Sven Tasnadi „Balanced EP“ (20/20 Vision)

Ein Jahr nach seinem Debüt beim britischen Label 20/20 Vision bringt Sven Tasnadi eine weitere EP dort heraus.

Irgendwie herrscht gerade eine unangenehme Stagnation in Sven Tasnadis Sound. Da gibt es einen cleanen Tech House-Beat und darüber werden scheinbar wahllos irgendwelche Töne und Vocal-Samples geschoben, fertig. Je nach Färbung klingt das dann ravig, albern oder einfach belanglos. Das ist alles äußerst schade, konnte Sven Tasnadi doch einst mit einem sehr vielseitigen House-Sound überzeugen.

Die vier neuen Tracks auf 20/20 Vision liefern aus musikalischer Sicht lediglich eine weitere Randnotiz in Tasnadis Diskografie. „Different Times“ ist der einzige Ausreißer mit etwas mehr dramaturgischer Tiefe und Deepness – zumindest bis zum Break in der Mitte.

Am Ende ist der EP-Titel das einzig Stimmige – hier ist alles ausbalanciert im Sinne schaler Funktionsmusik.

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Rückblick auf zwei Moon Harbour-Monate

Moon Harbour unterstützte zuletzt den Nachwuchs mit Jey Kurmis und einer neuen Compilationreihe. Aber nicht nur das – auch ein Wiederhören mit DJ T. gab es.

Der zweite Release von Moon Harbour im Jahr 2016 stammt von einem Produzenten, dessen Name mir bisher nicht untergekommen ist. Jey Kurmis ist ein junger Brite, der optisch mit seinen langen blonden Haaren und dem Sechs-Tage-Bart wie ein Charakter aus Game Of Thrones wirkt und musikalisch nach Tech House klingt.

Auf seiner Facebook-Seite finden sich derzeit zahlreiche neue Releases von ihm, die er zum Beispiel auf dem Londoner Label Hot Creations, auf dem spanischen Label Wow! und zuletzt auf Moon Harbour veröffentlicht hat.

Seine „Refresh EP“ für das Leipziger Label ist ein klassischer Tech House-Release mit drei Tracks, die nach Peaktime klingen. So richtig fresh sind sie dennoch nicht. Beim Titel-Track, den Jey Kurmis zusammen mit Nukov & Yelmet aus Belgien produziert hat, sind weder die Vocals noch der Aufbau des Tracks besonders innovativ.

„Refresh“ klingt kalkuliert, als hätte Jey Kurmis ihn extra für Glücksmomente in der Panorama-Bar konzipiert, in denen die Jalousien kurz aufgehen und das Publikum euphorisch aufschreit. Was fehlt sind Momente, die aus dem Rahmen fallen – etwas, das einen Track speziell und tiefsinnig macht. Jey Kurmis EP klingt eher nach einem Versuch, House-Musik zu produzieren, die funktioniert. „Refresh“ ist für mich eher ein Fastfood-Housetrack, als ein wirklich kreatives Werk.

Ein Wiederhören gab es mit DJ T. – nach seiner letzten Moon Harbour-EP im letzten Sommer. Und er ist sich nicht zu schade, in seinen eigenen DJ-Charts für März auf Resident Advisor gleich zwei eigene Nummern in den Top 5 zu platzieren.

Auf Platz 5 ist sein neuer Release auf Moon Harbour – die „Music Is Therapy“-EP. Der titelgebende Track ist ebenfalls eine Tech House-Nummer, ebenso mit Vocals versehen. Im Gegensatz zur EP von Jey Kurmis wirkt „Music Is Therapy“ aber vielschichtiger und durchdachter.

Vor allem der zweite Track „Our House“ ist wunderbar leicht, ohne dabei zu oberflächlich oder blumig zu sein. Ein schöner Track für die kommende Open Air-Saison, der einfach bockt. Der dritte und letzte Track „You And Me“ mit Joe Le Groove fällt im Gegensatz zu den ersten beiden in Sachen Kreativität etwas ab, ist aber solide.

