-minütige House-Loop-Miniatur mit super lässigen Hi-Hats und einem knapp verdichteten Synth-Mikrokosmos ist da entstanden. Alles so zusammengefädelt, dass nur minimale dramaturgische Wendungen ausreichen, um endlos dranzubleiben.“

Leibniz „Van Doumen 02“ (Doumen)

Auch bei Doumen gab es herrliche Neuigkeiten: eine neue „Van Doumen“-Platte, bei der sich verschiedene Musiker aus aller Welt durch den Doumen-Backkatalog remixen können. Über Track-Grenzen hinweg. Leibniz‘ tief hängende und langsam mäandernde Version gefiel uns besonders: „Große Entschleunigung mit warmen Bassfundamenten. Leibniz kommt hier sehr gut karg, mit runtergepitchter Trap-Erdung.“

Tsorn „Lithium“ (A Friend In Need)

Einen härteren Kontrast bot Tsorn auf ihrer Debüt-EP, inmitten des sonst sehr klassischen Deep House-Programms von A Friend In Need. „Lithium“ stach aus den drei verschieden schroff ausfahrenden Tsorn-Tracks noch einmal heraus: „Besonders „Lithium“ [spielt] mit einem verschlungenen, klaustrophobischen Drive, der mich schon bei Paula Temple enorm angezogen hat. Sehr fokussiert und kraftvoll und dark.“

Bender „Think Green“ (Kann Records)

Und es bleibt straight im Techno verortet. Kann-Mitbegründert-Bender war auf der aktuellen Label-Compilation „Avocado Dreams“ nämlich ausnahmsweise solo mit einem Track zu hören, der „sich langsam in hymnischen Ambient-Techno hochschraubt. Da werden weite Assoziationsräume ausgelotet.“ Und ein anziehender, schneller Sog, wie er nicht so oft bei Kann zu hören ist.

„Artists“ #1 – Robyrt Hecht

Anfang Juli kam eine interessante Anfrage des Fotografen Gregor Barth rein – in einer Serie porträtiert er Musiker bei der Entstehung von Musik.

Ganz schlicht „Artists“ hat Gregor Barth die Reihe genannt. Und als ersten Artist fotografierte er den Musiker, DJ und Yuyay Records-Label-Betreiber Robyrt Hecht. Den dabei entstandenen Track gibt es exklusiv hier als Track-Premiere:

Mit 14 Jahren bekam Gregor Barth von seinem Vater eine Practica Spiegelreflex-Kamera geschenkt, seitdem sei die Kamera eigentlich immer dabei, meint er. Er macht auch selbst Musik, schaut aber gern in angrenzende Gefilde – als Zuschauer, Fotograf oder Autor über Musik. Weitere Bilder von ihm sind auf seiner Website zu sehen.

Was Gregor mit dem „Artists“-Projekt vor hat, erklärt er am besten selbst:

„Hinter dem Projekt steckt für mich das Vorhaben, Künstler zu portraitieren, deren Werk ich mag und sehr schätze. Es sollen Künstler gezeigt werden, die für mich eine große Relevanz zu verschiedenen Zeitpunkten besaßen und noch besitzen. Das Ziel ist es, in einer längeren Reihe, gezeichnet durch eine eigene fotografische Handschrift, ein Gesamtbild mit musikalischen Querverweisen hervorzubringen.

Dabei möchte ich den Künstler in seiner Heimat und an seinem musikalischen bzw. kreativen Arbeitsplatz besuchen. Die Verbindung zum Ort der Entstehung und der Umsetzung seiner musikalischen Ideen wird dadurch offensichtlich. Der Moment des kreativen Schaffens ist zentral. Weiter steht für mich im Mittelpunkt, die rohe Essenz und den Ursprung hinter einem Kunstwerk fotografisch festzuhalten. Ähnlich einer Befragung in einem Interview sollen die Bilder in einer Art fotografischem Interview einen Einblick bieten. Dafür werden sie in einer minimalen Bildsprache auf das nötigste reduziert in Schwarz-Weiß, analog und ohne zusätzliche künstliche Lichtquellen aufgenommen.“

Deko Deko x Video x Kid

Endlich, das erste Deko Deko-Album wird demnächst herauskommen. Vorab gibt es ein Video.

Es war eine der Überraschungen im Interview mit O*RS-Betreiber Filburt: „Ich kann auch schon sagen, dass wir das Deko Deko-Album herausbringen.“ Diese Ankündigung war umso erfreulicher und erstaunlicher, weil das Deko Deko-Debüt eigentlich schon vor zwei Jahren kommen sollteNun steht der 9. September als Termin für die Veröffentlichung von „Neustadt“ fest. Der erste Song „Kid“ holt den dunkel-wavigen Sound in Erinnerung zurück, mit dem Lena Seik und Tristian Schulze vor fünf Jahren auf Ortloff erstmals aufhorchen ließen. Mit all dem Pathos und der artifiziellen Gesamtinszenierung. Wir sind mehr als gespannt.