Äußerst passend zu den ersten verheißungsvollen Sonnenstrahlen Ende März hat Moon Harbour zuletzt die Mini-Label-Compilation „Orbiter 1“ veröffentlicht. Mit der „Orbiter“ startet das Label eine neue Compilationreihe, die Newcomer neben bereits etablierte Label-Acts stellen soll.

Die erste Ausgabe fügt sich dabei dem typischen techhousigen Moon Harbour-Sound und alle vier Tracks versprechen einen fluffigen und tanzbaren Frühling. Vier Tracks verschiedener Produzenten sind hier zu hören, neu dabei im Moon Harbour-Kosmos ist das bosnisch-niederländische Duo Zlatnichi & Joey Daniel.

Das Highlight auf der EP kommt aber von Andrea Oliva, der auf dem Leipziger Label bereits einen Track und Remix veröffentlichte. „Whasa Whasa“ lässt mit Trommeln und fröhlichen Vocals die Vorfreude auf die Open Air-Saison wachsen. Dass die Nummer so leichtfüßig klingt, dürfte kein Zufall sein, denn Andrea Oliva gehört zu den Residents des Ushuaïa auf Ibiza und ist zudem bei Lucianos Label Cadenza Music zu Hause.

Zlatnichi aus Sarajevo und Joey Daniel aus Rotterdam stellen sich auf der „Orbiter 1“ neu bei Moon Harbour vor. Ihr beigesteuerter Track „Is That Jackson“ kommt zwar erst nach einigen Minuten so richtig in Fahrt, überrascht dann aber durch seine Live-Atmosphäre, die klingt als sei der Track auf einem Gig der beiden aufgenommen worden.

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Neues Label – Sign Bit Zero

Jetzt wird es dark – Sign Bit Zero bringt einen Post Punk- und Dark Wave-Vibe auf den Dancefloor. Label-Gründer Kilian Krings erklärt, was er vorhat.

Und wieder formt sich in Leipzig aus einer Party-Reihe ein neues Label. In der jüngeren Vergangenheit passierte dies bereits öfter: Pneuma-dorBoundless Beatz, Bassmæssage, Lunatic, Blackred oder Zwischenwelten wagten sich irgendwann mit eigenen Residents und bei Partys geknüpften Kontakten auch an das Veröffentlichen von Musik.

Bei Sign Bit Zero war es ganz ähnlich. Allerdings bringt das Label einen bisher in Leipzig wenig beachteten Sound heraus, der die House- und Techno-Kultur mit Post Punk, Eighties Wave, Industrial und Dark Wave verbindet. Viel im Edit-Format, bei dem mehr oder weniger alte und bekannte Songs behutsam in Dance-Tracks übertragen werden.

Als DJ brachte Kilian Krings diese Mixtur in den vergangenen Jahren mehrfach in Clubs wie das Institut fuer Zukunft, Goldhorn, Dr. Seltsam und Blaue Perle. Nun also auch auf Vinyl – zusammen mit Alza54 von Modern Trips, der die Gestaltung der Sign Bit Zero-Cover übernimmt.

Für die erste Platte widmete sich der Stuttgarter Mick Wills dem Song „Center“ der kalifornischen Wave- und Post Punk-Band Ale Mania und stretchte ihn in zwei Versionen mit geraderem Fokus und neuen Elementen für den Dancefloor. Heraus kommen zwei wehmütig-schleppende, analog schillernde Wave-Hymnen.

So episch wird es nicht immer bleiben – die nächsten beiden geplanten Platten werden einen durchaus scharfkantigen, experimentellen und obskuren Sound hervorbringen. Eine sehr viel versprechende Rückbesinnung und Bereicherung der Leipziger Elektronik-Szene. Wir wollten noch mehr wissen und baten Kilian Krings um ein Interview. Here we go:

Bisher hast du Sign Bit Zero-Partys organisiert. Wie kam die Label-Idee?

Die Idee, Sign Bit Zero als Plattenlabel ins Leben zu rufen, hatte ich im Dezember 2014 als Silvester kurz vor der Türe stand. Wie jedes Jahr im Dezember dachte ich kurz darüber nach, ob es irgendwelche interessanten Vorsätze gäbe, welche man sich für 2015 vornehmen könnte.

Dabei gingen mir die Standards, wie mit dem Rauchen aufzuhören, oder öfters an die Uni zu gehen kurz durch den Kopf, wurden dann aber als „Bullshit, den ich eh nicht einhalten würde“ schnell wieder verworfen.

Eine Idee, die mir jedoch immer wieder durch den Kopf ging, kam dann im Zuge dieses inneren Monologs nochmals hoch und mir war klar, dass ich ein Label gründen möchte. Daraufhin hatte ich mit Lukas Mehling, dem Grafiker von Sign Bit Zero, geredet und er fand die Idee ebenfalls gut.

Zudem hatten wir mit dem Partys schon eine geeignete Plattform geschaffen und auch Kontakte und Beziehungen zu diversen Künstlern aufbauen können, wodurch ein einfacher Start als Label möglich wurde.

Musikalisch wird es dark, rau und obskur – was hat dich musikalisch geprägt?

Musikalisch geprägt hat mich besonders das Verlangen nach einem „neuen“ Sound für die Clubs. Nach ein paar Jahren mit House und Techno hatte ich einfach auch keine Lust mehr auf diesen Sound und befand mich auf der Suche nach etwas anderem. So habe ich dann letztendlich über die elekronische Musik wieder zu dem Sound, der mich in meiner Jugend geprägt hatte, zurückgefunden – dem Punkrock und Postpunk, was ja die Wurzeln des Label-Sounds sind.

Des Weiteren inspirieren und prägen mich momentan Künstler und Bands wie Esplendor Geometrico, Beau Wanzer, Ruud Kluivers, Beats per Minute, Maoupa Mazzocchetti, Musumeci, Deutsche Wertarbeit, Mania D, Kriminal Tanzkapelle, Portion Control, und und und …Was reizt dich an dem postpunk-beeinflussten Sound besonders – auch im Gegensatz zu klassischem Techno und House?

Vor allem die provokante Attitude. Besonders interessant finde ich auch, dass in der Musik Themen behandelt werden, die zeigen, dass eben nicht alles schön und harmonisch ist. Gängige Themen sind dann unter anderem Krieg, unsere Gesellschaft, Liebe, Tod und auch oftmals das eigene Empfinden, die eigenen Probleme, was dann oft eine sehr persönliche Beziehung zwischen den Künstlern und ihrerer Musik darstellt.

Außerdem besteht bei der Musik kein kommerzielles Interesse, sondern die Leute machen einfach, was ihnen gefällt. Egal ob es sich verkauft oder die Leute es mögen. Deswegen finde ich, dass es sehr authentische Musik ist.

Für welche Artists wird Sign Bit Zero eine erste Plattform sein?

Bisher wird Sign Bit Zero lediglich für mich eine erste Plattform sein, aber wir fangen ja gerade erst damit an, deswegen wird sich das sicherlich auch noch ändern. Die anderen Künstler, mit denen wir zusammenarbeiten, haben schon auf diversen anderen Labels releast.

Es wird viele Edits geben – warum und wie wählst du die Originale aus?

Das stimmt, die ersten drei Releases sind mit Ausnahme von zwei Tracks bei der 003 ausschließlich Edits. Wir haben uns dazu entschieden, da wir Musik, die eigentlich nicht für den Club-Kontext bestimmt war oder ist, an die Leute herantragen und auch für DJs spielbar bzw. spielbarer machen wollen.

Denn was die Produktion, das Arrangement und auch leider das Speichermedium – in unserem Falle oftmals schlechte Tapes – der meisten originalen Tracks anbelangt, bedarf es meistens einer Nachbearbeitung. Die meisten Künstler, die auf Sign Bit Zero Edits releasen sind shon seit mehreren Jahren dabei und haben eine dementprechend große Sammlung an Platten oder Tapes. Wir nehmen dann einfach die Tracks, die uns am besten gefallen und zum Label passen.