Zwei Jahre Possblthings Records

In dieser Woche feiert der Possblthings-Plattenladen sein 2-jähriges Bestehen – mit Discounts und einem Video.

Im Sommer 2014 öffnete der Possblthings Record Store plötzlich, kurz nach der ebenso plötzlichen Schließung des Kann Records-Plattenladens. Und trotz des zugespitzten Programms scheint es nach wie vor zu funktionieren, einen Plattenladen für elektronische Musik in Leipzig zu betreiben. Eine erfreuliche Nachricht.

Zum kleinen Jubiläum kommt der Betreiber Steffen alias Demian in einem kurzen Video selbst zu Wort. Das Lustige: Eigentlich war etwas anderes geplant, als einen Plattenladen zu eröffnen. Schade, dass es so abrupt endet – da gäbe es sicher noch mehr zu erzählen. Aber am Ende eben auch nicht, wie es Demians Schlusswort klar macht. Übrigens hat Demian eben auch eine eigene Platte bei Mikrodisko veröffentlicht, die ihr nicht verpassen solltet.

Verpassen solltet ihr auch nicht die Sales Week, die am morgigen Mittwoch startet und jedem musikalischen Bereich, der im Possblthings eine Rolle spielt einen eigenen Tag widmet. Dazu gibt es passend Instore-Sessions mit befreundeten DJs sowie 20% Rabatt auf jede 12″-EP aus dem jeweiligen Bereich. Generell gilt aber bis kommenden Samstag: 15% auf jede 12″-EP und 10% auf jede LP.

Samstagabend wird es dann noch eine Party geben in Connewitz. Ab 22 Uhr spielen Steffen (Possblthings), TNRG (outer space/possbl) und die Flyby Crew.

Various Artists „Van Doumen 02“ (Doumen)

Oh, fast drei Jahre liegt die erste Van Doumen-EP zurück. Gut, dass es die Reihe noch gibt.

Vor wenigen Tagen ist endlich eine weitere Compilation von Doumen herausgekommen, bei der sich verschiedene Remixer durch den Back-Katalog von Doumen remixen können – das gesamte Repertoire steht den ausgewählten Künstlern dabei zur freien Verfügung.

Das ist insofern nach wie vor ein toller Ansatz, weil nicht einfach nur ein Track in eine neue Richtung geschoben wird, sondern bestenfalls mehrere verschiedene Stücke zu neuen verschmelzen. In den Feinheiten kann ich die Uressenzen zwar gar nicht immer auseinanderhalten, aber die Idee dahinter mag ich sehr. Auch anhand der Track-Titel lassen sich keine Rückschlüsse ziehen.

Ausgewählt für diese zweite Van Doumem-Spielerei wurden Leipzigs Leibniz, der Beatmaker-Held Ras G aus Los Angeles, der Studio Barnhus-Mitbegründer Kornél Kovács sowie dem wunderbaren New Yorker Eklektiker Photay – letzterer mit gleich zwei Versionen, die sich unbeschwert zwischen House und Electronica austoben, immer wieder erwartete Dramaturgien brechen und nach einem gedrosselten Start zu breakigen House-Perlen mutieren. Inklusive einer entwaffnenden Fröhlichkeit, die an manche Micronaut-Stücke erinnern.

Kornél Kovács ist der einzige, der sich ganz auf House konzentriert. Natürlich in seiner eher speziellen Weise, bei der die Sounds auch mal dissonant abtriften können und bei der ein buntes Sample-Gerassel die immer mitspielende Ironie von Doumen aufgreift.

Atmosphärisch dunkler und gedehnter klingen hingegen die Versionen von Leibniz und Ras G & The Africa Program: Große Entschleunigung mit warmen Bassfundamenten. Leibniz kommt hier sehr gut karg, mit runtergepitchter Trap-Erdung, Ras G zelebriert seinen eigenen, kosmisch schwingenden Trip mit dem Pop-Appeal von Praezisa Rapid 3000s „+997 Landline“ mit der japanischen Sängerin Cuushe. Tolle Platte.

Talk Talk – Wie man das Berghain-Closing spielt – Vincent Neumann

Bevor demnächst unser erstes Video-Feature kommt, haben wir uns spontan eine neue Reihe ausgedacht: Talk Talk – unser Interview-Podcast.

Kathi hatte die Idee. Klar, als Sputnik-Moderatorin hat sie regelmäßig mit Interviews zu tun. Und auch ich hab durchaus Lust darauf, Interviews mal nicht abzutippen, sondern als Tondokument stehen zu lassen. Wir werden uns also reinteilen.

Unsere Talk Talk-Reihe soll sich immer mit einem, durchaus universelleren oder unterhaltsameren Thema beschäftigen, die Antworten kommen von einem Experten bzw. einer Expertin dazu. Alles nicht länger als 25 Minuten.