Wie machst du das: Nimmst du Kontakt mit den Bands und Labels auf, um an die Spuren heranzukommen oder können Edits einfach so angefertigt werden? Auch urheberrechtlich ist das bestimmt eine Frage.

Die kann man einfach so anfertigen. Solange sie ausschließlich für den privaten Gebraucht bestimmt sind, ist da rechtlich nichts zu beanstanden. Wenn es jedoch ums veröffentlichen geht, benötigt man die Rechte der Künstler und der Labels, falls der entsprechende Track vorher schonmal veröffentlicht wurde. Da die Szene jedoch recht überschaubar ist, tritt man mit den Künstlern leicht in Kontakt und bekommt dort schnell auch positives Feedback.

Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist mein Edit von S.M. Nurse „Heimwerker“. Als ich den Edit fertig gemacht hatte, hatten Freunde von mir aus Amsterdam den Edit S.M. Nurse gezeigt und mich mit denen in Kontakt gebracht. Menko von S.M. Nurse fand ihn dann so gut, dass er die Rechte schnell mit Domestica Records geklärt hatte, sodass wir ihn jetzt bald veröffentlichen können.Ich war in Mathe immer eine Null. Was hat es mit der Signed Zero und Gleitkommazahlendarstellung auf sich? Ist das ein rein mathematisches Ding oder sind Ableitungen auf lebensnahe Dinge möglich?

Haha, das ist so eine Sache mit dem Namen … Ich habe selber etwas Zeit gebraucht, um das zu verstehen. Der Begriff kommt von meinem Mitbewohner und guten Freund Torben Jäckel, der Informatik studiert.

Kurz gefasst: Sign Bit gibt lediglich an, ob eine Zahl in der Informatik einen positiven oder negativen Wert annimmt. Das bedeutet: Sobald eine Null an erster Stelle steht, ist der Wert der Zahl positiv und umgekehrt bei einer Eins dann negtativ.

Der Bezug zur „normalen“ Welt besteht darin, dass diese Methode in den meisten Drummachines und Synthesizern verwendet wurde, die auch den Sound unseres Labels prägen. Um ein Paar Beispiele zu nennen: Roland TR707, Kawai R100 oder Roland Juno 60.

Des Weiteren passt zu unseren Namen Sign Bit Zero, dass die Musik, die wir releases ihren Höhepunkt hatte, als Computer und die Digitaltechnik gerade neu waren und ein technischer Umbruch stattfand, welcher dann massiv die gesellschaftliche und künstlerische Entwicklung beeinflusst hatte.

Was ist für nächsten Monate geplant?

Für die nächsten Monate ist einiges geplant, wir arbeiten gerade an folgenden Sachen: Am 15. April wird Sign Bit Zero in der Galerie Echobuecher in Berlin ausgestellt und dort werden auch die Releases SBZ002 mit Edits von Wosto und mir sowie die SBZ003 mit Murray CY-Edits zum ersten Mal zu hören sein.

Einen Tag später startet unsere Collaboration mit dem Label Contort Yourself aus Glasgow und Ohne Ziel. Wir haben dafür ein 24-stündiges Line-up in der Berliner Griessmuehle mit DJs zusammengestellt, die für ihre Sets im Bereich Industrial, Wave und Obscure Electronics bekannt sind. Eine Woche später findet dann noch eine Sign Bit Zero-Labelnight in Leipzig statt, dafür haben wir Alessandro Adriani von Mannequin Records gebucht.

Des weiteren arbeiten wir gerade noch an einer neuen Reihe, bei der wir originale Alben und EPs wiederveröffentlichen. Hierbei geht es darum, dass alles – auch das Design original belassen wird. Im Gegensatz zu den anderen Releases ist uns hier nicht wichtig, ob die Sachen in den Club- Kontext passen oder nicht. Musikalisch soll es exzentrischer werden – zu erwarten sind Punkrock, Free Jazz, Art Rock, Industrial und NDW.

Laurence Guy „Thinking Of You“ (Rose Records)

Schön sporadisch kommt eine neue Rose Records-Platte heraus. Zuletzt mit einem Londoner Gast.

Beim Blick auf die Diskografie fiel mir auf, dass auch Rose Records 2016 sein 5-jähriges Bestehen feiern kann – nicht nur Resistant Mindz und O*RS. 2011 war rückblickend ein wichtiges Jahr für die Leipziger Elektronik-Szene.

Bei Rose Records hat sich in der Zeit enorm viel getan. Mit nur einer Handvoll Platten erspielten sich M.ono, Luvless und Martin Hayes eine internationale Fanbase und zogen eine Menge Aufmerksamkeit von anderen Labels auf sich. Seit dem letzten Sommer ist Rose Records nicht mehr nur die Plattform für eigene Tracks der Label-Betreiber, sondern auch für Freunde des Hauses.

Junktion läutete diese neue Phase ein, Laurence Guy knüpft daran an. Der Londoner ist noch relativ neu dabei, scheint aber ein paar entscheidende Platten veröffentlicht zu haben. Rose Records ist glücklich und glücklich klingen auch die beiden Tracks von Laurence Guy.

Classic Deep House mit feinsinnig eingearbeiteten Soul- und Disco-Essenzen, warm umarmenden Streichern und einem hintergründigen Synth- und Klavier-Taumeln. Das klingt auf sehr gute Weise alles eine Spur gedehnter, hypnotischer und losgelöster als sonst bei Rose Records – und kriegt mich komischerweise auch mehr als bisher. Ein guter Neuzugang.

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Video – Radiolux „Funken“

Das Avantgarde-Ambient-Trio Radiolux hat ein neues Video – quasi als Oster-Gimmick.

„Funken“ heißt das neue Radiolux-Stück, das Inka Perl mit ihren charakteristischen Live-Animationen aus verschiedensten Gegenständen visualisiert. Dabei wechseln sich in den knapp vier Minuten kaleidoskopartig unzählige Collagen und Arrangements ab, die einzeln betrachtet abstrakt zusammengesetzte Stillleben ergeben.

Musikalisch bleibt „Funken“ im bisherigen Radiolux-Rahmen aus freiem Saxofon- und Klavierspiel und eingebetteter Elektronik von Marek Brandt alias TriPhaze. In unserer Ambient Week hatten wir das Trio näher vorgestellt.

IIx „Still EP“ (Break The Surface)

Das erste Release auf Break The Surface im Jahr 2016 ist eine Überraschung: Nachdem das Label wieder verstärkt den Fokus auf Drum & Bass statt auf Techno und House legte, wird bei der „Still EP“ fast gänzlich auf Beats verzichtet. Eigentlich konsequent, denn damit können DJs selbst entscheiden, mit welchen Patterns die Sounds kombiniert werden.

Dennoch bleibt hier wohl laut Promo-Text Drum & Bass die Grundlage. IIx subtrahiert auf den sieben Tracks einfach die Drums, wodurch das restliche Arrangement stehen bleibt. Heraus kommt, was auf Soundcloud augenzwinkernd mit „Powerambient“ getaggt ist und erstaunlich gut funktioniert. Vor allem zurückhaltendere Stücke wie „Toothless“, „170 Pussy111“ und „651“ ziehen mich in den Bann. Gleichzeitig zeigen Stücke wie „Silver“ und „Broken“ auch, wieviel Bombast und Pathos im Drum & Bass stecken kann.

Aber wer ist überhaupt IIx? Hinter diesem Pseudonym steckt MZE, der bereits auf einigen Veröffentlichung von Alphacut mitgewirkt hat. Und ja, die schroffe, kantige Seite seines Sound fehlt ohne die Drums komplett.

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MZE / IIx Soundcloud
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Simon12345 & The Lazer Twins „Cheveux Propres, Cheveux Gras“ (Holger Records)

Es ist schon ein paar Tage her, aber es gibt eine neue EP von Holger Records – und ein Wiederhören mit Simon12345 & The Lazer Twins.

Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, wann es zu einem Team-up von Holger Records und Doumen kommen würde. Beide Labels scheren sich wenig um Konventionen und hauen in sporadischer Weise großartig abseitige bis hypnotisch-einnehmende Musik heraus. Mit der „Cheveux Propres, Cheveux Gras“-EP von Simon12345 & The Lazer Twins, einem Teil von Praezisa Rapid 3000 wird nun neu gebündelt.

Auch aus Artist-Sicht: Vor etwas mehr als drei Jahren klang Simon12345 & The Lazer Twins noch weitaus breakiger, verschobener, wehmütiger und von warmen Bässen durchflutet. 2016 sind die Rhythmen sehr viel klarer und gerader. Mit drei kargen und scheppernden Tracks wagt sich Simon12345 & The Lazer Twins an einen eigenwilligen House-Ansatz, der nach einem verrauchten, nicht sonderlich gemütlichen Bandproberaum klingt.

Einfach alles roh belassen, eine gewisse derbe und rockistische Plumpheit in Kauf nehmen und damit den House-Floor abbrennen. Es gelingt Simon12345 & The Lazer Twins äußerst gut, besonders weil er mit „Root“, „Flöte in n-Dur“ und „Atomic Bomb Dome“ drei Electronica-Skizzen gegenüberstellt. Ästhetisch ähnlich minimalistisch und ungeschliffen, nur etwas poetischer. Eine tolle Symbiose zwei der spannendsten Leipziger Labels.

Gute Ergänzung: das Interview bei The Formant.

Übrigens: Da ist uns im letzten Herbst tatsächlich die letzte Doumen-EP abhanden gekommen. Das Hamburger Duo On+Brr brachte darauf sieben weitere Episoden seiner weirden Mischung aus sperriger Elektronik und in nordseetief intoniertem Bariton vorgetragener Lyrik heraus.

Was für eine merkwürdige, archaische Musik, mit einem großen Hang zur Kunstperformance.

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„EXPEDITion“ mit Smog & Dude26

Erst kürzlich hat das neue Label Pattern // Select ein wunderbares Beat-Tape mit lokalen und internationalen Künstlern veröffentlicht. Aus Leipzig ist dort unter anderem auch Smog vertreten, dessen Debüt-Album aber bereits im Herbst 2015 herauskam: Das mir bis dato völlig unbekannte Label und Mailorder Vinyldigital veröffentlichte „Nights“ im Rahmen der „EXPEDITion“-Reihe, bei der mit jeder Ausgabe ein Beatmaker vorgestellt wird. Neben der vierten Ausgabe von Smog gibt es ganz frisch auch die Nummer acht vom ebenfalls in Leipzig ansässigen Dude26. Wie man sieht, sind die lokalen Beatmaker gut vernetzt und fleißig.

Ganze 22 Jazz- und Funk-beeinflusste Beats schüttelt Smog für „EXPEDITion Vol. 4: Nights“ aus dem Ärmel. Passend zum Name der Platte ist die Stimmung der Musik eher ruhig und fängt nächtliche Stimmungen ein. Das Feature mit Sarah Su deutet an, dass seine Instrumentals durchaus auch ihren Zweck für Hip Hop- oder Soul-Produktionen erfüllen. Und ja, zu „Sunrise“ kann man morgens prima aus dem Bett hopsen.

Ähnlich entspannt kommt auch „EXPEDITion Vol. 8: Yellow Dolphin“ von Dude26 daher. Ebenfalls aus allerlei knisternden Samples bestehende Beats in klassischer Boom-Bap-Manier erwarten uns hier. Teilweise verhallter als bei Smog erzeugen sie einen ähnlichen Flow. Womöglich wurden die Beats hier zweitverwertet, ist Dude26 ansonsten Hausproduzent bei Daily Concept.

In geballter Form angehört stellt sich mir die Frage, warum hier nicht öfter aus dem klassischen, schon fast konservativen Beat-Schema ausgebrochen wird. Gleichzeitig ist wiederum auch schön, dass in Angesicht des Trap-Mainstreams eine ganze Reihe von Producern die Kunst in Ehren halten, aus staubigen Platten die besten Samples zu filtern.