Für den Start haben wir Distillery-Resident Vincent Neumann gefragt, wie es sich eigentlich anfühlt das Berghain-Closing zu spielen. Anfang Juni wurde er dazu eingeladen und spielte zehn Stunden lang. Hört selbst und sagt uns, wie ihr es findet.

Der Intro-Track der Reihe kommt übrigens von unserem Christoph alias Kid Kozmoe.

V.A. „Various Artists Pt. 2“ (Esoulate Music)

Es war stiller um Esoulate Music in diesem Jahr – und so ist diese Mini-Compilation hier der erste Release in 2016.

Mit einigen neuen Namen. Besonders viel versprechend: Marvin Böttcher, ein Leipziger, der bei Facebook noch nicht volljährig aussieht, hier mit „Tadra“ aber einen unglaublich reifen, ebenso reduziert wie deepen House-Track beiträgt. Super aufgeräumt, auf wenige Elemente und Chords konzentriert, mit einer leichten Schwere beladen – was für ein Debüt.

Aus Kanada ist das Trio Repair dabei – mit seinem schwerelos gleitenden, übersmoothen „The Planetary Pull“. Ob Astronauten solche Musik gern als Soundtrack für ihre Reisen im All hätten? Ich könnte es mir gut da vorstellen.

Bei Paul Rewinds „Aeon“ zieht dann ein dunklerer Schauer durch. Dubbig, rauschend am Anfang, flirrend und treibend ab der Hälfte dann. Auch Weltraum, aber in einer hektischeren, vielleicht auch etwas unkontrollierten Phase. Aber die klingt sehr anziehend. Mit seinem Oroboros-Label hatten wir schon einmal über Paul Rewind berichtet.

Zwei andere House-Nuancen gibt es schließlich mit den A Friend In Need-Betreibern Lootbeg & Nova Casa sowie Axel Thoma & Efka unter dem neuen Alias Rintintin. Ersteres Duo lotet die soul-getränkte und klassische Seite aus, letzteres spielt mit einer dezent humoristischen Note. Insgesamt eine angenehm mehrschichtige House-Compilation.

Various Artists „Avocado Dreams“ (Kann Records)

Es ist ein gutes Kann Records-Jahr bisher. Mit mutigen Platten und nun auch mit vier „Avocado Dreams“.

So heißt die neue Mini-Compilation, die mit einer erfreulichen Überraschung kommt: die Leipzigerin Mary Yalex ist mit einem Track dabei. Erstmals abseits ihres eigenen Labels und nur wenige Wochen, nachdem wir sie vorgestellt haben und ihren Sound tatsächlich in der Nähe von Kann Records verorteten.

Zu dem Zeitpunkt dürfte aber bereits klar gewesen sein, dass „Bellflowers + Unicorn“ auf der Compilation unterkommt. Und die vielen verspielten Sounds mit all den mikroskopischen Details und der harmonischen Tiefe bewegt mich noch immer sehr. Erst recht in dem sehr passenden Kann Records-Kontext.

Eine Neuentdeckung ist der in Köln lebende Matt Karmil, der in den letzten drei Jahren unglaublich produktiv gewesen sein muss: Drei Alben und mehrere EPs veröffentlichte er und beim schnellen Durchskippen ist da eine große Faszination für ungeschliffene, ungerade und ruhige House- und Electronica-Tracks zu erahnen. Sein Beitrag „Love Letter“ ist ebenfalls ein hintergründig puckernder, zurückgelehnter House-Track mit Vinyl-Rauschen und einem runtergepitchtem Vocal-Loop.

Sein Stück bildet den ruhigen Ausklang von „Avocado Dreams“, während Giegling-Held Leafar Legov in sehnsüchtiger und perkussiver House-Deepness schwelgt und Kann-Mitbetreiber Bender sich langsam in hymnischen Ambient-Techno hochschraubt. Da werden bei beiden weite Assoziationsräume ausgelotet. Bestes Kann-Programm.

Natalie Luengo „Reframe“ (Stoltera Records)

Neues von Natalie Luengo – eine 3-Track-EP auf einem jungen Rostocker Label.

Im letzten Winter hatte Natalie Luengo in Eigenregie ihr Album „Glow“ veröffentlicht, das mich durchaus überzeugte. Überraschenderweise, denn meist ist mir ihr Sound zu aufgeladen und plastisch. Ihre Bassdrums und Basslines, um genauer zu sein.

Denn bei den Harmonien und Synth-Verflechtungen gibt es viele gute Momente. Hin zu einem dicht verwobenen, melancholisch einfärbten Deep House und einer gewissen Ambient-Weite. Leider kommt das aber auf der „Reframe“-EP wieder unter die Räder der mir zu plump stampfenden Bassdrums.

Schade: gerade der Titel-Track „Reframe“ ist so deep verdichtet und nimmt sich in der Mitte Zeit für einen langen, ungerade zurückkehrenden Break. Und auch „Void“ lässt sich eigentlich in die Tiefen der Dub-Techno-Wolken fallen.