Und wenn wir schon dabei sind, quasi als Bonus: Dude26 hat letztes Jahr in der Reihe „Keats“ den sich zwar wandelnden, aber immer noch rauhen Charme von Lindenau musikalisch festgehalten.

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Dude26 Soundcloud

Clubperlen bei MDR Sputnik

frohfroh-Autorin Kathi Groll moderiert ja hauptberuflich bei MDR Sputnik – dort startet sie heute eine neue Sendung für elektronische Musik.

Abseits der freien Radios ist die regionale Radiolandschaft aus subkultureller Perspektive ja ein ziemliches Wasteland. Bei MDR Sputnik wird es heute ab 23 Uhr aber interessant. Dann startet die Pilot-Folge von „Clubperlen“, einem neuen Spartenformat, das Kathi Groll aus Liebe zu House und Techno entwickelt hat und bestenfalls künftig regelmäßig laufen wird. Mit handverlesenen Tracks, die sonst kaum im Formatradio zu hören sind – und mit Interviews sowie inhaltlich passenden Hintergrundthemen.

Für den Start heute hat sie Schlepp Geist zu Gast und Features zu Markus Masuhr und Blac Kolor. Also, ab 23 Uhr Radio (104,4 MHz) oder den Live-Stream einschalten.

UPDATE UPDATE #1

Die Pilot-Sendung ist nun auch als Download nachzuhören.

UPDATE UPDATE #2

Es ist soweit: Die „Clubperlen“-Sendung geht ab jeden vierten Mittwoch des Monats ab 22 Uhr auf Sendung. Glückwunsch, Kathi!

Dreadmaul „Curse Of The Jujuman“ (Boundless Beatz)

Auch abseits der geraden Beats gibt es Neuigkeiten im ersten Quartal 2016: Boundless Beatz legt eine weitere EP vor.

Die vierte EP auf Boundless Beatz ist zugleich die zweite EP von Dreadmaul. Schon der Name „Curse Of The Jujuman“ weist auf die cinematische Qualität seiner Tracks hin. Während der bombastische Voodo-Halfstep von „Ayahuasca“, „Chaos Theory“ und „Tusk“ als Untermalung für eine düstere Indiana Jones-Version durchgehen, packt „Destroyer Of The Worlds“ schwergewichtige Amen-Breaks aus und zielt – nun ja – tatsächlich auf Zerstörung ab. Zum Glück nur auf dem Dancefloor.

In den richtigen Händen sind solche Tracks echte Waffen. Für meine Ohren sehr erfreulich ist auch die rhythmische Abwechslung in den Tracks von Dreadmaul, welche auch Parallelen zu Alphacut und [kju:bi] aufweist, aber dennoch eine deutlich direktere und ravigere Form annimmt. Thematisch wirkt die ultra-düstere Atmosphäre im Drum & Bass manchmal etwas klischeehaft. Aber das mindert keineswegs den Spaß an der Sache.

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Sonnenstadt „Rising Tides“ (Airdrop Records)

Leipzig ist nicht unbedingt die Downbeat-Stadt. Umso überraschender wirkt da Sonnenstadt mit seiner ersten EP.

Es steckt kein Newcomer hinter Sonnenstadt, sondern Zacharias Bähring. Im letzten Dezember brachte er seinen eher bekannten, sanftmütigen Deep House auf Albumlänge heraus. Doch da geht noch mehr. Mit Sonnenstadt überzeugte er das in Berlin und New York beheimatete Label Airdrop Records, das vor acht Jahren ebenfalls Soul Clap entdeckte.

Die atmosphärische Sanftheit prägt auch die vier Sonnenstadt-Tracks, allerdings noch einmal viel weiter ausholend und mit großer emotionaler Hingabe. Klar, da schwingt etwas New Age-Kitsch mit in den überweichen Streicherflächen und den Ambient-Synths. Doch die grundoffene, weichgezeichnete Stimmung der Stücke hat durchaus eine anziehende Kraft.

Besonders bei dem krautig-epischen, scheinbar in der Luft stehenden „A Million Lights In Me“ und dem langsam gleitenden „Rising Tides“. Etwas behäbiger dagegen „Sunrise in 68Hz“ mit seinem Rock-Schlagzeug und der Gitarre. Doch insgesamt ist diese EP ein erfrischend unbeschwerter Ausflug in eine momentan eher unterrepräsentierte Downbeat-Welt – sowohl global als auch lokal.

Parallel zur „Rising Tides“-EP kam auch eine Remix-EP mit drei Neuinterpretationen der Sonnenstadt-Tracks. Und die sind eine weitere positive Überraschung, denn sie übertragen die Originale nicht wie so oft auf den Dancefloor, sondern eröffnen ein eigenes, deutlich experimentelles Feld.

Mit scharfen Cut-ups, breakig-tighten Beats und einer deutlich düsteren Grundstimmung. Afrikan Sciences Remix und der eines ungenannten Duos stechen hier besonders hervor. Super Ergänzung und Gesamtpaket.

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Various Artists „Resistant Mindz Forecast 2016“ (Resistant Mindz)

Wie die Zeit vergeht: Nicht nur O*RS feiert fünf Jahre Label-Betrieb, auch Resistant Mindz wird dieses Jahr eine halbe Dekade alt. Zu diesem Anlass wird es eine ganze Reihe neuer Releases geben, welche nun mit der digitalen Compilation „Resistant Mindz Forecast 2016“ angeteast werden.

Gleich vorweg: Das wird bestimmt ein spannendes Jahr! Wie auch schon mit der „Jamuary“-EP angedeutet, wird sich das Label neben dem Beatmakertum auch verstärkt dem klassischen Funk widmen. So richtig mit echten Instrumenten gespielt und so. Hört man die Compilation, merkt man sofort, wie gut beide Welten zusammenpassen.

Aber klassischer HipHop sind die Beats auf Resistant Mindz auch gar nicht. Mit „Hold you close“ beginnt Duktus das Album sehr verspielt und pitcht munter Vocal-Fetzen die Klaviatur hoch und runter. Chris Medleigh und Daniel Wedekind hauen uns als Xcluding the Shapes mit „What … ?“ sommerlichen Soul mit Hit-Potential um die Ohren.

Und dann wird der Funk zelebriert: „Shove it in my mouth“ von den The Nylon Brothers ist ein so unverschämt funkiges Disco-Stück inklusive Vocoder, Flöte und dirty Gay-Porn-Lyrics, dass man sich beim Hören im falschen Jahrzehnt am falschen Ort wähnt. Gleich danach schließen sich die mir nicht bekannten Timberrabbit and Metaldog mit „Plain Tricks“ an, eine instrumentale Jazz-Funk-Nummer, die genauso von einem Blaxploitation-Soundtrack stammen könnte. Fett!

Näher am Soul wiederum My trippin Mojo mit „Star Babe“. Erstaunlich, wie stark das tatsächlich nach alten Motown- oder Stax-Platten klingt. Aber wie wir seit dem großen frohfroh-Interview wissen, stecken auch echte Studio-Nerds hinter Resistant Mindz.

Danach schimmert der Funk wieder in Form von Samples durch die Beats der weiteren Artists durch. Etwas verspulter und introvertierter bei „Nahdontlookdown“ von Crssspace, weitaus fröhlicher bei „Controlling Money“ von Label-Chef ReedFlavor. Dyze zeigt anschaulich in „M-YC & TRNSTR“, wie so ein Synthie-Sample zum Banger umgebaut werden kann und Mr. Beef kombiniert in „Firsstepsound“ auf putzige Weise 8bit-Sounds mit pseudo-fiesen Rave-Bass.

Krasses Ding, was Resistant Mindz hier auffährt. Wenn die kommenden Veröffentlichungen das Level halten, lohnt es sich, schonmal eine Sparbüchse für den Platten- und Tape-Kauf anzulegen.

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